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! I
Altpreussische
Monatsschrift
aeae Folge.
Der
Heuen Prtusisehen Proräiiol-Blatter
vierte Folge.
Herausgegeben
von
Rudolf Reicke und Ernst Wiehert.
Vierzehnter Band.
Der Proyinrial- Blätter LXXX. Band.
Mit Beiträgen
toh
Aiger, M. Beheiw-Sehwarzbacb, A. Benenberger, B. Bobrik, M. Curtze, F. Dann,
A. Ewald, F. Heyer, K. Höhlbaum, H.Hofflnaitn, F.Hoppe, W. KetrzyAeki, C. Lohweyer,
R. Müller, 6. H. F. Neaeelmaan, M. Peribaoh, A. Renson, A. Rone, F. Schultz,
J. StrebHzki, B. Saphan, M. Toeppea, Tb. Wlebert
und Ungenannten.
0*
Königsberg i. Fr.
Ferd. Beyer'a Verlag.
1877.
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Alle Rechte bleibeu vorbehalten.
. t . . . •
Heraiisgeber und Hitarbeiter.
Inhalts-Verzeichniss.
" V*N- ~W^-~
L Abhandlungen.
Colonisatorisches aus Ostprenssen. Von Dr. Max Beheim-Schwarzbach. 1—37.
Ortsnamen der Provinz Preussen. IV. V. Von F. Hoppe. 38—46. 39!»— -418.
Johann Arnos Comenius in Elbing. Von Prof. Dr. Alb. Keusch. 47 — 50.
Der ländliche Grundbesitz im Er m Lau de von der Eroberung Preussens durch den deut-
schen Bitterorden bis zum Jahre 1375. Von Hermann Ho ff mann. 51—100.
193—250.
Urkunden zur Geschichte der ständischen Versammlungen in Königsberg im Januar und
Februar 1813, betreffend die -Errichtung der Landwehr. Nach den Akten der
08tpreu8sischen General-Landschaft und des Oberpräsidiums der Provinz Preussen
herausgegeben von Robert Müller. (Portsetzung). 101—161. 318—339.
Urprenssen (aas erste Buch aus dem Manuscript einer Kircheugeachichte der Provinz
Preussen probeweise mitgetheilt) von Adolf Rogge. 251—296.
Der 24. Januar 1813 in Königsberg. Nach den Papieren des Ministers Theodor v.
Schon und dem Tagebuch des Landhofmeisters v. Auerswald. 297—3(7.
Aus der Correspondenz Herzog Albrechts von Preussen mit dem Herzog Christoph
von Wirtemberg. Von Dr. Theodor Wiehert. 385—398.
Die älteste litauische Chronik. Aus dem Bussischen Übersetzt von F. Neumann.
Herausgegeben von Dr. M. Toppen. 419—458.
Eine neugelundene litauische Urkunde vom Jahre 1578. Von Adalbert Bezzen-
berger. 459-475.
Neue Copernicana aus Upsala. Vortrag, gehalten im Coperoicua -Verein zu Thorn
am 4. Juni 1877 von Maximilian Curtze. 476—482.
Einiges über vorstädtische Gerichtsbarkeit von Dr. Franz Schultz. 521—535.
Der grosse Aufruhr zu Danzig im Jahre 1525. Von Dr. Johannes Strebitzki.
536-566.
Ueber die Verleihung Pommerellens an Herzog Przemvslaw von Gross -Polen 1282.
Von Dr. W. Ketrzyriski. 567—571.
Friedrich der Grosse, »ein Mehrer des Reichs* im Osten. Rede von ' Bernhard
Suphan. 572—584.
Der preussische Landberg, das älteste Romowe. Von AdolfBogge. 585 — 592.
Immanuel Kant's Ansichten Über das weibliche Geschlecht. Tischrede an Kant's Ge-
burtstage in der Königsberger Kant - Gesellschaft von Dr. Benno Bobrik.
593—612.
Ueber die Lage von Truso und über die Möglichkeit, dieselbe wieder aufzufinden.
Vortrag von Dr. Anger. 613—622.
IL Kritiken und Referate.
Dr. Franz Hipler, Christliche Lehre und Erziehung in Ermland und im preußi-
schen Ordenastaate während des Mittelalters. 162—165.
Derselbe, Die Chorographie dea Joachim Rheticus. 166—167.
IV Inhalts-Verzeichniss.
Dr. Franz Schultz, Geschichte der Stadt und des Kreises Kulm. Von M. Perl-
bach. 340—349.
Prot A. Keusch, Wilhelm Gnapheus, der erste Bector des Elbinger Gymnasimus.
349—352.
F. Hoppe, Ortsnamen des Regierungsbezirks Gnmbinnen. Von Adolf Rogge.
352—353.
Dr. Hans Prutz, Quellenbeitrage zur Geschichte der Kreuzzüge. Von M. Perl-
bach. 354—355.
Volke 1 und Thomas, Taschenwörterbuch der Aussprache geographischer und
historischer Namen. Von ) 355—360.
Carl A. Krüger, Geschichtsbilder für Volksschulen.. Von Eaca. 483—484.
G. A. von Mülverstedt, geschichtliche Nachrichten aus dem Geschlechte von
Gaudecker. Von Dr. M. Toppen. 623— ü25.
Wilh. Mannhardt, Wald- und Feld-Kulte. Thl. 1. 2. Von Felix Dahn. 626—629.
Der Verein für hansische Geschichte und die Bedeutung seiner Publicationen für
die Provinz Preussen. Von M. P. 168—176.
Jahresbericht des Vereins für die Geschichte der Provinz Preussen für das Vereins-
jahr von Ostern 1876 bis Ostern 1877. 360—362.
Anthropologische Gesellschaft zu Danzig. (B. S. Bestrebungen auf dem Gebiete
der Alterthumskunde der Provinz Westpreussen.) 484—488. 629—634.
Alterthumsgesellschaft in Elbing. 363—365. 634—639.
Alterthumsgesellschaft Prussia in Königsberg. 176—187. 365—371. 488—499.
640-670.
ffl. Mitthdlungen und Anhang.
Zwei Masariscbe Volkslieder. Von Dr. Frans Hey er. 188—189.
Zwei den preußischen Geschichtschreiber Lucas David betreffende Briefe. Mitge-
theilt von Prof. Carl Lohmeyer. 372—375.
Zu Drumann's Biographie. Nach Mittheilung des Prof. A. Ewald veröffentlicht
von Prof. Carl Lohmeyer. 500—503.
Mittheilungen über eine Ausmessung des Seeteiches bei Dambitzen. 503—505.
Vorläufige Mittheilung über eine Preussenfahrt des Fürsten von Hennegau im vier-
zehnten Jahrhundert. Zon Dr. Konst Hohl bäum. 671—672.
Die Partitur zu Geore Simon Lohlein's ,Todtenfeierc. 672—673.
Zu Joh. Gottl. Fichte s erstem Aufenthalt in unserer Provinz. 673.
Em Gedicht von Schiller in littauischer Uebersetzun?. Mitgetheilt als literarisches
Vermächtnis» eines theuern Verstorbenen von G. H. F. N e ss e 1 m a n n. 673—674.
Uebersicht der bei dem Landheer und der Marine in den Ersatzjahren 1874 — 77
eingestellten Preussischen Mannschaften mit Bezug auf ihre Schulbildung. 674.
Topographische Karte von Preussen. 675.
Umversitats-Chrouik 1877. 189. 505—506. 675—676.
Lyceum Hosianum in Braunsberg 1876/77. 506.
Altpreussische Bibliographie 1876. 506—515. 676—692.
Periodische Literatur 1876/77. 190—192. 376—384. 693—695.
Nachrichten. 376. 515. 695-696.
Kaufs Buhestätte (Aufruf). 384.
Zu Herrn Dr. Perlbach's Kritik. Von Dr. Fr. Schultz. 515—516.
Entgegnung von Voelkel und Thomas. 517—520.
Briefkasten der Bedacüon. 520.
Berichtigungen und Zusätze. 696.
Colonisatorisches ans Ostprenssen
▼on
Dr. Max Beheim-Schwarzbaeh.
I. Aus der Zeit des Kurfürsten Georg Wilhelm.1)
Wenn eine eigentliche „ Geschichte der Hohenzollernschen Coloni-
sationen,* insofern rationelle und systematische Colonisirung in Betracht
kommt, erst mit der Zeit des grossen Kurfürsten anzunehmen ist, so
haben doch auch schon seine Vorgänger vereinzelte derartige Experi-
mente vorgenommen, versucht, oder doch geduldet. Auch Georg Wilhelm
ist unter diesen letzteren Gelegenheitscolonisatoren zu nennen. In den
letzten Jahren seines Lebens weilte er hauptsächlich im Herzogthum.
War Ostpreussen auch von den eigentlichen Verwüstungen jenes Krieges
nicht so unmittelbar getroffen, so lag doch auch hier unter Steuerdruck
und ungerechter Vertheilung der Steuern und mancher anderen Last
seit vielen Decennien Ackerbau und Industrie im Argen; besonders
schlimm sah es in Litthauen aus. Aber es wurde kein energisches
Mittel angewendet, um hier zu helfen, ja ßs fehlte auch ein eklatanter
Nachweis der einzelnen Schäden, es fehlte an eingehenden Vorschlägen,
wie am besten und nachdrücklichsten geholfen werden könnte.2)
') Akten des Staatsarchivs in Königsberg.
2) In Litthauen waren in der Mitte des 16. Jahrhunderts die Feldflaren ver-
messen worden, nicht nur, wie Johan Lasitins (a. 1580) berichtet, um die Abgaben
zu reguliren, sondern auch, um die Bauern in Ordnung zu halten und an feste Wohn-
sitze und Gemeinden zu binden. Aber wo war dieses Landbuch? War es zu diesem
Zweck brauchbar? Wo ist es jetzt? Neuerdings hat Max Duncker letztere Frage wie-
der aufgeworfen und sich Mühe gegeben, diesen Kataster aufzufinden; verfasst war
das Landbuch 1560—1665 von Jan Laskowski zu Crottingen und soll nach mancherlei
Altpr. lfonfttMohrift Bd. XIV. Hft. 1 u. 3. 1
2 Colonisatorisches tos Ostpreussen
Eine Basis war aber für die Regulirung der bäuerlichen Verhält-
nisse dringend geboten. Was wollten vereinzelte kleine Colonisirungen
besagen? So war z. B. erst kürzlich unter Georg Wilhelm von dem
Amtsschreiber in Tilsit, wie es scheint, eine Colonie von drei holländi-
schen Dörfern etablirt worden. Der Bericht an den Kurfürsten erwähnt
hierüber den Namen Neu- Vogelahnen (?), „welches ich, sagt der Gründer
auch Ew. Ch. Gn. nebenst noch zwei Dörfern ausz Morästigem Ortt
vrbahr gemacht und von die hübe 30 Thlr. Zinse.*
Wenn energisch geholfen werden sollte, so bedurfte es, wie ge-
sagt, erst des genauen geographischen, lokalen Nachweises. Und eine
solche, wenn auch nur allgemeine Aufzeichnung, wurde im Jahre 1638
von einem viel bewanderten, speculativen Privatmann, Cornelius Vy nck
(oder Vincke), Doctor beider Hechte, versucht Viacke wandte sich an
den Churfursten mit dem Vorschlag, er wolle unterschiedliche wüste
Hufen mit holländischen, flämischen, westphälischen und anderen Kolo-
nisten besetzen, die Gegenden urbar machen, die Sümpfe und Moräste
trocken legen u. s. w. Hierzu verlangte er, in richtiger Erkenntniss
der Sachlage, gar keine Geldunterstützung, zunächst nur Vorschub bei
Aufsuchung und Auffinden dieser wüsten Stellen und später bei An-
setzung der (Monisten anderweitige staatliche Hülfe.
Gern ging Georg Wilhelm auf die erste Forderung ein. Vynck
wurde mit einem Pass resp. einer Instruction des Churfursten und einem
Mandat des Lehnsherrn versehen, der Oberjägermeister gab ihm ausser-
dem einen Befehl an die » Wildnissbereitter* mit, ihm die wüsten Stellen
in ihrem Bezirke zu zeigen und ihm mit jeglicher gewünschten Aus-
kunft und Unterstützung hülfreich an die Hand zu gehen. So begab
sich denn der intelligente Mann auf die Beise, die geeigneten Plätze
für seine Colonisten ausfindig zu machen. Er wandte sich natürlich
Schicksalen endlich in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts ans Privatbesitz
SA die Kftnigl. Regierung zu Qumbinnen gelangt sein, doch ist heute keine Spar
davon mehr aufzufinden, keine Behörde weiss davon, kein Archiv, keine Registratur,
keine Bibliothek kann darüber Auskunft geben. Vielleicht gelingt es dem gedruckten
Wort eher als brieflichen Anfragen, die Spar zu ermitteln and an die Adresse des
etwaigen Katesterbeaitien an gelangen.
von Dr. Max BeheSm-Schwarsbach. 3
meist an die ihm angegebenen Adressen der Wildnissbereitter, ferner
an die Landschöppen, Amtsscholzen, Hausvoigte etc., ein Mal sogar an
den Präceptor, der in Abwesenheit seines Herrn den Führer abgiebt
nnd die Bescheinigung ausstellt. Von jedem lässt er sich nämlich be-
scheinigen, dass er dort gewesen sei, was er gesehen habe und welcher
Qualität die gemeinsam inspicirten Ländereien seien. Er war über ein
Vierteljahr auf dieser Wanderung und hat namentlich Litthauen und
ziemlich den ganzen Norden von der Linie, die Königsberg und Stallu-
pönen mit einander verbinden würde, durchzogen. Sein Augenmerk
richtete sich zunächst auf die Niederungen und Sümpfe, „welche, wie
ein späteres Patent') des Ghurfursten sagt, bis annoch keinen nuzen
gebracht und durch holländisch-flämische leute urbahr gemacht*
werden können; ferner nahm er auch die „Höhungen* wahr, „woselbst
viel wüste hüben angetroffen, so durch Niedersächsische und hoch-
deutsche leute wiederumb besetzet und angerichtet werden können;*
Ueberdies hat er auch solche Gegenden ins Auge gefasst, deren naturae
sich zum Torfetich eignen und die auf Seeburgsche und Cöllnische Art
bearbeitet werden könnten. Auch alle möglichen Arten von Lehm und
Thon will er gefunden haben und auf Vynck's Vorschläge hin sah der
Churförst im Geiste schon „Italienisch Tischgeschirr, Livomischen weissen
oder blawen Porcellan* gewonnen. Viertens wurden die wasserreichen,
zu Fischerei und Entenjagd auf holländische Art etc., geeigneten Sümpfe
inspicirt, von welchen des Churförsten Jagdliebhaberei sich auch Grosses
versprach. Endlich sollten die hohen Sandberge in Angriff genommen
werden, so im Memelschen, Bagnitschen, „welche nicht allein natura
sua steriles, sondern auch die nächst umbliegenden lande, durch die
vom windt nnd stürm Überfahrten Staubichten Sandt* beschädigen und
mehr oder minder unfruchtbar machen; hier will Vynck das Land art-
bar und fest machen. Ueberall wird natürlich darauf Bedacht genommen,
dass durch eine etwaige Ansiedelung nicht den „Wildtnüssen, Wildt-
bahnen und jagten* Schaden und. Nachtheil erwachsen könne; auch
die Bescheinigungen sprechen fast jedes Mal sich hierüber aus.
*) Vom 21. Septbr. 1688.
4 Colonifatorisches aus Ostpreussen
Solcher Bescheinigungen sind noch achtzehn resp. neunzehn vor-
handen, 4) darunter drei von Hans von Duben, dem Landschöppen, dem
älteren und dem jüngeren. Die ersten Atteste waren höchst ausführ-
lich, die letzteren mehr summarisch gehalten.
Am ausführlichsten wird über ihn und sein Vorhaben vom Tilsiter
Amt aus berichtet, von jenem oben bereits erwähnten Gründer der drei
Holländerdörfer. Um Einiges daraus mitzutheilen. In dem Schreiben *)
an den Churfursten sagt der Unterzeichnete : „ich habe, weilen der Dr.
Com. Vynck seine intention zu vernehmen gegeben, dass er ein vieles
Volk und ezliche 1000 Mann gedächte hereinzubringen, morästge Orter
zu bewohnen und urbahr zu machen, ihm dazu, weil mir bewusst, wie
man in Holland Morast und Brücher hat urbahr gemacht, ferner An-
leitung gegeben und gute Hoffnung, ihm auch gesagt, wo er sich ferner
hinbegeben soll, dessen er sich gefreuet, habe ihm auch einen Mann
mitgegeben, der hierin guten Verstand und der beste, der hier anzu-
treffen, selbte seindt wieder zurückgekommen and eine gute Relation
gethan." (Folgt die Beschreibung, wo Vynck gewesen, nämlich in der
Gegend zwischen Russ und dem kurischen Haff) „Da nun, fährt der
Bericht fort, dieser Herr Doctor viel volcks brechte, könnte Ew. Churf.
Gn. wohl ein grosser Nuzen geschaffen werden, wenn solche leute nur
einen glitten directorium oder commissarium hetten, der das wohl ver-
stehet und an den sie sich halten möchten und Ihnen anfangs rath,
That und Vorschub möchte gethan werden, durch allerlei Mittel. * Er
beschreibt ferner, was auf jenem Grund und Boden am fuglichsten von
den Colonisten geschaffen werde, „dass sie alsdann zu gutter nahrung
•werden kommen können, dessen werde ihnen 3, 4, 5 oder 6 Jahre,
nachdem man mit ihnen wird handeln können, frei müssen gegeben
werden. Und weil vermuttlich es völcker von 2, 3 religionen, so cal-
vinisch etc. sein werden, deswegen Zeiger dieses Doctor privilegia umb
Exercirung der religion wird suchen wollen, wehre dieses hier auf mein
Bedenken, blosz zu antworten, gleich wie die gleiche religion auch in
Königsberg genugsamb vorhanden, sie auch nicht verfolgt werden.*
* • ■*
4) Eb fehlen jedenfalls mehrere solcher Bescheinigungen,
ft) Vom 30, Juli 1638.
von Dr. Max Beheim-Schwarsbach. 5
Er hat hierzu die beste Hoffnung, da auch in seinen drei Dörfern
teben solche Völker gewesen seindt, selbte aber sich nunmehr aüdoch
zu Unserer Evangelischen Kirche halten; Gott wird seine Kraft (und
hierzu Gnade) auch geben. * Zunächst möchte ihnen ein hölzernes Haus
als Kirche gebaut werden, die umwohnenden Pfarrherrs, ja auch die
yon Tilsit und Bagnit müssten „umbzech dorthin reisen und mit ge-
linden, annehmlichen kürtzen predigten einen Anfang machen. Da sich
dann ohn alle Zweifel Völker zur Predigt würden finden und dann her-
nach auch zur Communion, wenn man nun sehe, dass eine gemeine
von 50, 100, 200 sich samblen wollten, wurden sie denn wohl etwas
zusammenlegen und selbst einen Pfarrherr unterhalten, wenn bloss an-
fangs Ew. Churf. Gn. eine 200 G. darzulegen wollten. Gott wird her-
nach weiter seinen Segen geben. * Er hofft, es werde eine Oapitulation
mit Vynck zu Stande kommen, und verspricht sich hiervon recht viel,
„dafern der Anfang nur gemacht, getraue ich mir dann mehr landt zu
finden;* er verspricht sich von den einzelnen Hüben immer grössere
Erträge, „Anfangs nur 15, 30, 60, 90 und später 120 und vom Morgen
4 Thaler.11
Zunächst erwartete der Churfurst den ausführlichen Bericht von
Vynck, ehe er sich auf die empfohlene „ Oapitulation ■ einliest Diese
Darlegung erfolgte gleich nach Beendigung der Reisen. Unmittelbar
hierauf erfolgten wohl die Erklärungen des Ghurfursten, so dass wir
die Abfassung jenes datumlosen Schriftstückes von Vynck auf die
Mitte September desselben Jahres (1638) zu verlegen haben. Dieses
in vielen Beziehungen, besonders für die Geschichte des Bodens höchst
interessante Schriftstück lautet nun folgendermassen:
Lande und Niedrigungen durch Mich Unten beschrie-
benen im Herzogthumb Preuszen, mandato Illustrium
Duorum Begentium untersuchet und perlustriret so na-
tura loci bequem seindt, umb mit Holländischen colonis,
pauern und vieh besetzet zu werden.8)
•) Zu erwähnen sind die altertümlichen Ortebezeichnungen, wie ich denn
glaubte, die ganze Schreibweise Vinckes wiedergeben zu müssen.
g ColoniMtoritches aas Ostpreamn
1. Im Ambt Schacken, Sindt ohngefehr hundert wüste haben,
gelegen so im Bosenpusch, alsz andern vnterschiedlichen örtern, die
ohn schaden Churfurstl. Wildtnüsz besezet können werden, secundnm
testimonium Christophori Beckners Wildtnflszbereiters in selbigem Ambtt;
dienet allhier — pro memoria.7)
2. Unterm Ambtt Labiaw Sindt über zwanzig haben wüst,
gelegen in districta Laszen, nicht weit von Meere im Strohm, die mitt
wenig Kosten, sonder nachtheill Chnrf. Wildn. laut dem gezeugnüsz
Jonas Schillers, Wildtnüszbereiters im selbigen Ambtt, gleichfalls alsz
oben, können besetzet werden, d. a. p. m.
3. Unterm Ambtt Tillsitt sind Einvnd Neunzig wüste hüben,
gelegen in der beschwommenen Pagilie zwischen dem neuen auszge-
grabenen, vndt altem Bilisstrohm, da durch Dämme, Schleusen, Graben
vndt Wassermühlen dasz Wasser kan abgefuhret werden. Welche Vn-
kosten in Zeitt von zwei Jahren aus dem seichten, lemichten gründe,
durch säen von allerhand saat vndt Korn können eingebracht vndt wie-
der eingenommen werden, d. a. p. m.
Diese pagilie ligt immer fort vnter wasser, welches theils der Nord-
westenwind verursachet, so ausz dem Cührischen Haabe (Kur. Haff)
ausz dem Biliszstrohm hereindringet, alsz auch durch schmelzen des
Schnees im Groszfurstenthumb Littawen, welches Schneewasser den
Bilisstrohm schnell herunterkombt und vorgesagtes Haabwasser mit
einfeilt, dann aloo aufsteigt, das es die vorgeschriebene Pagilie vnter
Waszer sezet und beschwemmet, dieses alsz merkwürdig p. m.
4. Im Ambtt Bagnitt Sindt vngefehr sechzigk wüste hüben,
in vnterschiedlichen orten gelegen, bequem umb mitt holländischen
pauern besetzet zu werden, d. p. m.
5. Im Ambtt Mümmel (Memel). Im Kammer Ambtt Busze ist
eine treffliche niederung, die erst bestehet von zweihundert wüsten
hüben, so die littaw'sche pauern, allsz vnlandtt für wenig geldt arren-
diren, auch einige Ort von derselben Niederung, ohn bezahlnng, mit
*) Da dieser Schhussats ach fast jedes Mal wiederholt, so diene hierfür die
Abkürzung d, a, p, m.
N von Dr, Hu B«heim-8eliwanba«h« 7
Vieh besezen, lieget bey vndt zwischen den Dörffern Sackowen, Usz-
nogowen, Spocken vndt Laiben; noch seindt dahernmb 500 wüste hnben,
bestehen in Gestränch und Kleinholz, darinnen kein wildt vorhanden
ist, gelegen zwischen zweien Ströhmen Alkemen und Allgerau bei und
zwischen den Dörfern Laiben, Tuxlin und Jekischken, welche Niedrigung
über die Maszen, fort von grnnd, auch sonderlich bequem dienet p. hl
6. Im groszen Ambttlnsterburg Bestehen die Lande meisten-
teils in fruchtbaren Bergen, vndt hohen durchgehenden ebenen, die
sonderlich bequem sindt, vmb mit Oosterichen, deutschen colonis oder
pauern besezet zu werden, derer ich haufenweise gesehen vndt viel
hundert, durchs kriegswesen verpflogen sindt, in die Fürstenthümer
Schleszwick, Hollstein, Stormar vndt Ditmarschen, auch in Holland,
Brülligen vndt Frieszland vndt herumbs die Städte Lübeck, Hamburg,
Bremen, Staden und anderswo, d. a. als merkw. p. m.
7. Im Schulzenamt Petrisie unters Insterburgsche Amt ge-
hörig, habe ich durch trewe anweisung Hans von Düben des eitern,
hundert wüste hüben gefunden, so gelegen sindt in vestibulo oder
eingang des Waldes Packldiene, bei dem Flüszchen Pissa, beinahe den
Dörffern Grosz- und Klein-Ischüdigne, die über die maszen von die
hollandische Colonen bequem seindt, a. m. p. m.
8. Unterm Schulzenamt Mathesische, mit im Amt Insterburg
gelegen, in districtu Mollische genanndt, zweihundert wüste hüben, so
gelegen sind in guter fetter Niedrigung, keiner Wasserflut vndt Be-
schwemmung vnterworffen; die ersten hundert hüben werden genannt
Iszdack bei dem plüschen Bewer. Die anderen hundert wüsten hnben
bestehen in einem anderen Iszdack, an der Salve gelegen, bis an die
Wittendürsche Grenzen; beide zum Acker und holländischem Yiehe
bequem, d. a. merkw. p. m.
9. Noch ein trefflicher Ortt der Brandt genannt, perlustriret,
allda viel tausend halbverbrannte und niedergefallene Bäume bey ein-
ander liegen, daselbst sind ezliche hundert wüste hüben, keiner
Ueberschwemmung unterworfen, welche lande und niederringen im
respectiven Schulzenamt Petrisie und Mathesischen vndt in specie so-
woll die Iszdack alsz der Brandt genannt, in districtu Mollische ge*
g ColonigatoriecheB aus Ostprenflaen
legen, sich in longitudine über drei deutsche Meilen erstrecken, natura
loci bequem seindt, ohn hindernüsz Churf. Wildtnüs. NB. mit holländi-
schen pauern vndt vieh besezet zu werden, d. a. annotirenswürdig p. m.
Secundum testimonia Friderici Etmans vndt Hans Hammerschmidts,
Wildnüszbereiters in den respectiven Schulzenämtern Petrisie und
Mathesische.
Memoriae von sicheren Moszbrüchern, durch mich
unten beschriebenen in Churf. PreuszischenÄmbtern per-
lustriret.
, (10.) Im Ambte Tilsit Ueber dem Strohm Memell ein grosz Moosz-
brach gesehen, bestehet in sumpfichtem Grunde, zu Torf bequem, All-
hier generiren vndt werfen die Wulffe jährlich ihre Jungen, d. p. m.
(11.) Im Ambte Bagnit hab ich perlustriret die Kotsche Balie,
gross nach gedünken 300 hüben, bestehet meistenteils von Mosz auf
Wasser rastende, etzliche örter sindt von guter fester erde. Noch etz-
liche Meilen davon sindt zwei Moszbruche gelegen, jeder gross, nach
bedüncken meiner Führer 150 Hüben, meist von Moos auffm Wasser,
wenig orte davon von sumpfichten leichtem Grunde bestehende ; d. p. m.
Noch im selbigen Ambt Bagnit, einige Moszbrücher, doch
nicht gross, perlustriret, mehrentheils von sumpfichtem leichtem Grunde
zu Torf bequem, d. p. m.
(12.) Im Ambt Müm eil hab auch einerseits der Stadt Mümmell,
an der Churländischen Grenze in vnterschiedlichen Orten, nicht weit
von einander gelegen, hundert wüste hüben perlustriret, bestehen in
Gesträuch, von ziemlicher guter erden, meistentheils sumpfichter Grundt,
zu Torf bequem, d. p. m.
(13.) Noch die Jakischkischk Heide gesehen, gross nach Be-
dunken eines deutschen pauern, der mich allda geleitet, von 600 hüben,
überein Knie hoch mit Mosz besezet, hat an vielen Orten guten, sumpfich-
ten grundt, mit schwarzer Erde vermenget solte wol können durch-
graben werden und das Wasser abgeführet, darnach mit vieh besezet
und Sommerkorn darauf zu bauen bequem gemacht werden.
So zu verstehen, nicht überall, sondern wo kein Mosz, dann gutter
sumpfichter grundt oder schwarze erde ist, dasselbe könte mit geringen
▼oo Dr. Max Beheim-8chwarsbaoh. 9
Unkosten geschehen, umb das Wasser abzufahren, alldieweil solcher Ortt
an der einen, nahe bey dem Strohm Nimmig, an der anderen Seiten
bei dem Ghnrischen Haaff gelegen. Allhier kommen jährlich holländische
und andere Palkenirer, so ihre stellen zum Falckenfang anrichten, d. p. m.
Diese weitte Heyde ist natura sua weich von grundt.
(14.) Nicht weit vom vorbeschriebenen . Jakischkischen Heyde liegt
noch ein anderer Moszbruch die Eindtsche Heyde, grosz, nach be-
dunken des vorbemelten pauers, von zweihundert hüben, bestehet auch
meist im Mostigen Bruche, an ezlichen ortten sumpfichter Grundt,
könte bequem gebraucht werden, alsz oben. Ist gelegen ein Viertel
Uhr gehens von dem Minnig Strom, eine Uhr von dem Churischen Haff;
diese Heyde ist härterer Ungrundt, d. p. m.
(15.) Der dritte Moszbruch ist genannt die Stamkische Heyde,
lieget nahe bey dem Churischen Haabe, gross, nach bedunken als oben,
zweihundert hüben, von oben Mosz undt sumpfichter grundt, einige Orte
daselbst bequem alsz oben, d. p. m.
(16.) Im groszenAmbttlnsterburg. Im Schulzenamt Eattenau
ist ein Moszbruch, grosz, nach bedunken, hundert hüben, bestehet von
lauterem Mosz, so aufm Waszer rastet, sonder einige fundamentalerde.
Auch abgelegen von Waszer Ströhmen, Nirgends zu bequem alsz zu
bösem leichtem Torffe, d. p. m.
Die übrigen Moszbrücher werden in der Insterburgschen Lateini-
schen relation gedacht, ausbenommen ezliche wenige kleine Moszbrächern,
die als von geringer, importantz anzuzeichnen vnwürdig sindt, d. p. m.
Die Brucher oder Heyden, so von lauter Mosz undt in Waszer
bestehen sindt: (ut adsidua foetidaque aquarum putredine labefacta)
nirgends zu bequem, dann nur leichter Torff daraus zu stechen. Oder
da dieselbe bei Strömen liegen, können sie mit geringen Kosten, durch
Schleusen vndt Canalen mit eingelassenem Wasser besezet vndt zu
fischereyen gebraucht werden, d. p. m.
Die Brücher, die in leichtem sumpfichtem gründe bestehen, vndt
zum Torff dienlich sindt, können mit geringen vnkosten zu Acker, vndt
so folgig zum Wach8zthumb der Sommerfrüchte bequem gemacht werden.
NB. Ich hab an vnterschiedlichen ortten in den Ämbtern des
20 Colonirotorisehefl ans Oftpreuaen
Herzogthumbs Preuszen, See oder still stehende Waszer gesehen, die
natura sua vndt durch häufigen Vogelzug, so sich allda befindet, be-
quem sindt, vmb Vogel Heerde, quae latine aucupia enecupantur, allda
anzulegen, darin man viel tausend Enttvogels, ohn schaden der Ghurf.
Jacht vndt Vogelfangs auf die Holländische Art können gefangen wer-
den. Solches hat vor diesem Hertzog Henricus Julius von Brunschwieg,
hochlöblicher Oedächtnäs, durch einige holländische pauren, die mir
wol bekannt, in vnterschiedlichen ortten seiner lande anstellen laszen
vndt noch heutigen Tags ist daszelbe bey Eönigl. Majest. in Denne-
marck, Wie auch bei dem regierenden Hertzog von Holstein zu werck
gestellet, welches eine Subtile invention, nützliche und ergötzende Jacht
ist, Wodurch die Vnterthanen im Prisen viel können bedienet werden.
Diese artt Heerde zu machen und Kunst, die Vogels haufensweise zu
fangen, kann durch eine perszohn mit einem jungen verrichtet und
volnzogen, deszen die preuszische pauern von den holländischen in Eurtzer
Zeit vnterrichtet werden. Dienet mit als considerabel p. m.
Hab ich gefunden in specie von Weiszer und Bohter Lehm Erden,
instar terrae sigülatae, bequem umb Seeburgsche Töpffe und Erdene
Eruser auf die Seeburgsche und Eöllnische artt daraus zu machen,
auch bequem, Italienisch Erd Tischgeschirr gleich dem Liwornischen
weiszen oder blauen percelin darvon zu machen, daran gut Vortheile
vndt profit henget, Womit ein handel durch die Eönigsbergsche parti-
cipanten könte getrieben werden, gereichende zum beneficio der Ghurpr.
Dominien, zum Besten und dienst der Lande vndt Leute, d. mit p. m.
Ich habe auch ein ander ortt von Lehmgrundt gefunden, um davon
pfeiler auf die Marmorartt zu machen, so dienstlich sind zum Ornamenten
der Schornsteine, auch zu portalen in frontispiciis architecturarum, in
Kirchenbau, Palatyshäusern, statuen vndt anderswasz zumachen, die
auf die Italianische artt, hart gebrandt, gepoliret und durch kunstreiche
Arbeiter bereitet werden, daszelbe in Hollandt, vndt in specie zu Amster-
dam, auch ins Ghraffen Hagen (residentz Platen des Printzen von oranien,
zusambt den Herren Staden) viel gebraucht wirdt, d. m. als anmerk. p. m.
Ich hab an vnterschiedlichen ortten treuge, leichte vndt fette Mor-
grundt gesehen vndt vntersucht, womit vnterschiedliche Chr. pr. Vnter-
von Dr. Max Beheim-Bchwanbach. \\
thanen, so wenig holtz haben, sonderlich so in Prise fär ihren hausz-
haltung zu zurichten, alsz die Stuben warm zu mach, können bedienet
werden, auch solte der GhurfursÜ. Begierung daszelbe zu gutte kommen,
umb auf die holländische Weise aufs Torff stechen, einen Ghurf. Grundt-
zinsz, den die nutzem deszen ertragen, zulegen, d. b. p. m.
Hab auch so in den Ämbtern Mtimmel vndt Bagnitt, alsz anders-
wo im Herzogthumb Preuszen, viel Sandige Berge, inHollandt Duynen
genant, gesehen, die nicht allein natura loci steriles sindt, sondern auch
die nähest vmbliegende gutte fruchtbare Lande, durch den vbersteben-
den Sandt, verderben. Dagegen ein gutt mittel ist, dasz man aut die
holländische Manio^die Sandige Berge mit gewiszem Kraut, in Hollandt
Helm genant, bepnmtzet, dadurch das Verwehen des Sandes benommen
wirdt, d. m. als Anmerk. p. m.
Dasz solches geschehen kan vndt wahrha^ig ist, ist merklich zu
sehen an den holländischen Seekusten, welche mit einander von Duynen,
hohen vndt niedrigen Sandtbergen, bestehen, vndt mit vorbeschriebenem
Kraut, Helm genant, bepflanzet werden. So dienlich ist zu erhaltung der
vorgedachten Sandtberge, deswegen, damit dieselben nicht verwehen vndt
vernutzet werden, So folgig Hollandt mit dem Seewaszer, durch groszen
Windt vndt Vngewitter, bedeckt, vndt in Waszer gesetzt werden möchte.
Diesz ist das Jenige, Wasz durch mich Vntenbeschriebenen per-
lustrando, mandato Hlustr. EicelL Yrarum. in Electorali Borussia, ge-
merckt, vndt als denkwürdig aufgezeichnet worden. Worinnen sonst
weiter ad emolumentum sermi Elect. dienen kan, sollen dieselben mich
allezeit vmb dasselbe nach vermögen, effectuirlich zu verrichten treu
vndt aufrichtig befinden Meinem gebietenden Herrn
zu vnterthänigen, Willigen
4vdt treuen Diensten bereitwilliger
Cornelius Vynck.
Stellen wir die definitiven Angaben der wüsten Hüben und Bräche
im Auszug noch einmal zusammen, so ergiebt sich folgendes Bild. Er
hat in den Niederungen, auf den Höhen, in den Haiden und in den Moos-
brachen folgende Wüsteneien vorgefunden, die mit Colonisten besetzt
zu werden verdienten:
12 ColoniMtoriflcheg ans Ostprenssen
1. Im Amt Schacken 100 Hufen,
2. — — Labiau 20 —
3. Tilsit 91 —
4t. — — Bagnit 60 —
5. — — Memel:
a) im Kammeramt Rusz 200 —
b) an anderen Stellen 500 —
6. Im gross. Amt Insterburg sind viele Berge
und hohe Ebenen zu besetzen,
7. Im Amt Petrisie 100 —
8. — — Mathesische 200 —
4. Der Brand (AmtPetris.) etliche Hundert in
districtu Mollische 3 deutsche Meilen,
10. Im Amt Tilsit grosse Mosbrüche,
11. — — - Bagnit:
a) Eotsche Balie 300 —
b) Einige Meilen davon 300 —
c) Noch einige kleinere Mosbrüche,
12. Im Amt Memel 100 —
13. In der Jakischkischen Haide 600 —
14. Eindtsche Haide 200 —
15. Stamkische Haide 200 —
16. Im Qross-Amt Insterburg,
Schulzenamt Eatenau 100 —
ausserdem sehr viele andere grosse Bruche.
Das ergiebt als Minimum eine Anzahl von 3071 wüsten Hufen;
um vieles beträchtlicher würde sich die Zahl gestalten, wenn alle jene
Brüche hinzuaddirt werden könnten, die hier einfach als »gross* auf-
geführt sind und von denen er sagt, dass sie sich Meilen lang erstrecken !
Dem Churförsten klang diese Sprache mit den vielverheissenden
Aussichten sehr verlockend; er zögerte auch keinen Augenblick, ernannte
Vynck zu seinem Agenten und stattete ihn sofort mit einem Patent
aus, das den Zweck einer Legitimation haben sollte. Denn Vynck
wollte jetzt, nach Genehmigung des Ghurfursten, ohne Zaudern auf die
von Dr. Max Beheim-Sehwanbach. J3
Heise gehen, die Colonisten zu suchen und herbeizuschaffen; es war
nöthig, dass er sich diesenr gegenüber mit Vollmachten ausweisen konnte.
In diesem Patent9) fasste Georg Wilhelm zunächst noch ein Mal
alle die Gründe zusammen, die es wfinschenswerth erscheinen Hessen,
mit grösseren Golonisirungen vorzugehen:
«Nachdem in Unserem Herzogthumb Prenszen sich viel örter be-
finden, welche bisher theils garnicht urbar gemacht und unfruchtbar
liegen blieben, dasz darausz kein "Nutzbarkeit gehoben, theils durch
Kriegsruin, Pestilentz und andere Ungelegenheiten gantz wüste und Öde
verlassen und noch nicht besetzet werden konnten, derowegen nicht
unbillig darauf zu denken, wie solches Landt so cultiviret und wieder-
umb mit besetzten bauern in aufihahme gebracht, dasz darausz nutz
und frommen geschafft undt die Intrados verbessert und vermehret
werden mögen und weilebey dasz der Hochgelarte beider Rechten
Doctor Cornelius Yynck diese loca steiflia und desolata zu unter-
suchen und fremde colonias herein in Unser Herzogthumb Prenszen zu
führen, welche besagte örter durch fleiszige Arbeit undt dienliche Mittel
fruchtbar zu machen und die wüsten hüben auf Ihre eigenen Vnkosten
besetzen möchten (vnd auch einige Umsuchung gethan). Als haben
wir fl. D. Gor. Yynck die gebotene perlustration und Untersuchung zu
seinem Intent bequemes Landes in Uns. Herzogthumb Prenszen allhie
nicht allein gnedigst bewilligt, sondern demselben auch hierzu vor
unsern Agenten von hausz ausz verordnen wollen, dasz er mit Zuziehung
Unsrer Beambten und Wildniszbereitern dienliche Örter in Augenschein
nehme und exploriren möge/ . . . darauf wird aufgezählt, was alles der
Doctor bisher untersucht, wie er es gefunden habe und was er für die
Zukunft durch seine Colonisten daraus zu machen gedachte. «Weil
dann mehr besagter Agent, geht der vorsichtige Wortlaut weiter, das
vnterthänigste Anerbieten auf seinen eigenen Impens und Unkostep
(dieser Passus wird häufig hervorgehoben!) ohne Ynsere Zuthuung oder
dasz Ynser Agent Gel dt auf Ynseren Namen oder andere Mittel Vnsret-
wegen zu gebrauchen befugt sein soll, ausz Holland, Frieszland, West*
•) Vom 21. Sepibr, 1638,
14 Colonifatorisches ans Ottpreufaen
falen und andere lande tüchtige Leute zu Anrichtung und Betreibung
abgesetzter stücken in Ynseren Herzogthumb Preuszen, einzuführen, So
haben wir mit diesem Unserem öffentlichen Patent und Bewilligung Ihn
hiermit gnedigst versehen wollen, auch den neuen colonien und Leute,
10 Er hereinbringen wirdt, gewisse conditiones, Wasz wir von Ihnen zu
erwarten und sie zu thun verpflichtet, worauf sie sich herein begeben
und Wasz sie zu genieszen haben sollen, Unter Vnserm eigenen handt
und Churf. Innsiegel In Gnaden ertheilen wollen . . . .*
Auch diese conditiones wurden Vynck gleich mitgegeben, damit
er dieselben den Anzuwerbenden gleich zeige. Diese Conditiones sind
im Allgemeinen liberal gehalten, nur in einer wichtigen Frage ist der
ursprüngliche Entwurf dieser Bedingungen vom Churffirsten nicht un-
wesentlich abgeändert und eingeengt worden. Im Entwurf wurde näm-
lich, wie in jenem oben erwähnten Vorschlag Seitens des Tilsiter Amts
unbedingte Religionsfreiheit empfohlen; die Einschränkung durch Georg
Wilhelms wohl eigenhändige Marginalbemerkung sei als Note unter den
Text erwähnt
Hier die „Conditiones* mit ihren fünfzehn Punkten. Conditiones:
mit welchen der durchlauchtigste Hoch geb. Fürst und Herr, Herr Georg
Wilhelm Marggraf zu Brandenburg etc. Alle und jede Holländer,
auch andere Ackersleute, welche sich des Ackerbaues halber in das
ChurfDratL Theil Preuszen begeben werden, begaben will.
Erstlich alle und jede Holländer und andere Ackersleute, welche
sich in das ChurfBrstL Theil Preuszen begeben werden, sollen ") ohne
Inquisition und ohne einige Beunruhigung des eiercitii Ihrer Religion
zu genieszen haben, wenn nur in ihren Häusern, ohne einige ärgernis,
dieselbe verbleibt
Vors andere sollen gedachte Ackersleute, nach Berechnung eines
gewissen, viel Jahre inhaltenden Termins Jahr Jährliches eine gewisse
flummam Geldes zur Ermiethung der Hüben auszahlen und soll ein
**) Die Margmalbemerkong kniet: »sollen diejenigen, welche roter der Evan-
gelischen religion begriffen, ungescheut verbleiben, die sectariy aber, welche in den
▼ier ersten Genertl-Coneflüs und in der Augsburguchen Confesnon verworfen and
nicht geduldet werden, sollen hiervon aufgeschlossen »ein.
tob Dr. Max Behetm-Sehvanbach. 15
jedweder seines Interesse oder Parts halber verobligiret sein; da denn
auch eines jedweden Landes oder orts frucht oder Verfruchtbarkeit in
Acht genommen und also nach Gültigkeit und wehrt der Acker eine
rechtmäszige wardirung der Miethsgelder halben gesetzet werden soll.
Drittens. Nachdem der erste terminus der Yermiethungsjahr ver-
flossen, soll der ander termin auf dergleichen Jahre und fernere Ver-
handlungen continuiret oder gehalten werden: die benannten Ackers-
leute aber sollen ein gewisz Auskaufgeld S. Ghurf. Gn. als ein hono-
rarum an barem Gelde einzuliefern schuldig sein, welches dann nach
Untersuchung der Ackerwürdigkeit undt Fruchtbarkeit des Landes fug-
licher geschehen wirdt.
4. Diejenigen, welche wüste Äcker orbar machen sollen oder wer-
den, denen wird S. Churf. Gn. gewisse Jahr zinsfrei geben, hernacher
aber sollen sie vor solche Länder, wie recht undt billig, ablegen.
5. wirdt S. Churf. Gn. auch überdasz gedachten Ackerleuten, mit
notwendiger Holzung, zu Verfertigung ihrer Gebäude, darin die Landes-
früchte behalten bleiben sollen, dann auch ihrer Stuben und Häuser
erbauung, auch anderer nothdurft willfahren; Welches Holz dann in
Sr. Churf. Gn. angrentzenden Wäldern, deren Sie ohne ihre Unkosten
zu genieszen haben mögen, ihnen angewiesen werden soll ")
6. Sollen sie von allen Amtspflichten, sonst Scharwerken genannt,
wie auch von allen anderm Personal und real Dienstbarkeiten frey und
ausgeschlossen sein, ausgenommen Wenn Contributiones in allgemeinen
Landtagen beliebet werden. (Marginalveränderungen).
7. Sollen sie auch, vermöge des Churf. Antheils Preussen Statuten
vollkommen macht haben, über ihre Gfltter, vermittelst testamenten,
Legaten, Codicillen, Donation unter Lebendiger oder Todeshalber, alsz
ihre Köllmische Gfltter zu disponiren, dergestalt, dasz die Götter eines
verstorbenen Unterthanen oder Ackermanns (dafern kein Erbe auszer
testaments vorhanden were) dem Fisco nicht unterworfen sein und hin-
gegen der verstorbenen Gütter an ihre Erben ohne testament, es sei
in aufsteigender, niedersteigender oder seit linien, gelangen sollen.
") Marginalbemerkong: »Mit dem Brennholts aber soll es vermöge abgetauter
Bottaordnuug gehalten werden.4
16 ColoniMftorisehet ans OstprenMen
8. Mehr gemelte Ackersleute sollen befugt sein, ihre Gütter oder
fruchte, so sie auf ihrem Lande oder Acker erbauet, zu verkaufen und
abzuführen, in welcherlei Stadt oder Dorf es ihnen gefallen oder ge-
lieben wirdt.
9. Es sollen obengedachte Pauern sich ausz diesem Herzogthumb
Preuszen allemahl, so offt es Ihnen gefellig, wan Sie Ihrer Churf. Gn.
den gebürlichen Zins etc. gezahlet und entrichtet, weg zu begeben
frey haben.
10. Es wirdt Ihnen auch den Pauern hiermit zugesagt, dasz Sie
in dem Durch- und Ausziehen ausz diesem Herzogthumb Preuszen an
allen Päszen und Zöllen ungehindertt und zollfrey mit Ihrem bei sich
habenden Gesinde und mobilien durchgelaszen werden, auszbenommen
die Eauffmannszwaaren und alle anderen Sachen so verzollet werden,
welche hierunter nicht sollen verstanden undt, eximiret und gleich an-
derer Leuten waare verzollet werden.
11. Und damit Sie, die Pauern in ihrer Wirtschaft und Nuzbar-
keit nicht gehindert werden möchten: So wollen Ihr. Churf. Gnaden
Ihnen ausz gnade hiermit nachgegeben und zugelassen haben, dasz sie
unter sich in Grabung, und Haltung der Graben, Schleusen und Dämme
auch Wassermühlen gutte ordinantz zu machen frei haben sollen, gleich
wie allhier in der Marienwerderschen Niederung gehalten wirdt damit
also die Früchte der Erde könnten vor gefahr gesichert werden: Soll
demnach umb desto viel mehr alle die wiederspenstigen und Ungehor-
samen mit einer gewissen Straffe zu belegen und wieder Sie wurklich
zu exequiren Ihnen frey stehen.
12. Es soll auch oft gedachten Pauern in allen Sachen tarn civili-
bus quam criminalibus allemahl das Recht vermöge dem Pr. Landt
Bechtt, welchem Sie sich zu submittiren, ungesäumt und unverzüglich
gepflogen werden.
13* Dann sollen sie auch die sämmtlichen, so wohl Holländische
Elammische als Hoch- undt Niederdeutsche Pauern den anderen ein-
heimischen undt in diesem Herzogthumb Preuszen geborenen Pauern
in allen beneficieü gleichgehalten werden, doch so viel das Landt
Bechtt zulasset.
von Dr. Max Beheim- Schwarzbach. 27
14. Endlich, obgleich die Hochdeutschen Pauern gewohnet sindt,
Scharwerk und Dienste zu thun: So wollen doch Ihre Churf. Gn. in
hoc casu den Hochdeutschen gnedigst vergönnen, dasz Sie kein Schar-
werk thun sollen und nur zur recognition desto höheren Zinsz von den
arrendirten Hüben zu geben sollen schuldig sein.
lö. Diese Conditiones, welche gedachten Ackersleuten aus sonder-
lichen Gnaden verstattet worden, sol (dafern hierin etwas ausgelaszen
wer) S. Churf. Gn. nach erheischung der noht, und auff künftige be-
gebende fälle, oder nach Gelegenheit der perszonen, zu vermehren und
zu auffnemen des gemeinen bestens zu corrigiren, auch hinfüro zu er-
weitern, frey stehen.
Zu mehrerer Uhrkundt sindt diese Conditiones etc. von S. Churf.
O. eigenhändig unterschrieben unndt mit dem herzogl. Siegel
23. Septbr. 1638. Sermus Elector subscr.
II. Ansiedelung8fbrmen nach der Pest auf Grund der Patente von
1710-1740.
Der Hauptgrund, warum grossartige Versuche der ersten Könige
Preussens, Friedrichs I. und namentlich Friedrich Wilhelms I. gemacht
wurden, starke Colonisationen nach Ostpreussen hinzulenken, war be-
kanntlich die durch die fürchterliche „Contagion* des Jahres 1709 ent-
standene „Evacuirung* des Landes; es waren durch die Pest grässliche
Lücken in der Bevölkerung gerissen. ")
„Die verschiedenen örther im Königreiche, klagt ein Anonymus,
welche sonsten ein Ueberflusz an Menschen gehabt, sind davon so sehr
entblösst worden, dasz die schönsten und fruchtbarsten Ländereien aus
Mangel der nöthigen Kultur zur Einöde und Wüste geworden.*
Friedrich I. liess noch in dem Jahre der Pest ernsthaft untersuchen,
was geschehen müsste, um hier energisch zu helfen (so d. 31. Juli 1709).
Aber die Kammern wussten nicht viel zu rathen; was sie riethen, war
an und für sich gut, aber schwer durchführbar und nicht von radikaler
lf) Vgl. u. a. den interessanten Aufsatz von Schmoller »die Verwaltung Ost-
preuss. unt. Fried. Wilh. I « Histor. Zeitschr. v. Sybel XXX, S. 40—72.
AJtpr. Mon»U»«hrlft Bd. XIV. Hft, 1 o. 2. 2
Ig Colonisatoritches aus Ostpreassen
Wirkung. Hauptsächlich wurden grössere Colonisationen vorgeschlagen,
(29. August 1709). Das war auch die Ansicht jenes Anonymus, der
ein grösseres Schriftstück aufsetzte, um Mittel anzugeben, wie der zu-
nehmenden Entvölkerung am Besten Einhalt gethan werden könnte;1*)
nur war er anderer Meinung über die Art und die Bedingungen der
Etablirung, die „ Conditiones mussten noch favorabler gemacht und durch
Patente überall, besonders bei den Armeen publicirt werden, da dann
bei erfolgtem Frieden und Reduktion der Miliz sich nicht wenige finden
dürften, welche dergleichen propositiones goutiren und etwas hauptsäch-
liches bei Besetzung der wüsten Hüben entrepreniren würden.8 ") Es
wurden die verschiedenen Räthe zur Begutachtung dieser Pläne ange-
gangen; ") sie waren natürlich getheilter Ansicht. Warm tritt Dohna
hiefür ein; auch er ist für grössere Colonisationen, aber im anderen
Style als bisher, auch seine Meinung ist „ein Potentat wird nicht durch
die grosse &endue der Länder, sondern durch die Menge der Unter-
thanen gross und mächtig, tf die nächste und wohlfeilste Hülfe schiene
natürlich aus den eigenen Ländern und Provinzen herzukommen, da-
durch würde aber die Anzahl der königlichen Unterthanen nicht ver-
mehrt, sondern es finde nur eine Versetzung der alten Statt, also —
colonisiren; er lobt die Schweizer, in gleicher Weise muss fortgefahren
werden; ,so lange man gute arbeitsame Bauersleute aus fremden Oertern
bekommen kann, thut man gut, selbe nach Preussen zu schicken;* vor
Allem räth er „die Leute aus der Kastellanei von Beyssell nicht. zu
negligiren, maszen diese Leute nicht aus Uebermuth, sondern aus Noth
ihre sonsten zureichenden Güter anhero zu bringen wünschen und also
bei ihnen keine Leichtsinnigkeit, sondern beständige Etablissements zu
vermuthen.*
Wie weit die Ansichten des Anonymus, der Bäthe, speciell Dohnas,
n) Unvorgreifliche Gedanken wegen repeuplirung derer durch die Contagion
desolirten Orther im Königreich Prenssen. Unterschrieben salvo meliori. (ohne Datum,
aber wohl 1712 oder 1713).
14) »Viel von die Armee lassen sich wohl an and werden, obs Gott will, das
ihrige prestiren* (Dohna).
») den 17. Febr. 1713.
von Dr. Max Beheim-ßchwarsbach. 29
die Entscheidung des Königs beeinflusst, sei dahingestellt, doch kommen
von nun an die Kolonistenpatente in schneller Aufeinanderfolge vor.
Wenn bis zu jener Zeit nur vereinzelte Edicte an Fremde ergangen
waren, sich in Ostpreussen niederzulassen, so erscheinen jetzt solche
fast in jedem Jahre, oft mehrere. Das Schlimme war nur, zu um-
fassenden Colonisationen waren höchst unzulängliche Mittel vorhanden ; wie
Dohna sagt, waren „bei damaliger grosser depense zu dem Kriege und
übrigen splendeur bei Hofe keine grossen Geldsummen zu dem Etablisse-
ment, ohne Confusion in die Kassen zu bringen, zu erwarten.* Aber
an Versuchen zu grösseren, möglichst billigen Colonisationen wurde
rüstig Hand angelegt, zunächst also in einladenden Patenten. Diese
Patente und Edicte sind von grosser Wichtigkeit für die Colonisation
Ostpreussens; sie haben nicht nur Leute aus allen möglichen Landen
herbeigezogen, sondern sie ermöglichen auch eindringende Blicke in den
Zustand des Landes, in die Arten und Formen der Ansiedelungen, das
Wesen der Colonisten, die Intention der Monarchen und zum Theil
auch die Folgen der Colonisationen. Es sei gestattet, das Zusammen-
gehörige und Wichtigste aus diesen einzelnen Patenten, so weit solche
erreichbar waren, heraus- und nebeneinander zu stellen. Es sind 27
resp. 17 unten nummerirte und mit Titeln angegebene Patente ,8) heran-
gezogen, wobei zu bemerken, dass die auf die Salzburger Colonialver-
hältnisse bezüglichen Patente absichtlich ausser Acht gelassen sind,
weil diese Colonie in vielen Beziehungen eine Separatstellung einnimmt.
") Folgende Patente sind für diese Zusammenstellung herangezogen worden:
1) 16. April 1711. Conditiones, worauf die wüsten Erbe eingeräumt werden sollen.
2) 24.0ktob. 1711. Conditiones für Ackerleute, Knechte, Mägde, Handwerker etc.
3) 8. Not. 1712. Conditiones für Beamte, Arrendatoren, Müller etc.
4) 31. März 1713. Warnung, die Colonisten nicht zu beunruhigen.
6) 6. Aprü 1713. Ermahnung an die Colonisten.
lö.Septb. 1713. Verordnung, dass die aus dem Culmschen und die Mennoniten
frei Ton aller Werbung etc. sein sollen.
6) 17. Okt. 1713. Die Ordre vom 16. Septbr. gedruckt.
(ll.Septbr. 1714. Eigenhändige Verfügung K. Wilh. über Ansetzung von Colonisten
in Lithauen).
(15. März 1718. Edict über Vergünstigungen der von ihren Renten lebenden in
den Städten sich niederlassenden Colonisten).
2*
I
20 ColonisatoriBch.es aus Ostpreussen.
Es ist zunächst fast in allen Patenten eine gewisse Gleichförmig-
keit nicht zu verkennen; zuerst wird kurz der Grund erwähnt, wes-
halb und wo colonisirt werden soll; darauf werden die Adressen ange-
geben, welche Klassen von Leuten hauptsächlich gewünscht werden,
schliesslich folgen die „Conditiones." Dabei herrscht jedoch, je nach
dem augenblicklichen Dafürhalten des Monarchen und der Käthe Mannig-
7) 21. Nov. 1718. Patent vor die Neu Anziehende, welche sich im Königreich Preussen
näus8lich niederlassen wollen. (Von nun an haben die Patente meist Titel.)
(10. Juli 1719. Aufhebung der Leibeigenschaft in Preussen).
(23. Nov. 1719. Schlesische Emigranten (Seidenwirker) werden nach Pr. eingeladen).
(lO.Dec. 1720. Edict wider die Zigeuner).
8) 5. Febr. 1721. Patent vor die Neu Anziehende, welche sich im Königr. Preussen
in denen Littauischen Aemtern niederlassen wollen.
9) 6. März 1721. Wiederholtes Patent, dass S. K. Maj. den Zustand dero Preußi-
schen Immediat Unterthann auf alle Weise zu verbessern und dieselbe zu
conserviren sich allergn. angelegen seyn lassen.
(21. April. Aufforderung an die Mennoniten nach Pr. zu kommen).
10) 30. Decemb. 1721, Patent worin S. K. M. Allergn, bekannt machen, Was Sie so-
wohl dero Unterthanen, so bereits im Königr. Pr. etablirt seyn, als denen,
So sich daselbst annoch zu etabliren Willens seyn, vor Gnade angedeihen
lassen wollen.
11) 6. April 1722. Patent betreffend die Immunitäten und Freiheiten, So S. E. M.
denenjenigen, welche sich in den Preussischen Städten StaUupönen, Tapiau,
Ragnitt, Biala und Nicolayken possessionirt machen wollen, zu aecordiren
allergnäd. gemeinet sind.
12) 14. April 1722. Edict wegen Wiederbesetzung der wüsten Köllmischen Hüben im
Königr. Preussen.
13) 10. April 1723. Edict, dass Niemand mit Gewalt nach Pr. zu gehen angehalten
werden soll, und was diejenigen, So freywillig dahin ziehen wollen, Vor
Beneficia zu gemessen haben.
(10. Aug. 1723. Gegen Juden und andere böse Leute).
14) 2. Febr. 1724« Wiederholtes Patent, dass noch mehrere Handwerker von aller-
hand Possessionen, wie auch 400 Familien arbeitsamer Leute So des Acker-
baues und der Viehzucht kundig, nach Pr. verlanget werden und was sie
vor douceurs gemessen sollen.
(2. März 1724. keine Polen in Lithauen ansetzen).
(24. März 1724. keine Szamaiten, Judden oder Polen als Colonisten ansetzen).
15) 26. Juni 1726. Patent» dass S. K. M. denen in Lithauen angesetzten Colonisten
und Bauern die Höfe und Wohnungen sammt der Hofwehre zu schenken
allergnäd. gesonnen wäre und dass selbige dannenhero um so viel mehr
sich müS8ten angelegen sein lassen, ihre Höfe in gutem Stande zu erhalten.
16) 30. März 1734. Patent wegen Ansetzung mehrern Unterthann, Hausleute, Leine-
weber und Spinner in und bei den Dörfern.
(1739, 3. Oktob. Die Colonisten sollen truppweise nach Pr. ziehen).
von Dr. Max Beheim- Schwartbach. 21
faltigkeit in den einzelnen Theilen, oft wird diese, oft jene Qualität an
den Colonisten gewünscht, oft werden günstigere, oft niedrige Bedingungen
gestellt, einige Patente füllen kaum eine halbe Seite (Nr. 5, 6, 1), an-
dere umfassen vier Blatt, 7—8 Seiten (7, 10, 14). Nur geschäfts-
mässig klingen die ersteren Patente, lebhafter und entschieden von
Friedrich Wilhelm I. selbst beeinflusst, wenn nicht gar dictirt, ist der
Wortlaut nach den Reisen des Monarchen in Lithauen, wo er mit eigenen
Augen das Elend hat schauen können, besonders 1718, vor Allem 1721. —
So lauten die Motivirungen der Patente unter Friedrich I. ganz einfach
als Wünsche „zur Wiederbesetzung der in einigen Aemtern wüst ge-
wordene Erbe* (1), oder auch fast lockend: „nachdem es Gott gnädigst
gefallen hat, unser Königreich Preuszen, von der Contagion, welche
daselbst insonderheit verschiedene gegen Lithauen gelegene Aemter sehr
betroffen, völlig zu befreien, haben wir nach herzlichster Dankbarkeit
vor solcher Göttlichen Barmherzigkeit Unsere Landesväterliche Vorsorge
darauf gerichtet, die durch die Pest wüst gewordene örter mit Ein-
wohnern wieder zu besetzen.* (2) Diese Wendung „dass das Land
Preussen von der Contagion schon vor etlichen Jahren durch Gottes
Gnaden wieder befreit sei, Ä findet sich öfters vor (3). Auch wird wohl
der Zusatz gemacht, dass immer „noch viel geschickte* Beamte, Ver-
walter und namentlich „bemittelte* Leute, nöthig sind.
Viel anschaulicher ist es schon, wenn Friedrich Wilhelm I. sagt,
dass er bei seiner letzten Anwesenheit in Preussen den Zustand des
dortigen Landes in eigener Person untersucht und befunden habe,
„dass viele eingegangene Höfe annoch unbesetzet und wüste liegen,* (7)
dass er deshalb resolvirt habe, „diese mit guten und austräglichen
Ländereien versehene unbesetzte Höfe hinwiederum anzubauen. * (7) Er
drückt lebhaft seinen Wunsch aus „die Conservation der Preussischen
17) 10. Jan. 1740. Patent, dass allen Fremden, so sich in Preussen ansetzen and
unbebaute Hafen annehmen wollen, 2, 3—4 degl. Hafen za freien Rechten
and noch überdem mit 6 Freijahren sollen verschrieben werden. — Im
Text ist stets auf die vorgesetzten Nummern von 1 — 17 Bezug
genommen; erwähnt sei noch, dass mehrere dieser nomerirten Patente in
den »HohenzoU. Colonisationen* nicht enthalten sind. Die namerirten Pa-
tente sind aas dem Königsberger Staatsarchiv.
22 ColonisAtorfeches aus Osipreussen
Untertbanen und Verbesserung ihres jetzigen schlechten Zustandes auf
alle Weise zu befördern, auch alles Mögliche beizutragen, damit das
von denünterthanen jetzt merklich entblößte Land wiederum
peuplirt werden möchte* (9). Und klingt es nicht fast wie ein jäher
Schrecken aus den Worten heraus, wenn er selbst sagt, „er habe bis-
her ja schon oft durch Druck bekannt machen lassen, dass er gern das
durch die Pest und andere Unglücksfälle zurückgekommene Preussen
wieder in Aufnahme bringen möchte, aber so schlimm habe er sich den
Schaden doch nicht gedacht, noch niemals habe er den eigentlichen
Zustand der Preussischen Länder so genau als bei seine in diesem
Jahre (1721) gethanen letzten Reise in Augenschein genommen.* (10)
Nichts suche er mehr, sind seine eigenen rührenden Worte, nichts
wünsche er mehr, als Unsere Preuss. Lande und Unterthann
wieder in vollkommenen Flor zu sehen. (10)
Es ist bekannt, dass er nach jener Reise die grosse Domäne n-
Gommission einrichtete. Der Zweck dieses Instituts war, „ damit nicht
nur alle Mängel und Lasten, wodurch Unsere Unterthanen bisher be-
drücket worden, abgestellt, sondern auch gedachte Unterthanen, auf
solchen Fuss gesetzt werden mögen, dass sie auf keinerlei Weise, weder
durch ungebührliche exeeutiones von verschiedenen Cassen beschwert,
noch durch Aufbürdung mehrerer Lasten, als sie zu tragen vermögen,
ausser dem Stand gesetzt werden mögen, dass sie sich ehrlich und wohl
ernähren können/ (10.)
Verschieden ist die Gattung und Qualität der Gesuchten. Zunächst
die Nationalität. In den ersten Patenten werden vornehmlich die ein-
gebornen aber aus den Provinzen „ausgetretenen Unterthanen reclamirt,
vindicirt und zurückgerufen* (1,2) und auch die Unterthanen, die in an-
deren Provinzen leben, werden aufgefordert, nach Preussen zu ziehen
(2), so dass erst im zweiten Treffen die „Frembden und Benachbarte*
kommen, die ins Land eingeladen werden, „so sie sich in Preussen
niederzulassen vorhaben* (1,2); eigene Patente werden an die Schweizer
gerichtet, auch derer aus dem Bischofthum Gulm und der Mennoniten
aus Graudenz wird besonders gedacht (S); im Allgemeinen aber ergeht
lediglich an die Bewohner der „benachbarten Lande* überhaupt der
von Dr. Max Beheim-Schwaribach. 23
Einladungsruf (9); nur Polen, Szamaiten und Juden will der König
durchaus nicht ansiedeln (13a, 14a, 6) ihnen traut der Monarch u. a.
auch zu, dass sie als böse Leute die anderen Colonisten wieder auf-
wiegeln (13a). Auch in Betreff der Religion hat Friedrich Wilhelm,
von dem ja fast ausschliesslich zu sprechen ist, keinerlei Beschränkung
auferlegt, doch scheint er es als selbstverständlich zu betrachten, dass
nur Lutherische und Reformirte ins Land kommen, ihnen versichert
er, „dass er alle Veranstaltung getroffen habe, dass sowohl in Städten
als attffm Lande wegen des Gottesdienstes unterschiedene neue Evan-
gelische, Lutherische und ßeformirte Kirchen angelegt wurden8 (14).
Die Glaubensbedrückungen in anderen Ländern, die sehr gut für die
Colonisirungen hätten verwerthet werden können, wie es ja später auch
Friedrich II. in sehr ergiebiger Weise that, hat Friedrich Wilhelm in
seinen Patenten nicht vorgeschoben, ausser bei der Salzburger Colonie.
Wohl aber wird auf den grossen materiellen Vortheil hingewiesen,
dessen sich die Colonisten selbst in Preussen zu erfreuen hätten. Alle,
die bisher angesiedelt sind, heisst es, sind „sonderlich mit ihren ange-
wiesenen Gütern, Bedienungen, Gehalt und andern Verrichtungen zu-
frieden8 (2); sie finden überhaupt für sich und die ihrigen „ein Heh-
reres, als zu ihrer Unterhaltung und Abführung der darauf haftenden
Prästationen erforderlich8 ist (7). Sie werden hier so gestellt, „dass sie
ihre Nahrung ruhig treiben, auch was sie nöthig haben, fuglich ver-
dienen können8 (9). Der König „lebte der allergnädigsten Hoffnung, es
werden sich so viel eher Leute finden, dass sie sehen und spüren können,
Wie er ihnen nicht nur jeder Zeit allergnädigst Schutz leiste, sondern
auch an jedem Ort ein gutes Auskommen angedeihen lassen8 (10).
Aber dafür verlangte er denn auch nur „tüchtige, fleissige, kundige
Leute,8 welcher Beschäftigung sie auch obliegen möchten. Das wird
fast in jedem Patent wiederholt; er fordert Zeugnisse für ihr bis-
heriges Wohlverhalten, die frühere Obrigkeit, unter welcher die Wander-
lustigen bisher gelebt, musste bescheinigen, dass diese sich bishero
redlich gefuhret, auch mit derselben Vorwissen abgereist seien (7);
später wird jedoch hievon Abstand genommen, der Mangel an Colonisten
war zu fühlbar, es musste ihnen jeglicher Zuzug eben erleichtert werden.
24 Colonißstorisches aus Ostpreussen
Auch wird in der ersten Zeit ausdrücklich betont, dass „nur den freien
und keinen mit Dienstbarkeit behafteten Leuten einige wüste Bauererbe
eingeräumt werden sollen.* (1) — Es wurden Colonisten fast jeglichen
Standes und jeglicher Beschäftigung verlangt. Aber fast in
allen Patenten wird vor Allem dringend der Landmann gewünscht,
in allen Variationen, mit allen möglichen Bezeichnungen und Titulaturen :
„des Ackerbaues, der Gärtnerei kundige" (2), besonders wer als Arren-
dator kommen will und ein guter Wirth ist, (2, 3) „Verwalter,44 „des
Ackerbaues und der Viehzucht erfahrene, auch der übrigen Landnahrung
erfahrene Bauersleute44 (7, 8), „Bauern44 (3), „Schäfer,44 „Schafknechte,44
„Tagelöhner44 etc. etc. Da die Bedingungen für diese Art Leute die
besten waren, so war die Nachfrage gross, aber bald fand sich, dass
oft unerfahrene Menschen sich allzuviel Acker hatten geben lassen, sie
wurden damit nicht fertig, alles verfiel wieder, sie liefen wohl selbst
in heller Verzweiflung fort, daher ergeht die scharfe Weisung, keinen,
der nicht des Ackerbaues kundig ist, auf königliche Kosten anzusetzen,
sondern sie sollen erst als Knechte dienen, bis sie ihre „habende Wissen-
schaft von der Haushaltung zeigen,44 oder aber Sicherheit stellen für
das, was sie empfangen (5). „Besatz44 ist immer nur auf eine Hufe hin
zu geben, selbst wenn der Betreffende zwei, drei oder mehr Hufen
empfangen hat (5) ; oft zeigten sich nämlich die Leute „innoportun,44 und
verlangten Verdoppelung des Besatzes auf Grund der Schweizerpatente.
Für die Städte werden Handwerker aller Art gesucht, „Künstler
und Handwerker, als Wundärzte, Schmiede, Bademacher, Maurer, Zimmer-
leute, Böttcher, Schneider, Schuster, Tischler, (2, 3), namentlich ist
öfters Nachfrage nach Wasser- und Windmüller (3, 13) ferner Ziegel-
streicher, Lehmer, Handwerksbursche und Gesellen (13), Hausleute,
Leineweber, Spinner, Zeug-, Friess-, Strumpf-, Hutmacher, Lohgerber,
Grob-, Klöinschmiede, Glaser, Töpfer etc.44 (16), kurz „Handwerker aller
Profession44 (14, 16).
Es wird Allen, Ackersleuten oder Handwerkern, genau bedeutet,
wie und wo sie ihre Gesuche, als Colonisten aufgenommen zu werden,
anbringen sollen. Im Allgemeinen sollten diejenigen, die Berlin passirten,
sich beim General-Finanz-Directorium melden, wer durch Stargard oder
▼ob Dr. Max Beheim-Schwaribach. 25
Küstrin kam, bei der betreffenden Hinterpommerschen oder Neu-Märki-
schen Kammer, nach der Ankunft in Lithauen bei der Amtskammer in
Tilsit (7). Später hiess es, sollten diejenigen, die Geldunterstützungen
für die Reise beanspruchten, sich beim König per memoriale melden,
oder beim General-Finanz-Directorium und nun abwarten, ob ihrem
Gesuch willfahrt würde (8); hie von wurde jedoch bald wieder Abstand
genommen und schliesslich sollte jeder Beamte Colonisten annehmen
dürfen, und gleich nach Königsberg über die Angenommenen berichten,
damit sie an geeigneten Orten angesetzt werden könnten (9), allen
Schulzen wurde sogar solch Colonistenengagement zur Pflicht gemacht,
der König hegte zu ihnen das Vertrauen „gleichwie sie sich bei Er-
richtung ihrer Dörfer verbindlich gemacht, die wüsten Stellen in ihren
Dörfern zu besetzen/' dafür genossen sie ja auch bishero verschiedene
Vortheile; sie hatten dafür zu sorgen, „bemittelte Leute zu Bebauung
wüster Stellen anzufirischen.u Wenn sie hierbei sorgfältig und fleissig
sich finden Hessen, so wollte der Monarch ihnen alle Gnade erweisen,
wenn sie aber nachlassig blieben, so will er „es gewiss ernstlich ahnden*
(10). Auch an den Adel, die Magistrate und andere Partikuliers wendet
sich des Königs Aufforderung für Colonisten zu sorgen (16). Kamen
bemittelte Beamte und Arrendatoren, die sich verpflichteten, mehrere
Colonisten mitzubringen und anzusiedeln, so sollen sie sich ebenfalls
in Berlin melden oder bei dem K. Vice-Kammer-Präsidenten in Preussen
(v. d. Osten) und gleich angeben, was vor Leute vor allem in den Pa-
tenten genannten Gonditionibus sie mitbringen könnten und was dieser
oder jener an Vermögen hat, im Vertrauen eröffnen (3). Des Königs
Patente sollten gewissenhaft verbreitet und bekannt gemacht werden,
sie waren öffentlich auszurufen, anzuheften und von den Kanzeln zu
verlesen (7, 12) auch wurden sie in das Ausland, an die Residenten in
den verschiedenen Städten geschickt. Drei Klassen von Colonisten
wurden gewöhnlich unterschieden. Zunächst gab es solche, die auf
eigne Faust die Beise unternahmen, d. h. die Zehrkosten bestritten und
sich auf eigne Kosten ansiedeln konnten, also die in keiner Weise die
Chatoulle des Monarchen in Anspruch nahmen. Das waren selbstredend
die gesuchtesten, aber auch seltensten. Andere wieder konnten zwar
26 ColonUatorischea aus Ostpreussen
wohl die Reisekosten bestreiten, nicht aber das Etablissement selbst
und schliesslich wollte der grosse Hänfen sowohl Reiseentschädigungs-
kosten als auch die Ansetzung aus königlicher Tasche bestritten wissen.
Nach dieser Klassificirung richteten sich auch die Freijahre und alle
übrigen „Conditiones," hierbei gilt der Grundsatz, dass die ein Mal
angegebenenen Bedingungen in Kraft bleiben, bis sie durch ein anderes
Patent ausdrucklich entweder erweitert oder begrenzt werden sollen;
Schweigen ist Bestätigung. — An Reisekosten wurden denen, die
königliche Unterstützung forderten, in erster Zeit dem „Wirth" und
seiner Ehefrau täglich je zwei gute Groschen bewilligt, jedem übrigen
Familienglied sechs Dreier (7), später erhielt jede Mannsperson 4 g. Gr.
jede Weibsperson 3 g. Gr., jedes Eind 2 g. Groschen, von dem Tage
der Abreise an, bis zur Ankunft (14). Die Reise selbst sollte für alle
frei sein, ob zu Lande oder zu Wasser (13). Als Reisezeit wurde
„ein für alle Male11 der Monat Mai angesetzt (7) „weil alsdann der
Neuanziehende nicht nur überall Gräsung vors Vieh, besonders auch den
Sommer durch nothdürftiges Heufutter zusammen bringen, die Braach zur
künftigen Wintersaat frühzeitig stürzen, auch zur Abauchstung oder Erndte
des Sommer Getreides, welches die Preussische Lithauische Amtskammer
denselben zu gut aussäen lassen wird, behörige Anstalt machen kann;"
(7), in späteren Edicten wird auch der Ausgang April oder Anfang Mai
als besonders günstige Reisezeit empfohlen und angesetzt. (13, 14)
Gleich von vorneherein werden die Reisenden darauf aufmerksam
gemacht, dass sie ihr Geld für Freussen umwechseln, allwo nichts an-
deres als nur Dukaten und Greuztbaler oder Polnische currente Münze
gang und gebe ist; das Wechseln geschah ohne jeglichen Schaden für
die Betheiligten bei dem Hof-Rentamt in Berlin, sie erhielten gewöhn-
lich für das abgelieferte Geld Wechsel entweder an Kaufleute in Königs-
berg, oder Assignaten an die Rente in Preussen (3, 7). Ausführlich
wird hierüber in einem andern Patent gesprochen (14 § 12) „wie denn
auch ein jeder seine mit dahin zu nehmende Barschaften, wann solche
in specibus, Kayser oder Frantz Gelde bestehen (maszen in Preuszen
die Dukaten so wenig als die Species Thaler in so hohem Werthe als
hier zu Lande ausgebracht werden können, andere Münz-Sorten aber,
von Dr. Max Beheim-Sobwarebach. 27
ausser Brandenburgschen, Sächsischen und Lüneburgschfen 2/3 und Vi 2
oder 2 Gr. Stücken daselbst garnicht gangbar sind) allhier zu Berlin
bei dem Rentmeister Albrecht, oder bei der nächsten königlichen Provinz,
ans welcher er sein domicilium transferiret und der darin befindlichen
Kriegs- und Domänenkammer gegen ein Schein abzugeben hat;" sofort
wird ihm in Preussen ungekürzt in dort gangbarer Münze ausgezahlt
werden. Als Hauptvortheil dieses Verfahrens wird auch gerühmt die
, Sicherheit vor der Gefahr von Diebstahl oder andern Verlust (Ver-
prassen) währender Reise."
Die „Hausgeräthe und Mobilien" Aller sind zollfrei, zu diesem
Zwecke bedarf es natürlich eines besondern Passes, auf den sie wieder
verwiesen werden. Des Vorspanns wegen verfügen die betreffenden
Kammern „die Nothdurft" (7, 4).
Was nun die beneficia, oder douceurs etc. betrifft, welche die
Colonisten zu gewärtigen hatten, so waren aller Zeit Unterschiede ge-
macht zwischen jenen drei Klassen; selbstverständlich lagen die Sachen
wieder anders für die Handwerker; ein weniges ist beiden gemeinsam.
Zunächst die Ackersleute. In drei Worten fassen sich alle Ver-
günstigungen derselben zusammen: Freijahre, Hufen und Besatz.
Auch bei der Gabe von Beneficien findet im Laufe der Jahre eine
kleine Wandlung Statt. Man gab in den Jahren Friedrichs nur zögernd,
später mit volleren Händen, bis die Ueberzeugung gewonnen zu sein
schien, jetzt könnte wieder Halt gemacht, könnten die Zügel der Frei-
gebigkeit wieder straffer gezogen werden, um dann wieder, wenn die
Erkenntniss durchbrach, dass noch viel zu wenig geschehen sei, das
Füllhorn lebhafter zu schwingen und auszuschütten. Die letzte Periode
umfasst wiederum die Zeit von 1718 und von 1721 an.
Was zuerst die Freijahre anbelangt, so verstanden die ersten
Patente darunter Befreiung von allem Zins, Gontributionen und allen
öffentlichen Lasten (1), doch hielt man es nöthig, die Scharwerksdienste
noch besonders zu erwähnen, die fuglich mit Geld abgelöst werden
konnten, doch so, dass immerhin noch einiges gewisse Scharwerk, etwa
an Holz nnd Getreidefuhr, oder was sonst gerade nöthig war, geleistet
werde (1). Solcher Freijahre sollten anfangs demjenigen, der ein wüstes
28 Colonisatorischea «im Ostpreussen
Bauererbe annehmen wollte und seine Ansetzung vollständig aus eigenen
Mitteln bestreiten konnte, drei bewilligt werden, denjenigen, die „Saat,
Brot, auch Besatz44 erheischten, wurde nur ein freies Jahr zugestanden,
wobei allerdings der dehnbare Ausspuch gethan wurde, dass den aus
den benachbarten Landen Anheroziehenden, nach Umständen der Sache,
noch favorablere Bedingungen eingeräumt werden könnten (1).
Im zweiten Patent wird das Wort Freijahre nicht weiter definirt,
wohl aber wurde die Anzahl derselben bereite erweitert, die Bemittel-
ten erhalten sechs Freijahre, diejenigen, die nur die Reise bestreiten
können, nicht aber das Etablissement, drei, die ganz aus der Tasche
des Monarchen von Anfang an bis zu vollendeter Ansiedelung erhalten
werden müssen, nur ein Freijahr. Die Gossäthen, oder Gärtner, die
zu unerfahren sind, um selbst ein Bauerngut zu verwalten, sollen nebst
einem Haus, Garten und einigen Aeckern sich gleichfalls eines leidlichen
Tractaments zu erfreuen haben. Für Knechte und Mägde wird eben-
falls keine andere Freiheit in Aussicht gestellt, als dass sie auf den
neu errichteten Vorwerken über die hiesige Gesinde-Ordnung 3— 4, resp.
2— 3Thlr. jährlichen Lohn mehr zu erwarten hätten.
Im Patent III. (1712) wird garnicbts specielleres erwähnt; dasselbe
zeichnet sich durch seinen sehr allgemein gehaltenen Wortlaut aus, die
bemittelten Bauern sollen gewisse Freijahre erhalten, die Unbemittel-
ten sind wieder Gossäthen und Gärtner, die Knechte und Mägde haben
„mehrersu Lohn zu erwarten. In den übrigen Patenten wird von Frei-
jahren nichts erwähnt, bis plötzlich Friedrich Wilhelm im Jahre 1718
(21. Nov. VII) nach eigener Anschauung der lithauischen Hufen wieder
den Golonisten grössere Wohlthaten zukommen lassen will. Die Pa-
tente sind von nun an auch schon äusserlich anders, mit vollständigem
Titelblatt versehen und entschieden für weite Fernen bestimmt. Nach
den Erklärungen in diesem Patent erhält der bemittelte fremde Golonist,
der also für sich allein, was Reise und Ansiedelung betrifft, sorgen
kann, neun „Freijahre, von allen Prästandis." Die bemittelten Ein-
heimischen, die nach Ostpreussen verziehen wollen, sechs, die ganz
unbemittelten fremden Golonisten zwei, die einheimischen Zuzügler ein
Freijahr, mit dem Zusatz „wiewohl S. K. Majestät sich noch Allergn.
von Dr. Mai Beheim-Sohwaribftcb. 29
vorbehalten, ihnen bei vorkommenden Umständen dero Gnade auch
weiter angedeihen zu lassen/1 Wir sehen, hier leuchtet bereits ein ganz
anderes wirtschaftliches Princip hervor. Uebrigens erhoben sich gegen
diese ungleiche Vertheilung der Freijahre vielfach Bedenken von com-
petenter Seite, so äusserte Dohna z. B., dass nach seiner Ansicht der
arbeitsame Mann durch Unglück in Armuth gerathen sein könne; und
dass diese Armuth doch noch kein Zeichen von Liederlichkeit und Ver-
kommenheit sei, und doch erhielten diese Leute die geringeren Freijahre.
Die Vermögenderen jedoch, die sich also füglich selbst etabliren könnten
und nicht aus Noth getrieben, ihr Vaterland zu verlassen brauchten,'
das sie vielleicht nur aus Unruhe und Querköpfigkeit im Stich Hessen,
diese, auf „deren beständiges Etablissement kein Etat zu machen ist,*
erhielten die gunstigsten Bedingungen, die meisten Freijahre.
Eine kleine Einschränkung in der Zahl der Jahre enthält das nächste
Patent (8, 1721), das höchstens sechs, und nur nach wohl befundenen
Umständen neun Freijahre von allen Amts- und Kriegs-Prästanden, an
Schoss, Gontribution und wie es sonsten Namen haben mag, den Be-
mittelten gewährt, den anderen nur zwei. Später (13, 1723) wird wie-
der auf neun Jahre zurückgegangen, in denen die Bemittelten frei sein
sollen von allen Amts- und Kriegsprästanden an Schoss, Gontribution,
Reuter- Verpflegung, Einquartdrung, Diensten, Scharwerken und wie es
sonst Namen haben mag, die Unbemittelten .können sich nicht ent-
brechen, mit drei Freijahren von allen obengedachten Amts- und Kriegs-
oneribus vergnüget zu sein und nach Ablauf solcher drei Jahre die
Prästationes ihren Nachbarn gleich zu entrichten. ■ Und ähnlich lautet
das nächste Patent, das von neun, drei und zwei Freijahren spricht,
wieder mit dem Gnade verheissenden Zusatz. Erst im allerletzten Pa-
tent des Königs (17) ist nur von einer bestimmten Klasse von Frei-
jahren die Bede, indem Allen gleichmässig ihrer sechs bewilligt werden,
doch müssen sie sich dafür auf ihre Kosten anbauen und den Acker
in Kultur setzen.
Die Colonisten fanden, wenn sie die beschwerliche Reise zurück«
gelegt hatten, anfangs besonders hierzu angestellte Commissarien vor (2)t
die angewiesen waren, das Ansetzungsgeschäft in die Hände zu nehmen!
30 Coloniialoriflobes aas Oftprenssea
später waren die betreffenden Ortsbehörden selbst hiermit beauftragt,
wie denn der König allen Regierungen und Kammern »befehligte, sich
umzuthun um zu Bezeugung allerunterthänigster Treue, monatlich, was
sie vor Personen anschaffen könne, eine Gonsignation einzuschicken. * (3)
Fast jedes Mal wird ihnen anempfohlen, in jeder Beziehung den Colo-
nisten bei ihrer Ansetzung Hülfe zu erweisen.
Die ankommenden Ackersleute mussten nun mindestens zwei Hufen
übernehmen wohl auch mehr, die Patente sprechen auch von drei und vier
Hufen, (15) man kann entschieden in einzelnen Fällen viel höher greifen.
Die Hufe war zu 30 Morgen, der Morgen zu 300 Rheinländischen Ruthen
berechnet. Die Bemittelten waren verpflichtet, das Bauergehöft, wozu
ihnen jedoch das freie Bauholz geliefert wurde, anzubauen, als auch
sich selbst den .Besatz8 an Vieh, Pferde, Acker- und Hausgeräth, wie
nicht weniger die Saat und das Subsistenz Getreide anzuschaffen und
selbst zu besorgen (7). Die anderen, die den Besatz von der Regierung
empfingen, hatten denselben in folgender Gestalt zu erhoffen : 24 Thlr.
ffir 4 Pferde, 24 Thlr. für 4 Ochsen, 15 Thlr. für 3 Kühe, 3 Thlr. 50 Gr.
Preuss. (oder 13 Gr. 9 Pf. dtsch. Geld) für 4 Schafe, 4 Thlr. für 4 Schweine,
48 Gr. Preuss. (12 Gr. 9 Pf.) 4 Gänse, 48 Gr. 8 Hühner, 24 Thlr. Acker-
und Hausgeräth, 13 Thlr. 30 Gr. Pr. (13 Thlr. 8 Gr.) an 30 Scheffel
Aussaat Roggen, 4 Thlr. an 12 Scheffel Gerste, 5 Thlr. 30 Gr. (5 Thlr.
8 Gr.) 24 Scheffel Hafer, 1 Thlr. 70 Gr. 4 Scheffel Erbsen, 17 Thlr.
70 Gr. für 4 Scheffel Subsistenz Gerste auf 4 Personen, 10 Thlr. zu
Salz, Licht und anderm zur Haushaltung nöthigen Unterhalt, also in
Summa 147 Thlr. 76 Gr. Pr. (oder 20 Gr. 7 Pf. deutsch) und das
soll der Empfänger nicht nur zu rechter Zeit und auf ein Mal erhalten,
sondern es soll ihm auch ein eigenes Besatzbuch gegeben werden, in
welches Alles genau eingeschrieben wird, was er empfangen hat (7).
Aehnlich lautet die Bestimmung über den Besatz auch in anderen
Patenten (14), wo nur das Inventar statt des Geldes angegeben ist,
als 4 Pferde, 4 Ochsen, 3 Kühe und 5 Wispel an allerhand Getreide
zur Saat, wie auch die nöthige Subsistenz ffir seine Familie auf ein
Jahr und ausserdem das nöthige Ackergeräth an Wagen, Pflügen,
Sensen und dergleichen.
you Dr. Ifax Beheim-8cbwar*b»cb. 3}
Anfangs kommen nur diejenigen, die anf ihre Kosten und durch
ihren Fleiss das angenommene Out in Stand gebracht haben, dasselbe
auch auf ihre Kinder, Schwiegerkinder, Vettern und ihre ganze Familie
vererben (7), so dass diesen die von ihnen angewandten befindlichen
Meliorationen zu Gute kämen (7, 8, 14); nachdem aber im Jahre 1719
die Leibeigenschaft in den Aemtern Freussens aufgehoben wurde, so
dass die früher leibeigenen Bauern ihre Erbe und Bauergründe eigen-
tümlich gebrauchen dürften, wenn sie das Erbe und die Gebäude
in gutem Stand hielten etc., erschien auch später im Jahre 1726 das
Patent 15, das ausdrücklich allen in Lithauen angesetzten Golonisten
und Bauern die Höfe und Wohnungen sammt der Hofwehr schenkte,
damit dieselben nicht auf die Gedanken kommen könnten, dass um aller
solcher ihnen geschehenen Wohlthat willen (der Besatz etc.) man mit
ihnen als Leibeigenen umzugehen nicht unterlassen werde, so lange sie
ihre Höfe nicht zu bezahlen oder das Genossene nicht wieder abzutragen
im Stande wären/ Es wird ihnen kund gethan, dass ihnen solche (neu
erbaute Höfe) geschenket und niemals weder an sie, noch an ihre Erben
deshalb einige Anforderung gemacht, auch ihnen selbige mit Vorbewusst
und Einwilligung des Amtes an einen tüchtigen Gewährsmann weiter
zu verkaufen, oder auf andere Art zu veräussern allezeit frei gelassen
werden solle,* jedoch wird wieder ausdrücklich und als einzige Bedingung
Torbehalten, dass das Erbe und die Hofwehr und die Gebäude in gutem
Stand gehalten und die Abgaben richtig bezahlt würden, denn „schlimmen
Wirthen" sei man nicht gesonnen Anlass oder freiere Hand zu geben,
um mit demjenigen, so sie aus Gnaden empfangen, noch übeler zu
gebahren.
Was die Leistungen nach Ablauf der Freijahre betrifft, so sind
auch diese genau vorgesehen (7), der Zins von recht gutem Lande sollte
14 Thlr., von mittelmässigen 12, von schlechtem 10 Thlr. pro Hufe
gezahlt werden, »wobei jedoch bei den nächst gelegenen Vorwerken die
Abaugst- oder Abbringung eines Morgens in jedem Felde, und auch
eines Morgens von den Wiesen, wie nicht weniger einen Tag Mist zu
fahren, reservirtwird,* in allem Uebrigen, in oneribus und Contributionen
sollen sie den übrigen Unterthanen gleich gehalten sein. Es wurde für
g2 Colonisatorisches aas Ostpreussen
gut befanden, dass die Abgaben nicht immer in baarem Gelde erfolgten,
sondern „theils durch Früchte des Feldes, theils durch leidliche Dienst-
leistungen. * Es wurde eine General- Vermessung der Lithauischen Aecker
vorgenommen (10, 14), auf denen die Colonisten angesetzt werden sollten,
mit dem Bedeuten, dass ein Jeder durchschnittlich zwei Freussische
Hufen empfange; es wurde aber die Hufe reinen Saatlandes so taxirt,
dass alle Frästationes miteingeschlossen, derjenige, welcher Aecker von
solcher Güte empfängt, dass es das fünfte Korn und darüber trägt, die
Hälfte von dem Ertrage an die Kammer abzuführen hatte; von dem
Acker jedoch, der viertes bis fünftes Korn trug, war der dritte Theil,
von dem Lande, das drittes bis viertes Korn brachte, der vierte Theil
und von noch geringerm Boden der fünfte Theil abzuliefern. Dabei
sollte aber die damalige Güte des Ackers, wie sie bei der Schätzung
vorgefunden wurde, für immer massgebend bleiben; wurde der Boden
verbessert, so hatte nur der Besitzer davon Gewinn, nicht die Kammer;
nicht in Anschlag kam so viel Wiesenland, als zur Ausfütterung des
Viehbestandes nöthig war. Was an Prästanden einem Wirthe, sei es
in natura, sei es in Diensten, auferlegt wurde, sollte von jenem An-
schlag abgezogen werden, ebenso der Zins an Geistliche und andere,
auch wurde die Hut, die Trift, die Holzung und Fischerei obeneingegeben.
Und damit nicht doch noch einige von den Leistungen zurück-
schreckten, wurde noch zuweilen von „erkleklichem" Steuererlass ge-
sprochen, wenn sie die Domänenkassen durchaus nicht befriedigen könnten,
auch war im Patent VII die ratio casuum fortuitorum in's Auge ge-
fasst, wenn sowohl in den Freijahren ein genereller Misswachs oder Vieh-
sterben vorkäme, dann sollten noch besondere Resolutionen gefasst
werden, als auch hätten nach Ablauf der Freijahre bei Unglücksfällen
die Colonisten sich dessen zu getrösten, was S. Majestät sodann dem
ganzen Lande zu Statten kommen Hesse.
Die Scharwerksdienste, die im Patent X aufgeführt werden, gehen
nur auf die übrigen Bauern, nicht sowohl auf die Colonisten, obwohl
der Titel des Patents Zweifel hierüber aufkommen lassen könnte. Dem
Wortlaut nach wären diese Scharwerke »ganz leidlich angesetzet," und
ist dem Bauer nicht mehr aufgebürdet, als was er ohne Versäumniss
von Dr. Max Beheim-Schwarzbach. 33
seiner eignen Wirtschaft mitbestellen kann etc. Es soll einünterthan
nur 48 Tage im Jahre scharwerken und zwar soll ein Bauer im Januar
einen Tag Holzfuhren leisten, im Februar, März, April ebenfalls je
einen Tag, im Mai, Juni und Juli je 4 Tage, im August und September
je 12 Tage und zwar wöchentlich 3 Tage, im Oktober 6 Tage, im No-
vember und December je einen Tag; ausserdem sind jährlich 2 Reisen
nach Königsberg mit Getreidefuhren zu machen. Bürdet ein Arrendator
oder Beamter mehr auf, so hat er für jeden Tag einen Thaler Strafe
zu zahlen. Herrschaftliche und Postfuhren sind nur auf Königliche
Scheine hin zu stellen, widrigenfalls soll ihm jedes Pferd nach Um-
ständen bezahlt werden. In Geldleistungen soll nicht höher gestiegen
werden, als der Bauer fuglich aufbringen kann, dann soll er es aber
nicht erst auf Eiecution ankommen lassen, denn „Wir gönnen es ihm
gern, wenn er vor sich und die Seinigen, nicht nur Lebensunterhalt,
sondern auch einen Nothpfennig erwirbt."
Die Handwerker waren in ähnlicher Weise bedacht, wie die
Ackersleute, doch wurden einzelne Handwerke mehr als andere protegirt.
Alle, die auf eigene Kosten ankamen und sich etablirten, und selbst-
verständlich „ geschickte Leute" waren, sollten nicht nur „frei zu den
Meister- und Bürgerrechten gelangen, sondern auch von allen Gontri-
butionen und Auflagen* befreit bleiben und zwar die Schmiede auf
sechs Jahre, die Bademacher, Stellmacher, Tischler, Zimmerleute,
Böttcher auf vier Jahre, die Schuster und Schneider erhielten am
wenigsten, nur drei Preijahre (2), den Müllern, „wenn sie auch zum
Bauen geschickt sind,* werden gute Mühlen um billige Pacht versprochen,
oder wenigstens Stellen für Mühlen (3); in späteren Jahren (1723)
werden die Tuch-, Rasch-, Zeug-, Priess-, Strumpf- und Hutmacher-
Gesellen besonders gewünscht (13) ebenso die Weber. Einige Male
wird ihnen freigestellt, ob sie in den Städten oder auf dem Lande sich
niederliessen (3, 16), andere Mal wird ihnen nur die Stadt bewilligt (11).
Diejenigen, die sich in den oben genannten neuen Städten als Meister
niederlassen und anbauen wollten, wurden ebenfalls mit dem freien
Bürger- und Meisterrecht begabt, und erhielten ausserdem einen Platz
für ein Haus, nebst Gartenland je nach Gelegenheit des Ortes, ferner
▲Itpr. Moiwtotehrift Bd. XIV. Hft. US. 3
34 ColonisatorUchea aas Oatpreassen
wurden zum Neubau gewisse Baufreiheitsgelder bis 30% bewilligt,
wenn Sicherheit gestellt werden konnte, oder doch mit dem Bau be-
gonnen wurde, und schliesslich drei Freijahre von der Accise und ihrer
sechs von Einquartirung, Servis und allen bürgerlichen Lasten, im
nächsten Jahre (1723) wird in diesem Falle die Anzahl der Freijahre
(d.h. von allen die königlichen Kassen nicht alterirenden Abgaben) auf
neun erhöht (13). Der Handwerker, der vom Lande nach der Stadt
zieht und sich hier einmiethet, empfangt drei Freijahre; sind es Woll-
arbeiter, so wird ihnen Arbeit verschafft werden (11, 13). Für später
werden auch noch mehr Krüge in Aussicht gestellt, besonders für die,
wie es aufmunternd heisst, die „dazu die bequemste und vor Feuers
Gefahr sicherste Häuser erbaut haben werden;* (11). Wo auch immer
in den ostpreussischen Städten, den alten wie neuen, sich die Hand-
werksgesellen von allen Professionen wüste Stellen zum Bau über-
nehmen, werden ihnen die dazu gehörigen Materialien unentgeltlich
angewiesen, und nebst freiem Bauholz entweder die nöthigen Mauer-
und Dachsteine, wie Kalk, oder 15% nach der Taxe des Hauses aus
der Accisekasse des Ortes baar gezahlt werden (13). Haben sie den
Bürgereid geleistet, sind sie Meister geworden und haben sie geheirathet,
so bleiben sie noch ein ganzes Jahr von aller Consumtions- Accise, von
Einquartirung, Servis und allen andern bürgerlichen Lasten ganz frei.
Den Webern werden, wenn sie auf eigene Kosten gekommen sind,
Stühle geschenkt. Die anderen erhalten wenigstens einen Vorschuss
hierzu, der in vier Jahren ohne Zinsen zurückzuerstatten ist (13). Einige
Patente handelten fast ausschliesslich über die Handwerker, doch sind
die meisten Bedingungen nur Wiederholungen der bereits früher aus-
gesprochenen (11, 14). Ebenso wendet sich das XVI. Patent haupt-
sächlich an die Hausleute, Leineweber und Spinner.
Allen, ob Ackersleuten, ob Handwerkern, ist oft zugesichert worden:
Befreiung von jeglicher Leibeigenschaft, damit sie gestellt seien,
wie die Unterthanen in der Churmark und anderen Provinzen, allwo
die Leibeigenschaft nicht eigefuhrt ist (7), später nach Aufhebung der
Leibeigenschaft in Lithauen verstand sich jene Bedingung fast von
selbst. Ebenso ist mehrere Male ausdrücklich die Befreiung von den
von Dr. Max Beheim- Schwarzbach. 35
Werbungen ausgesprochen (3), auch wohl mit dem Zusatz, dass
weder sie selbst, noch ihre Kinder, noch ihr Gesinde wider den eigenen
guten Willen zu Soldaten genommen oder geworben werden sollen (7);
doch mag wohl zuweilen gegen dieses Gebot von Seiten der Militär-
behörde gefehlt sein, denn es wird im folgenden Patent (8) geboten,
es möchte sich doch Niemand abschrecken lassen, wenn hier und da
Colonisten zu Soldaten gepresst wurden, das sei entschieden gegen des
Königs Willen geschehen ; alle Generale, kommandirende Offiziere hätten
hierauf bezügliche Ordres empfangen. Die Colonisten „ hätten nichts
zu besorgen und sollten beständig unangefochten bleiben.* Auch scheint
es mitunter ziemlich eigenmächtig mit der Anwerbung von Colo-
nisten fürPreussen hergegangen zu sein, denn es erschien ein eigenes,
dies Thema behandelndes Patent, „Niemand solle mit Gewalt nach
Preussen zu gehen angehalten sein" und es kommen bedenkliche Wen-
dungen vor. „ Nachdem Wir zu dem Anbau der vielen Mühlen, Vor-
werke und Dörfer, auch einiger Städte in Preussen einer ziemlichen
Anzahl Müller, Zimmerleute etc. unentbehrlich benöthigt gewesen, so
haben sich zwar die meisten dazu freiwillig gemeldet, einige jedoch
haben erst hierzu aufgehoben werden müssen.* Das Patent spricht
dann die Verwunderung aus, „dass aus diesem Vorgang Uebelgesinnte
Gelegenheit genommen hätten, auszusprengen, als wenn auch die Hand-
werker und Unterthanen in Städten und aufm platten Lande würden
gezwungen werden, eine gewisse Anzahl Familien unter sich durchs
Loos aufzubringen, welche nach Preussen abgeschickt werden sollen."
Dem ist aber nicht so und der König äussert sein höchstes Missfallen
über einige Beamten, die bei der bisherigen Lieferung der nach Preussen
abzusendenden Colonisten gar gröblich excediret und verschiedene mit
Gewalt aufgegriffen und mit fortgeschickt haben sollen." Eine strenge
Ahndung dieser Beamten wird in Aussicht gestellt, die Untersuchung
ist dem officio fisci bereits aufgetragen (13). Noch ein Mal ergeht des-
halb an die Beamten „alles Ernstes" der strenge Befehl, bei Strafe der
Kassation und anderer Beahndung, dass keiner „sich a dato weiter
unterstehen soll, einigen Menschen, er sei wer er wolle, wider seinen
Willen, um nach Preussen zu gehen, anzuhalten oder zu zwingen."
3»
36 Coloniaatorisches aas Ostpreußen
Oft waren denn auch die Colonisten aus Preussen wieder desertirt.
Der König hielt, wie bereits besprochen, die Juden, Polen etc. für ganz
besonders Schuld hieran. Mehrere Patente richten sich an diese Deser-
teure, „es solle Alles aus dem Wege geräumt werden, was sie bewegen
könnte, etwa ihre Stellen wieder Preis zu geben (9). Andere Patente
versprechen ihnen aus besonderer Gnade und Clemenz volle Amnestie,
sie sollen nur wieder kommen und Keue bezeugen, dann würde das
Vergangene pardonnirt werden und sie selbst entweder die alten Höfe
wieder erlangen oder neue empfangen (8, 9), besonders werden die
Schulzen aufgefordert, die „ aus blosser ungegründeter Furcht gewichenen
Leute wieder ins Land zu ziehen" (10), oft strafte der König hart für
diese Desertionen, des abschreckenden Beispiels halber, doch geht näheres
hierüber aus den Patenten nicht hervor.
So sahen wir den König Friedrich Wilhelm unablässig bemüht,
das entvölkerte Land von Neuem mit tüchtigen Menschen zu besetzen.
Die Patente müssen wir als sein Organ betrachten, es ist die Stimme,
mit welcher er zu den Fremden spricht, die er zu seinen neuen Unter-
thanen machen möchte; seine Wünsche für das Wohl seines Landes
haben kaum an andrer Stelle so treffenden Ausdruck gefunden, als in
den Worten dieser Patente. Aber hat er erreicht, was er anstrebte?
Zwar äusserte Friedrich (3), dass er mit „sonderbarem Wohlgefallen
vernommen habe, dass auf seine beiden ersten Patente sofort viele ganze
Familien etc. sich eingefunden hätten/ aber sonst beginnen fast alle
Patente mit der Wendung, dass immer noch etliche wüste Stellen vor-
handen und zu besetzen sind. Friedrich Wilhelm suchte nach Gründen,
weshalb die Einwanderung und Kauf der Freigüter nicht recht in Zug
käme und will u. a. solche darin gefunden haben, „dass die alte Bütneri-
sche Erhöhungszinser , als auch die anderen Kriegs- und Domänen-
Prästande beständig auf solchen Gütern haften und bisher im Best ge-
führt werden, welche dann ein weit mehrers ertragen, als die Summe
des Kauf-Pretii und der Werth solchen wüsten Gutes importiret.* Er
schafft diese und alle Kriegs- und Domänen-Prästanden, nichts ausge-
schlossen, ganz ab, giebt den Käufern der Köllmischen und Freigüter
vier Freijahre (12). Aber trotzdem war er nicht mit der Besetzung
▼od l)t. Max Beheim- Schwarzbach. 37
der Stellen zufrieden, im Jahre 1724 verlangt er u. a. noch 400 Bauer-
Familien, die des Ackerbaues und der Viehzucht kundig seien, für
Preussen (14) und noch im letzten Patent hebt er fast klagend an,
er hätte s wahrgenommen, dass die Unterbringung der noch unbebauten
Hufen im Königreich Preussen noch nicht nach Wunsch von Statten
geht und dass die bisher in solcher Absicht emanirten Patente, worinnen
denjenigen, welche dergleichen Hufen zu bebauen annehmen wollen,
ansehnliche Freijahre und andere Beneficia versprochen worden, den
verhofften Effect nicht gehabt, sondern dennoch viele Hufen
unbebaut geblieben." So will er denn noch ein Mal seine Stimme er-
heben und den Ruf über die Lande erschallen lassen, Colonisten in
sein geliebtes Preussen einzuladen. Dieses Patent stammt aus dem
Todesjahr des Königs, es ist der letzte Grass der Sorge an seine Lieb-
lingsprovinz.
Von nun an hören die Specialpatente, oder wie Friedrich II. sie
lieber nennt, „Edicte* für Ostpreussen auf. Der Edicte Friedrichs giebt
es eine Unzahl, ich habe keins gefunden, das sich ausschliesslich mit
diesem Ostlande beschäftigt.
Ortsnamen der Provinz Preussen.
Von
F. Hoppe,
Gymnasial »Oberlehrer in Gumbinnen.
(S. Altpr. Monatsschr. XII, 289—298. 548—564. XIII, 563—586.)
IV.
Der 3. unter den litauischen Wegeberichten (Scriptor. rer.
Prussic. Bd. II S. 667) lautet: „von der Menye sint III deine mile uff
die Wewerse, do liet man die andir nacht, do czwischin liet eyn cleyn
vlys, das ist eyne myle von der Menye und heist die Ayse; von der
Wewerse sint III cleyne mylen bis uff eyn flys, das heist die Graw-
manape, do liet man die dritte nacht, do czwisschin geet ouch eyn
flys, das heist die Sweisna. Von Grawmanap ist dry mile uff die Jure.*
Nach Th. Hirsch Menye = Minge, Wewerse = Wewersze (davon
Wewershany = Leute an der Wewersze), Ayse = Aisse, Sweisna
(S. 664 — Swexte) = Bach bei Szweksznie.
An der Aisse liegen Ayssehnen G. Memel, Oisjany in Russland
(= Leute an der Aisse, Oise), Aschpurwen — purvas Kot, wie auch
in russ. Purwaitschen — D. Memel, auch Poeszeiten. Die Grawmanape
(Compositum von ape Fluss, Wasser), welche Th. H. nicht nachweist,
entspricht dem Gromena = Bach östlich von Szweksznie, welcher
in die Scholpja, Nebenfl. der Wewirsze, geht; rechts davon liegt
Boreikjany d. i. feit Bareykin (S. 664). Im 2. W. S. 665 heisst es:
„das 4. nachtleger III milen uf der Meinie . . . ; das 5. uf Bareyken-
fell und ist V milen, . . . man mus bruken obir die Weywirs und sust
obir eyn dein flys mit strüche; von dannen vort uf die Jure hat
man III mile, do czwischen ist eyn grawde." Das „cleyn flys mit
Ortsnamen der Provinz Preuesen von F. Hoppe. 39
strüche11 scheint auf den Gromena-Bach zu weisen (= Krumynas
Gesträuch); der Grawde, nach Th. H. eine besondere Art von Waldung,
bietet vielleicht denselben Sinn wie S. 667 „hertis gutis waldes«
(grudau, grudzinu härten). Derselbe gelehrte Forscher bemerkt zum
15. W. S. 674, Santacka (=0. Sontoki am Zusammenfluss der Hansza
und Szeszuwa) scheine Zusammenfluss zu bedeuten, und stellt den
Namen zu lit. s^taika, sutaikau; doch ist die Ableitung des Namens
von teketi laufen, fliessen, sutakas Zusammenfluss (*sq,takas)
evident; vgl. Santaka an der Szeszuppe — Kirsna, Sontocken an der
Minge und §antok bei Toppen bist.- comp. Geogr. S. 99. Bei Sontoki
liegt das Land Crasyen, bei Santaka Krasno. Der Name des grossen
Patekim in der Schneckenschen Forst (* patekimas) gehört ebenfalls
zu teketi. Die Präposition s$-, su- findet sich auch im poln. sqsiad
Nachbar (siadatf), s^siek Scheuerfach zu beiden Seiten der Tenne (pasieka),
stok der Zusammenfluss (tok Lauf, Gang); von letzterem sind benant:
Wittstock (auch 3 in Westpreussen), Bialystock, Eohnstock D. G. Bolken-
hayn in Schlesien, von tok Rostock.
Der 16. W. S. 674 besagt: „das erste nachtleger vom habe uf dem
Welbin, das ander uf der Meletow, das 3. uf demGresen (=Greis-
sonen und Gröszpelken — pelke Torfbruch — D. Tilsit; vgl.
Groeszen und Gröszuppen — upe Fluss — D. Memel). Die Meletow
ist nach Th. H. an der Memel in der Nähe von Eagnit zu suchen; es
ist der Bach Malette, an welchem Pamletten (Präposition pa — )
liegt. Zu dem Namen Welbin vgl. Welpin G. D. Konitz; sollte nicht
der Welm- Teich damit bezeichnet sein?
Im 42. W. S. 684 wird die Helledompne erwähnt; Th. H. ver-
mutet ihre Lage südöstlich von Baitschen; Nesselmann thes. ling. Pruss.
S. 34 erklärt dumpne (dummis) mit „Tal, Sumpf \ Wer erinnert sich
nicht sofort an die Pakladim bei Puspern (Altpr. Monatsschr. 1875,
S. 556), die vom Volke „Höllenbruch* genannt wird; pakladim ist
demnach aus pakladimme, pakladumme, pekladumpne verstummelt, und
bedeutet Höllensumpf, Höllengrund, Höllenbruch; pekla Hölle.
Der 75. W. S. 697 führt das „feit Molwat* (S. 689 flis Molwat)
an, welches Th. H. mit dem Omalwa Bruch identificiert (daher auch
40 Ortsnamen der Provinz Preussen
ein Ort Omalwiszki) ; diese Formen geben meiner Erklärung von Mall-
wischken und Mulwien (mulve ein von oben verwachsener Sumpf, der
noch nicht überhält; vgl. Omulef = Malien) eine neue Stütze.
Im 88. W. S. 702 wird der Swansee zwischen den Nachtlegem
„czu Licke und czu Prywiske" erwähnt; Th. H. setzt ihn in die Nähe
des Eaygrod; nordöstlich von diesem liegt die Ortschaft Labentnik,
deren Name vom poln. labgdi der Schwan herzuleiten ist, wie Laben z
D. Kulm, sechs L. im Begier ungsbezirk Köslin, labenz lacus bei Nesselm.
a. 0. S. 87, Labens G. Alienstein, Labendzowo D. Rössel; die von
lit. gulbe der Schwan abgeleiteten Ortsnamen sind in der Altpr. Monats-
schrift 1875, S. 557 besprochen; der deutsche Name Schwansee ist
analog den folgenden „Creutz, aufm Sande, krummer See".
Th. H. bemerkt zum 94. W. S. 706, dass der in der Nähe von
Odelsk fliessende Nebenfl. desSwislocz wohl Lassassa geheissen habe;
doch westlich von Odelsk fliesst ja die Losogna, Nebenfl. des Bobr-
Memel; an derselben liegen zwei Orte Lososna (altpr. lasasso, lit.
laszis Lachs).
Der 5. W. S. 667 erwähnt Mirgalyn (= S. 674 uf der Mirgla),
d. i. der Mirglon-Bach, welcher oberhalb von Meischlauken in die
Sziesze fällt; der 13. W. S. 673 die Asarune d. i. die Eseruna, Ab-
fluss des Drauden-Sees (eieras See); der 42. W. S. 685 zwischen Sche-
schuppe und Memel die Sassene = Sosna, Nebenfl. der Scheschuppe
bei Sargucie, wonach Sosnowa benannt ist, Pobalxte = Pawa —
balxne, Zufluss der Pilwa (?), Jusse = Jesie, woran Jesiotraki und
Pojesze liegen ; (in der Nähe Ilgowangi, das, wie Alschwangen bei
Goldingen = Alexwangen, Nesselm. a. 0. S. 199 unter wangus, überdies
S. 56 unter ilga nachzutragen ist), Swyntowe (S. 552 heisst so ein
Nebenfl. der Wilia), Wyte; der 43. W. S. 685Milow d. i. die Melawa,
nach welcher Melauken (nicht componiert mit laukas Feld) und Mela-
wischken D. Labiau benannt sind; — über die Suffixe — ka und
— iszkas vgl. Schleicher I. 125,126; — Wosse (nach Th. H. = Ossa),
Taure d. i. der Taurut-Bach (Deminutivform), dem Gross- und
Klein-Taurothenen den Namen verdanken.
S. 708 wird eine Burg in der Wildnis bei InsterburgSwaygube,
von F. Hoppe. 41
S. 639 Sweygruwen (ann. 1390) erwähnt; wer denkt da nicht sofort
an Schwaegerau? Das „fliez Irmenow* S. 709 entspricht dem
Bache, an welchem Ormianiszki liegt, östlich von Kawaliczki.
S. 92 erklärt Ernst Strehlke Malowe = Malaini (?) in der Nähe
von Poniewiei; an diesen Namen erinnern auch Malupie links von der
Dubissa nordwestlich von P., Melowiany östlich von Plytynie
(= Pluten), welches nordwestlich von Worny, nordöstlich von Miedyn-
giany liegt (S. &6 werden Pluten, Malowe, Warnen, Medeniken zugleich
aufgeführt), am wahrscheinlichsten Melowiay nördlich von Widukle.
Auf Opithen S. 99 = üpita (S. 78 Opythen) weist Opytelaken =
Opitoloki links von der Nawese hin.
Sollte der Flussname Gresaude S. 571 nicht mit Grawze, 0. an
einem Nebenfluss der Szaltuna, oder mit dem südlich davon gelegenen
Gruzdo zusammenhängen; ein Nebenfl. der Sziesze heisst Gruzdupp.
Toppen stellt in seiner hist.-comp. Geogr. S. 120 die Grenze zwischen
Löbau und Sassen fest; nach demselben hiess der bei Görlitz in die
Drewenz fliessende Bach Griselanos oder Grisla; derselbe Name ist
auch in Gry zun G. Löbau, welches rechts von der Drewenz an einem
Bache liegt, erhalten. Erinnert vielleicht das Vorwerk von Montowo
Bialoblotto = Weissbruch an Lichtenheide (nach Toppen a. 0.
S. 121 = Gronowo) ?
Königsberg ist auf einem bewaldeten Hügel tw angst (Nesselm.
a. 0. S. 193) gegründet worden; denselben Namen zeigt Wangst
D. Bössei, in dessen Nähe Porwangen liegt; also wangus =
twangus? —
Nesselm. bemerkt a. 0. S. 192: Tupadel, nom. viri, 1264 Ver-
teidiger von Welau; merkwürdiger Weise findet sich heute ein Dorf
Tupadel, aber im Kreise Neustadt, im nördlichsten Teile vonPomme-
rellen. Ich meine nun, dass der Ortsname Tupadel, früher Tupadly, auf
den Ursprung der Familie Tupadel weist; überdies liegt ein Ort Tupadly
zwischen Lipno und Dobrzyü, D. Schulin und 2 G. Inowraclaw; vgl.
Dummadel in Pommern, Kosiadel, Nassadel, Tampadel in Schlesien. Zu
dem Artikel Damerau (Nesselm. a. 0. S. 27) bemerke ich, dass in der
Provinz Pommern 20 Ortschaften Damerow, in Brandenburg vier
42 Ortsnamen der Proviue Preussen
dess. Nam. liegen; ausserdem Dammerau in Schlesien, Oslawdamerow
in Pommern.
Wieviel die Erklärung der Ortsnamen unserer Provinz aus der Durch-
forschung der Gründungsurkunden gewinnt, habe ich in meiner Schrift
»Ortsnamen des Regierungsbezirks Gumbinnen 1877* erwiesen. Für den
Kreiß Lyk kann ich noch folgendes beibringen. Statzen gründen 1482
Stank und JanStatzko. — Alt-Krzy wen wird 1472 am krummen See
(Krzywy krumm) angelegt. — Krzysewen verleiht der oberste Spittler
und Comthur von Brandenburg Veit von Gich „auf Creutz genannt im
Gebiet Brandenburg und im Kammeramt Lötzen gelegen * (Krzyz
Kreuz) 15 Hufen 1471 am Freitag nach Martini an Bogdan (an diesen
Personennamen erinnern Bogd ahnen 3 D. Niederung, Bogdainen
D. Allenstein, Bogdanken G. Graudenz). Hierzu vgl. Toppen a. 0.
S. 30 über das Territorium Kirsau der Landschaft Sudauen: Kirsau
ist nach Hennenberger Kryssowa, nach Hennig Kryssowen nordöstlich
von Bialla, nach Voigt Krzywen 3 D. zwischen Oletzko und Arys west-
lich vom Laszmiaden-See (ein D. dess. Namens auch nordöstlich davon),
nach Toppen vielleicht Krzysewen östlich vom Scoment-See oder
Krzyzewken östlich von Oletzko. Ich bemerke hierbei, dass nordöstlich
von Krzyzewken ein „krummer See" liegt, nördlich von Filipowo Krzy-
wulka am Krzywne-See, südöstlich von Kalwary 2 0. Kirsna, Kirsnionce,
nordöstlich davon Krzywa. Doch auf das Territorium Kirsau deutet
entweder Krzywen im Kirchspiel Pissanitzen am Krzywer See oder
Krzyz, Krzywo südöstlich von Suwalki. Ein anderes Territorium hiess
Krase (Dusburg Krasine ?) ; Toppen bezieht darauf Krasno, Krasnopol,
(Krasnybor); vgl. Krasne nordöstlich von Knyszyn, Krasna zwischen
Kalwary und Zimno, besonders aber Okrasin links von der Wysa
nicht weit von ihrer Mündung. Nördlich von Serrey liegt Seyluny
(Selien, Syllones?). Die Furt Gewelta an der Szeszuppe findet sich
wieder in dem Ortsnamen Gewaltowa östlich von Pilwiszki (nach
dem Fluss Pilwa benannt). An das Land Weyzze (Toppen = Wyzayn
bei Wistyten) erinnert das Kirchdorf Weysze, zwischen Seen gelegen,
mitten anf dem Wege von Seyny nach Liszkowo; davon ist der Name
des südlich gelegenen Powieszniki (wie von Serrey Paserninki) abgeleitet.
von F. Hoppe. 43
Piasken giebt der oberste Spittler Bernhard von Balzhofen zum deutschen
Dorf am Lassemundt (Laszmiaden See) „aufm Sande" (piasek, piasku
Sand) zwischen Stradaunen und Czeissen d. i. Zeysen (1472 gegründet)
1474 am Tage Bartholomaei. — Rumeyken ist nach seinem Be-
gründer Stenzel Kumeyke 1472 benannt. — Makoscheyen gründen
Woiciech Mayko, Jacob Prostka, Jan Gronstay, Jan Brodowski 1483;
Brodowen ist vermutlich von einem Brodowski (vgl. Grontzken in
„Ortsnamen des Regierungsbezirks Gumbinnen 1877* S. 9), Prostken
von einem Prostka angebaut worden. — Bydzewen erhalten Pawel
und Stenzel von Rizoff sky aus der Masau zwischen Kessel (= Koczolek
See; Kociolek ein Kessel) und Kukowa (= Przytuller oder Gonsker
See nach der Karte von F. A. von Witzleben, 1859) 1526; vorher be-
sass das Land Stanislaff Szembritka. — Marczynowen giebt der oberste
Spittler Veit von Gich dem Martin Warsche und Jacob seinem Ohm
30 Hufen auf Seh wart zen im Gebiet Brandenburg 1472 am Donners-
tag vor Reminiscere; czarny schwarz; daher der Bach Czarna. —
Dluggen ist 1491, Gingen 1471, Grabnik 1484, Jebramken 1495,
Kowahlen 1471 (von Stenzel Littau) und Maaschen 1494 — beide
auf dem Pohubel, Nikolayken = Mik. 1475, Przykopken 1515,
Rostken am See Kraucksten (Krakstein) 1483, Skomentnen 1486,
Socien 1493, Szelassen (Siel.) 1569, Thalussen 1476, Thu-
rowen 1473 verliehen worden; Gurkeln D. Sensburg 1477, Sumken
D. Johannisburg 1442. — Das R. Theer wisch Kr. Orteisburg hiess
nach einer freundlichen Mitteilung des Herrn Landschaftsrats Kunze —
Heinrichsdorf früher T a r g o w i e s (fundus familiae de Targowies),
und hat demnach nichts mit der Theerfabrikation zu schaffen. — Ein
Teil in der Tzulkinuer Forst (Wiesenterrain) führt den Namen Kugim-
ballis d. h. ein Biuch (bala, balis), auf dem grosse Heuhaufen stehen
blieben (Kugis ein grosser Heuhaufen, * Kugimas). — Permauern
D. Labiau = hinter der Mauer, über die M. hin (Praeposition per — ),
wie Perkallen = jenseits des Berges, über den Berg hin; Perkappen
D. Friedland (auch G. Labiau) = über die Damerau Berge hin (kape
Hügel). Auf Loschen D. Eylau weist das südöstlich davon gelegene
Poschloschen (Posluschnen nördlich von der Schalpia) hin. —
44 Ortsnamen der Provins Preussen.
Eine Urkunde über Koslau Kr. Sensburg, ausgestellt am Montag
nach omnium sanctorum 1483, erwähnt Heinrich vonSeben (Seeben)
als Hauskomthur zu Königsberg; derselbe ist 1490 nach Voigts Namen-
Codex der deutschen Ordens-Beamten S. 37 Comthur zu Memel, und
ist vermutlich identisch mit Heinrich von Sehwen, seit 1485 Bischofs-
vogt zu Samland (a. 0. S. 78); vgl. die* Laufbahn des Bischofsvogts
Heinrich von Richtenberg. Nach einer Urkunde über Salpkeim D. dess.
Kreises war Werner von Harren, welcher (S. 93) als Pfleger zu
Lyk 1494 und 1518 aufgeführt wird, auch 1490 mit diesem Amt be-
traut gewesen. — Konrad von Nothaft (Conrath Nothhaff), Pfleger
zu Barten 1482—1484 (S. 83), nennen die Urkunden über Gingen, Ko-
wahlen, Krzysewen Kr. Lyk, ausgestellt am Freitage nach Martini 1471,
die über Marcinowen (Marczynowen), ausgestellt am Dienstage vor Be-
miniscere 1472 (= Conrath Nothaft von Weiszenstein), und über Thu-
rowen D. dess. Kr., ausgestellt am Tage der Bekehrung Pauli 1473,
Hauskomthur des obersten Spittlers von Gich; Ludwig von Ho rnheim,
Pfleger zu Neidenburg 1477—1484 (S. 95) wird in Urkunden über Niko-
layken, Stradaunen (1475) und Czymochen (1476) Kr. Lyk Hauskomthur
des obersten Spittlers von Balzhofen zu Brandenburg genannt; derselbe
ist einfacher Zeuge bei der Verschreibung von Gingen (1471) und
Marczynowen (1472); Ruprecht Bartner von Lützeldorf (?) ist
nach der Urkunde über die Mühle Klein Skomentnen (nom. propr.
Scoment) 1486 Hauscomthur des obersten Spittlers von Tiefen, Adam
von Halle, Pfleger zu Insterburg 1495—1497 (S. 88), nach der Ur-
kunde über Dluggen 1491 und Maaschen 1494 Hauscomthur des obersten
Spittlers von Schwansdorf.
M. Perlbach erwähnt in seinen trefflichen Preussischen Regesten
(Altpr. Monatsschr. 1874, S. 18, Nr. 1222) zuerst unter den Dörfern,
die Graf Syro um Kulm besass, Samek, welches Kgtrzyüski (a. 0.
1875, S. 578) auf Zamek bei Thorn bezieht. Ein Kulmer Dorf heisst
Podzammek = Podzamek (auch eine Vorstadt von Bliesen); ent-
weder ist nun P. das alte Samek oder letzteres lag in seiner Nähe
(Zamek Schloss). Pomszyno erinnert wohl zunächst an Mszyn G.
Löbau, Nedalyno an Duliniewo D. Thorn. Altkirch beiGuttstadt
▼od F. Hoppe. 45
(Nr. 1208) hiess früher carapus prayslitte (Nesselm. a. 0. S. 141; Prä-
Position pray — ), womit der Heilsberger Dorfname Schlitt zusammen
zu stellen ist; imlit. heisst szlitte eine Kornhocke, zehn Paar zusammen-
gestellter Garben auf dem Felde.
Die Chronik Wigands von Marburg (Scriptor. rer. Prussic. II, 518)
meldet: »tertia pars (Lithwanorum) iussu regis transeunt flumenTacte
et intrant terram Kaymen." An die Tacte (Schütz: Katte) erinnert
die Tactausche Bek bei Tactau G. Labiau. — M. Toppen erwähnt
in seiner ausgezeichneten Geschichte Masurens (Einleit. S. XIII) den
Wonsz See, welcher mit dem Spirding durch das Schlangenfliess
(nach der Handfeste von Sastrosnen 1477) oder durch das Wensoffker
Fliess (nach der Handfeste von Wensoffken 1539) in Verbindung steht;
der Name Schlangenfliess rechtfertigt die Zusammenstellung des
Namens Wonsz mit „w%£, w§za die Schlange;11 demnach dürfte wohl
auch der Name des Gutes Wensöwen, welches 1484 Matthes Wen-
sowski erhält, mit dem Adjectivuin wgzowy zusammenhängen. — Bei
Plaschken D. Tilsit liegen die Kunigischker Wiesen = Pfarrwiesen
(Eunigiszkas = Kuningiszkas); Brödlauken und Warrupönen D.
Pillkallen haben auch den Beinamen Kunnigischken, letzteres wohl
deshalb, weil es der Pfarrer zuWilluhnen Christian Sperber 1685 er-
hielt; Eunigehlen D. Darkemen ist von dem Deminutivum Kunigelis
= Kuningelis abzuleiten. — Zu Milchbude G. Tilsit gehört (am Wege
nach Winge) die Jeworien, nach der Pappel javoras benannt (unter
javoras versteht man in jener Gegend nur die Pappel, nicht den Ahorn) ;
im Lexicon ist javorynas der Pappelwald nachzutragen. — Zwei Weide-
plätze bei Perwalkischken G.Niederung nennt man Glosnien von der
dort wachsenden salix alba; glosnynas ein Weidengebüsch ; hier ist auch
ein alter Memellauf Szernut (Deminutivum von szernas Eber?). —
Zwischen Enskemen und P atiischen D. Stallupönen fliess t ein Bach
zur Rausch we, der früher vielleicht Tilie hiess; C. Marold, Lehrer an
der hiesigen höheren Bürgerschule, leitet P. von „tiltas die Brücke*
ab, also = patilczei; auf dem Wege vonE. nach P. passiert man eine
Brücke über jenen Bach; an demselben liegt das Wiesenstück Paupis
(fast zweisilbig auszusprechen; Präpos. pa-, upe Fluss); ausserdem ge-
46 Ortsnamen der Provinz Preussen von F. Hoppe.
hören zu Enskemen: die Wiese Lankas, das Feldstück Laukelis
(Deminutivum von laukasFeld), diePerapines (pempynas ein an Kie-
bitzen reicher Art; noch in den dreissiger Jahren war gerade dieser Bruch
mit Kiebitzen stark bevölkert), die Nendrines (nendrynas Rohrbruch).
M. Toppen spricht in seiner Geschichte Masurens S. 38 über Z a-
meczek (Scblösschen) und Jebour in der Johannisburger Forst zwischen
Mucker- und Baldahn-See; dazu bemerkt derselbe: „In dem Hand-
festenbuche des Amtes Khein Fol. B. 16 des Königsb. Archivs Fol. 33a
findet sich die Notiz: Geburge ist auch ein Neudorf, hat keine Hand-
feste, besitzt 44 Hufen zu kölmischen Rechten. — Ob dieses offenbar
untergegangene Dorf G e b u r g e mit Jebour am Kruttingfluss indentisch
ist?" — Diese Frage ist zu verneinen; denn das Dorf Geburge ist
nicht untergegangen, sondern es hat nur den polnischen Namen an-
genommen, nämlich Gurra (gtfra = Berg; vgl. „Ortsnamen des Reg.
Bez. Gumbinnen" S. 8). Markgraf Albrecht verlieh an Paul Karath
(Kanath) 44 Hufen im Gebiet Arys zu kölmischen Rechten zu einem
Dorf Geburge genannt am 15. Mai 1541 zu Königsberg; K. war ver-
pflichtet alljährlich zu Martini von jeglicher Hufe „auf das Haus Rhein"
eine Mark gewöhnlicher Münze zu zahlen und ein Viertel Roggen, ein
Viertel Weizen, einen Scheffel Hafer, 2 Huhner zu liefern. Das neue
Dorf grenzte an Mikossen (nach einem Besitzer vor 1468 benannt),
den Tirklo See, das neue Dorf Türkei, das Gut des „Zedwizers,"
Pianken (1452 Wolfs dorf genannt). — T. berichtet a. 0. S. 94,
dass Philippus Wildenau seinem getreuen Diener Heinrich Hasenberg(er)
32 Hufen 1399 verlieh; nach diesem Besitzer ist Hasenberg D. Osterode
benannt; — S. 101, dass Ulrich von Jungingen 1401 das Freigut
Petzendorf (= Peitschendorf, Kr, Sensburg) an Petzym von Musch-
kake (45 Hufen) und Jocusch von Rademin (15 Hufen) gab; Petzen-
dorf ist also das Dorf des Petzym; — S. 164, dass Niklasdorf oder
Nicolaiken seinen Namen von der Kirche Sancti Nicolai hat, wie
Claussen D. Lyk wohl von der Clausula Mariana auf einer weithin
sichtbaren Höhe zwischen drei Seen.
Johann Arnos Comenins in Elbing.
Von
Prof. »r. Alb. Renseh.
Es ist bekannt, dass Comenius imOctober 1642 nach Elbing kam
und hier, von Ludwig de Geer freigiebig unterstfitzt, sechs Jahre lang,
mit mehreren, oft wechselnden Gehülfen hauptsächlich an didactischen
Schriften, daneben aber auch an einem weit aussehenden und nie vol-
lendeten Werke, der Pansophie, arbeitete. Genauere Nachrichten über
diese Jahre, grossen Theils nach Briefen des Comenius selbst, verdanken
wir Gindely, der 1855 in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie
der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, B. 15, p. 482 ff. eine
Abhandlung über des Comenius Leben und Wirksamkeit in der Fremde
veröffentlicht hat. Neuere Schriften haben nichts erhebliches hinzugefügt.
Ob aber Comenius an dem Elbinger Gymnasium unterrichtet hat,
lässt sich aus Gindely's Schrift nicht mit voller Klarheit erkennen. Er
sagt allerdings, p. 499, der Ruhm desselben habe viele Schüler an das
Elbinger Gymnasium gezogen, aber gleich darauf lesen wir, Comenius
habe auf den Vorwurf Geer's, dass er durch Nebenbeschäftigungen den
gedeihlichen Fortgang seiner literarischen Unternehmungen beeinträchtige,
am 18. September 1644 geantwortet, er ertheile allerdings dem Sohne
eines angesehenen Privatmannes einige Unterrichtsstunden, doch ge-
schehe dies nur auf dringendes Bitten des Elbinger Raths, — eine
Entschuldigung, die offenbar voraussetzen lässt, dass Comenius an einer
öffentlichen Schule nicht thätig war. Leider theilt Gindely den Text
dieses Briefes nicht mit und bemerkt über den Widersprach nichts.
In einem spätem Schreiben an Geer vom 1. December 1644 berichtet
Comenius, der Senat von Elbing habe ihm für die Zukunft — nvan
sieht nicht, aus welchem Grunde — die Miethe seines Hauses geschenkt.
Seyffarth wiederholt in seinem Buche über Comenius, Leipzig 1871, die
Angaben Gindely's, Baur in der Schmidscben Encyklopädie des Er-
48 Johann Arnos Comenins in Elbing
ziehungs- und Unterrichtswesens und Lindner in der Einleitung zu des
Comenius grosser Unterrichtslehre, Wien 1877, haben es vorgezogen
die unklaren Beziehungen desselben zu dem Elbinger Gymnasium und
Rath mit Stillschweigen zu übergehen.
Nun enthält aber das hiesige Archiv einige Stücke, die es ausser
Zweifel setzen, dass Comenius vom Juli 1644 bis zum Juli 1645 als
Professor extraordinarius am Elbinger Gymnasium in acht wöchentlichen
Stunden Philosophie gelehrt hat, und dass die freie Wohnung zu den
Emolumenten seines Amtes gehörte. Bei der Bedeutung des Mannes
wird ein vollständiger Abdruck dieser Stücke wohl gerechtfertigt scheinen,
Sie befinden sich in einem der Sammelwerke, an denen unser Archiv
reich ist, Jacob Boule Elbingensia, tom. I, sind aber, wie die Unter-
schriften zeigen, aus den Becessus causarum publicarum jener Zeit, die
leider verloren sind, abgeschrieben.
p. 607. Revisio Gymnasii Elbingensis.
Sr. Ehrenfesten Herrl. H. Bürgermeister Koy referirt, wie dass die
H. Deputirte, Eines Ehrb. Baths- Verlasz ') nach, wegen unseres Gym-
nasii, wie selbes in bessern Zustand gebracht werden möge, zweimal
zusammen gewesen, und darin viel Mängel befunden, welche billig zu
revidiren sein; unter welchen man wohl gesehen, dass solche theils an
unserm H. Bectore liegen, welcher stets nicht in der Schulen, auf welche
er die Inspection, wie billig, haben soll, theils auch an unserm H.
Conrectore,*) und an denen, so ihm nicht contradiciren dörfen, liegen,
dahero diese gemeinen Querelen, so theils von den unsrigen als auch
unsern benachbarten hören müssen, entstehen und mit groszen Schaden
die unsrigen empfinden müssen, dasz, wie mit ihnen nur allhier die
instrumentales artes und keine realia getrieben werden, sie erst auf
Universitäten Philosophiam hören, und wenn sie nachmals ad facultatem
aliquam schreiten, oder dieselbe fortsetzen sollten, sie alsdann wegen
der grossen Spesen und Unkostungen sich nach Hause begeben müssen.
Dahero diesem allen besser vorzukommen der H. Deputirten Bedenken
*) Veriasz, wohl Veranlassung.
■) Rector war Michail Mylius, Conrector Johann Gramer,
Ton Prof, Dr. Alb. Benseh. 49
ist, dass wie allhier die Mängel und Obstacula bei der Schalen zuvorn
revidirt werden müssen, nebenst denen allhier Philosophia oder pars
ejns per Extraordinarium gelesen werden müsse, und ist von ihnen H.
Comenius und Babius, ein gelehrter Mann aus Dänemark, 3) zum extra-
ordinario professore vorgeschlagen worden, wie aber Babius ein Fremder
und H. Comenius ein Jahr etzliche bei uns sehr berühmt ist und ge-
lebt hat, und seinetwegen etzliche von Adel schon aus Polen anhero
geschickt worden, und durch ihn unser Gymnasium berühmt werden
möchte, als gingen ihre Gedanken auf H. Comenium, ihn zum extra-
ordinario professore, doch dasz die aemulationes verhütet vorzuschlagen,
Solches ihr Bedenken haben sie E. Erb. Bath einbringen wollen, dem-
selben anheim stellende, da derselbe diesen ihren Vorschlag vor gut
befinden sollte, ob mit ihm desfalls, dass er diese Provinciam extra-
ordinariae professionis, Philosophiam oder dessen partem publice zu
lesen auf sich nehmen wollte, zu reden, und da ex solches thun wollte,
was ihme hergegen zum recompens gegeben werde sollte. — Wie nun
dies alles, ob es itzo rathsam sei, statum scholae nostrae zu evertiren
und einen extraordinarium professorem, wodurch aemulationes und dis-
sensiones entstehen möchten, zu schaffen, die Unkostungen auch hierzu
sehr schwer fallen wurden, wohl erwogen, und die Meinunge auch nicht
gewesen statum scholae nostrae zu immutiren, sintemal H. Bector und
Conrector bei dem allen, was schon ihnen auferleget und gesetzet wor-
den, verbleiben, dieses auch nichts neues ist, sintemal solches auf Uni-
versitäten und in unsern benachbarten Städten Thorn und Danzig bis-
hero dergestalt in Acht genommen, und keine aemulationes desfalls
hieraus zu befahren, sintemal der Extraordinarius mit dem H. Bectori
nichts zu thun habe, als hat pluralitas votorum der H. Deputirten Vor-
schlag dergestalt approbiret, dass, ehe mit H. Gomenio hievon geredet
würde, die H. Deputirte solches zuvorn mit H. Bectore und Conrectore,
dasz E. Erb. Bath zu Bemedirung .der gemeinen Querelen auf einen
*) Johann Kaue ans Berlin, damals Lehrer an der Bitterakademie zu Soroe.
Er wurde 1645 Professor extraordinarius zu Danzig (Praetorius, Athenae Gedanenses,
p. 94), und ist wohl der Ravius, den Comenius als Mitarbeiter nach Elbing ziehen
wollte (Gindely. p. 500).
Altpr. Monate»«hrift Bd. XIV. Hfl. Inj. 4
50 Johann Arnos Comentas in Eibin; Ton Prof. Dr. Alb. Reusen.
extraordinarium professorem, H. Comenium nennende, gehe, reden und
ihnen communiciren wollen. Wenn solches geschehen, kann alsdann
mit H. Comenio auch hiervon geredet werden. Gott wolle dieses gute
Werk zu seiner Ehre befordern lassen, vide Bec. caus. publ. die
15. Julii 1644, p. 79.
p. 608. Sr. Ehrenf. Henri. H. Bürgermeister Koy referiret, wie dass
sie in Gegenwart des H. Syndici dem H. Comenio wegen seiner angenom-
menen Extraordinar-Profession 400 fl., freie Wohnung und zwei Buthen
Holz im Namen E. Ehrb. Baths zugesaget, welcher solches mit diesen
Worten, gratis accepistis-, gratis date, *) auch angenommen, doch mit dieser
Gaution, dass er sich nicht auf eine gewisse Zeit verobligiren könnte,
sondern, da er in Polen Gelegenheit kekommen sollte, dass er alsdann da
hin müsste, ist auch mit dem H. Bectore der Introduction wegen geredet
worden, welcher sich erklärt, dass er gerne sehe, dass H. Comenius
als ein Extraord. Professor diese provinciam auf sich genommen, auch,
wenn es E. Ehrb. Bath gelieben würde, introducirt werde, nur allein
gebeten, dass er ihm auch die ordinarios labores lassen wollte, worauf
H. Comenius zur Antwort gegeben, dass er mit seinen laboribus so viel
zu thun habe, dass er anderer Sachen, welche ihn nichts angingen,
wohl vergässe, vice versa H. Comenius auch gebeten, dass niemand von
seinen studiis anders judiciren wolle, bis dass sie das Ende gesehen,
welches beide Theil einander sich zugesaget und also mit gutem Willen
von einander gangen. H. Comenius soll lesen 4 Tage in der Woche
von 1 Uhr des Mittags bis 3. Gott gebe hierzu seine Gnad und Seegen.
ibid. die 20 Julii. p. 83.
p. 608. Auf Anhalten des H. Comenii, dass er seiner Extraordinair-
Profession, weil er auf das Colloquium charitativum in Thorn erscheinen
soll und derselben Profession nicht abwarten kann, erlassen [sein] wolle,
hat E. Ehrb. Bath, weil er gern los sein will, ihn zu dimittiren ge-
schlossen, ibid. die 9 Julii 1645. p. 303.
4) Matth. 10. 8. Comenius hielt also seine Besoldung für sehr gering. Der
polnische Golden hatte damals den Silberwerth von etwa einem halben, den realen
Werta von etwa einem ganzen Thaler. cf. Altpr. Monatsschrift 1868, p. 48. ff.
Der ländliche Grundbesitz im Ermlande
von der Eroberung Preussens durch den deutschen Eitterorden
bis zum Jahre 1375.
Von
.4
Hermann Hoflfmann.
Ueber das Verhältniss, in welchem in den ersten Jahrhunderten der
Ordensherrschsft die einzelnen Klassen der Landbevölkerung Preussens
zu dem Landesherrn, und in welchem Yerhältniss sie unter einander
standen, ist man heute zu Tage noch lange nicht so genügend orientirt,
als es für die Geschichte unseres engsten Vaterlandes zu wünschen wäre.
Der erste, der hierüber eine ausfuhrliche und aus urkundlichem
Material geschöpfte Darstellung gegeben hat, ist Johannes Voigt,
besonders im dritten und im sechsten Band seiner Geschichte Preussens.
Toppen in seinem Excurse über die Verschreibungen des Ordens
für Stammpreussen im 13. Jahrhundert sagt hierüber sehr richtig: !)
Diese Untersuchungen gehören jedenfalls zu den werthvollsten Ab-
schnitten des ganzen Werkes und sind bis dahin fast überall mit dem
unbedingtesten Vertrauen entgegen genommen. Allein seine Auffassung
dürfte nicht überall die richtige und der weiteren Erforschung der
ständischen Verhältnisse nicht überall günstig sein.
Hierauf zeigt er dann, dass die Eintheilung, die Voigt getroffen,
auf einem unrichtigen Eintheilungsgrunde beruht, und dass Voigt über
das Verhältniss zwischen Zehnten und Bischofsscheffel nicht im Klaren ist.
Hierzu kommt nun aber noch ein anderer Umstand, der auch wol
*) Script, rer, Press. Bd. I, p. 254.
4*
52 Der ländliche Grundbesita im Ermlande
zu beachten ist, dass Voigt nämlich seine ganze Darstellung fast nur
aus Verschreibungen geschöpft hat, die sich auf Samland beziehen.
Die grosse Masse der ermländischen Verschreibungen ist ihm grössten-
teils unbekannt gewesen.
Wir haben daher vor allen Dingen nicht das Hecht, die Darstellung
Voigts, wenn sie an und für sich auch ganz richtig wäre, für alle Theile
unserer Provinz gelten zu lassen.
Endlich ist hiebei nicht zu übersehen, dass die Verhältnisse der
deutschen Ansiedler in der Darstellung Voigts, besonders für die älteste
Zeit ungemein knapp, fast oberflächlich behandelt sind, ein Umstand,
der darin seinen Grund hat, dass die samländischen Verschreibungen
zum grössten Theil für Stammpreussen ausgestellt sind.
Die zweite Arbeit, die hier in Betracht kommt, ist die schon er-
wähnte Abhandlung von Toppen: „Excurs über die Verschreibungen
des Ordens für Stammpreussen im 13. Jahrhundert." Es ist diese Arbeit
wegen der kritischen Schärfe und des klaren Verständnisses der Ver-
hältnisse sehr schätzbar. Leider beschränkt sie sich nur auf die Ver-
schreibungen für Stammpreussen und auch nur auf "die aus dem 13ten
Jahrhundert. Da sich unter den ermländischen Verschreibungen aus
dieser Zeit nur sehr wenige befinden, die für Stammpreussen ausge-
stellt sind, hat Toppen besonders die samländischen Verschreibungen
benutzt, weshalb das von ihm Gesagte auch vorzüglich für Samland gilt.
Als drittes Werk ist endlich noch zu nennen Bender: „Ermland's
politische und nationale Stellung innerhalb Preussens.*
Es beruht diese Arbeit, so weit sie die Standes- Verhältnisse berührt,
vollständig auf den ermländischen Verschreibungen, wie sie im Codex
diplomaticus Warmiensis edirt sind.
Doch giebt Bender keine detaillirte Untersuchung über die ein-
zelnen Punkte, sondern, wie es dem Zweck seines Werkes entspricht,
nur eine allgemeine Uebersicht.
Unter diesen Umständen habe ich es für keine überflüssige Arbeit
gehalten, eine Special-Untersuchung über den ländlichen Grundbesitz
im Ermlande anzustellen.
Ich habe hiezu gerade Ermland gewählt, weil dieses wegen seiner
▼on Hermann Hoffmann. 53
unabhängigen Stellung die meisten Eigentümlichkeiten in diesen Ver-
hältnissen aufweisen dürfte, und weil das Material für diese Unter-
suchung im Codex diplomaticus Warmiensis (von Woelky und Saage)
trefflich geordnet und jedem zugänglich gemacht ist, während das Ma-
terial für eine gleiche Untersuchung für die übrigen Landestheile
Preussens zum grössten Theil nicht publicirt ist, sondern noch in den
verschiedenen Archiven verborgen ruht.
So weit die Verschreibungen, die sich auf andere Landestheile be-
ziehen, im , Codex diplomat. Prussicus* von Voigt, bei Kreuzfeld:
.Ueber den Adel der alten Preussen," in der Abhandlung Rogge's:
„Das Amt Balga« (Altpreussische Monatsschrift für 1867, 1869, 1870
und 1871) und an anderen Stellen veröffentlicht sind, sind sie natürlich
zur Vergleichung oder auch zur Bestätigung des Gesagten herbeige-
zogen worden.
Wir haben dieses Letzte ruhig thun können, weil die Fundamente
der ständischen Verfassung in dem Ordensgebiet und in den einzelnen
Bisthümern ganz dieselben sind. Erst im weiteren Ausbau finden sich
Verschiedenheiten, wie sie durch die localen und persönlichen Verhält-
nisse herbeigeführt worden sind.
Da unser Material erst mit dem Jahre 1261 beginnt, werden 'wir
sofort mitten in die neuen Verhältnisse hineingeführt.
Um die neue Ordnung der Dinge in Preussen recht verstehen zu
können, ist es nöthig, einen Blick auf die Verhältnisse zu werfen, unter
denen der deutsche Orden die Eroberung Preussens begann und zu einem
glücklichen Ende führte.
Von Kaiser2) und Papst3) begünstigt und mit dem zu erobernden
Lande schon im Voraus belehnt, begann der Orden den schwierigen
Kampf gegen die Heiden, der ihm dadurch allerdings ungemein erleich-
tert wurde, dass er es mit wenigen Ausnahmen immer nur mit einer
Landschaft zu thun hatte, während die übrigen ihren bedrängten Stammes-
genossen nicht die nöthige Hülfe leisteten, sondern ruhig warteten, bis
sich das siegreiche Schwert des Ordens auch gegen sie wandte.
*) Voigt, Cod. <L Pr. I, Urk. 35. ») v. Dreger, Cod. Pomeraniae I, Urk. 296,
54 Der ländliche Grundbesitz im Ermlatide
Nach den Anschauungen der damaligen Zeit war nun der Orden
in den unterworfenen Landschaften sowol vollständig Herr über den
Grund und Boden, wie über dessen bisherige Besitzer. Durch die An-
nahme des Christentums von Seiten der Preussen änderte sich dieses
Verhältniss allerdings insofern, als die Neubekehrten dem Orden nicht
mehr als Feinde der katholischen Kirche gegenüber standen, vielmehr
als Glieder derselben unter den Schutz des römischen Stuhles traten.
Dieser nahm sich ihrer auch an, indem er den Orden anwies, sie milde
zu behandeln und ihnen die Freiheiten zu lassen, die sie vor ihrer Be-
kehrung gehabt hatten.
In einer unserer Hauptquellen für die älteste preussische Geschichte,
der Chronik Peters von Dusburg, findet sich nur eine ganz kurze Notiz 4)
über die Freiheiten, die den Preussen verliehen wurden. Es heisst hier :
„Et secundum pacta et libertates, quae ipsis (Pomesanis) tunc
dabantur, alii neophiti postea regebantur!
Wir ersehen hieraus aber nur, dass zwischen dem Orden und den
schon unterworfenen Preussen Verträge geschlossen worden sind, in
welchen den Preussen gewisse Bechte zugestanden wurden. Welcher
Art diese waren, und welchen Umfang sie hatten, lässt sich nicht
mehr bestimmen.
Wenn man sich aber die Gefährlichkeit des Kampfes für den
Orden vergegenwärtigt, sowie seine immer nur temporäre Unterstützung
durch Kreuzfahrer aus Deutschland, die nach Erfüllung ihres Gelübdes
wieder heimzogen, so darf man wol mit Becht annehmen, dass die Be-
handlung, die der Orden den bekehrten Preussen zu Theil werden liess,
eine verhältnissmässig sehr gelinde gewesen sein wird. Vor allen wird
der Orden sie jedenfalls in ihrem alten Besitz belassen haben. Ebenso
ist es fast unzweifelhaft, dass die Bangunterschiede, die wir bei Dns-
burg angeführt finden,5) bestehen blieben; wenigstens werden in der
Friedensurkunde vom Jahre 1249 ausdrücklich preussische Edle erwähnt,
die mit dem Bittergürtel umgürtet werden können. Indess bei einem
Volke, das soeben durch's Schwert überwunden, und dem seine heiligsten
4) Script, rer. Pr. I, p. 60. •) Script, rer. Pr. I, p. 53—54.
▼on Hermann Hoffmann. 55
Güter, Religion und Freiheit entrissen waren, konnte der Orden, auch
wenn er ihm die günstigsten Bedingungen stellte, auf grosse Treue
nicht rechnen. Er bedurfte einer anderen Stütze, eines Gegengewichts
gegen die Unzuverlässigkeit der Neubekehrten, und dieses fand er in
den deutschen Ansiedlem.
Ueber die ersten Einwanderungen deutscher Kolonisten berichten
unsere Quellen sehr wenig. Dusburg erzählt,6) dass nach der Unter-
werfung von Ermland, Natangen und Barthen viele Burgen zum Schutz
dieser Landschaften gebaut wurden, und fährt dann fort: „Mehrere an-
dere Burgen bauten Edle und Lehnsleute, welche von Deutschland her
mit ihrem Hause, ihrer Familie und Verwandschaft zur Unterstützung
des genannten Landes gekommen waren, deren Namen Gott allein weiss. "
An einer andern Stelle,7) bei Erzählung des ersten Aufstandes der
neubekehrten Preussen, berichtet derselbe Chronist weiter: „Und sie
(die Preussen) tödteten elendiglich alle alten Christen, welche aus
Deutschland zur Unterstützung des Landes Preussen gekommen waren,
und schleppten die Frauen und Kinder in ewige Gefangenschaft.11 Ganz
dasselbe, nur kürzer, besagt noch eine Stelle in der älteren Chronik
von Oliva.8)
Aus diesen wenigen Stellen, den einzigen, die wir darüber in un-
seren Quellen haben, erfahren wir nun, dass aus Deutschland Kolonisten
mit ihrem ganzen Hause und ihrer Verwandschaft nach Preussen ge-
kommen sind. Sehr zahlreich scheinen diese indess in der ersten Zeit,
besonders in den östlichen Landschaften nicht gewesen zu sein. Dass
diese Deutschen dem Orden im höchsten Grade erwünscht kamen, ist
natürlich. Sie kehrten nicht nach Ablauf einer bestimmten Zeit in ihre
Heimath zurück, sondern blieben in Preussen, um in dem Lande, das
sie mit dem Schwerte bezwungen, auch deutsche Cultur und deutsche
Sitte heimisch zu machen.
Die Lage dieser ersten deutschen Ansiedler in Preussen war aber
keineswegs beneidenswerth. Dusburg9) erzählt uns, dass sie an Speise,
•) Scr. rer. Pr. I, p. 65. 7) Scr. rer. Pr. I, p. 69. 8) Scr. rer. Pr. I, p. 680.
•) Scr. rer. Pr. I, p. 66.
gg Der ländliche Grundbesitz im Ermlande
Trank und Kleidung vieles entbehren mussten. Wenn sie die Aecker
bestellen wollten, konnte dieses nur zur Nachtzeit geschehn, und was
sie unter Gefahr und Anstrengung säeten, ernteten andere.
Unter diesen Umständen war der Orden natürlich gezwungen, den
deutschen Kolonisten, die er in möglichst grosser Anzahl herbeizuziehen
suchte, grössere Rechte und Freiheiten zu gewähren, als sie in Deutsch-
land besassen, da ohne sichere Aussicht auf Verbesserung seiner Lage
Niemand das Gewisse aufgab, um mit Weib und Kind einer unsichern
und gefahrdrohenden Zukunft entgegenzugehn.
Welches diese Rechte gewesen sind, und ob dieselben schon da-
mals immer genau fixirt wurden, lässt sich nicht sagen. Nach einer
Urkunde, die aus dem Jahre 1285 stammt, ,Q) und in der auf specielle
Bitte einer Anzahl von Lehnsleuten, deren Rechte und Pflichten genau
bestimmt werden, da sie noch keine Verschreibung darüber erhalten
hatten, scheint es, als ob eine genaue Fixirung der einzelnen Rechte
und Pflichten in der ältesten Zeit gar nicht stattgefunden hat.
Den ersten genaueren Aufschluss über das Yerhältniss der unter-
worfenen Preussen zu dem siegreichen Orden giebt uns die sogenannte
Friedensurkunde ") aus dem Jahre 1249 d. h. der Vertrag, der nach
Ueberwältigung des ersten Aufstandes der Preussen zwischen diesen
und dem Orden abgeschlossen wurde.
Alle seine einzelnen Bestimmungen hier anzuführen, ist für unsern
Zweck nicht nöthig; es genügt, die Hauptpunkte zu erwähnen.
Ausser dem freien Erwerbsrecht räumte der Orden den Preussen
zunächst ein sehr weit gehendes Erbrecht ein. Während früher nur die
Söhne erbberechtigt waren, wurden es nun auch die Töchter. In Er-
mangelung von Kindern fiel das Gut an die Eltern, und wenn diese auch
schon todt waren, an die Enkel. War von diesen allen Niemand mehr
am Leben, so erbten die Brüder, und für den Fall, dass auch diese schon
gestorben waren, deren Söhne. Lebte von allen diesen Erbberechtigten
keiner mehr, so fiel das unbewegliche Eigenthum an den Herrn (Orden)
,0) C. W. I, U. 71. ") C. W. I, Urk, 19 und v. Dreger, Cod. Pomcraniae
I, Urk. 191,
Ton Hermann Hoffmaon. 57
zurück, das bewegliche nur dann, wenn darüber keine weitere Bestimmung
des letzten Besitzers existirte.
Ueber ihr bewegliches Eigenthum besassen die Prenssen unbe-
schränktes Veräusserungsrecht. Das unbewegliche durften sie auch ver-
kaufen, mussten aber eine dem Werth des Besitzthums entsprechende
Caution stellen, dass sie nicht zu den Feinden des Ordens fliehen würden.
Testamentarisch konnten sie über das bewegliche wie unbewegliche
Eigenthum verfügen, wobei nur die Beschränkung bestand, dass, wenn
eine Kirche oder kirchliche Person zum Erben von Grundbesitz einge-
setzt war, diese selbigen binnen Jahresfrist den Erben des Verstorbenen
oder anderen zu verkaufen gezwungen war, widrigenfalls er an den
Orden fiel. Bei allen Verkäufen hatte der Orden aber das Vorkaufsrecht.
In Betreff ihrer sonstigen Rechtsstellung wurden die Preussen als
vollständig frei und selbstständig betrachtet, so dass sie vor jedem
weltlichen oder geistlichen Gerichte ihre Sache selbst führen konnten.
Die Sprösslinge edler Geschlechter können sogar mit dem Rittergürtel
umgartet werden. Alle diese Rechte sollen sie aber verlieren, so wie
sie wieder zum Heidenthum abfallen.
Was das weltliche Gericht anbetrifft, so überliess ihnen der Orden
die Wahl, worauf sie sich das polnische Recht erbaten.
Es folgen nun die Bestimmungen über Todtenbestattung, Ehe,
Taufe, Bau von Kirchen, Unterhaltung der Geistlichen, Beobachtung
des katholischen Cultus und andere, die für unsern Zweck unwichtig
sind. Was endlich die Leistungen anbetrifft, zu denen die Preussen
dem Orden gegenüber verpflichtet wurden, so sind diese zweierlei Art.
Einmal sind die Preussen gehalten, dem Orden den Zehnten in
seine Scheuern zu liefern, und dann müssen sie an allen Kriegsreisen
je nach ihren Verhältnissen bewaffnet Theil nehmen. Wird bei einer
solchen Gelegenheit einer von ihnen gefangen, so hat der Orden nach
Kräften für dessen Befreiung zu sorgen.
Dieses sind, kurz gefasst, die Bestimmungen, die laut Vereinbarung
zwischen dem Orden und den Preussen für letztere gelten sollten. Wenn
sie uns auch über sehr viele wissenswerthe Dinge keinen Aufschluss
gewähren, so geben sie uns doch ein ungefähres Bild der damaligen
5g Der ländliche Grundbesits im Ermlande
Verhältnisse und berechtigen uns zu der Behauptung, dass die Lage
der unterworfenen Preussen keineswegs eine sehr traurige gewesen ist.
Ob in der Lage der deutschen Einwanderer in Folge der ersten
Empörung der Preussen eine Aenderung eingetreten sei, lässt sich nicht
bestimmen ; dagegen wissen wir, dass die Deutschen im Laufe der zweiten
Empörung eines ihrer Hauptrechte erworben haben, nämlich die Ver-
pflichtung nur zum gemessenen Kriegsdienst.
Wer sich damals nicht in eine Burg flüchten konnte, wurde er-
schlagen oder in Gefangenschaft geschleppt, die Besitzungen der deutschen
Ansiedler mit Feuer und Schwert verwüstet. Von den Burgen selbst
wurden die meisten erstürmt und zerstört, nur wenige waren es, in
denen sich die Ordensritter mit den Besten der Landbevölkerung zu
halten vermochten.
Vielleicht um diese deutschen Kolonisten zu noch grösserer That-
kraft anzuspornen, vielleicht auch von ihnen, die sich ihrer vorteilhaften
Stellung dem Orden gegenüber wol bewusst waren, gedrängt, gab der
Orden im Jahre 1267 seinen Lehnsleuten von Ermland und Natangen
das Versprechen, 1S) dass sie nach Niederwerfung des Aufstandes nur
zu dem sogenannten gemessenen Kriegsdienst, d. h. innerhalb der Land-
schaften Samland, Natangen, Ermland, Barthen und Pogesanien bis zur
Weichsel verpflichtet sein sollten. *
Während so die deutschen Einwanderer im Verlauf der zweiten
Empörung eines ihrer Hauptprivilegien erwarben, wurde die Lage der
Preussen durch sie vollständig verändert.
Jene Bestimmung aus dem Friedensvertrage von 1249, dass die
Preussen aller dort aufgeführten Bechte verlustig gehen sollten, wenn
sie wieder zum Heidenthum abfallen würden, wurde nun im strengsten
Sinne des Wortes zur Ausfuhrung gebracht. Alle alten Standesunter-
schiede wurden über den Haufen geworfen, das Verhalten gegen den
Orden allein war es, was für die neue Stellung massgebend wurde.
») C. W. I, ü. 60.
*) In der Verschreibung für diese Lehnsleute (C. W. I. 71.) heisst es, sie haben
den gemessenen Kriegsdienst zu leisten in Samland, Natangen, Ermland, Barthen,
Pogesanien und Pomesanien.
von Hermann Hoffmann« 59
Früher Freie und Edle, die sich an der Empörung betheiligt hatten,
wurden in die Klasse der Hörigen versetzt, während umgekehrt früher
Hörige, die sich um den Orden Verdienste erworben, die Freiheit
erhielten. 13)
Was bis jetzt über das Verhältniss der deutschen Einwanderer und
der neubekehrten Preussen zu dem Orden gesagt ist, gilt, wo nicht
specielle Local- Verhältnisse eine Aenderung herbeigeführt haben, für
alle dem Orden damals schon unterworfenen Landestheile.
Vom Anfang der sechsziger Jahre des 13ten Jahrhunderts datiren
nun aber unsere ersten Verleihungs-Urkunden, die sich speciell aufErm-
land beziehen und bald so zahlreich werden, dass sie uns ein wenigstens
in vielen Stücken sicheres und unantastbares Bild der Verhältnisse geben.
Auf eine ausführliche Kritik dieser Urkunden an dieser Stelle ein-
zugehen, ist unmöglich.
Da wir es nur mit officiellen Copieb zu thun haben, ist deren Echt-
heit ausser allem Zweifel. Es bliebe daher nur zu untersuchen übrig,
ob diese Urkunden auch mit der Genauigkeit und Sorgfalt ausgestellt
sind, die wir bei ihnen nicht entbehren können, wenn sie uns ein in
jeder Beziehung klares und deutliches Bild der Verhältnisse geben sollen.
Alle die tausendfaltigen Unregelmässigkeiten, Auslassungen und
überflüssigen Zusätze, die sich in unseren Urkunden finden, hier zu er-
wähnen, würde zu weit führen; auf die meisten derselben wird im Laufe
der Untersuchung hingewiesen werden.
Hier kann nur die Behauptung ausgesprochen werden — und jeder,
der die Urkunden genauer kennt, wird dieser Behauptung beipflichten —
dass unsere Urkunden durchaus nicht immer so genau und correct sind,
als es wünschenswerte wäre.
Da wir das culmische Recht, das den meisten Verschreibungen zu
Grunde liegt, genau kennen, da ferner das preussische Recht, wie es
13) Dustrarg, Scr. rer. Pr. I, p. 146, erzählt: »Unde multi sunt neophiti in
terra Prussie, quornm progenitoree fuerunt de nobili prosapia exorti, ipßi vero propter
suam maUciam, quam contra fidem et christifldeles exercuerunt, ignobiles estimati
sunt; alii vero, quornm parentes erant ignobiles, donafci sunt propter fidelia servitia
fidei et firatribus exhibita libertati/
60 Der Kindliche Grundbesite im Ermlande
sich allmählig entwickelte, in seinen Hauptpunkten auch klar und deut-
lich erkennbar ist, sind wir in den Stand gesetzt, den Werth der ein-
zelnen Urkunden beurtheilen zu können.
Einzelne Punkte werden oft mit Stillschweigen übergangen, zuweilen
vielleicht aus Nachlässigkeit, meistens aber wol, weil deren specielle
Erwähnung för die damalige Zeit überflüssig erschien. Andere Be-
stimmungen sind wieder so allgemein gehalten (secundum terre con-
suetudinem etc.), dass sie, für die damalige Zeit allgemein verständlich,
heute oft mit Sicherheit kaum zu deuten sind. Ueber einzelne Punkte
endlich finden sich hin und wieder genaue Bestimmungen, die in dem
allgemeinen Rechtstitel, unter dem der Besitz verliehen wird, schon
notwendiger Weise enthalten sind, in ihrem vereinzelten Auftreten also
leicht zu Irrthümern und Missdeutungen Veranlassung geben können.
Wir werden daher, so werthvoll diese Urkunden für uns auch sind,
sie immer mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln haben, wir werden
sie nicht immer wörtlich nehmen dürfen.
Für die Beurtheilung unserer Urkunden ist aber noch ein anderer
Punkt von der grössten Wichtigkeit.
Wie schon früher gesagt, war der Landesherr auch unumschränkter
Eigenthümer seines Territoriums, mit dem er, durch die allgemein
geltenden Grundsätze nur in gewisser Hinsicht gebunden, nach seinem
Belieben schalten konnte.
Bei jeder Landverleihung wurde daher zwischen dem verleihenden
Landesherrn und dem zu beleihendenden Vasallen ein besonderer Vertrag
geschlossen, dessen Bedingungen je nach den localen und persönlichen
Verhältnissen verschieden sein konnten. Wir sehen hier also Festhalten
an gewissen Grundrechten und willkührliche Modificationen vereinigt.
Durch das culmische und preussische Becht wird eine gewisse
Summe von Rechten garantirt; es sind dieses die Hauptpunkte, die wir
in den meisten Urkunden finden, oder wo sie fehlen, als selbstverständ-
lich voraussetzen müssen. In dem Belieben des Landesherrn steht es
dann aber, diese Rechte noch zu vermehren, oder die sonst üblichen
Lasten zu erleichtern. Da nun, wo eine solche Begünstigung stattfindet,
dieses nicht immer besonders erwähnt wird, wird die Beurtheilung de?
toq Hermann Hoffmann, ßj
Urkunden dadurch zuweilen sehr erschwert, indem man, vorzüglich wo
die Leistungen geringer sind als gewöhnlich, nicht wissen kann, ob
hier eine Begünstigung stattgefunden hat, oder ob die Unregelmässigkeit
auf eine Nachlässigkeit bei der Ausstellung der Urkunde zu schieben ist.
Nach dem uns vorliegenden Material haben wir nun bei der länd-
lichen Bevölkerung Preussens zwei Hauptclassen zu unterscheiden, Freie
und Unfreie (die ignobiles bei Dusburg). Zu der letzten Klasse gehören
diejenigen Preussen, die in Folge des zweiten Aufstandes in den Stand der
Hörigkeit versetzt wurden, oder in demselben blieben, zu der ersten
alle anderen Preussen und sämmtliche deutsche Kolonisten. Die unter-
scheidenden Hauptmerkmale der beiden Klassen sind die Lieferung des
Decems und die Leistung der Scharwerksdienste, von welchen Lasten
der Stand der Freien durchgängig befreit ist. An die Stelle des Decems
tritt bei ihm das Pflugkorn oder Bischofsscheffel, der (2 Scheffel Ge-
treide für jede beackerte Hufe) eine bedeutend geringere Abgabe ist
als der eigentliche Decem.*)
In der Klasse der Freien unterscheiden wir dann die culmischen
und preussischen Besitzer, d. h. diejenigen, die ihre Besitzungen zu
cuhnischem Becht und diejenigen, die sie zu preussischem Recht er-
halten haben.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Klassen ist natürlich ein
ganz anderer, wie der zwischen den Freien und Hörigen. Grösserer
Umfang und grössere Freiheiten in Betreff des Erb- und Veräusserungs-
rechts, sowie des Kriegsdienstes zeichnen die culmischen Güter vor den
preussischen aus.
Innerhalb dieser Besitzungen muss man endlich noch diejenigen
unterscheiden, die für sich unabhängig und selbstständig dastehn, und
diejenigen, die zu einem Dorfverbande gehören, d. h. die freien Güter
und die bäuerlichen Besitzungen.
Interessant ist es noch zu sehen, dass ungefähr bis zum Jahre 1300
sich fast nur Verschreibungen zu cuhnischem Becht finden. Mit dem
*) In Schlesien findet sieb das Pflagkorn, oder, wie es dort heisst, das Herzogs-
körn meistens mit dem Decem zusammen, cf. Tzschoppe und Stenzel: »Urkunden-
buch ffir Schlesien.« Einleit. p. 164.
gg Der ländliche Grandbesita im Ermlande
Anfang des 14 Jahrhunderts beginnen dann die Dorfgründungen, die
bald immer zahlreicher werden und ungefähr seit 1340 im Verein mit
den seit dieser Zeit sehr häufigen Yerschreibungen zu preussischem
Recht die Yerschreibungen zu culmischem Recht fast ganz verdrängen.
Der Grund dafür, dass erst mit dem Anfange des 14. Jahrhunderts
die Dorfgründungen beginnen, ist wol der, dass erst seit dieser Zeit
grössere Massen von kleinen deutschen Freien, die ja den Hauptbestand-
theil der preussischen Bauernschaft bildeten, nach Ermland kamen.
Die Erklärung für die zweite Erscheinung, dass sich von 1340 ab so
auffallend viele Yerschreibungen zu preussischem Rechte finden, ist viel
schwieriger. Wahrscheinlich ist es, dass die grosse Masse der kleinen
preussischen Freien, denen der Orden und die Bischöfe ihre alten Be-
Sitzungen gelassen hatten, dieselben lange Zeit besassen, ohne dass
ihnen vom Landesherrn eine Yerschreibung darüber ausgestellt war.
Dass alle diese Yerschreibungen sich auf neu verliehene Güter bezogen
haben, ist unglaublich, weil man nicht ersehen kann, von wo alle diese
Preussen auf ein Mal hergekommen sein sollen.
Allerdings sind zuweilen, wie dieses aus einzelnen Urkunden klar
hervorgeht, ") Preussen, die ursprünglich Hörige waren, aus nicht mehr
erkennbaren Gründen in den Stand der Freien erhoben und mit kleinen
Besitzungen zu preussischem Recht belehnt worden, doch sind diese
Fälle so selten, dass sie die eben ausgesprochene Yermuthung nicht
umstossen können.
Guter zu culmischem Recht.
Betrachten wir nun zuerst die Güter culmischen Rechts.
Das culmische Recht ist ja, wie bekannt, ursprünglich ein deutsches
Recht, das mit den nöthigen Modificationen, wie sie die territorialen
Verhältnisse erforderten, im Jahre 1233 vom deutschen Ritterorden den
Städten Gulm und Thorn verliehen wurde. Bald wurde es indess auch
auf die ländlichen Verhältnisse übertragen, es wurde so gewissermassen
die magna Charta, die den mit ihm Beliehenen gewisse Rechte garantirte.
Natürlich konnte aber das culmische Recht, das ja zunächst ein
") C. W. n, 90, 91.
von Hermann Hofiniann. ß3
Stadtrecht war, nicht ohne Weiteres auf die Verhältnisse des platten
Landes übertragen werden, es musste zunächst bedeutende Aenderungen
erleiden, es musste den neuen Verhältnissen angepasst werden.
Diese Abänderungen festzustellen, wird bei Betrachtung der Be-
sitzungen zu culmischem Becht unsere Hauptaufgabe sein müssen. Was
zunächst die Besitztitel anlangt, unter denen die culmischen Güter ver-
liehen werden, so sind diese sehr verschieden. Das einfache „Jure
Culmensi11 findet sich, besonders in der ältesten Zeit, am seltensten,
meistens wird noch perpetuo possidendum hinzugefügt. ") Hin und
wieder heisst es auch „Jure sepedicte civitatis" ") oder «Jure, quod
habent ,7) (folgt der Name eines anderen, der sein Out zu culmischem
Becht besitzt) oder „Jure Culmensi cum omnibus suis juribus." ")
Ausser diesen Besitztiteln giebt es nun aber noch eine ganze Beihe
anderer, die durch alle möglichen Gombinationen von Jure Culmensi,
Jure hereditario und in feudum gebildet sind. Die hauptsächlichsten
sind folgende:
Jure Culmensi in feudum *•)
Jure Culmonsi in feudum perpetuo possidendum'0)
Jure Culmensi libere et in feudum11)
Jure Culmensi perpetuo et jure hereditario M)
Jure Culmensi et hereditario13)
Jure Culmensi cum omnibus suis juribus perpetuo ac jure here-
ditario ")
Cum omni jure Culmensi in feudum perpetuo possidendum M)
Jure Culmensi et jure hereditario in feudum perpetuo possi-
dendum lf)
Jure Culmensi et jure hereditario ac jure, quo ceteri nostri feodales 1T)
Jure Culmensi proprietatis titulo libere ac absolute possidendum ")
In feudum perpetuum accedente Jure Culmensi19) etc.
») C. W. I, 60, 66, 79, 80, 101 etc. ") C. W. I, 75. ") C. W. I, 76.
■■) G. W. I, 88. ,9) C. W. I, 89, 100, 141, 201, 216, 282. so) C. W. I, 136.
•») C. W. I, 200. w) C. W. I, 64. ") C. W. I, 65. f4) C. W. I, 70.
») C. W. I, 86. »•) C. W. I, 90. a7) C. W. I, 95. »•) C. W. I, 67.
*•) C. W. I, 89.
64 Der ländliche GrondbesUs im Ermlande
Nichts wäre aber irriger als die Ansicht, dass in den Urkunden,
in denen in feudum steht, etwa noch besondere Bestimmungen aus dem
Lehnsrecht enthalten seien, oder dass bei den Urkunden, in denen »jure
hereditario" steht, besondere Bestimmungen, die das Erbrecht betreffen,
vorwalten.
Eine Vergleichung dieser Urkunden zeigt uns klar und deutlich,
dass sie in allen wesentlichen Stücken ganz gleichen Inhalt haben.
Alle diese verschiedenen Besitztitel drücken nur den Inbegriff einer
Anzahl von Rechten und Pflichten aus, die man unter einen einzigen,
sie genau und umfassend bezeichnenden Titel zu bringen versäumt hat,
sie bezeichnen nichts weiter als das einfache Jure Gulmensi.
Gewöhnlich geschah die Verleihung nun von Seiten des Bischofs
mit Zustimmung des Domcapitels, 30) häufig wird dessen Zustimmung
aber auch nicht erwähnt31) Das Domcapitel verleiht seine Güter
meistens allein, ") nur sehr selten wird gesagt, dass es mit dem Rathe
und der Zustimmung des Bischofs geschehe.33)*)
In der späteren Zeit tritt an die Stelle des Bischofs resp. des
Domcapitels gewöhnlich der betreffende Vogt.
*>) C. W. I, 70, 79, 80, 83, 85 etc. »«) C. W. I, 84, 96, 148, 174, 183 etc.
") C. W. I, 76, 86, 109, 111 etc. M) C. W. I, 121, 181.
*) Bender in seinem Boche: »Ermlands politische and nationale Stellung inner-
halb Preussens* p. 26 sagt, dass der Bischof in seinem eigenen Gebiete bei allen
landesherrlichen Handlangen, also auch bei der Oolonisation nur mit Zustimmung des
Domcapitels, das ihm als berathende Behörde znr Seite stand, handeln durfte, wahrend
dieses in dem ihm überwiesenen Landestheile als unbeschrankter Landesherr ohne
den Bischof schalten konnte. Hieraas erkläre es sich dann, dass der Bischof immer
mit Zustimmung des Domcapitels, dieses dagegen ohne die Zustimmung des Bischofs
colonisire.
Im Allgemeinen ist dieses nun entschieden richtig. In einer Verschreibang aas
dem Jahre 1261, die ein Stellvertreter des Bischofs ausstellt, heisst es sogar aus-
drücklich, der Bischof solle jliese spater bestätigen ,sui capituli consensu ut decet
requisito (G. W. I, 42).
Doch finden sich so viele Abweichungen, die sich durch diese Annahme durch-
aus nicht erklären lassen, dass eine Special-Untersuchung über diesen Punkt sehr
wünsohenswerth wäre. Bender selbst sagt schon in einer Anmerkung (p. 26):
»Allerdings giebt es Ausnahmen. So liegt eine Anzahl Urkunden von Bischof
Eberhard aus den Jahren 1315—25 vor, worin derselbe ohne Zustimmung des Ka-
pitels handelt. Die Erklärung dürfte in dem Umstände zu finden sein, dass Eberhard
von Hermann Hoffmann. ßg
Die Grösse des verliehenen Landes wird in der ältesten Zeit ge-
wöhnlich nicht angegeben, meistens heisst es nur, es wird ein Feld,
(campus) oder ein Theil eines Feldes verliehen.34) Später wird die
Zahl der verliehenen Hufen fast immer genannt. Dieselben sind aber
nicht genau vermessen, weshalb wir zuweilen Bestimmungen darüber
finden, was, wenn bei einer späteren Vermessung mehr oder weniger,
als die bestimmte Zahl von Hufen gefunden wird, hiemit geschehen solle.3')
Zuweilen wird auch noch die Sitte des Umreitens erwähnt. (C. W.
I, 86b; II, 8).
Die Grenzen dieser Güter sind meistens genau bestimmt. Hiebei
war es, wenigstens in der älteren Zeit Sitte, dass der Verleiher mit
damals in Heilsberg, fern vom Kapitel residirte. In diesen Fällen haben wir aber
eine besondere Zeugenschaft ans dem Landadel and hervorragenden Ortsangehörigen
nnd dem Vogte. Seine in Braunsberg und Frauenburg ausgestellten Urkunden er-
halten den Consens, wenn es sich nicht um kleinere Tafelgüter, um Mühlen und
Krüge handelt.*
Hierauf ist zunächst zu erwidern, dass wir auch in den Verschreibungen, in
denen der Bischof mit Zustimmung des Domcapitels verleiht, meistens einige ange-
sehene Vasallen als Zeugen aufgeführt finden.
Ferner haben wir einige Verschreibungen, die schon vor dem Jahre 1315 aus*
gestellt sind, in denen die Zustimmung des Domcapitels nicht erwähnt wird. (C. W#
I, 84, 96, 148.)
Von diesen sind zwei in Braunsberg ausgestellt (C. W. I, 96, 148.) Dass es
sich hier nicht um kleinere Tafelgüter handelt, zeigt die Verschreibung für den
Bitter Ruprecht (C. W. I, 96), der 100 Hufen erhält.
Hiezu kommt noch, was Bender übersehn zu haben scheint, dass das Dom-
capitel zwei Male auch mit Zustimmung des Bischöfe verleiht.
Zu beachten ist auch noch, dass in einer Menge von Verschreibungen, die der
Bischof mit Zustmmung des Domcapitels ausstellt, das Siegel des letzteren fehlt
(d. h. nicht erwähnt wird). C. W. I, 62, 66, 67, 69, 89, 90 etc.
Als eine auffallende Form ist schliesslich noch zu erwähnen, dass in einigen
Verschreibungen aus dem 13. Jahrhundert (C.W. I, 73, 83) es heisst: »Wir Bischof,
Präpositus, Decanus und das ganze Kapitel verleihen etc.,* wobei doch noch später
des gewöhnliche capituli nostri consensu steht.
Wahrscheinlich ist dieses aber nur aus Nachlässigkeit geschehen.
In den samländischen Verschreibungen findet sich auch gewohnlich die Zu-
stimmung des Domcapitels erwähnt (Voigt, Cod. dipl. Pr. II, 58; III, % 3, 4 etc.)
Doch treffen wir auch da Verschreibungen, in denen der Bischof allein verleiht,
(Voigt, Cod. dipl. Pr. II, 61, 113 etc.)
M) C. W. I, 54, 57, 60, 65, 76, 77, 90, 93 etc.
w) C. W. I, 96, 147.
AJtpT. Monatatcbrift Bd. XIV. Hft. 1 a. 2, 5
*
ßg Der ländliche Grundbesitz im Ermlande
dem Beliehenen und einigen Grenznachbarn die Grenzen umging, ") zu-
weilen sogar mit eigener Hand die Grenzzeichen (granicae) anbrachte. 37)
Einige Male wird bei Verleihungen von Seiten des Bischofs auch die
Anwesenheit der Domherrn erwähnt, was wol so zu erklären ist, dass
die zu verleihenden Güter an das Allode des Domcapitels stiessen. ")
Ueber die Ursachen der Verleihungen geben uns unsere Urkunden,
besonders in der älteren Zeit meistens genügenden Aufschluss. Der
gewöhnliche Grund sind die vielen Verdienste, die sich dieser oder jener
um das Land und die Kirche erworben hat, und die nun durch eine
Land- Verleihung belohnt werden sollen. 39)
Ebenso häufig indess wird auch nur gesagt, dass die Diöcese durch
die Einfälle der Heiden zum grössten Theil verödet sei, und zum Nutzen
des Landes und der Kirche deutsche Einwanderer in möglichst grosser
Anzahl herbeigezogen und beliehen werden müssen.40)
Die Grösse der culmischen Güter ist natürlich sehr verschieden.
Güter von 100 Hufen und mehr finden sich ziemlich häufig. 4 ') Im 13ten
und im Anfange des 14. Jahrhunderts, als an unbebautem Lande noch
grosser Ueberfluss, an deutschen Ansiedlern dagegen noch Mangel war,
wurden im Allgemeinen natürlich grössere Güter zu culmischem Becht
verliehen, als später.*)
Von einem Verkauf der culmischen Güter von Seiten der Landes-
herrschaft finden wir Anfangs keine Spur. Erst aus späterer Zeit, als
der Werth des Landes zu steigen begann, haben wir einige Beispiele,
dass culmische Güter von der Landesherrschaft verkauft werden.41)
Ebenso sehen wir, dass später sich herausstellende Uebermasshufen zu-
weilen verkauft werden.43)
Die Verleihung der culmischen Güter geschieht in den meisten
3Ö) Dieselbe Sitte findet sich in Schlesien cf. Tzschoppe & Stenzel. Urkunden-
buch von Schlesien, Einleitung p. 149. 37) C. W. I, 86b, 100. 3I) C. W. I, 95, 99.
") C. W. I, 57, 77, 135, 147, 208 etc. 40) C. W. I, 79, 83, 95, 200 etc.
«») C.W. 1,79, 83. 96, 102 etc.
*) In der Mark Brandenburg ist die gewöhnliche Grösse der Rittergüter
4 — 6 Hufen (cf. Korn, »Geschichte der bäuerlichen Rechtsverhältnisse in der Mark
Brandenburg/ Zeitschrift für Rechtsgeschichte B. XI, Heft I, p. 13 ff.)
4S) C.W. I, 278; II, 405. 4>) C.W. I, 201.
von Hermann Hoffmann. g7
Fällen an einzelne, doch finden wir auch ziemlich häufig, dass 2 auch
3 und mehr Personen zusammen ein Gut erhalten. Es waren dieses
naturlich immer nahe Verwandte, die dann zusammen wirtschafteten.
Ein Recht, die Besitzung unter sich zu theilen, besassen sie unzweifel-
haft, wir haben sogar einen Fall, in dem ein Gut gleich bei der Ver-
leihung unter die Zusammenbelehnten getheüt wird.44) Auffallend ist
es hiebei nur, dass die Rechte und Leistungen nicht für die einzelnen
Theile, sondern nur für das Ganze bestimmt werden.*)
Die Zusammenbelehnung der ganzen Verwandschaft mit einem Gute
ist auch später noch ganz gewöhnlich, es scheint sogar, als ob sich
dieses zu einer festen Regel ausgebildet hat. Hierauf deuten wenigstens
die Bestimmungen, die wir in einer Reihe von Verschreibungen finden,
in denen alle Verwandte, auch die Bruder und Schwestern, ausdrück-
lich yon der Belehnung ausgeschlossen werden. Nur im Fälle, dass
der Beliehene ohne Nachkommen stirbt, sollen die Verwandten nach
dem culmischen Recht* erben. 45)
Das Erbrecht, das den culmischen Besitzern durch die culmische
Handfeste gegeben wurde, war das flämische (hereditas flamingicalis).
Der 22. Paragraph der culmischen Handfeste sagt hierüber nur,
dass nach diesem Erbrecht die Erben beider Geschlechter zur Erbfolge
berechtigt sind.*)
") C. W. I, 62.
*) Es entstehen hiebei natürlich sofort eine Anzahl von Fragen, anf die uns
unsere Urkunden die Antwort schuldig bleiben.
Wenn die zusammen Belehnten zusammen wirtschafteten, so bildeten sie gewisser«
massen eine Familie, einen Hansstand, in dem jeder von ihnen gleichberechtigt war.
Ans den Verschreibungen ist nun durchaus nicht zu ersehen, ob vielleicht einer von
ihnen zum Vertreter aller dem Landesherrn gegenüber erwählt wurde, dem die an-
deren sich dann unterordneten, und an den im Falle der Pfiichtversäumniss sich der
Landesherr hielt, der gewissermassen also der Familienvater war, oder ob sie nach
aussen hin ohne jede gemeinsame Vertretung waren, ob jeder für sich selbst eintrat.
Besonders fraglich ist es ferner, in welcher Weise sie der Kriegspflicht genügten.
Wahrscheinlich geschah dieses ganz nach Privat-Uebereinkommen, so dass entweder
die Kriegspflicht auf allen ruhte and in bestimmter Reihenfolge von jedem erfüllt
wurde, oder so, dass nur die jüngsten und rüstigsten dazu bestimmt wurden, die
dann vielleicht auf andere Weise entschädigt wurden.
*•) C. W. II, 177, 225, 267, 268, 386.
*) In den meisten Verschreibungen wird dieses Erbrechts gar nicht gedacht,
da es als selbstverständlich vorausgesetzt wird, * +
ßg Der ländliche Grundbesitz im Ermlande
Wie bekannt, bestimmte das flämische Erbrecht nun aber genauer,
dass beim Tode eines Mannes die Frau die eine Hälfte aller Güter, die
Kinder die andere Hälfte erhalten sollten, und zwar waren hiebei Söhne
und Töchter gleich berechtigt. Waren keine Nachkommen vorhanden, so
fiel die zweite Hälfte an die nächsten Verwandten. Starb die Frau zuerst, so
behielt der Mann die eine Hälfte, während die andere an die Kinder fiel.
Ueber sein Gut hatte der Besitzer ganz freie Verfügung. In der
culmischen Handfeste heisst es in Betreff dieses Punktes §28:
»Wir gestatten ihnen, dass sie ihre Güter, die sie von unserem
Hause besitzen, solchen verkaufen dürfen, die dem Lande und unserem
Hause gut passen, so dass diejenigen, die sie kaufen, sie aus den Händen
der Brüder empfangen und uns zu demselben Rechte und demselben
Dienst verpflichtet sein sollen, den uns jene leisten mussten. Und wir
müssen ihnen diese ohne alle Schwierigkeiten geben. u
Diese Bestimmungen über das Verkaufs- und Erbrecht zeigen uns
nun klar und deutlich, dass die culmischen Güter nicht mehr in die
Reihe der Lehnsgüter zu stellen, sondern wol schon fast ganz und gar
zu den Alloden zu rechnen sind. Wenn in der eben angeführten Be-
stimmung über das Verkaufsrecht die Bedingung gestellt wird, dass
der Käufer dem Lande und Orden gut passen müsse, so ist dieses
wol nur eine Formel, die aller praktischen Bedeutung entbehrt.
Ebenso bedeutungslos ist die Ceremonie, die bei Kauf- und Tausch-
Geschäften veranstaltet wurde. Vor dem Landesherrn, der von einer
Anzahl seiner Vasallen umgeben war, mussten der Verkäufer und
Käufer erscheinen.
Trotz der klaren Bestimmung in der culmischen Handfeste heisst es aber in
einer ganzen Anzahl von Verschreibungen, die Güter werden ihnen und ihren Erben
beiderlei Geschlechts (utriusque sexus) verliehen (C. W. I, 75, 88, 131, 168 etc.)
Da wir nun in keinem Falle annehmen können, dass in den Verschreibungen, in
welchen dieser Zusatz nicht besonders erwähnt wird, das Erbrecht beider Geschlechter
auch nicht gegolten habe, da dieses mit den betreffenden Paragraphen der culmi-
schen Handfeste in offenem Widerspruch stehen würde, so sind diese Zusätze voll-
ständig überflüssig, und, da sie verhältnissmassig selten erscheinen, ganz dazu ange-
than, im ersten Augenblick zu verwirren, und zu einer falschen Ansicht zu verleiten.
Ganz dasselbe gilt auch von dem freien Verkaufsrecht, das sich ebenfalls einige
Male ausdrücklich erwähnt findet (C. W. I, 54, 70, 73, 83 etc.)
von Hermann Hoffmann. gQ
•
Ersterer verzichtete dann feierlich auf alle Ansprüche an sein bis-
heriges Gut in die Hände des Landesherrn, es diesem, als dem eigent-
lichen Eigenthümer gleichsam zurückgebend.
Hierauf wurde dann der Käufer mit dem neuen Gute belehnt und
ihm eine neue Verschreibung darüber ausgestellt.
Späterhin wurden diese Geschäfte vor dem Landgericht (landding)
abgeschlossen. 48)
Der ganze Ertrag des Gutes gehörte dem Besitzer; er erhielt es,
wie es heisst, „cum Omnibus proventibus.* Ausgenommen hievon war
nur dasjenige, was sich der Orden durch das ganze Land reservirt hatte.
Nach der culmischen Handfeste (§ 23) waren dieses die Seen, Biber,
Salzquellen, Gold- und Silber-Gruben und alle Arten von Metall ausser
dem Eisen. Für den, der Gold findet, heisst es in § 24 desselben
Privilegs weiter, oder den Eigenthümer des Gutes, auf dem es gefunden
wird, gilt das schlesische Kecht, für den Finder von Silber, oder den,
auf dessen Gut es gefunden wird, gilt Freiberger Recht.
Dass diese Bestimmungen auch im Ermland Geltung hatten, be-
weisen uns mehrere Urkunden, in denen Metall und Salz, Biberjagd
und Bergbau ausdrücklich reservirt werden.47) In einem Falle sehen
wir auch, dass der Kalk dem Landesherrn vorbehalten bleibt. 48)
Eines der Hauptrechte der culmischen Handfeste ist in den Be-
stimmungen über die Jurisdiction enthalten.
Sie selbst, so wie ihre Familien wurden von ihren Standesgenossen
im Landgericht unter dem Vorsitz des Vogtes gerichtet.*)
46) C. W. I, 224; H, 122, 148. Ueber die Competenzen des landdings vergl.
Bender, »Ermlands politische und nationale Stellung innerhalb Prcussens p. 23—25.
47) C. W. I, 64, 65, 71, 84; II, 290 etc.
**) C. W. II, 215.
*) Höchst auffallend ist in dieser Hinsicht eine Verschreibung für den Lithauei
Mauste aus dem Jahre 1321 (C. W. I, 208.)
Obwohl dieser sein Gut zu culmischem Recht besitzt, sollen doch er sowol
wie seine Erben, wenn einer von ihnen ein Verbrechen begeht, vom Vogte gerichtet
werden, nnd zwar nach preussischem Becht.
Ans welchem Grunde ihm das Vorrecht des culmischen Rechts, nach deutschem
Recht gerichtet zu werden, vorenthalten wird, ist nicht ersichtlich.
70 Der ländliche Grundbesitz im Ermlande
Ueber ihre Hintersassen hatten sie gewöhnlich die hohe nnd niedere
Gerichtsbarkeit. *)
Unsere culmische Handfeste hat hierüber in ihrem 2. Paragraphen
folgende Bestimmung:
„Wir überlassen den Richtern für immer den 3. Theil der Ge-
richtsbussen, die für grössere Verbrechen verhängt werden. Die Strafe
*) Voigt im 6. Bande seiner Geschichte Preussens p. 621 sagt:
»Zuvörderst nemlich hatte der Komthur oder Vogt eines Bezirks das Gericht
über die in seinem Kreise wohnenden Preussen oder Nichtdeutsche, sofern sie nicht
ausdrücklich irgend einem anderen Gerichte untergeben waren, denn der Orden er-
laubte nie, dass deutsche Schultheissen oder deutsche Einwanderer die Gerichtsbar-
keit über Preussen ausüben durften. Wenn also der Meister die hohe und niedere
Gerichtsbarkeit verlieh, so nahm er immer ausdrücklich die Preussen davon aus, sie unter
das Gericht des Ordens d. h. des zunächst sitzenden Komthurs oder Vogtes steDend.*
Nach seiner Ansicht haben also die deutschen Besitzer culmischer Güter, denen
die hohe und niedere Gerichtsbarkeit über ihre Hintersassen verliehen ist, dieselbe
nur in so fern, als die Hintersassen Deutsche sind. Wie weit nun die Behauptung
Voigts, dass sich der Orden bei solchen Verleihungen die Gerichtsbarkeit über die
Preussen ausdrücklich vorbehielt, richtig ist, lässt sich nicht bestimmen, da uns das
Material, das er benutzt hat, zum grössten Theil nicht vorliegt.
In unseren erml&ndischen Verschreibungen, unter denen sich verhältnissmassig
viel mehr Verschreibungen zu culmischem Becht finden, die für Deutsche ausgestellt
sind, als unter den samländischen, treffen wir von dieser theilweisen Beservirung der
Gerichtsbarkeit keine Spur.
Wenn wir nun forner erwägen, dass auf den grossen culmischen Gütern wol
nur, oder doch mindestens zum grössten Theil Preussen als Hintersassen sassen, die
entweder gleich mit dem Gute zusammen verliehen oder nachher darauf angesiedelt
wurden, wenn wir ferner in Betracht ziehen, dass bei den Gütern culmischen Rechts,
besonders in der älteren Zeit, die hohe und niedere Gerichtsbarkeit fast regelmässig
verliehen wurde, so ist die Wahrscheinlichkeit wol sehr gross, dass da, wo die Juris-
diction überhaupt verliehen wird, sie sich auch auf die preussischen Hintersassen
erstreckt hat, weil im anderen Falle die Verleihung der Gerichtsbarkeit fast ganz
illusorisch gewesen wäre.
Die einzige Verschreibung, die wir unter unseren Urkunden haben, in der eines
preussischen Hintersassen gedacht wird, (C. W. I, 105) bestätigt unsere Ansicht
vollständig.
Es werden hier nemlich zwei Deutschen zuerst 20 Hufen verliehen »cum judiciis
majoribus et minoribus jure Culmensi perpetuo possidendos.* Ausserdem erhalten
sie noch 6 Hufen, auf denen ein Preusse Namens Sadeluke sitzt »cum omni utilitate
et jure suprascripto.*
Dass hier der Ausdruck »jure suprascripto* so zu verstehen ist, dass die deut-
schen Herrn über den Sadeluke auch die hohe und niedere Gerichtsbarkeit besitzen
sollen, ist wol unzweifelhaft.
von Hermann Hoffmann. 71
för kleinere Verbrechen, welche die tägliche genannt wird, 12 Nummi
und darunter, überlassen wir ihnen gänzlich, so dass, was der Bichter
im Wege der Gnade von solchen erlässt, von 4 Solidi und darunter,
dieses auch von Seiten unseres Hauses erlassen wird. Von grossen Ver-
brechen, als da sind Mord, Blutvergiessen und Aehnliches, soll der
Bichter ohne Zustimmung unserer Brüder nichts erlassen."
Diese Bestimmungen, die für ein städtisches Bichter-Collegium
galten, mussten natürlich bedeutend geändert werden, um für die Ver-
hältnisse des platten Landes zu passen. Glücklicher Weise sind wir
in der Lage, diese Modificationen genauer zu kennen, da uns in jener
äusserst wichtigen Verschreibung für gewisse Lehnsleute aus Ermland
und Natangen, die für die Verhältnisse der culmischen Güter überhaupt
fest eben so wichtig ist, wie die culmische Handfeste selbst, ausführ-
liche Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit enthalten sind. ")
Es heisst daselbst:
„Wir verleihen ihnen die grossen und kleinen Gerichte, welche sind
Enthauptung, Verstümmelung und Geldstrafen. Die Gerichte auf den
öffentlichen Strassen und Wegen, welche von Dorf zu Dorf, von Stadt
zu Stadt, von Burg zu Burg führen, reserviren wir unserm Hause. Wenn
aber Leute, die in den Dörfern wohnen, oder Fremde, die in den Dörfern
sich vorübergehend aufhalten (si moram in ipsis villis fecerint), wenn
diese auf den öffentlichen Strassen im Dorfe selbst ein Verbrechen be-
gehen, so soll dieses vor das Gericht der betreffenden Lehnsleute gehören.
Wenn aber Beisende, die direct das Dorf passiren wollen, seien
es Beiter oder Fussgänger, wenn sie in den Krügen oder anderwärts
im Dorfe sich nicht aufhalten, wenn diese nun von Jemand ein Unrecht
erleiden oder Jemand ein Unrecht zufügen, so werden hierüber unsere
Brüder richten.
Wir verleihen ferner den genannten Vasallen und ihren Erben, dass
sie ihre Bauern (rustici) und Leute (homines) nach demselben Becht
und in derselben Weise richten, wie unsere Brüder die ihrigen. Dieses
wird aber ausgenommen, dass sie Niemanden richterlich zu Todesstrafe
**) C. W. I, 71.
72 Der ländliche Grundbesitz im Ernilande
oder Verstümmelung der Glieder verurtheilen dürfen ohne das Wissen
unserer Brüder.*
Aus den eben angeführten Bestimmungen, so wie einer grossen
Menge anderer Urkunden ersehen wir nun, dass unter den niederen Ge-
richten diejenigen verstanden werden, deren Bussen 12 Nummi oder
4 Solidi nicht übersteigen.*)
Vor die grossen Gerichte gehören dann alle Verbrechen, die mit
einer Geldsumme, grösser als 4 Solidi, oder mit Verstümmelung oder
dem Tode bestraft werden.
Wenn in den meisten Urkunden die grossen Gerichte so definirt
werden, dass ihre Strafen sich nur auf Hals und Hand beziehen (judicia
majora ad manum et collum se extendencia), so ist dieses ungenau; es
gehören eben auch noch diejenigen Verbrechen dahin, die mit einer
grösseren Geldbusse bestraft werden.
Ob der Gutsherr nun solche Verbrechen, denen der Tod oder Ver-
*) Vossberg, Geschichte der preussischen Münzen und Siegel (p, 66, 67) stellt
die Ansicht auf, dass diese 12 Nummi nicht gleich den 4 Solidi, diese vielmehr schon
eine Strafe für schwerere Vergehen gewesen seien.
Er sucht seine Ansicht durch den scheinbaren Widerspruch zu stützen, der sich
in §§. 1 und 2 der culmischen Handfeste findet.
In § 1 heisst es nemlich, dass den Richtern die Strafgelder für kleinere Ver-
gehen (12 Nummi) ganz überlassen werden. Was der Richter dann (§ 2) von solchen
Strafgeldern (bis 4 Solidi) erlassen wird, soll auch vom Orden erlassen sein, wahrend
der Richter von den Geldstrafen für grossere Verbrechen ohne Zustimmung des Ordens
nichts erlassen soll. Vossberg sagt nun:
»Wenn der Orden in § 1 die Strafgelder bis 12 Nummi den Richtern ganz
überläset, in § 2 aber seines Antheils an den Strafgeldern bis 4 Solidi gedenfct, so
kann dieses nicht die gleiche Strafsumme sein.4
Dieser Irrthum ist aber durch eine falsche Auffassung des §. 2 der culmischen
Handfeste entstanden.
Der Satz ,Ita ut quidquid de talibus judex infra tribunal indulserit, de quatuor
solidis videlicet et infra id, etiam ex parte Domus nostre sit indultum.*
Heisst einfach; was der Richter von solchen Strafgeldern erlassen wird, kann
er ohne unser Zuthun erlassen, da wir ihm diese Strafgelder vollständig überlassen haben.
Hiemit stimmt es vortrefflich, wenn es dann weiter heisst:
» Allein von den Strafgeldern für bedeutendere Verbrechen soll der Richter ohne
Zustimmung unserer Brüder nichts erlassen.*
Ein unumstösslicher Beweis gegen die Ansicht Vossbergs findet sich ferner in
einer grossen Masse von Handfesten für Dörfer in denen es immer ausdrücklich
heisst, der Schulz erhält das kleine Gericht, dessen Bussen sich bis zu 4 Solidi erstrecken.
von Hermann Hoffmann, 73
stümmeltmg oder eine grössere Geldbusse als Strafe folgte, allein richtete
und dann dem Landesherrn das Urtheil zur Bestätigung vorlegte, oder
ob er nur in Gegenwart des Vogtes richten durfte, lässt sich nicht mehr
genau feststellen. Es scheint aber, als ob das letztere der Fall gewesen
ist; wenigstens heisst es in der Verschreibung für den Preussen Cabilo, 80)
er solle die Gerichtsbarkeit ausüben dürfen, aber nur im Beisein des
Kapitel-Vogtes. *)
Der Gutsherr darf das Gericht aber überhaupt nur ausüben, wenn
der Verbrecher in seinen Grenzen ergriffen wird.
So wird in der Verschreibung für die Familie Tüngen bestimmt,61)
dass sie nur die Verbrechen richten sollen, die durch ihre Hintersassen
auf ihrem Gebiet begangen werden, und auch nur, wenn sie die Ver-
brecher in ihren Grenzen ergreifen. Wird dagegen ein Verbrechen
ausserhalb ihres Gebietes begangen, und flüchtet der Verbrecher in ihre
Grenzen, so sollen sie das Gericht über ihn nicht haben.
Zuweilen wird auch noch gesagt,52) dass, wenn sie einen solchen
Verbrecher ergreifen und ausliefern, sie den 3. Theil der betreffenden
Gerichtsbusse dafür erhalten sollen.
Das Strassengericht behielt sich der Landesherr fast immer vor,
nur sehr selten wird es an Vasallen verliehn.53)
Hiebei wird zuweilen noch ein Unterschied zwischen öffentlichen
Strassen und Privatwegen gemacht. So erhält z. B. der Besitzer des
so) C. W. I, 86a.
*) Toppen, Excurs über die Verschreibungen des Ordens für Stammprenssen
im 13. Jahrhundert (Script, rer. Pruss. I, p. 256) sagt:
»Es war zu fürchten, wenn die Gerichtsbarkeit über gewisse Familien eben
bekehrten Preussen ganz Übertragen wurde, dass ein nicht geringer Best altheidni-
scher Willkür in die Ausübung derselben Übergehen möchte/
Er meint hiemit, dass den Preussen die Gerichtsbarkeit über ihre Hintersassen
nur mit gewissen Einschränkungen gegeben wurde und führt in der Anmerkung (5)
auch die Verschreibung für Cabilo als Beispiel an.
Nach der Verschreibung für die Lehnsleute aus Ermland und Natangen, in der
es, wie ja schon gesagt, heisst, sie sollen die hohen Gerichte nicht ohne das Wissen
der Brüder ausüben, scheint es aber, als ob diese Beschränkung, die Toppen specioll
für die Preusson annimmt, auch auf die deutschen Besitzer, denen die hohe und
niedere Gerichtsbarkeit verliehen wurde, Bezug hatte.
") C. W. I, 62. M) C. W. II, 367. ß3) C. W. I, 70, 96, 102 etc.
J
74 Der landliche GrundbeeiU im Ermlande
Gates Pocarven bei Brandenburg64) das Gericht über die Verbrechen,
die auf seinen Privatwegen begangen werden, während die Verbrechen,
die auf den öffentlichen Strassen Verübt werden, vom Orden gerichtet
werden sollen. Auch findet sich einmal55) die eigenthümliche Bestim-
mimg, dass das Strassengericht verliehen wird, eine Strasse hievon aber
ausgenommen ist.
Schliesslich ist noch zu bemerken, dass in der Verschreibung für
Alexander von Lichtenau aus dem Jahre 1297 if) auch die „venia lar-
giendi* verliehen wird, was wol nichts anderes sein kann, als das Recht,
die Strafen für schwere Verbrechen zu ermässigen resp. ganz zu er-
lassen, ein Recht, das sich der Landesherr sonst ja immer vorbehielt.
Eine sehr schwer zu entscheidende Frage ist hiebei nun die, ob
die Verleihung der hohen und niederen Gerichtsbarkeit immer not-
wendig mit der Verleihung des culmischen Rechts verbunden war.
Hiefür spricht die Bestimmung über die Jurisdiction in jener Ur-
kunde *7) für die Lehnsleute aus Ermland und Natangen, die gewisser-
massen eine Normal- Verschreibung ist, hiefür spricht ferner eine Stelle
aus der Verschreibung für den Preussen Schroyte von 1284, 58) die
da lautet:
„Judicia quoque majora et minora in suis campis habebit, quemad-
modum habere dinoscuntur alii nostri feodales, quibus Jura Culmensia
duiimus conferenda.*
Nun besitzen wir aber eine ganze Reihe von Verschreibungen, in
denen der Jurisdiction gar nicht gedacht wird. 50)
Es Hesse sich hiebei allerdings der Einwand machen, dass in diesen
Verschreibungen die betreffenden Bestimmungen aus Nachlässigkeit
fehlen, oder dass sie eben als selbstverständlich fortgelassen sind. Das
erste ist wol immöglich, weil dazu der Urkunden zu viele sind. Das
zweite anzunehmen, ist aber sehr bedenklich, weil, wie wir gleich sehen
*4) Verschreibung Meinhards von Querfurt für das Gut Pocarven bei Branden-
burg. Altpr. Monatsschrift 1874, S. 274 n. 275.
*') Preuss. Begesten von M. Perlbach, Altpr. Monatsschrift 1875, p. 323.
6e) C. W. I, 102. 67) C. W. I, 71. M) C. W. I, 65.
") C, W, I, 69, 76, 9Q, 103, 181; H, 108, 141 etc.
von Hermann Hofimann, 75
werden, die Jurisdiction durchaus nicht immer in gleicher Weise ver-
liehen wurde.
So sehen wir, besonders in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts gar
nicht selten nur die niedere Gerichtsbarkeit und ein Drittel des Er-
trages der hohen verliehen, ") wir finden sogar, dass zuweilen die niedere
Gerichtsbarkeit allein vergeben wird. 61) Zu diesen Beweisen kommt
dann noch ein fernerer, indem wir in einigen Yerschreibungen aus der
2. Hälfte des 14. Jahrhunderts die Gerichtsbarkeit ausdrucklich dem
Landesherrn reservirt sehen. 62)
Nach dem eben Gesagten dürfte die Behauptung daher wol die
richtige sein, dass die hohe und niedere Gerichtsbarkeit nicht zu den
Rechten gehörten, die, wie das Erbrecht und das freie Verkaufsrecht
jedem culmischen Besitzer durch die culmische Handfeste garantirt
wurden, sondern dass es, wenn sie auch, besonders in der älteren Zeit
fast immer verliehen wurden, ganz allein von dem Belieben des Landes-
herrn abhing, ob er sie verleihen wollte oder nicht.
Sehr auffallend mu ss es nun erscheinen, dass alle Verschreibungen
in denen nur die niedere Gerichtsbarkeit und ein Drittel des Ertrages
der hohen verliehen, so wie alle, in denen die Gerichtsbarkeit ausdrücklich
vorbehalten wird, aus der Zeit nach dem Jahre 1340 stammen.
Da die Zahl der betreffenden Urkunden nur eine geringe ist, wäre
es voreilig, aus ihnen allein schliessen zu wollen, dass ungefähr um die
Mitte des 14. Jahrhunderts eine allgemeine Verschlechterung des cul-
mischen Hechts eingetreten sei. Die weitere Untersuchung wird aber
nachweisen, dass diese Erscheinung sich auch hinsichtlich der anderen
Punkte zeigt.
Im Anschluss an das Gerichtswesen ist hier gleich noch die In-
stitution des Wehrgeldes zu betrachten. Leider geben uns unsere Quellen
hierüber fast gar keinen Aufschluss; upter der grossen Masse von Yer-
schreibungen für Deutsche ist auch nicht eine einzige, die des Wehr-
geldes gedenkt. Es hat hienach den Anschein, als ob das Wehrgeld
M) C. W. II, 329, 330, 418 etc. •') C. W. I, 89.
M) C. W. II, 58, 357. 370, 388.
76 Der ländliche Grundbesits im Ermlande
für die Deutschen entweder gar nicht galt, oder als ob es für alle
gleich gross war.*)
Das erste ist unglaublich, da das Institut des Wehrgeldes ja erst
durch die Deutschen in Preussen eingebürgert ist, das zweite ist un-
möglich, da die Verhältnisse der deutschen Ansiedler unter sich doch
sehr verschieden waren.
Glücklicher Weise verbreitet nun eine alte Bestimmung für die
eingebornen Preussen hierüber einiges Licht. Unter den Jura Pru-
thenorum befindet sich nämlich ein Paragraph, der das Wehrgeld be-
stimmt, das ein Preusse zahlen muss, wenn er einen Deutschen er-
schlägt. 63) Er lautet: „Ist das ein Preusse einen ledigen deutschen
todslett, der da nicht hat garten noch erbe, man gildet yn mit VIII marken;
hat er aber einen garten, man gildet yn mit XII marken; hat er aber
erbe in dörffern oder in stedten, man gildet yn mit XXX marken.
Es werden die Deutschen hier also in 3 Klassen getheilt, solche,
die nichts besitzen (wol Dienstboten etc.), solche, die nur einen Garten
haben (Gärtner) und solche, die als freie Bauern oder Bürger in Dörfern
und Städten sitzen. Die letzten erhalten das höchste Wehrgeld, näm-
lich 30 Mark.
Gegen die allgemeine Gültigkeit dieser Bestimmung lassen sich
nun aber gerechte Bedenken erheben. Einmal wird in ihr der culmische
Gutsbesitzer gar nicht erwähnt, und dann erscheint es auch durchaus
nicht ganz glaublich, dass der deutsche Bürger ein nur eben so hohes
Wehrgeld gehabt haben soll (30 Mark), als es den kleinen preussi-
schen Freien, die ihre Besitzungen zu preussischem Rechte hatten, ge-
geben zu werden pflegte.
*) Bender, Ermlands politische und nationale Stellung innerhalb Preussens
p. 53) scheint der Ansicht zu sein, dass die Deutschen in Preussen überhaupt kein
Wehrgeld hatten. Wenigstens sagt er bei der Betrachtung der Rechte der preussi-
sehen Freien:
»Von den Deutschen unterscheiden sich die preussischen Freien ferner bestimmt
dadurch, dass sie ein Wehrgeld hatten/
Zu dieser, nach dem im Texte gesagten, irrigen Ansicht ist er jedenfalls ge-
kommen, weil er in den Verschreibungen für Deutsche das Wehrgeld nie erwähnt fand.
C3) P. Laband, Jura Prathenorum. Königsberg 1866. p. 9. Bestimmung Nr. 18,
von Hermann Hoffmann, 77
Wir können daher hieraus nur den Schlnss ziehen, dass das Wehr-
geld bei den deutschen Ansiedlern je nach den besonderen Verhältnissen
ein verschieden hohes gewesen ist.
In den Verschreibungen für Preussen zu culmischem Recht findet
sich einige Male ein Wehrgeld von 30 Mark erwähnt.6')
Die Rechte, die bis jetzt behandelt sind, wurden nun mit wenigen
Ausnahmen fast allen Besitzern der gewöhnlichen culmischen Güter ge-
geben. Es findet sich aber noch eine Anzahl anderer, geringerer Rechte,
die ganz allein nach den Verdiensten der einzelnen Ansiedler und dem
Belieben des Landesherrn verliehen wurden.
Zu diesen gehört zunächst das Mühlenrecht.
Der 26te Paragraph der culmischen Handfeste sagt hierüber
Folgendes :
„Wenn ein Bach die Aecker eines Bürgers berührt, so steht es dem
Besitzer des Ackers frei, eine Mühle an ihm zu bauen.
Ist aber derselbe Fluss passend für mehrere Mühlen, so soll unser
Haus bei den anderen den 3. Theil der Baukosten tragen, und dann,
auch für immer den 3. Theil der Einnahmen erhalten.
Diese Bestimmung, nach der als» jeder culmische Besitzer, durch
dessen Gut ein Bach floss, berechtigt war, eine Mühle zu bauen, ist auf
die ländlichen Verhältnisse gar nicht übertragen worden. Das Recht,
Mühlen anzulegen, hat der Orden wie die Bischöfe gleich als Regal
für sich in Anspruch genommen.
Wir finden nun, besonders in der älteren Zeit, das Mühlenrecht
allerdings sehr häufig verliehen,65) aber es ist eben nicht ein Recht,
das jedem culmischen Besitzer zusteht, sondern das, wie es häufig heisst
„de speciali gratia* verliehen wird.
In den späteren Urkunden wird es meistens nicht erwähnt, in der
2ten Hälfte des 14ten Jahrhunderts sogar gewöhnlich ausdrücklich
reservirt, M)
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Recht, Tabernen erbauen
M) C. W. I, 131; H, 220, 382. «) C. W. I, 76, 83, 96, 98, 99, 102, 103,
105, 111 etc. M) C. W. H, 243, 329, 333, 349, 357, 870 etc.
7 g Der ländliche Grandbesiti im Ermlande
zu dürfen. Dieses Recht wurde, wie das ja in der Natur der Sache
lag, den Besitzern culmischer Güter natürlich viel seltener verliehen
als das Mühlenrecht,07) in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts finden
wir es auch gewöhnlich reservirt. •■)
Fischerei- und Jagdgerechtigkeit finden wir auch schon in der
Ältesten Zeit als Regal, doch werden sie sehr häufig verliehen.
In den Yerschreibungen der älteren Zeit finden wir gewöhnlich das
Recht der Jagd, des Fisch- und Vogelfanges (venationes, piscationes,
aucupationes) zusammen erwähnt, ohne jede weitere Beschränkung,09)
häufig indess auch Jagd und Fischfang allein. 70)
Zuweilen erhalten die Beliehenen auch das Recht, den Honig, den
sie auf ihren Besitzungen finden, für sich zu verwerthen. 71)
Allmählig wird die Verleihung dieser Rechte aber immer seltener
und beschränkter, am häufigsten treffen wir später noch das Fischerei-
recht (pro mensa tantum et non ad vendendum), und auch dieses nur
noch in bestimmten Seen.
Die Fischerei in den Bächen scheint immer verboten gewesen zu
sein. ") Freie Fischerei wird immer mehr eine besondere Begünstigung,
die zuweilen sogar einzelnen Perionen nur auf Lebenszeit gegeben wird,
nach deren Tode aber, 7S) oder wenn das Gut vorher in fremde Hände
kommt,74) aufhört.
Die Jagdgerechtigkeit wird später sehr selten verliehen und dann
auf kleines Wild (Hasen, Füchse etc.) beschränkt. 75)
Das Recht, Dörfer und Kirchen zu gründen, konnte natürlich nur
den Besitzern grosser Güter gegeben werden, weshalb es sich auch nicht
zu oft findet.70) Mit diesem Recht war immer das Patronatsrecht
oder Präsentationsrecht (jus patronatus, jus präsentandi) verknüpft.
Zuweilen wird das Patronatsrecht schon für Kirchen verliehen, die
erst später gebaut werden sollen.77)
•7) C. W. 1, 153, 200. «») C. W. II, 267, 329, 357, 388. M) C. W. I, 57, 77,
86, 88, 103, 111, 166, 200 etc. ™) C. W, I, 62, 73, 80, 81, 83, 96, 102 etc.
") C. W. I, 84, 89, 100. 7t) C. W. II, 290, 333. 73) C. W. II, 8, 289.
7«) c. w. n, 357. n) c. w. n, 243, 403. 76) c. w. 1, 102; 11, 199, 266» 268.
77) C. W. I, 79, 96,
von Hermann Hoffmann. 79
Nachdem wir nun, so weit unsere Urkunden uns das Material dazu
darboten, gesehen haben, welche Bechte mit der Verleihung des cul-
mischen Hechts verbunden zu sein pflegten, und wie diese im Laufe
der Zeit immer geringer und seltener wurden, haben wir noch die
Leistungen zu betrachten, zu 'denen das culmische Recht verpflichtete.
Diese Leistungen bestanden in Kriegsdiensten, einer Getreide-Ab-
gabe und der sogenannten Becognitions-Gebühr.
Betrachten wir zunächst die Hauptleistung, nämlich den Kriegsdienst.
Die culmische Handfeste (§§. 31 und 32) bestimmt hierüber nur,
dass jeder, der 40 Hufen oder mehr besitzt, mit allen Waffen und ge-
harnischtem Bosse, das für solche Waffen passt, sowie mit zwei leichter
Bewaffneten dienen solle. Besitzt er weniger Hufen, so soll er den
Platendienst leisten, d. h. den Dienst mit leichteren Waffen.
In beiden Fällen haben sie die Bitter auf ihren Heerfahrten gegen
die Preussen, welche Pomezanen heissen, zu begleiten, so oft sie dazu
aufgefordert werden. Wenn aber mit Gottes Hülfe die Pomezanen nicht
mehr zu fürchten sind, sollen sie von allen Kriegsreisen befreit sein,
und nur zur Verteidigung des Landes zwischen Weichsel, Ossa und
Drewenz dienen dürfen.
Ob der Orden dieses Versprechen den Vasallen im Culmer Lande
hat halten können, lässt sich nicht mehr bestimmen. Dass aber die
Lehnsleute der anderen Landschaften einen sehr drückenden Kriegs-
dienst zu leisten hatten, beweist wol das Versprechen, das der Orden
im Jahre 1267 seinen Lehnsleuten von Ermland und Natangen gab, 7>)
dass ihre Kriegspflicht nach Niederwerfung des Aufstandes sich auf die
Verteidigung der 6 Landschaften Samland, Natangen, Ermland, Barthen,
Pogesanien und Pomesanien beschränken solle.
Aus der schon oft angeführten Verschreibung aus dem Jahre 1285
ersehen wir nun, welcher Art der gemessene Kriegsdienst war.
Die Lehnsleute haben hier die Pflicht der Verteidigung der schon
erwähnten Landschaften und zwar auf geharnischten Streitrossen (dextrarii
falerati) und mit leichten Waffen. Mit schicklichen Waffen haben sie
'•) C. W. I, 60. '•) C. W. 1, 71.
80 Der ländliche Grundbesitz im Ermlande
ferner beim Bau von Befestigungen zugegen zu dein, wenn sie dazu
aufgefordert werden.
Ob sie ausserhalb der bestimmten Grenzen dienen wollen, das hängt
von ihrem guten Willen ab.
Ihre Hintersassen dagegen sind zu cten Kriegsreisen (expeditiones),
sowie zum Vertheidigungsdienst und zur Hülfe beim Burgenbau ver-
pflichtet und zwar zu Fuss und Boss (tarn epuites quam pedites) mit
gewöhnlichen Waffen, so oft sie dazu aufgeboten werden.
Nach der culmischen Handfeste ist der Besitzer eines Gutes von
mindestens 40 Hufen verpflichtet, mit einem gepanzerten Streithengst
und allen Waffen zu dienen.
Ausserdem soll er noch 2 Leichtbewaffnete bei sich haben.
Wir haben nun eine ganze Reihe von Urkunden, in denen Güter
von 100 Hufen und mehr verliehen werden, die man doch ohne Zweifel
in die Beihe der sogenannten adligen Güter stellen wird. 80)
In keiner Verschreibung aber finden wir jene Bestimmung über die
Kriegspflicht, vielmehr haben alle Belehnten so und so viele Dienste
auf leichten Bossen (spado) zu leisten, in 2 Verschreibungen heisst es
sogar ausdrücklich, dass sie auch mit leichten Waffen zu dienen haben. ")
Es scheint darnach jener schwere Bossdienst sehr selten vorge-
kommen zu sein, und wird man ihn durchaus nicht als nothwendig zum
Adelsstande gehörig betrachten dürfen.
Hiemit stimmt es vortrefflich, wenn wir zuweilen die Bezeichnung
9 adliger Platendienst" M) und „ritterlicher Platendienst* 83) finden.
Die zweite Art des Kriegsdienstes, die im culmischen Becht er-
wähnt wird, ist der Platendienst.
Er ist von denen zu leisten, die weniger als 40 Hufen besitzen, und
hat seinen Namen von dem Bruststück des Harnischs, das Plate hiess. *
•o) C. W. I, 79, 96, 98, 102; 11,199 etc. 81) C. W. 1,102; II, 199. M) Adolph
Rogge, Das Amt Balga. Altpr. Monat&scbr. von 1868, p. 132, Anm. 46. ta) Adolph
Rogge, Das Amt Balga. Altpr. Monatsschrift von 1870, p. 487, Urkunde 66.
*) Grunenberg, Geschichte und Statistik des Kreises Allenstein (p. 23) hat die
eigenthümliche Ansicht, dass die Plate ein Brustharnisch sei, der zur Bedeckung
der Rosse diente.
▼on Hermann Hoffmann. ßj
Die Plate wird nun aber fast nie erwähnt, sondern heisst es gewöhn-
lich, sie sollen mit einem leichten Streitross und leichten Waffen dienen.
Was zu den leichten Waffen gerechnet wurde, zeigt uns eine
Verschreibung des Bischofs Eberhard für die Söhne seines verstorbenen
Bruders Arnold über 30 Hufen. M)
Es wird hier nämlich gesagt, die beiden Brüder sollen der Kirche
dienen „cum uno equo competenti et viro levibus armis armato, hoc
est cum Thorace vel Brünya, hasta, clipeo et pileo ferreo. * Wir sehen
also, dass hier an die Stelle der Plate der thorax oder die brünya ge-
treten ist.
Hiedurch wird die Plate aber keineswegs im Gebrauch verdrängt
worden sein; wahrscheinlich sind die einzelnen Panzer neben einander
gebraucht worden. *)
Diese Bestimmungen, die ganz gleichmässig für die deutschen wie
für die preussischen Kölmer gelten, **) erfuhren im Ermlande aber bald
bedeutende Veränderungen.
M) C. W. I, 200.
*) Bender in seinem schon mehrmals citirten Bache (p. 51) sagt:
»Die Preossen unterscheiden sich auch von den Deutschen durch die Kriegs-
rüstung. Die preussischen Wehrmänner trugen statt der Plate die Brunie, ebenfalls
ein Panier, aber in Form und Beschaffenheit von der Plate abweichend. Dieses
Waffenstück gilt als wesentlich und unterscheidend. Er folgt hierin ganz der An-
sicht Voigts.
Auch dieser behauptet, (Gesch. Preussens B. VI, p. 676—78), dass die deutschen
Kölmer zum Platendienst, die preussischen zum Dienst mit der Brunie verpflichtet
gewesen seien.
In einer Anmerkung (p. 677. Anm. 2) sagt er jedoch:
»Dass die Brunie mit der Plate manches Aehnliche gehabt habe, ist daraus zu
schüessen, dass es dem Kriegsmanne mitunter freigestellt wurde, ob er sich zur
Rüstung einer Plate oder statt deren der Brunie oder eines guten Panzers bedienen wolle.*
Die scharfe Sonderung zwischen den beiden Diensten ist bei Voigt sowol wie
bei Bender jedenfalls durch den sich häufig findenden Ausdruck arma Pruthenicalia
entstanden, dem sie zu grosses Gewicht beigelegt haben. Toppen in seinem bekann-
ten Excurse geht im Gegensatz zu Voigt und Bender so weit, (Script rer. Pr. B. I,
p. 266) den Dienst der preussischen Kölmer mit einem leichten Streitross und preussi-
schen Waffen mit dem Platendienst zu identificiren.
**) Bender, Ermlands politische und nationale Stellung innerhalb Preussens
p. 52 behauptet, dass die preussischen Kölmer im Gegensatz zu den deutschen
Kölmern zum ungemessenen Kriegsdienst verpflichtet gewesen seien,
Altpr. Ifonatttohrift Bd. XIV. Hft. lo.2( 6
82 Der ländliche Grundbesite im Ermlande
Sehr häufig M) wird nämlich der Landwehrdienst der Art beschränkt,
dass die Vertheiciigung sich nur auf das Bisthum Ermland erstrecken
solle (infra terminos diocesis nostrae). Bei den häufigen Einfällen der
Lithauer, die bald in diese, bald in jene Landschaft einbrachen, war
diese Beschränkung natürlich eine sehr bedeutende Erleichterung, die
deshalb wol auch nur verdienten Männern zu Theil wurde.
Höchst auffallender Weise findet sich unter der grossen Menge
von Verschreibungen, in denen diese Erleichterung gewährt wird, keine
einzige, die für einen Preussen ausgestellt wäre.
Der Idee des Lehnsrechts zufolge war der Lehnsmann unzweifelhaft
selbst zum Kriegsdienst verpflichtet. Doch gab es auch hievon Aus-
nahmen, wie uns ein Paar Verschreibungen beweisen,86) in denen es
heisst, dass der Empfänger des Guts «per se vel per alium' zu
dienen habe.
Nach der culmischen Handfeste war nun, wie wir eben gesehen
haben, die Kriegspflicht in ein bestimmtes Verhältniss zur Grösse des
Gutes gesetzt, es wurde zwischen schwerem Bossdienst und leichtem
Platendienst unterschieden.
Diese Bestimmung, die für ein Grundrecht vorzuglich passt, ist
in Wirklichkeit, wenigstens in Betreff der ländlichen Verhältnisse nie
ordentlich zur Durchführung gekommen. Der Bischof wie das Dom-
Er sagt:
Die Preussen (preussische Kölmer) sind auch unter culmischem Recht an dem
angemessenen Kriegsdienst nach Gewohnheit des Landes (secundum terre consuetudinem)
etc. leicht zu erkennen.
Da er keine Belegstellen anführt, scheint ihm der Ausdruck »seeundum terre
consuetndinem4 den angemessenen Kriegsdienst zu bezeichnen.
Nun finden wir denselben Ausdruck aber auch in einigen Verschreibungen, die
für deutsche Kölmer ausgestellt sind. (C. W. I, 101, 128).
Da wir hier keine Ursache haben, anzunehmen, dass diese deutschen Kölmer
zum angemessenen Kriegsdienst, verpflichtet sind, wird man wol kein Recht haben,
unter dem Ausdruck »secundum terre consuetudinem servire* den angemessenen
Kriegsdienst zu verstehen.
Wenn wir dieses aber nicht können, liegt auch kein Grund zu der Annahme
vor, dass die preussischen Kölmer in Betreff der Kriegspflicht den deutschen Kölmern
nicht gleich gestellt gewesen sein sollten.
•») C. W. I, 70, 79, 81, 83, 86, 86b, 88, 93, 96, 98, 102, 106, 111, 161, 163,
167, 211. M) C. W. II, 199, 266.
von Hermann Hoffmann. 83
capitel richteten sich bei der Bestimmung der Kriegsdienste wol stets
allein nach den persönlichen Verhältnissen.
Nur so viel lässt sich im Allgemeinen sagen, dass auf Gütern, die
nicht schon einen bedeutenden Umfang hatten, selten mehr als ein
Dienst ruhte.
Wie wenig oft bei diesen Bestimmungen die Grösse des Gutes in
Betracht kam, zeigt sich am klarsten, wenn wir die Zahl der Dienste,
die auf den grossen Gütern von circa 100 Hufen ruhten, mit einander
vergleichen.
So sehen wir einmal auf 120 Hufen 4 Dienste, ") auf 90 Hufen
3 Dienste ") ruhen. Bei mehreren Gütern von 100 Hufen finden wir
einmal 4, ••) einmal 3, 00) einmal 2 Dienste 91) und einmal 1 Dienst. w)
Diese kurze Zusammenstellung zeigt wol zur Genüge, dass hiebei nicht
nach einer festen Norm gehandelt wurde.
Wie wir nun oben gesehen haben, dass die einzelnen Rechte im
Laufe der Zeit immer seltener und beschränkter verliehen wurden, so
wird es sich hier leicht zeigen lassen, dass die Leistungen, zu denen
das culmische Becht verpflichtete, vor allem die Verpflichtung zum
Kriegsdienst allmählig immer umfangreicher und drückender wurden.
Ungefähr von der Mitte des 14. Jahrhunderts ab wird nämlich sehr
häufig statt des gemessenen der ungemessene Kriegsdienst verlangt. ")
Welches die Gründe für diese Verschlechterung des culmischen
Hechts gewesen sind, lässt sich aus unsern Urkunden nicht feststellen.
Wahrscheinlich ist es, dass die immer heftiger entbrennenden
Kriege mit den Lithauern eine Vermehrung derjenigen Kriegspflichtigen
wünschenswerth erscheinen Hess, die der Ordensfahne auch über die
Grenzen Preussens hinaus zu folgen verbunden waren.
Wir finden nun allerdings auch noch in der 2. Hälfte des 14ten
Jahrhunderts eine ganze Beihe von Verschreibungen, in denen nur die
Verpflichtung zum Landwehrdienst auferlegt wird, doch sind diese Ver-
schreibungen schon sehr in der Minderzahl.
") C. W. II, 290. ") C. W. I, 98. M) C, W. I, 83. *>) C. W. I, 79. 9!) C. W.
I, 96. 9J) C W. II, 199. w) C. W. II, 9, 58, 108, 131, 184, 204, 215, 267,
294, 295 etc.
6*
34 Der ländlich« Grandbesits im Ermlande
Ausser der Verpflichtung zum gemessenen resp. später zum unge-
messenen Kriegsdienst hatten die kulmischen Besitzer aber immer noch
die Verpflichtung, beim Burgenbau Hülfe zu leisten.
Wie schon aus der Bestimmung jener bekannten Verschreibung
für die Lehnsleute in Ermland und Natangen, dass sie mit geziemenden
Waffen bei dem Bau von neuen Befestigungen zugegen sein sollen (Et
cum armis, sicut condecet interesse novis munitionibus cum requisiti
fuerint construendis), deutlich hervorgeht, mussten sie nur zum Schutz
der Arbeiter bewaffnet erscheinen. *)
Es bezog sich diese Pflicht natürlich nur auf Ermland; zuweilen
wird sie sogar noch auf bestimmte Theile Ermlands beschränkt. ")
Die Hintersassen der culmischen Besitzer waren zum ungemessenen
Kriegsdienst, zur Landesverteidigung und zum Burgenbau verpflichtet.
Beim Burgenbau waren sie natürlich die Frohnarbeiter.
Sehr auffallend, und aus unseren Urkunden gar nicht zu erklären
ist nun die Bestimmung, dass sie sowohl zu Boss wie zu Fuss dienen
sollen.") Vielleicht richtete sich dieses nach der Grösse des ihnen
zugewiesenen Landes.**) .
Neben diesen allgemeinen Bestimmungen treffen wir aber zuweilen
noch andere, von jenen vollständig abweichende, die durch die persön-
lichen oder localen Verhältnisse bedingt werden.
So erhält im Jahre 1294 ein Schütze von Balga, Namens Arnold,
eine Besitzung ") mit der Verpflichtung, auf einem leichten Bosse mit
*) Bei der Betrachtung der Kriegsdienste der cölmischen Besitzer sagt Voigt
(B. VI, p. 668) dass die kleineren Kölmer ebenso wie die Bauern und Hintersassen
beim Burgenbau nicht zum Schutzdienst, sondern zum gemeinen Arbeitsdienst ver-
pflichtet gewesen seien.
Wo zieht er die Grenze zwischen grösseren und kleineren Kölmern und mit
welchem Becht stellt er sie hier mit den Hintersassen zusammen? Den Beweis hie-
fftr ist er schuldig geblieben.
•«) C. W. I, 77a, 166; H, 204. •») C, W. 1, 62, 71.
**) Irrthümlicher Weise bezieht Bender diesen Ausdruck tarn equites quam
pedites auf die preussischen Freien, (p. 56) obwol es auch aus der von ihm citirten
Verschreibung für die Familie Tüngen klar hervorgeht, dass darunter nur die Hinter-
sassen verstanden sejn können.
M) C. W, I, 93.
von Hermann Hoffmann. g5
einer Baliste zu dienen und die alten und zerbrochenen Balisten wieder
herzustellen.
Wenn dann, heisst es weiter, keiner von seinen Erben die Kunst
des Vaters erlernt hat, so sollen sie nach der Weise des Landes mit
einem Pferde und einem bewaffneten Mann innerhalb der Grenzen der
Diöcese dienen.
Ein anderer Deutscher, Heinrich Mustatus, wird wieder verpflichtet, 97)
zur Zeit der Noth nach Braunsberg, zu eilen und die Stadt vertheidigen
zu helfen.
Diese Kriegsdienste, so verhältnissmässig gering sie in Ermland
auch waren, erschienen den damit Belasteten doch bald sehr druckend.
Wir sehen daher überall das Streben, die Kriegspflicht in einen jähr-
lichen Zins umzuwandeln, welchem Streben das eigentümliche Schutzver-
hältniss, in dem Ermland zum Orden stand, sehr förderlich war. *)
So treffen wir denn auch schon in der ersten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts zuweilen an Stelle der Kriegspflicht andere Leistungen.
Vorzüglich wird dafür eine bald geringere, bald grössere Wachs-
Abgabe entrichtet 9t) (8 Pfund bis 2 Stein Wachs).
Diese Umwandlung des Kriegsdienstes in eine Wachsabgabe wird
aber schon als eine besondere Gunstbezeugung angesehn, die sich zu-
weilen nur auf bestimmte Personen bezieht.
So muss Gauco v. Hohenberg nach seiner Verschreibung aus dem
Jahre 1352 ") einen Stein Wachs geben, wofür er vom Kriegsdienst
befreit ist.
Kommt aber das Gut in fremde Hände, so soll der neue Besitzer
statt zu der Wachs-Abgabe zu einem Reiterdienst verpflichtet sein.
In einer Verschreibung aus dem Jahre 1323 !0°) wird an die Stelle
des Kriegsdienstes ein Zins von 3 Mark gesetzt, 1344 sogar ein Dienst,
der schon lange besteht, in einen Geldzins umgewandelt. 101)
") C. W. I, 95.
*) üeber das Verhältniss des Bischofs und Domcapitels von Ermland zum Orden,
so wie des Bischöfe zum Domcapitel handeln:
Bender: Ermlands politische und nationale Stellang innerhalb Preassens p. 15-30.
Brock: De controversiis inter Poloniam et Pmssiam (Dissertation 1871.)
»•) C. W. I, 168, 181, 203. ") C. W. 1, 177, 10°) C. W. I, 215. W1) C. W. H 40,
36 Der ländliche Grundbesitz im Ermlande
Theilweise Befreiung vom Kriegsdienst findet sich nur sehr selten.
So wird dem Bitter Ernst und seinen Erben von seinen 2 Beiter-
diensten der eine erlassen. IM)
Kommt das Gut aber in fremde Hände, so sind wieder 2 Reiter
zu stellen.
Meistens werden solche Vergünstigungen nur für die Lebenszeit
des betreffenden Vasallen verliehen, so dass die Erben wieder in die
ursprünglichen Verhältnisse eintreten; 103) es sind ganz im Gegensatz
gegen die übrigen Rechte, die an dem Gute haften, Bechte, die an der
Person haften und mit dem Sterben derselben erlöschen.
Wurde ein Gut unter die Erben getheilt, so scheint zuweilen
die Zahl der Dienste vermehrt worden zu sein. Hierauf deutet die
Bestimmung in der Verschreibung für das Gut Pocarven, dass, so lange
das Gut ungetheilt ist, nur ein Dienst geleistet werden solle. ,04)
Am gleichmässigsten und den wenigsten Schwankungen unterworfen
sind die übrigen Leistungen, die auf den culmischen Gütern ruhn, der
Bischofsscheffel (Pflugkorn) und die Becognitions-Gebühr.
Der Bischofsscheffel — von jedem Pfluge*) 1 Scheffel Weizen
102) C. W. I, 307. ,os) C. W. II, 174, 225, 267. ,w) Urkunde für Pocarven.
Altpr. Monatsschrift v. 1874, p. 274, 275.
*) Toppen in seinem Aufsatz »Ueber die ZinsverfasBung Preussens unter der
Herrschaft des deutschen Ordens (Zeitschrift für preuss. Geschichte u. Landeskunde
1867) sagt, der Pflug (aratrum) sei gleich 4 Hufen, (mansus) gleich 6 Haken (uncus).
Derselben Ansicht sind auch die Herausgeber des Codex diplomaticus War-
miensis (G. W. I, p. 6, Anm. 2.
Die betreifende Stelle, auf die sie sich stützen lautet: (C. W. I, p. 6. Anm. 2).
,de quibu8 libet quatuor mansis, qui eis loco unius aratri deputati sunt,
solvere debent nobis et nostris successoribus custodialea videlicet Wart-
geld prout alii ecclesie subditi et plebano suo annonam missalem videlicet
singulis annis de quolibet aratro unum modium siliginis et unum roo-
dium avene.«
Zunächst liegt hier nicht der geringste Grund vor, dass das Land, das an Stelle
eines anderen Besitzthums gegeben wurde, auch eben so gross wie jenes sein musste. !
Mit gleichem Recht könnten wir dann annehmen, dass der Haken eben so gross sein
muss, wie die Hufe, weil wir in einer ganzen Reihe von Verschreibungen finden, j
daas preussische Reiter, die in einen Dorfverband eintreten müssen, an Stelle ihrer
Haken ebensoviel Hufen zugetheilt erhalten, (quorum cuilibet loco duorum uncorum |
craos dabimus liberos mansos etc.) C. W. II, 138, 139, 318 etc.
von Hermann HoAncnn. 37
und 1 Scheffel Roggen, von jedem Haken ein Scheffel Boggen — der
an der Stelle des den Freien immer erlassenen Decems geliefert wurde,
war neben dem später zu betrachtenden Hufenzins der Dörfer und Zins-
Ferner ist es aber geradezu unmöglich, dass in der angeführten Stelle das
antrum eben so gross ist, wie die 4 Hufen weil es ja am Sohluss der Stelle heisst:
»de quolibet aratro* sollen sie geben etc. Zuerst hätten die 4 Hufen dann die
Grosse eines Pfluges und nachher die mehrerer Pflöge.
Hiezu kommt nun noch, dass wir in unseren Verschreibungeu sehr häufig den
Ausdruck mansus für aratrum (allerdings nicht ganz correcter Weise) gesetzt finden,
was doch nnr geschehen kann, wenn beide gleich gross sind.
Die Ansicht Töppens ist nun auch von den meisten verworfen und hält man
allgemein die Hofe and den Pflug für gleich grosse Fläohenmasse.
Dieses ist auch ganz richtig. Der Pflug (aratum) ist die Ackerfläche, die sich
mit einem Pfluge bestellen lässt, was ja genau dem Begriff der deutschen Hufe entspricht.
Tiotzdem bedeuten aratrum und mansus aber durchaus nicht dasselbe.
Mansus ist der allgemeine Begriff und bezeichnet jedes Stück Land, das die
Grösse einer Hufe hat, aratrum dagegen bezeichnet nur das Ackerland von der Grösse
einer Hufe, nur die Hufe Land, die unter dem Pfluge ist.
Mit dem Worte Pflug hängt nun das Wort Pflugkorn zusammen; est ist dieses
eben die Abgabe, die von jedem Pfluge zu geben ist.
Allerdings werden wir nicht selten sehen, dass es heisst, das Pflugkorn sei
»de quolibet manso* statt ,de quolibet arairo* zu geben
Es soll dieses aber durchaus nicht heissen, dass auch von jeder Hufe Wald
oder Wiese oder Sumpf das Pflugkorn zu geben sei; es ist hier nur ungenau der
allgemeine Ausdruck mansus für die specielle Bezeichnung aratrum gebraucht.
Zu demselben Resultat gelangt man auch, wenn man die Natur des Pflugkorns
betrachtet Es ist dieses in Preussen bei allen Freien an die Stelle des Decems ge-
treten (loco et nomine decimarura C. W. I, 71).
Der Decem (natürlich der vom Getreide) ist der zehnte Theil des Ertrages der
bebauten Felder, das Pflugkorn ist aber nichts weiter als eine Ermässigung des Decems.
An die Stelle der verhältnissmässig hohen Quote des Ertrages hat man nur
eine fest bestimmte niedrige Abgabe gesetzt, die von dem Ertrage jeder beackerten
Hufe zu geben ist.
Wir werden deshalb auch nie sehen, dass von dem aratrum ein Geldzins ent-
richtet wird, sondern stets von dem mansus, während, wenn die Ausdrucksweise ge-
nau ist, es niemals heisst, das Pflugkorn sei von jedem mansus zu geben, sondern
von jedem aratrum.
Der Haken (uncus) wird gewöhnlich gleich zwei Dritteln einer Hufe gesetzt.
Hiefur spricht besonders eine Verschreibung aus dem Jahre 1439 (A. Kogge: Das
Amt Balga. Altpr. Monatsschrift für 1870, p.485, Qrk. 54) in der 6 Haken 4 Hufen
gleichgesetzt werden.
Unter unseren ermländischen Verschreibungen haben wir nur zwei aus den
Jahren 1335 und 1348, in denen es heisst, die Besitzer der Hufen sollen ,de aratro
live de unco* 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Boggen geben.
gg Der ländlich© Grundbesitz im Ermlande
guter die bedeutendste Einnahme des Landesherrn, und wurde deshalb
auch sehr selten erlassen. ,05)
Zuweilen wird diese Abgabe indess beschränkt, indem nicht von
jedem Pfluge 2 Scheffel Getreide verlangt werden, sondern von jedem
Dienst ,08) (de servitio). Es traf diese Begünstigung zwei ganz kleine
Güter, auf denen der Kriegsdienst schon schwer genug lastete, und
denen wol deshalb auch ausserdem eine geringere Recognitions-Abgabe
(statt 2 Pfund Wachs immer nur 1 Pfund — talentum unius marcae
ponderis) auferlegt war. *)
In einer 3. Verschreibung werden zwei Dienste und als Pflugkorn
vier Scheffel Getreide verlangt, ,07) was zu dem eben Gesagten vor-
trefflich stimmt.
Die Becognitions-Gebühr (1 cölnischer oder 5 culmische Denare
und 1 Talent = 2 Pfund Wachs) ist nach der culmischen Handfeste
(§. 34) von jedem, der vom Orden Besitzungen erhalten hat, zu geben,
und zwar zum Zeichen, dass er seine Güter vom Orden hat und seinem
Gericht unterworfen ist (in recognitionem dominii). Diesen Schoss sollen
sie jährlich am Tage des heiligen Martin oder in den nächsten fünf-
zehn Tagen geben. **)
Aus unserer Normal- Verschreibung vom Jahre 1285 ,08) ersehen
wir aber, dass hinsichtlich dieser Bestimmung schon eine bedeutende
Veränderung eingetreten ist. Nach dieser Verschreibung ist die ge-
wöhnliche Recognitions-Abgabe oder mehr je nach der Grösse der
Da sich sonst in allen anderen Verschreibnngen der uncus dem aratrum ent-
gegengesetzt findet, ist wol anzunehmen, dass in diesen beiden Verschreibungen eine
Nachlässigkeit im Ausdruck vorliegt
l04) C. W. I, 57, 80, 82, 96. ,ofi) C. W. I, 304, 305
*) Die eine dieser beiden Verschreibungen (C. W. I, 304) ist noch dadurch
höchst merkwürdig, dass in ihr einem Deutschen 4 Haken zu culmischem Recht ver-
liehen werden, was sonst nie vorkommt
w^ C. W. I, 131.
**) Granenberg: Geschichte und Statistik des Kreises Alienstein hat über diese
RecognitionsgebÜhr eine vollständig falsche Ansicht. Abgesehen davon, dass er an
mehreren Stellen den culmischen und cölnischen Denar verwechselt (p. 19, 22, 24)
glaubt er, dass die Abgabe von 2 Pfund Wachs von jeder Hufe zu geben sei.
"•) C. W. I, 71.
tod Hermann Hoflfmann. 89
Schenkung zu geben (unum denarium Coloniensem aut quinque Colmenses
et unum talentum cere ad pondus dnarum marcarum aut plnra secundum
eiigenciam donacionam ipsis factarnm in recognicionem dominii fratribus
no8tris singulis solvent annis).
Ganz im Einklänge hiemit finden wir nun in einer ganzen Reihe
von Urkunden eine grössere Recognitions-Abgabe, nämlich 2 Talente
Wachs und 2 cölnische Denare. loa)
Ein flüchtiger Blick auf diese Verschreibungen zeigt uns nun, dass
in diesen allen auch 2 Reiterdienste gefordert werden.
Dass dieses keine zufällige Uebereinstimmung ist, beweist uns eine
Terschreibung aus dem Jahre 1287, no) in der ausdrücklich gesagt wird,
sie haben von jedem Dienste (de quolibet spadone) — und es werden
zwei Dienste verlangt — 1 Talent Wachs und 1 cölnischen Denar
zu geben.
Wenn nun aber nach dieser Regel auch meistens verfahren wurde,
so finden sich doch auch mehrere Verschreibungen, ,n) in denen mehrere
Dienste, aber nur die einfache Recognitions-Gebühr bestimmt wird.
Höchst auffallender Weise findet es sich einmal sogar, dass nur 1 Dienst
und doch die doppelte Recognitions-Abgabe gefordert wird. "*)
Freiheit von der Recognitions -Abgabe wird äusserst selten ver-
liehn, und dann wol auch nie allein, sondern mit der Freiheit vom
Pflugkorn zusammen. "')
Schliesslich haben wir hier noch einer Geld-Abgabe zu gedenken,
die in unseren Urkunden immer nur beiläufig erwähnt wird, nämlich
des Wartegeldes (denarii custodiales).
Glucklicher Weise sind wir hierüber aber durch eine Urkunde aus
dem Jahre 1378 orientirt. !l4)
Aus dieser Urkunde ersehen wir, dass um jene Zeit ein Streit
zwischen dem Bischof von Fomesanien und seinen Vasallen über die
Entrichtung des Wartegeldes ausgebrochen war, und dass die Vasallen
die Entrichtung desselben verweigerten, weil es in der culmischen Hand-
,M) C. W. I, 85, 86b, 89, 145, 153 etc. "*) C. W. I, 76. ,n) C. W. 1, 79.
81, 98 etc. »*) C. W. H, 199. IM) C. W, I, 81. li4) Voigt, Cod. dipl. Pnus.
m, Urk. 128.
90 Der ländliche GrnadbetiU im Ermla&de
feste nicht bestimmt, sondern eine ausserordentliche Steuer war, die
zur Zeit der Noth zur bessern Bewachung der Grenzen gezahlt wurde.
Entrichtet wurde sie von jedem Pfluge, und zwar sowol von den Herren
wie von den Hintersassen.
Im Laufe der Zeit scheint das Wartegeld sich aber zu einer festen
Steuer ausgebildet zu haben, die von allen Grundbesitzern gezahlt wurde.
Ueber seine Grösse lässt sich mit Sicherheit nichts angeben, wahr-
scheinlich war dieselbe an verschiedenen Orten eine verschiedene.
Da der grösste Theil der den Lehnsleuten überwiesenen Güter aus
uncultivirtem Land (Wald, Sumpf, Heide etc.) bestand, bedurfte es
naturlich erst jahrelanger Mühen und Anstrengungen, um den Boden
einigermassen ertragfähig zu machen. Zur Erleichterung dieser müh-
samen Arbeit wurde den Besitzern meistens eine Anzahl von Freijahren
bewilligt, d. h. sie waren für diese Zeit dem Landesherrn zu keinem
Dienst und keinen Leistungen verpflichtet.
Die Anzahl der Freijahre war je nach der Beschaffenheit des
Bodens, so wie der ganzen örtlichen Lage natürlich sehr verschieden,
meistens sind es 10 -12.
Diese Freiheit bezog sich, wenigstens in der älteren Zeit, wol auf
alle Leistungen. Zuweilen wird aber auch nur eine Leistung ganz er-
lassen, für die anderen nur eine Anzahl Freijahre gegeben. liS)
Ebenso finden wir zuweilen, dass für gewisse Leistungen die Frei-
jahre keine Geltung haben sollen. Dieses gilt besonders für den Wach-
und Yertheidigungsdienst, von dem es an mehreren Stellen ausdrücklich
heisst, dass er auch während der Freijahre geleistet werden solle. "•)
Nicht ganz sicher zu entscheiden ist endlich noch, ob die Frei-
jahre sich auch auf den Decem oder das Messkorn (annona missalis)
bezogen haben, das dem Pfarrer von jedem Hufenbesitzer seiner Ge-
meinde zu geben war.
Aus einer Verschreibung des Bischofs Eberhard für die Kirche zu
Anißdorf aus dem Jahre 1320 11T) ersehen wir, dass für die mit Bauern
besetzten Hufen die Bauern den gewöhnlichen Decem (von jedem Pfluge
»•) C. W. I, 96. "•) C. W. ü, 96, 290. IIT) C. W, I, 198.
tod Herintmt Boffmann« 91
1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Hafer) zu geben hatten, während für
die Hufen, die der Herr unter seinem eigenen Pfluge behielt (sab suis
aratris) er auch, wie die anderen culmischen Lehnsleute, von jedem
Pfluge den Decem selbst liefern musste.
Auffällig genug heisst es in dieser Verschreibung, der Herr soll
„de aratro* und die Bauern sollen „de mansis" den Decem geben.
Da der Decem an den Pfarrer dem Pflugkorn an den Landesherrn
ganz entspricht, sollte man mit Bestimmtheit annehmen, dass auch er
nur vom bebauten Lande und nicht von jeder Hufe zu geben ist.
Es scheint nun aber, als ob bei den Bestimmungen über den Decem
man&us zuweilen nicht etwas ungenau für aratrum steht, sondern in
seiner eigentlichen Bedeutung gebraucht wird.
In der Verschreibung für Gerhard von Parlrithen heisst es nämlich:111)
„Insuper quia prius juxta sue littere tenorem plebano suo de aratro
et non de mansis missalem annonam solvere tenebantur, Idipsum sibi
suisque legittimis successoribus quo ad predictos mansos tantum modo
concedimus et favemus.*
Diese Stelle ist nur so zu verstehen, dass sowol von der Hufe
wie von dem Pfluge je nach der Bestimmung der Decem gegeben
werden musste.
Da Gerhard nach seinem früheren Privileg nur von jedem Pfluge
2 Scheffel Getreide zu geben hatte, wird ihm dieses auch für sein
neues Besitzthum zugestanden.
Dass nun überall, wo es heisst, der Decem sei „de aratro* zu
geben, er von jedem Pfluge zu entrichten war, ist nach dem früher Ge-
sagten wol selbstverständlich; dass aber überall, wo es heisst, der
Decem sei „de manso" zu geben, — und wir werden solche Stellen
besonders in den Dorfs-Handfesten zahlreich genug finden — das* er
da wirklich von jeder Hufe zu geben war, wagen wir nicht zu behaupten.
Diese Stelle steht so vereinzelt da und widerspricht so sehr der
Gleichförmigkeit, die wir fast überall durchgeführt finden, dass wir ihr
unmöglich den Werth beilegen können, den sie sonst vielleicht verdiente.
"•) C. W. H, 220b.
92 Der ländliche Grundbesits im Ermlande
Zinsgüter.
Als eine besondere Art der Güter culmischen Rechts sind ferner
die Zinsgüter zu betrachten, die sich, wie ja schon der Name andeutet,
von den gewöhnlichen culmischen Gütern dadurch unterscheiden, dass
die auf ihnen ruhende Hauptabgabe ein Hufenzins ist.
Die meisten werden zu culmischem Becht verliehen,110) doch finden
sich auch, ganz ähnlich, wie bei den eben betrachteten Gütern culmi-
schen Bechts, noch eine Beihe anderer Besitztitel,120) es giebt sogar
einige Verschreibungen, in denen ganlicht gesagt wird, nach welchem
Becht diese Güter besessen werden sollen.121)
Zwischen den einzelnen Verschreibungen, die sowol für Deutsche
wie Preussen ausgestellt sind, einen wesentlichen Unterschied heraus-
zufinden, ist nicht möglich. Bei allen ist, um dies gleich hier zu er-
wähnen, der flufenzins die Hauptabgabe, und in keiner findet sich eine
Verpflichtung zum Kriegsdienst und den sonstigen Leistungen der ge-
wöhnlichen culmischen Güter. Wir werden deshalb wol mit Becht an-
nehmen dürfen, dass, ähnlich wie bei den oben betrachteten culmischen
Gütern, auch hier die verschiedenen Besitztitel nicht verschiedene Klassen
von Gütern bezeichnen.
Wie weit die einzelnen Bestimmungen der culmischen Handfeste
auf diese Güter Bezug haben, lässt sich schwer entscheiden, da in
unseren Urkunden sehr wenig darüber gesagt wird.
Wir haben indess nicht die geringste Veranlassung anzunehmen, dass
den Inhabern von Zinsgütern, die, wie schon bemerkt, an Deutsche sowol
wie an Preussen verliehen wurden, das Erbrecht für beide Geschlechter
und das freie Veräusserungsrecht vorenthalten gewesen sein wird.
Wenn wir an einzelnen Stellen das Erbrecht für beide Ge-
schlechter, m) und einmal auch das freie Verkaufsrecht ,M) ausdrücklich
erwähnt finden, so gilt hierfür dasselbe, was wir schon oben bei Be-
trachtung desselben Punktes bei den gewöhnlichen culmischen Gütern
(Anm. 5) gesagt haben, dass es nemlich vollständig überflüssige Zusätze
n») C. W. I, 159, 234, 278, 298, 309, 312; II, 96, 218, 353, 405.
,ao) C. W. I, 75» 133, 210, 268 etc. Wl) C. W. I, 169; II, 360.
"») C. W. I, 75, 169, 268. 1M) C. W. I, 75.
toh Hermann Hoffinann. 93
sind, die ihre Erklärung in der oft sehr willkührlichen und wenig ge-
nauen Abfassung der Urkunden finden.
Was die Verleihung der Gerichtsbarkeit anbetrifft, so findet sich
in unseren Yerschreibungen eine grosse Mannigfaltigkeit der Bestim-
mungen. In mehreren Yerschreibungen werden sowol die hohen wie
die niederen Gerichte verliehen, lu) wobei es in einer Urkunde für einen
Preussen ausdrücklich heisst,1") er erhalte die hohen und niederen
Gerichte über Preussen, die er bei sich locirt; in anderen wird nur die
niedere Gerichtsbarkeit allein "6) oder diese und ein Drittel des Ertrages
der hohen gegeben. 1,T)
Zuweilen wird die Jurisdiction auch garnicht erwähnt, "') oder dem
Vogt ausdrücklich reservirt, 1M) den Vasallen endlich auch hin und
wieder ein Drittel der Bussen zugesichert, wenn sie einen Verbrecher
auf ihrem Grund und Boden ergreifen. 13°)
Die anderen Rechte, die wir bei den gewöhnlichen culmischen
Gütern so oft verliehen finden, fehlen hier fast immer. Freie Fischerei
wird nur 3 Mal ,ai) und freie Jagd auf kleines Wild nur ein Mal erwähnt "*)
Der Grund hiefür ist in den meisten Fällen wol der, dass die Be-
sitzungen zu klein waren, als dass solche Gerechtsame auf ihnen mit
Erfolg ausgeübt werden konnten.
Sehr selten finden wir endlich auch das Recht, in der Heide Holz
fällen ,M) und das Vieh dort auf die Weide treiben zu dürfen. IM)
Was die Lasten anbetrifft, die auf den Zinsgütern ruhen, so sind
diese ganz andrer Art, als diejenigen, zu denen die Besitzer der ge-
wöhnlichen culmischen Güter verpflichtet waren.
Von einer Verpflichtung zum Kriegsdienst, zur Lieferung des Pflug-
korns und der Becognitionsgebübr findet sich in unseren Verschreibungen
über Zinsgüter keine Spur. An ihrer Stelle treffen wir einen Geldzins,
der, ganz analog dem Hufenzins der Bauern, von jeder Hufe gezahlt wird.
tu) C. W. I, 75, 169, 234, 298; II, 406. *») C. W. I, 169.
«•) C. W. H, 853. I27) C. W. I, 1Ö9, 278, 309; II, 96.
"•) C. W. I, 133, 210; D, 218. «•) C. W. I, 268. 18°) C. W. II, 360.
W1) C. W. I, 298; H, 863, 406. ,M) C. W. H, 406. IM) C. W. I; 298.
,M) C. W. I, 298.
94 Der tödliche Grundbetita im Ermlande
£8 ist dieser Zins je nach den Verhältnissen natürlich verschieden
hoch, doch scheint er nie eine Mark für jede Hufe überstiegen zu haben;
meistens ist er eben so gross, wie der gewöhnliche bäuerliche Hufen-
zins, nämlich 1/2 Mark.
Neben diesem Geldzins wird zuweilen auch noch eine Abgabe von
Wachs IM) oder Hühnern l3e) von jeder Hufe entrichtet.
Ob auf den Zinsgütern ausser diesem Hufenzins noch andere
Leistungen ruhten, — und es ist dieses sehr wahrscheinlich — lässt
sich aus unseren Urkunden nicht genau bestimmen.
Die einzelnen Ausdrücke, sie sollen den Zins zahlen „pro omni
solutione, jure etservitio,*1*7) oder „pro omni jure et servitio,* 1M) oder
„pro omni censu servitio et dominii recognicione* uo) sind so unbestimmt,
dass wir . aus ihnen keinen sichern Schluss ziehen können. Mit Be-
stimmtheit können wir nur sagen, dass auf ihnen noch zuweilen die
Verpflichtung zum Scharwerksdienst lastete.
Die erste Verschreibung, in der diese Verpflichtung vorkommt, ist
ans dem Jahre 1326 und vom Domcapitel für seinen Vogt Ernst aus-
gestellt.140) Er wird von dieser Last aber frei (ab omni jugo cujus
vis servitutis) sobald er den Zins bezahlt. In einer anderen Ver-
schreibung für den Preussen Susangen aus dem Jahre 1334 UI) wird
einfach gesagt, dass er in jedem Jahre 4 Tage zum Scharwerksdienst
verpflichtet sein solle.
Es scheint indess, als ob die Scharwerkspflicht nur ausnahmsweise
auf den Zinsgütern ruhte ; vielleicht ist sie auch erst im Lauf der Zeit,
als die Bedingungen, unter denen man Güter verlieh, überhaupt drücken-
der wurden, dazu gekommen.
Den Deeem an den Pfarrer hatten die Besitzer der Zinsgüter wol
in derselben Weise zu entrichten, wie die Besitzer gewöhnlicher culmi-
scher Güter.1")
Für den Hufenzins wurden auch hier meistens Freijahre bewilligt. "*)
•») C. W. I, 210. »•) a W. I, 268, 312; U, 96, 860. »") C. W. I, 75.
1M) C. W. H, 853. «•) C. W. I, 405. ua) C. W. I, 281 Ul) C. W. I, 268.
"*) C. W. Ip 298. "') C. W. I, 69, 75, 138, 268, 309, 312; II, 96, 860.
tob Hermann HoAnonn« 96
Höhlen- und Krug-Grundstücke.
Eine den Zinsgütern sehr ähnliche Stellung nahmen dann die Mahlen-
and Krug-Grundstücke ein, die nicht zu einem Dorfverbande gehörten,
auch nicht Bestandteile eines grösseren Guts waren, sondern als kleine,
selbstst&ndige Besitzungen vom Landesherrn oder einem Vasallen ver-
geben wurden. Verhältnissmässig häufig finden wir hier, dass Grund-
stücke dieser Art nicht einfach verliehen, sondern verkauft werden. 144)
Merkwürdiger Weise verkauft der Bischof sogar einige Male einen
Theil von einzelnen seiner Mühlen,146) während er umgekehrt wieder
Theile von ^verliehenen Mühlen für den Gebrauch seines Tisches zu-
rückkauft. I48)
Gar nicht selten finden wir auch, was ja für die damaligen Ver-
hältnisse vortrefflich passte, dass das Mühlen- und Tabernenrecht zu-
sammen verliehen wird.147)
In den meisten Fällen, besonders in der älteren Zeit, ist die Mühle
und Taberne natürlich erst zu erbauen. Die Ländereien, die zu den
Mühlen und Tabernen verliehen werden, sind fast immer sehr klein,
sehr selten ist es, dass 1 Hufe oder noch mehr gegeben wird.
In der Verschreibung für den Müller Heinemann aus dem Jahre
1313 wird noch hinzugefügt, dass, "') wenn daselbst ein deutsches Dorf
gegründet werden wird, er eine Hufe von der Dorfmark gegen den ge-
wöhnlichen Zins erhalten solle.
Sehr auffallend ist es nun, dass alle Verschreibungen, die sich im
Codex dipl. Warm, über Mühlen und Krüge finden, für Deutsche aus-
gestellt sind. Es hat das unzweifelhaft seinen Grund darin, dass die
Deutschen sowol im Mühlen-Handwerk bedeutend erfahrner und ge-
schickter waren als die Freussen, als auch, dass sie sich besser auf den
Handel verstanden, als jene, und die deutschen Kolonisten, was sie
brauchten, auch lieber von ihren Landsleuten kauften als von den
Emgebornen.
Die Nachricht, die uns Schütz in seiner Chronik Preussens, "*) und
•") C. W. II, 443, 446, Ö06. "•) G. W. H, 77, 78. "•) €. W. II, 1b, 28.
"») C. W. i 144, 166 etc. "•) C. W. I, 186.
"•) Schütz, Chronik von Preussen p. 63 . . . . »Item, dass kein Ptauae in ir
96 Der ländliche Grundbesite im Ermlande
ebenso Hartknoch, v Altes und Neues Preussen* ,so) giebt, dass kein
Preosse in einer Stadt oder einem Dorfe ein Amt haben, auch keinen
Krug etc. halten dürfe, ist entschieden unrichtig. Wie wir später sehen
werden, treffen wir preussische Schulzen in deutschen Dörfern sehr häufig,
und auch dass einem Preussen die Kruggerechtigkeit verliehen wird,
lässt sich durch eine Yerschreibung beweisen.151)
Unter den verschiedenen Besitztiteln sind besonders „Jure Culmensi* l")
und ,Jure hereditario* 16S) zu merken. Dass dieses „Jure hereditario*
nicht mit dem später zu betrachtenden „Jure hereditario Pruthenico*
identisch ist, folgt einfach daraus, dass es sich immer in Verschreibungen
findet, die für Deutsche ausgestellt sind. Es besagt eben, so weit die
Verschreibungen uns darüber überhaupt Aufschluss gewähren, durchaus
nichts anderes als „Jure Culmensi.*
Ueber das Erbrecht und das freie Yeräusserungsrecht lässt sich
wenig Bestimmtes sagen.
Das erste findet sich 2 Male,1") das letzte ein Mal161) besonders
erwähnt Wahrscheinlich haben auch hier die Bestimmungen, wie wir
sie in der ciümischen Handfeste finden, gegolten, wenngleich der Unter-
schied zwischen diesen und den gewöhnlichen Gütern cnlmischen Rechts
schon ein sehr grosser ist.
Die Bechte und Begünstigungen, die sich in unseren Verschrei-
bungen finden, sind sehr verschiedenartig, beziehen sich aber natürlich
fast immer speciell auf die Müllerei und die Schankwirthschaft.
keinem Gebiet, Stad, Schloss oder Dorffe zu ir keinem Ampt verstattet werden,
auch keine Krahm noch Krug treiben, sondern alle dieselben zum Ackerbaw und
Viehzucht gehalten werden sollen.*
15°) Hartknoch, Altes und Neues Preussen p. 567, §. 4. »Wir setzen und ge-
bieten, dass in Städten und Vorstädten in Teutschen Dorffern, Höfen, Krügen und
Kindelbieren kein Preuss zu einem Regiment soll gesetcet werden und soll auch
nicht Bier schenken weder Fraue noch Mann, sondern sie soUen die wüsten Erbe
wüste Hüben reumen und bewohnen und die wüsten Aecker bauen bei Verlust
3 guten Marken. €
15 ») Qebser, Geschichte der Domkirche in Königsberg p. 135, 136.
»") C. W. H, 203, 206, 234 etc.
»») C. W. I, 177, 185, 222; U, 346, 443, 506. 164) C. W. I, 186, 220.
l«) C. W. H, 443.
tod Hermann Hoffmann. 97
Wie es bei den Mühlen wol natürlich ist, — es ist hier immer
an Wassermühlen zu denken — wurde den Müllern immer freie
Fischerei für ihren Bedarf im Mühlenteich gestattet;168) wo dieses nicht
besonders erwähnt wird — es ist dieses sehr selten der Fall — ist
wol anzunehmen, dass es nur durch Nachlässigkeit nicht geschehen
ist. Zuweilen wird auch gesagt, dass der Müller und der Landesherr
allein fischen dürfen.157) In einer Verschreibung "■) finden wir sogar
eine Abgabe, die auf die Fischerei gelegt ist, indem der Müller die
kleinen Fische alle behalten darf, von den grossen aber den 3. Theil
dem Bischof resp. dem Vogt abgeben muss.
Auch bei einer Taberne, die ausserhalb eines Dorfes liegt, finden
wir ausser mehreren anderen Begünstigungen freie Fischerei mit sechs
Keusen erwähnt.189)
Eine der Hauptbegünstigungen ist nun ohne Zweifel wol die, dass
den Inhabern solcher Besitzungen häufig versprochen wird, es solle
innerhalb bestimmter Grenzen keine andere Mühle, resp. Taberne an-
gelegt werden dürfen. 16°) Dann wird ihnen auch oft gestattet, ein
zweites Bad in der Mühle einzurichten,161) ebenso einen Damm zu
bauen l8a) und einen Oberteich zu bilden. ,M) Bisweilen wurde ihnen so-
gar ein besonderes Stück Land zugewiesen, von dem sie die Erde zum
Damm nehmen durften.164)
Da es dem Landesherrn natürlich auch darauf ankommen musste,
dass die Mühlen und Tabernen am passenden Orte lagen, gestattete er
es auch, dass Mühlen und Tabernen verlegt wurden, "*) ebenso wurde ein-
mal auch erlaubt, eine Schneidemühle in eine Mahlmühle umzuwandeln. "*)
Den Schaden, der durch den Mühlenteich anderen verursacht wird,
haben die Müller selbst zu tragen,167) dagegen sehen wir einmal, dass
der Lehnsherr sich verpflichtet, bei eventuellem Ausbruch des Mühlen-
teiches hülfreiche Hand zu leisten.148)
»*) C. W. I, 144, 165, 185; ü, 234, 345 etc. 167) C. W. I, 128, 129.
»•) C. W. I, 286. IM) C. W. I, 222. "°) C. W. I, 166, 185, 220, 247, 286.
I61) C. W. I, 220; E, 24, 292. 1M) C. W. I, 185; H, 183, 445.
'•*) C. W. I, 185; H, 445. 164) C. W. II, 292, 445. IW) C. W. II, 24, 206.
IM) C. W. I, 286. I67) C. W. II, 352. I68) C. W. D, 506.
Altpr. Moaatot«hrift Bd. XIV. Hfi. 1 u. 2. 7
9 g Der ländliche Grnndbesiti im Ermlande
In den Mühlenteichen haben sie dann oft; das Beeilt, das Wasser
zu stauen, und wird dieses gewöhnlich genau bestimmt. So darf ein
Maller ein Mal das Wasser bis 9 Fuss stauen,169) während in einem
anderen Fall nur eine Stauung von 1 Fuss über den gewöhnlichen
Wasserstand gestattet wird.170)
Dann wird ihnen häufig das Recht gegeben, Holz zu fällen, und
zwar entweder wo sie wollen, !71) oder, wie es auch vorkommt, wo es
ihnen angewiesen werden wird. "*) Endlich treffen wir auch bisweilen
die Berechtigung, das Vieh auf des Herrn Weide treiben zu dürfen und
zwar mit genauer Angabe, wie viel Pferde, Kühe, Schweine etc. es
sein dürfen.173)
Die Freiheiten, die speciell für die Tabernen galten, bieten nicht
viel Besonderes. Es wird den Inhabern derselben nur das Recht er-
theilt, die gewöhnlichen Gebrauchs-Artikel, als da sind Brod, Fleisch
und Bier, verkaufen zu dürfen. l74)
Zuweilen wird ihnen aber auch ausdrücklich die Erlaubniss gegeben,
dass sie das Brod selbst backen und das Vieh selbst schlachten dürfen. IT&)
In einer Yerschreibung aus dem Jahre 1336 176) erhält auch ein
Müller das Recht, Bier zu brauen, obwol keine Schenke mit der Mühle
verbunden ist; es galt diese Erlaubniss also jedenfalls nur für seinen
eigenen Bedarf.
Eine sehr wichtige Bestimmung treffen wir dann in einer Yer-
schreibung aus dem Jahre 1370. 177) In derselben werden nämlich der
Burg-Mühle bei Rössel 3 Dörfer zugewiesen, deren Bewohner in ihr ihr
Getreide mahlen lassen müssen.
Wenn nun später in einem bestimmten dieser Dörfer eine Mühle
gebaut wird, so sollen 4 Männer den Schaden abschätzen, der dem
Burgmüller durch die Anlegung der neuen Mühle entstanden ist, und
diese Summe wird ihm von dem Zins abgezogen werden.
Diesen Mahlzwang finden wir auch in einer Yerschreibung des
"•) c. w. n, 302. "°> c. w. n, 345. m) c. w. 1, 222, 286; n, 47, 345.
"*) C. W. II, 448. 17S) C. W. I, 2*2; II, 44a
"4) C. W. I, 222, 247; U, 474 etc. "•) C. W. I, 222. 1T8) C. W. I, 275.
>") C. W. II, 443.
von Hermann Hoffinann. 99
Ordens für die Mühle in Reimannsfelde,178) in welcher dieser Mühle
5 Dörfer zugewiesen werden.
In den Fällen, in denen der Bischof einzelne Theile seiner Mühlen
verkauft, resp. einzelne Theile anderer Mühlen für den Gebrauch seines
Tisches ankauft, sind noch die Bestimmungen zu merken, dass ein jeder
für seinen Theil selbst zu sorgen, d. h. ihn in gutem Zustande zu er-
halten hat; ebenso wird dabei genau bestimmt, welchen Antheil jeder
an der Schweinezucht haben solle.
Interessant ist es, hiebei auch die Bedingungen zu betrachten, unter
denen der Bischof einmal den vierten Theil einer Mühle kauft. 179)
Die Kaufsumme beträgt 90 Mark. Diese werden aber nicht aus-
gezahlt, sondern es wird dem Verkäufer dafür ein Zins von 9 Mark
jährlich verschrieben, den er so lange behalten soll, bis der Bischof
ihn wieder für 90 Mark zurückkauft.
Bevor wir nun zu der Betrachtung der Leistungen übergehn, die
auf den Mühlen- und Krug-Grundstücken ruhten, sei noch erwähnt,
dass Freijahre äusserst selten verliehen werden. Nur zwei Mal werden sie
erwähnt und dann sind es auch immer nur 2 Jahre. "°) Daneben finden
wir aber auch, dass der Zins in dem ersten, resp. in den ersten Jahren
niedriger ist als später, dass also eine Steigerung desselben eintritt. "')
Der Zins selbst ist ein Geldzins, zu dem sich zuweilen noch ein
Naturalzins (Hühner) gesellt. Gezahlt wird er fast immer von der
Mühle und dem Lande, oder von dem Kruge und dem Lande, oder
von der Mühle, dem Kruge und dem Lande zusammen.
Die Grösse des Zinses ist natürlich sehr verschieden. Als niedrigsten
Zins finden wir in unseren Urkunden 1 Mark, 1>9) als höchsten 6 Mark, 1M)
Dieser Zins wird, wie es heisst, '") gezahlt „pro omni jure, censu
et servitio* und ist ausser dem Wartegeld die einzige Leistung, die
wir in unserer Periode wirklich nachweisen können.
"•) C. W. n, 86.
'") C. W. II, 28 . . . Ganz ähnlich in II 15, wo für 120 Mark ein Zins von
12 Mark gegeben wird.
1M) C. W. I, 286; II, 203. 181) C. W. I, 129, 144, 165; II, 170.
lw) C. W. I, 112. 1M) C. W. II, 445. IM) C. W. I, 166.
7*
100 Der Itadltah« Grnodbeiits im Ermlande
Dass aber noch andere Leistungen verlangt wurden, folgt wol un-
zweifelhaft aus einigen Stellen, die leider allgemein und unbestimmt,
wie meistens, uns keinen sichern Schluss gestatten.
So heisst es in einer Urkunde aus dem Jahre 1359, ,w) sie sollen
den Zins zahlen:
„et talia servitia, qualia alii molendinatores ratione molendi-
norum fecerint, facere tehebuntur.*
In einer anderen Urkunde aus dem Jahre 1375 heisst es;1") sie
sollen den Zins zahlen:
„und dynen davon wen yn geboten wirt gleich andern molnern
in disem Bisch turne"
Einen allerdings sehr geringen Aufschluss darüber, was dieses be-
deuten soll, gewährt uns eine Verschreibung aus dem Jahre 1871. U1)
Zwei Lehnsleute haben hier einem Müller, den sie ihren t und er-
sasze nennen, eine Mühle mit einer Taberne und etwas Land gegeben
und zwar zu culmischem Recht, und haben ihm versprochen, ihn von
Scharwerk, Herrendienst oder Reisen frei zu halten. Ausser dem Warte-
geld und dem Decem für den Pfarrer soll er jährlich nur 5 Mark zahlen
„vor den zinsz, scharwerk und alles das gutt."
Hienach scheint es, als ob die Müller ausser zu dem Zins und
Wartegeld anch noch zu Scharwerk und zu Kriegsreisen verpflichtet
gewesen sind. Ueber den Umfang und die Art dieser Leistungen lässt
sich aber nichts mehr feststellen. Dass sie dem Pfarrer den Decem
zu geben hatten, ersehn wir auch noch aus einer andern Verschreibung, 189)
in der bestimmt wird, dass von einer Mühle, einer Taberne und zwei
Hufen Land als Decem 2 Scheffel Mehl zu liefern sein.
>•*) C. W. H, 281. 1M) C. W. ll, 506. Il7) C. W H 448.
"•) C. W. H 183.
(Fortsetzung folgt.)
Urkunden znr Geschichte
der ständischen Versammlungen zu Königsberg
im Januar und Februar 1813
betreffend
die Errichtung der Landwehr.
Nach den Akten der Ostprenssischen General-Landschaft und des Oberprasidiums
der Provinz Prenssen
herausgegeben von
Bob. Müller.
Fortsetzung,
22* Fol. 29.
Die uns von Ew Exzellenz und der Hochverehrten Committe [sie]
Gesthern gemachte Mittheilungen des Herren General Gouverneur
Exzellenz hat in uns Wünsche erregt welche wir im Geiszt der ganzen
Versandung in der Anlage ausgesprochen zu haben uns scbmeichlen.
Indem wir solche hiemit Ew Excellenz gehorsamst einreichen,
unterlagen wir sie HochDero richtigem prüfung, mit beifügung der
gehorsamen Bitte, dasz wenn wir für selbige Er Exzellenz Zustim-
mung und Beifall gewinnen, Er Exzellenz geruhen möchten solche
der Versandung zur Deliberation hochgeneigst vortragen zu laszen.
Mit Verehrung und Ergebenheit beharren
wir Er Exzellenz
ganz gehorsamste
Eönigsbg d 6 Febr Die Deputirte der Adlichen Guths
1813. Besitzer des Tapiauschen Kreises
[Ohne Adresse.]1) WBolschwing Zychlinski
TJngedrnckt. ») Die Eingabe war sicher an den Vorsitzenden der Committee,
den Staatsminiflter Grafen Alexander Dohna gerichtet. [gl
102 Urfcnnden >*r Geechichte der stand. Versammlungen in Königsberg
23, Fol. 30-31.
Der Herr General Gouverneur von Yorck Exzellenz haben in Ihrer
Gesthern an uns so kurzen als energischen Anrede , mit so vieler Wärme
unser mitwirken und unsere Anstrenggunggen zur Verteidigung des
Vaterlandes, zur Oenugthuung gegen den Feind unsers Königs und
unsers Vaterlandes, und zu seiner Entfernung bis an den Bhein aufge-
fordert; wornach wir eine gröszere Forderung zur augenblicklichen
Verstärkung der Streitkraft erwarten muszten, als Sie in Ihrer unsrer
Hochverehrten Committe vertrauten Forderung ausgesprochen haben.
Hiezu gehört nicht die von Sr Exzellenz bereits volzogene Aushebung
zur complettirung und Verstärkung der unter Ihrem commando stehen-
den Truppen, denn dieses war von Ihnen schon befohlen und geordert.
Es ist nach des Herren General Gouverneur Exzellenz gemachten
Forderung, zur augenblicklichen Streitkraft, nur allein die bestirnte An-
zahl der Freiwilligen von 330 Mann Cavaüerie und 400 Mann Infanterie
zu rechnen. Die geforderte Landwehre ist nur für ein Erfordernisz
ungunstiger Ereignisze anzunehmen.
Hinfolglich scheint es uns aus der so sehr gemäszigten Forderung
des Herren von Yorck Exzellenz hervorzugehen, dasz Sr Exzellenz durch
Ihrem [sie] Talent als commandirender General die augeblicklich not-
wendig zu vergröszerrende Streitkraft zu ergänzen beabsichtigen, um
das Land möglichst zu schonen.
Ohnleichbar [sie] scheint es uns aber, dasz einem Commandirenden
General //wenn wir uns des vergleichniszes erlauben dürfen;/ wie
einer groszen Kaufmannschen Spekulation, ein ohnerwarteter gröszerer
Föns oder Gredith das gelinggen und einen gröszeren Gewinn sehr be-
günstigt; die vergröszerung der Streitkraft zur Disponiblen um so er-
wünschter und wilkomner sein musz, wenn, wie es hier der Fall ist,
die Disponible Streitkraft um ein Drittel aus neu eingezogne Re-
kruthen besteht.
ich glaube dahero, dasz wir diesem würdigen Helden, Der Sich
durch Seine FeldHerren Talente sowohl Seinen Gegner als auch uns
achtungswerth und verehrt gemacht hat, den sprechensten Beweisz des
Vertrauens und die gröszte Würdigung Seiner Gesttriegen mündlichen
von Bob. Mailer. 103
Aufforderung geben; wenn wir Seiner Disposition eine augenblicklich
grfszere Streitkraft als Er Sie [sie] verlangt hat, gestellen. Um dieses
zu bewerkstelligen erlauben wir uns folgende Vorschläge
1, Dasz die Versandung die Herren Deputirte der Städte Königs-
berg, Elbing Memel, Tilsit und Braunsberg die HandlungsHäuser dieser
Städte zu einem freiwilligen Beitrag zur organisirung eines augenblick-
lich zu stellenden Corps Cavallerie und Infanterie auffordert und an-
fragt; worauf durch Estaffette wehrend unsers Zusammenseins die Be-
stimmung der Summen eingehen kann.
2, dasz die Versamlung in der nächsten Montags Zeitung einen
Aufruf zur freiwilligen Gestellung bey der Cavallerie und Infanterie
macht, und denenjenigen welche sich hiezu melden wollen, die Weisung
giebt, sich Persönlich oder schriftlich binnen 14 Tagen an die aus
der Versamlung erwählte hochverehrte Committe zu melden, wobey ein
jeder sich erklären musz ob Er bey der Cavallerie oder Infanterie an-
gestelt sein will, und ob Er mit eigner Kleidung, und Pferd bey der
Cavallerie sich gestellen kann.
3, dasz durch die LandBäthe, Beamte und Förschter der aus der
Versamlung erwählten hochverordneten Committe eine genaue Liszte
derjenigen Wildschützen und Jäger eingereicht wird, welche zu Jäger
im Felde tauglich sind, und dasz solche eingezogen und zur Disposition
der General-Commission eingesant werden.
Von den freiwilligen Beiträgen der HandlungsHäuser der erwähnten
Städte, wurden die eingezogne Jäger, und Diejenige die sich frei-
willig gemeldet zu equipiren sein, welche es aus eignen Mitteln zu
thun ausser Stande sind.
4, Die Armatur für das zu gestellende Corps Freywilliger, würde
am Schnellesten dadurch zu bewerkstelligen sein, wenn ebenfals in der
nächstens [sie] Montags Zeitung ein jeder Bewohner Preuszens aufge-
fordert und verpflichtet wird, alle fürs Militair taugliche schiesz und
seiten Gewehre binnen 14 Tagen an den LandBath oder an der Stadt-
Obrigkeit abzuliefren, wozu vorzüglich Büchsen gehören.
Sobald nach 14 Tagen die Anzahl des zu stellenden Corps der
Freiwilligen bekant ist, müszte die einberufung und Bestimmung des Orts,
104 Urkunden zur Geschichte der atänd. Versammlungen in Königsberg
wo dieses Corps organisirth werden soll, ebenfals durch die Zeitunggen
geschehen. Die Organisation wäre sodann durch die General Com-
mission und deren erwählten Anfuhrer zu volziehen.
Diesen ersten Schritt, um eine gröszere Gestellung zur augenblick-
lichen Vermehrung der Streitkraft, als sie gefordert ist, ist unsers
Erachtens die Versandung zur Ehre der Provinzen die sie vertritt
verpflichtet, um einestheils der Erwartung des Buszischen Kaysers» zu
entsprechen, dass diese Provinzen die zuerst durch die Buszen von den
Franzosen befreit sind, denen andern Provinzen desPreuszs Staats und
ganz Deutschland ein Beispiel geben ; anderrentheils dasz der Entusias-
mus für König und Vaterland mehr zu thun vermocht hat, als der
General Gouverneur verlangt und erwartet hat, und dasz es nicht eine
blosze Folge der an den Ständen ergangnen Aufforderung ist.
Die Deputirte des Tapiauschen Kreises
Zychlinski WBolschwing
Ungedruckt. Gehört als Beilage zu [81. [82
U. Fol. 32.
Königsberg den 7. t. Februar 1813.
Als bei der heutigen Verhandlung der Stände von Ost u West-
preuszen und Litthauen das aufgenommene Protocoll verlesen wurde und
es zweifelhaft schien, ob aus dem Inhalte nicht gefolgert werden könnte,
dasz die versammelten Stände die Anstrengungen des Landes nur nach
dem Wunsche Sr Majestät des Kaisers von Buszland übernähmen, nahm
der von den Ständen erwählte Herr Präsident der Herr Staatsminister Graf
von Dohna Excellenz das Wort u sprach Nahmens der Versammlung.
Die bisherige Verhandlung habe zur Genüge bewiesen, dasz des
Kaisers von Buszland Majestät *) loyal genug gedacht und der Provinz
allein überlaszen hätten, alles, was sie für möglich hielte, zum Besten
ihres Königs u Vaterlandes zu thun. Dieser Gesichtspunkt habe alle
anwesende Stände beseelt u deshalb hätten sie sich allein auf diese
Sache eingelassen und sich gern an2) des Herrn Generallieutenant
von York Excellenz, als dem höchsten Stellvertreter des Königs in
Militairsachen und dem treuesten Diener Sr Majestät und heiligstem
Verehrer des Vaterlandes gewandt.
von Bob Möller. JQ5
Nur der Gedanke, dem Könige u Vaterlande treu zu dienen, Gut
u Blut für die Erhaltung des Königs u Vaterlandes, welche unzertrenn-
lich verbunden wären, hinzugeben, belebe die Versammlung.
Der Herr Präsident sprachen8) nun mit einer solchen Herzlichkeit
u Wärme von der Anhänglichkeit der Stände und der durch sie ver-
tretenen Provinzen an den König, unsern guten und allverehrten Landes-
vater, dasz nicht blosz aus der Bede wahre Herzlichkeit, treue Anhäng-
lichkeit an König u Vaterland u heiliger Eifer, für diese heilige
Verbindung alles zu thun, zu ersehen war, sondern diese Empfindungen
von allen Anwesende/«*?/4) getheilt wurden. Und so erscholl, als
dHE Präsident mit einem herzlichen: Gott erhalte den König, es lebe
der König ! schlosz, eine tief im Innern gefühlte Wiederhohlung dieses
herzlichen Wunsches.
Aufs Neue vereinte sich also die Versammlung der Stände zur
Treue u Anhänglichkeit an König und Vaterland.
Dies ist von mir als dem von den hochverehrten Ständen er-
wähltem [stc] Secretair niedergeschrieben.
Heidemann. 6)
Gedr. bei Dr. II, 8. 304 f. No. 8. and Gerwien S. 12. ') Die hier folgenden
Worte: »u deszen Bevollmächtigte dHE Minister von Stein Ex-
cellenz* sind später ausgestrichen. *) Konnte allerdings leicht für »mit*
gelesen werden, wie auch bei Droysen gedruckt ist Gerwien hat richtig: »an*.
3) ? sprechen? 4) Heidemann hatte hier zuerst geschrieben: »sondern diese
Empfindungen auf alle Anwesende übergingen. Bei der Abänderung
Übersehen, liess er »Anwesende* in der Accusativform; also steht jetzt: »son-
dern diese Empfindungen von allen Anwesende getheilt wurden/
*) Vgl. hiezu Joh. Voigt: Das Leben des ... Alezander ... Grafen zu Dohna-
Schlobitten . . . 8. 24. [$3
85. Fol. 33-34.
P. M.
Der Entwurf zu dem Reglement für die zur allgemeinen Landes-
verteidigung zu organisirenden [sie] Landwehr, enthält die vorläufige
Festsetzung, dasz ein jedes männliche Individum [sie] von bestimmten
Alter, ohne Unterschied der Beligion, u also auch Mennonitön u
Bekenner der mosaischen Beligion an der Verteidigung persönlichen
Anteil nehmen oder einen qualificirten Stellvertreter stellen mtiszen.
Die Bürger Königsbergs haben mir durch vertrauensvolle Wahl den
106 Urkunden zur Geschichte der stttnd, Versammlungen in Königsberg
Vorzug eingeräumt den Berathungen Er hochverehrlichen Versammlung
beizuwohnen. Es ist demnach meine Pflicht den [sie] Vortheil meiner
Committenten möglichst förderlich zu seyn, wenigstens aber das-
jenige [sie] vorzubeugen was ihnen nachteilig werden kann. Hiezu
rechne ich die obige Festsetzung vorzuglich in Beziehung auf die
Mennoniten, und nehme mir die Erlaubnisz ein schriftliches Votum über
diesen Gegenstand zu den Akten zu geben.
Die Keligionsverfaszung der Mennoniten ist mir um so genauer
bekannt, als ich selbst unter sie gehöre, u ich kann es demnach um
so mehr versichern, dasz dieselbe mit der persönlichen Verteidigung
des Vaterlandes durchaus nicht vereinbar ist.
Die Führung der Waffen ist ihnen nach den Glaubens Artikuln,
welche Höchsten Orts die erfoderliche Bestätigung erhielten, verboten,
u der Mennonit welcher mit Zwang angehalten werden würde Kriegs-
dienste zu thun, würde in dem Augenblik aufhören es zu seyn.
Das Gnadenprivilegium welches unsere Vorfahren erhielten als sie
ins Land berufen wurden, u welches von einer Reihe erhabener Be-
herrscher des Preuszischen Trohnes, so wie von des jezt lebenden
Königs Majestät allerhöchste Bestätigung empfing, sichert den Menno-
niten völlig freie, Glaubensübungen, Gewiszensfreiheit sowie die Cantons-
freiheit zu, u unterwirft sie in Hinsicht auf die lezte Begünstigung
einer jährlichen Abgabe von 5000 j^'. an das Culmsche Gadettenhaus.
würde es diesemnach nicht ein Eingriff in das Eönigl Privilegium
seyn, wenn durch die oben angeführte Festsezung auch die Men-
noniten gehalten seyn sollen an der Verteidigung persönlichen
Anteil zu nehmen?
Es ist zwar die Alternative gestellt, dasz man sich dazu eines Stellver-
treters bedienen könne; Dieses würde jedoch nur auf den bemittelten
Theü Anwendung finden, u der ärmere Mennonit, der die Kosten eines
Stellvertreters nicht aufzubringen vermag, gezwungen seyn, den Glauben
seiner Väter zu entsagen, welches wohl den so gerechten als milden
Gesinnungen unseres edlen Monarchen nicht zusagen dürfte [sie]
Sollte endlich die Maasregel der allgemeinen Vertheidigung in
Ausübung kommen, wodurch den Städten u dem Lande zum Betriebe
von Bob. Malier. 107
der innern Geschäfte viel Hände entzogen werden, so könnten zur Ver-
sorgung bürgerlicher Anstalten, zum Feuerlösch - dienst , Pflege der
Kranken & etc. die Mennoniten gebraucht werden, die aus Schuldigkeit
u Bärgerpflicht sich gerne jedem andern Geschäfte anszer den Kriegs*
dienst, unterziehen n bereitwillig jedes Opfer bringen werden, welches
die Anstrengung jezt gebietet.
Ich trage diesemnach ganz ergebenst darauf an
die Mennoniten auszer der Verpflichtung zu setzen an dem
activen Kriegesdienst Theil zu nehmen, u bitte ganz ergebenst
gegenwärtiges Votum dem Protokoll beifügen zu laszen.
Uebrigens füge ich noch wiederholentlich hinzu, dasz es nicht
Mangel an Burgersinn, u Patrioüsmusz, sondern Anhänglichkeit an den
Glauben seiner Väter ist, welches den Unterzeichneten zu dieser Er-
klärung veranlaszt.
Koenigsberg den 8' Febr. 1813
Zimmermann
Ungedruckt. [84
36. Fol. 35—36. p d 8 Febr. 13
Erhaben, u der Achtung der Nachwelt würdig, spricht sich in
diesem hochwichtigen Moment, im Königreich Preuszen, der Geist der
Liebe und Treue gegen Monarch u Vaterland, durch die Repräsentanten
der Nation aus. Bereit kein Opfer zu scheuen, wodurch dem Vater-
lande seine Selbständigkeit, das Palladium der privat Wohlfahrt wieder-
gewonnen werden kann, sehe ich mich nicht allein kräftig unterstfitzt in
meinem Wirken, sondern erhalte auch noch Anerbietungen, welche das
Gepräge des reinsten Patriotismus, der edelsten Selbstverleugnung tragen.
Wie sollte nun mein Vertrauen zu einer Nation, die des Ruhms
und Glücks ihrer Väter eingedenk, jttes daran zu setzen fest ent-
schlossen ist, jenen von neuen [*ic] zu befestigen, dieses von neuem
zu gewinnen, die den erhabenen Beruf erkennt, Deutschland u Europa,
das erste Beispiel wahrer Vaterlandsliebe durch Thaten zur Nachahmung
aufzustellen, einen Augenblick wanken? —
In diesem Vertrauen daher, mit dem vollen Glauben an Wille u
Kraft, eröfhe ich der edlen u hochgeehrten Comitrf [sie] des Landtages
108 Urknnden snr Geschichte der stand« Versammlungen in Königsberg
die Unzulänglichkeit, der mir zu Gebote stehenden Mittel die benötigte
Cavallerie zu bilden. Ich übergebe ihren weisen Berathungen zum
weitern Vortrage den Entwurf, zur Formation eines Begiments Preussi-
scher National Cavallerie, aus den freiwillig sich sammelnden Söhnen
des Vaterlandes, u erfreue mich des Glaubens, dasz dies eine Gelegen-
heit darbieten wird, wo auch weniger Bemittelte Beweise der Treue,
und Liebe zu König u Verfassung, an dem Altar des Vaterlandes, als
Opfer niederlegen können.
Es würde demnach ein Corps preussischer National Cavallerie von
1000 Mann u 1000 Pferden, aus Ostpreussen u Litthauen zu for-
miren sein.
Jeder der hinzutritt bringt ein gutes Husarenpferd, versehen mit
1, einer Trense
2, einem Woilach u Uebergurt
3, einem Ungarischen Sattel mit Halfter, Hinterzeug u Zubehör
4, einer Ueberdecke von schwarzem Schaaffell mit.
Was auf diesem Wege zur Complettirung nicht erlangt würde,
könnte durch Beiträge nach der Hufenzahl bewirkt werden.
Für die Bekleidung der Mannschaft, u was an der des Pferdes
nooh fehlt, sorgt der Staat.
Die Kopfzahl von 1000 Mann Cavallerie, wird von der zur Formation
neuer Corps bereits als bedürftig angegebenen Mannschaft abgerechnet.
Die Officierstellen werden von Sr Majestät dem Könige besetzt
jedoch bleiben eine gewisse Anzahl offen, für junge Leute, welche jetzt
den schönen Kampf für Freiheit und Becht, den friedlichen Beschäfti-
gungen vorziehen
Talente u ausgezeichnetes Verdienst, werden nicht weniger stets
höhere Chargen offen finden, und nicht unanerkannt bleiben
Das Corps wird den Nahmen des ersten preussischen National
Cavallerie Corps führen, um wenn Vaterlandsliebe oder Notwendigkeit
gebieten, ein zweites ihm zur Seite zu stellen, es als erstes Kennzeichen
des Patriotismus seinen Bang behaupte
Sobald sich nun der Wille der Bewohner Preussens sonst glück-
lichen, u segensreichen Fluren, durch das Organ ihrer Bepraesentanten
ron Bob. Müller. JQQ
ausgesprochen hat, behalte ich mir vor das Nähere wegen Zeit u Ort
der Formation, u alle übrigen nötigen Bastimmungen bekannt zu machen
Mit hoher Achtung wird die Mit u Nachwelt, mit freudigem
Herzen, ob der Liebe u Treue der Monarch, mit erhebendem Gefühl
über das Vertrauen der edlen Preussen, werde ich alles dasjenige er-
kennen, was die reinsten Motive sie [sie] zu leisten vermögen, u die
Preussens Bewohner von je her so ruhmwürdig auszeichneten.
Königsberg am 8" Februar 1813.
k v Torck
An
Eine [sie] Hoch u Hochwohlgeborne Comitä des Landtages Preussens
Gedr. in der AnsserordenÜ. Beil. zu No. 28 der KönigBberger (Hartangsehen)
KönigL Prensz. Staats-, Krieges- und Friedens-Zeitung von 1813, im Beiheft
zum Militair- Wochenblatt pro Novbr. u. Dezbr. 1845, S. 485, in der anonymen
Schrift: Zur Gesch. des ehemal. ostpr. National-Gayallerie-Begiments (Leipz. 1846)
S. 357 ff., bei Dr. II, S. 307, No. 10, unvollständig und ungenau auch bei
A. Witt: Der preusz. Landtag im Febr. 1813 (Progr. d. Eneiphöf. Stadt-Gymnas.,
Königsberg 1856, S. 22 f. und Räumer: Historisches Taschenbuch, III. Folge,
VIII. Jahrg., Leipzig 1857, S. 586 t) [fö
87, Fol. 35. Vermerk
HE Graf v Lehndorff- Steinorth erhielt von der ständischen Ver-
sammlung den Auftrag, den HE Gouverneur v York Exe. zu ersuchen,
dasz die Ehre, in dieses National Corps eintreten zu können, auch auf
Westpreuszen, dies- und jenseits der Weichsel ausgedehnt werde.
[Undatirt.] Scheltz'
Ungedmckt. Befindet sich anf dem Bande des vorigen Schreibens [85* fol.35
links oben. [86
»♦ Fol. 37-38. p. M. l)
Auf 'Befehl Si- Eicellence des Herrn Staats Hinister v Stein sind
auch wir als Deputirte vom Oletzkoschen Kreise gew&hlt und herge-
kommen um den Zweck dieses Landtages zu erfahren.
Auswahl der besten Mittel zur Verteidigung des Vaterlandes
ist nach der Bekanntmachung der Zwek der Versandung.
Und diese Mittel haben uns hierauf Sl- Eicellence des Herrn General-
Lieutenant und Gouverneur v Jork.
auf Befehl Sfc Majestät des Königes von Preuszen
110 Urkunden sar Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
theils mündlich in der Versandung, theils schriftlich im Detail durch
die erwählte Comitt£e/Wc/ bekannt zu machen geruhet.
Sämtliche Hochzuehrende Herren Deputirte und auch wir haben
uns aus dem Vortrage Sl- Excellence des würdigen Staats Minister
Herrn Grafen v Dohna, den auch wir als einen einsichtsvollen Mann
und redlichen Patrioten verehren, überzeugt dasz die von Se* Excellence
des Herrn General Lieutenant v Jork. bestimmte Hülfsmittel zur Ver-
teidigung des Vaterlandes weise eingeleitet, und notwendig sind.
Nicht nur die Möglichkeit der Ausfuhrung dieses Plans des weisen
Feldherro, deszen Patriotismus allgemein bekannt ist, ist von sämtlichen
Herrn Deputirten zugestanden, indem nur durch die vorgewesnen De-
batten grösztentheils Nebenumstände, dem Plane eine Abänderung geben
sollen, sondern auch wir haben über die allgemein geäuszerte Neigung
und Bestreben sämtl Herren Deputirten, zu dieser notwendigen Sache
zu würken, tief empfunden.
Jetzt kommt es aber darauf an: Wem ist die Ausführung dieses
Plans, dem sämtliche Herren Deputirte, der Notwendigkeit und Zwek-
mäszigkeit wegen ihren Beyfall gegeben haben, zu übertragen?
Hiebey müszen wir folgendes bemerken.
Unsere Constituenten haben uns bey der Wahl den ausdrüklichen
Auftrag gemacht, darauf anzutragen,
dasz, bey Leistungen von Opfern jeder Arth, sie mögen von Sl
Buszisch Kayserlichen Majestät oder S| Majestät des Königes von
Preuszen angeordnet seyn,
es unserer gesezzmäszig bestehenden Regierung überlassen
bleiben mflszte, diese Forderungen im gewöhnlichen Gange
nach den höhern Bestimmungen leisten p zu laszen.
Wir haben für unser Theil an der Spizze unserer Regierung einen
kraft- und einsichtsvollen Mann, einen Mann deszen redlicher Patrio-
tismus allgemein anerkannt ist den Geheimen Staatsrate v. Schoen.
Wir müszen um so mehr darauf antragen dftsz diesem edlan Manne die
weitere Ausfuhrung des modificirtea Plans Sj- Excellence des Herrn
General Lieutenants v Jork. in Absicht des littfaauschen Departements
überlaszen wird, als derselbe noch dazu adel. Guthsbesizzer ist
von Bob. Mflller. 'IVL
Wir wenigstens sind überzeugt, dasz durch diesen Weg die Aus-
führung des gedachten Plans am geschwindesten und zwekmäszigsten
vollfahrt werden wird
Wir haben uns unserer Pflicht nach dem [sie] Auftrage hiedurch
entledigt, und versichern übrigens, dasz auch unser Kreis nach dem
Maasze seiner erschöpften Kräfte alles zur Ausführung des Plans bey-
tragen wird
Die Deputirte der adel. Güter
Oletzkoischen Kreises
Bieberstein. Bergan.
Unpdruckt ') Vgl. [73 Awn. t. [87
»>♦ Fol. 39.
Allerdurchlauchtigster Groszmächtigster König I
Allergnädigster König und Herr!
Treue und Anhänglichkeit an König und Vaterland! das sind die
Tugenden, welche jeder Preusze von zarter Kindheit an, sich zueignet,
stets in der treuen Brust nährt und nie, auch nicht in den schwersten
Drangsalen, verleugnet.
Mit diesen heiligen Gesinnungen versammelten wir uns im Auf-
trage der Provinzen Ostpreuszen, Westpreuszen vom rechten Weichsel-
ufer u Litthauen in gesetzlicher Form, um zu berathen, welches
Opfer wir Ew Königl Majestät und dem theuern Vaterlande bringen
könnten, um in der jetzigen Lage der Dinge unsre Treue u Anhäng-
lichkeit an König und Vaterland nicht in Worten zu zeigen, sondern
in Thaten übergehen zu laszen. Wir wandten uns an Ew Königl
Majestät höchsten Stellvertreter im Militair, den hochverehrten Gteneatf-
lieutenant v. Tork, den treuesten Diener Ew Königl Majestät, den
wärmsten Vertbeidiger des Vaterlandes. Gern und willig schlug er uns
die Mittel vor, dem Vaterlande zu nützen und unter diesen die Errich-
tung einer Landwehr zur Vermehrung der Streitkräfte und Verteidi-
gung des Landes.
Wir können uns mit edlem Stolze rühmen, duz heiliger Eifer für
die gute Sache, treue Ergebenheit gegen Ew KönigL Majestät erhabene
Person und reiner patriotischer Sinn fürs Vaterland uns beseel« ud
112 Urkunden rar Geschichte der stand. Versammlangen in Königsberg
so übernahmen wir nicht blosz, was wir nur mit der gröszten An-
strengung zu leisten für möglich hielten, sondern vereinigten uns auch
mit dem hochverehrten Generallieutenant von York in Hinsicht des uns
vorgelegten Entwurfes zur Organisation einer Landwehr. Seinen Händen
haben wir diesen Entwurf anvertraut, dasz er durch ihn Ew Königl
Majest&t hoher Bestimmung übergeben werde. Nur was unser all-
geliebte Landesvater will, wollen wir; nur unter seiner erhabenen Lei-
tung Preuszens und Deutschlands Schmach rächen, für die Selbständig-
keit unsers theuren Vaterlandes kämpfend siegen oder sterben.
Immer war unser erhabene Regent Vater ds Landes: Er wird
es ferner seyn, und mit gnädigem Wohlwollen die Opfer betrachten,
welche treue Preuszen mit heiligem Sinne darbringen.
In diesem Sinne und der tiefsten Ehrfurcht ersterben wir als
Ew E. Majestät
untertänigste
die versammelten Stände von
Kgsbg 9 t. Ostpreuszen, Westpreuszen vom
Febr. 1813. rechten Weichselufer u Litthauen
Gedr. bei Dr. H, S. 311 f., No. 14, Witt a. 0. (Programm S. 25 und Raumer
S.591f. Vgl. [85 Anm.), Gerwien S.Ub— 15»- E. Lange II.: »Geschichte der
Preusz. Landwehr seit Entstehung derselben bis zun Jahre 1866»* (Berlin 1857),
ebenso B. Brauner: »Geschichte der preusa. Landwehr.* (Berlin 1863) geben
die Adresse nach Gerwien und vollständig. — Nur im Auszüge steht sie bei
C. Friedas »Zur Geschichte der Errichtung der Landwehr in Ost-, Westpreuszen
und Litthanen im Jahre 1813* (Königsberg i. Pr. 1863) S. 19 und auch bereits
in der »Geschichte des Krieges in den Jahren 1813 und 1814* von eben-
demselben (Altenburg 1843) auf Seite 86. — Der hier bei den Akten liegende
Entwurf ist von Heidemann geschrieben. [88
SO* Fol. 40.
Zu den Acten der ständischen Versammlung im Febr. 18i3 l)
Allerdurchlauchtigster
-" Groszmächtigster König!
Allergnädigster König u Herr!
Ew Königl. Majestät haben wir durch den Generalgouverneur dieser
Provinz einen Entwurf zur Organisation einer Landwehr unterthänigst
eingereicht. Mit ihm steht die untertänigste Bitte, welche wir jetzt
vorzutragen wagen, in genauester Verbindung. m
Ton Rob. Maller. H3
Ew Königl Majestät gaben durch ds Allerhöchste Gesetz vom
30t. Jul. 1812 dem Lande zu einer Zeit, als zügellose Menschen
unsre Provinz durchzogen2) eine Gensd'armerie. Jetzt, da Euhe u
Ordnung hergestellt ist, so wie im Zustande ds Friedens, gewährt sie
uns nicht nur keinen Nutzen, sondern wird durch manches Eingreifen
in die gewohnten Formen lästig u schädlich. Mag ein Begent, der
seinen Thron für schwankend hält, der Gensd'armerie bedürfen. Ein
Vater seines Volks, den Liebe Treue u Gehorsam umgeben kann
ihrer entbehren.
So wagen wir die gehorsamste Bitte, die Gensd'armerie und was
in dem höchsten Gesetze vom 30 t. Jul 1812 damit in Verbindung
steht, Allergnädigst aufzuheben u sie nebst ihren bedeutenden Fond's
der Landwehr einzuverleiben, wo sie den mangelnden Stamm der höchst
noth wendigen Cavallerie bilden u die Einzelnen als Unterofficiere in der
Landwehr den gröszten Nutzen stiften können. Den würdigen Officieren
kann es in der jetzigen Zeit nicht schwer werden in der Armee oder
der Landwehr einen Platz zu finden, wo sie mit Würde u Kraft fiir
König u Vaterland wirken können.
Geruhen Ew. K. Majestät die Empfindungen der tiefsten Ehrfurcht
anzunehmen, in welcher wir ersterben als
E K M.
unterthänigste
K. d 9t Febr 1813 d. Stände von Ostpreuszen
Westpreuszen vom rechten
Weichselufer u Litthauen
Gedr. bei Gerwien 8. 15, Witt a. 0. S. 26, bezw. 593 f. Vgl. [85 Anm. Auch
der Entwarf dieser Adresse hier in den Akten stammt ans Heidemanns Feder.
*) Ist von Scheltz. am Bande vermerkt. *) Die Worte: »zu einer Zeit,
als zügellose Menschen unsre Provinz durchzogen* sind mit Koth-
stift unterstrichen. [$9
31. Fol. 41.
[Ohne Adresse.] x) ps d 9 Febr
Eine mir zngestoszene Krankheit macht es unmöglich, der hoch-
verehrten Versammlung heute beyzuwohnen.
▲Itpr. Moutaschrift Bd. XIV. Hft. 1 u. 2. g
114 Urkunden sar Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
Ew. Hochwohlgebohren !) verfehle ich nicht die schuldige Anzeige
hievon zu machen, und bitte in dieser ßüksicht meines Ausbleiben
wegen um geneigteste Entschuldigung gantz gehorsamst
Rosenow*)
Königsberg den 9t. Febr. 1813. aus Graudentz
üngedrackt. !) Das Schreiben ist wol an Brandt gerichtet gewesen: Dohna
wäre »Excellenz*, und Scheltz »Wohlgeboren* titulirt worden. — Vgl. [47,
[48> [49 und [91 Anm. 1. [90
32» Fol. 42. ps. d 9 Febr.
Ew. Excellenz werden verzeihen, wenn ich mich wegen Uebel-
befinden aus der Versammlung entferne.
HE. Major v Gostkowski [sie] als zweiter Deputirte des Kreise [sie]
den wir die Ehre zu vertreten haben, wird das Votum in meinem
Nahmen abgeben1)
Ich habe die Ehre mich gehorsamst zu empfehlen
Eulenburg
Sr. Excellenz HE Staats Minister Grf zu Dohna
Ungedruckt. !) Dass eine Uebertragung des Stimmrechte statthaft war, ergiebt
sich auch noch aus Urkunde [56 am Ende, [71 al. 2, [72 al. 2. — Rosenow
in [90 Übertrag seine Stimme nicht. [91
33* Fol. 43. n .
Copia
Des Herrn Staats Ministers Freyhern von Stein Excellenz, Beauf-
tragter S| Majestät des Kaisers von Ruszland besteht darauf, mit ver-
trauenswerthen Personen aus den von den Kaiserlichen Trouppen be-
reits besetzten, und in deren Militair Gewalt befindlichen Provinzen und
Gegenden vom ö^Febr: c: an, in Königsberg in Conferenz zu treten.
Da nach dem von Höchstgedachter Sj Kaiserlichen Majestät aus-
gesprochenen Grundsatze, dasz in den von Ihren Trouppen besetzten
preuszischen Staaten, auszerhalb der auf den Krieg sich beziehende
Verhältnisze, weder in der Verwaltung, noch in der Verfassung etwas
alterirt werden soll, der Gheff des Königl Westpreusz: Regierungs
Gollegii sich vollkommen überzeugt hat, dasz die geordnete Confe-
renz nichts zum Gegenstande hat, was mit der Sl Majestät
unserm Könige, schuldigen unverbrüchlichen Treue und
Unterthanen Eide unvereinbarlich wäre; vielmehr es von Wichtig-
Ton Bob. Müller. 115
keit ist, dasz Röcksicht der für die Armee zu fordernde Kriegs-
Bedürfnisze unterrichtete und zuverläszige Personen aus allen Provinzen
und Gegenden befragt und gehört werden ; so haben wir nicht Anstand
gefunden, Ew: Hochwohlgebor hierdurch aufzutragen, nach genommener
Privat Bücksprache mit den achtbarsten, und dem Staats Oberhaupt
vorzüglich ergebenen Ritterlichen GuthsBesitzern des Marienwerderschen
Kreises, zwei aus deren Mitte zu vermögen, dasz sie zu dem hieraus
sich ergebenden, und in seinen Schranken näher bezeichneten Zweck,
unverzüglich nach Königsberg sich verfügen, und des Weitern halber,
bei dem Herrn Justiz Rath Schelz persönlich melden.
Da auch Si Excellenz, der Herr Staats Minister von Stein, Personen
aus allen Ständen vor sich zu sehen wünschen; so werden Sie auf
ähnliche Weise für die Auswahl und Absendung eines Mimischen
Grundstücks Besitzers nach Königsberg sorgen.
Was die Städte anlangt, so ist deshalb besondere Verfügung ge-
troffen, da eine Konvokation derselben nicht mehr möglich ist. Die
Kürze der Zeit kann die Sache nicht verhindern, da Sie an keine Form
gebunden sind, indem Repräsentation und Vertretung nicht stattfinden.
Uebrigens versteht es sich, dasz ReiseKosten und Defrayirung von
den Kreis Eingesessenen aufgebracht werden müszen.
Von Befolgung dieses Auftrages erwarten wir Ihre Anzeige.
Marienwerder d 30*u Jan. 1813
Königl: Westpreusz Regierungs Präsidium
!) Wuertz Marthins a)
f)An den Herrn Landrath v. Besser
Hochwohlgeborn. zu Brausen
Gedr. bei Lehmann S. 333 f. nach den Akten des Geh. Staats -Archivs zu
Berlin. — Diese Copia hier in den Landschafts- Akten ist eine Beilage zu
dein als [93 folgenden Protokoll einer in offici eilen Versammlung. Sie
weicht in manchen Kleinigkeiten, in der Orthographie n. s. w. von der bei
Max Lehmann gedruckten Urkunde ab. Es ist wahrscheinlich auch nur eine
Copie der Begierungsverfugung an den Landrath v. Besser (Lehmann schreibt
Landrath Besser) und Begierungsrath Boscius, die Lehmann im Berliner Staats-
Arehiv gefunden hat. Die oben IV, No. 38 erwähnte Aftercopie in den
Oberpräsidial- Akten ist nach vorliegender Abschrift gemacht, nur hie und da
etwas modernisirt in der Orthographie. f) Bei Lehmann fehlen die unterzeich-
neten Namen, auch die Adresse. *) Vgl. [36 Anm. 1, [Qjg
8*
116 Urkunden cur Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg;
34. Fol. 44-45.
[Protokoll einer inofficiellen18) ständischen Versammlung.]
^Königsberg den 9. t. Februar 1813.
In der gestrigen und heutigen Versammlung der achtbaren Stände
von Ostpreuszen, Westpreuszen vom rechten Weichselufer und Litthauen
wurde es zur Sprache gebracht, dasz in Marienwerder erzählt seyn solle,
die Provinz Ostpreuszen nähme sich durchaus nicht ihren Ver-
hältniszen gegen des Königs Majestät angemeszen u habe die
Provinz durch Deputirte des Kaisers von Ruszland Majestät1)
angetragen.
Die ganze Versammlung, voll Treue u Anhänglichkeit gegen den
allverehrten Landesvater erfällt, empfindet den höchsten Unwillen bei
dieser Nachricht u hat nie geglaubt, dasz irgend ein Preuszischer Unter-
than sich so tief erniedrigen könne, ein so herabwürdigendes Urtheil
über eine achtbare Provinz, welche bisher den Ruf ihrer Treue Ehre
u Pflicht unbefleckt erhalten hat, zu fällen. Die Versammlung, welche
den Abscheu verdienenden Verleumder der rächenden Justitz überliefern
will, beschlieszt, dasz eine nähere Vernehmung der Herren Baron
von Schleinitz u Baron von Hindenburg u des Graf von Finkenstein,9)
welche von dem oben genannten Gerüchte nähere Kenntnisz haben
sollen, veranlaszt werde, worauf der Comitte4) der Stände von Ost-
preuszen u Litthauen die Sache weiter ausfahren wird.
6)Mit Schmerz erfährt auch die Versammlung, dasz die Deputirten
der Stadt Elbing, welche wegen Geschäfte sich schon wegbegeben haben,
durch ein Pro memoria haben versuchen wollen, hinterher zu erklären,
dasz sie den Verhandlungen, welche in ihrer Gegenwart gepflogen sind,
ihre Zustimmung nicht gegeben hätten, sondern diese noch der Prüfung
und Genehmigung der Elbingsehen Stadtbehörde unterwürfen.
So wenig die Versammlung sich auf diesen Antrag einlaszen kann
u so wie sie daher beschloszen hat, dies Pro memoria nicht zu den
Acten zu nehmen; so hat es ihr doch wehe gethan, dasz dadurch ein
Misztrauen gegen den rechtlichen Sinn der Versammlung ausgesprochen
wird, welches um so mehr der Fall ist, als die6) den Westpreusz Städten
gegebenen Instructionen u Authorisationen 7) die Glausel enthalten sollen
von Rob. Möller. XI 7
8)dasz die Deputirten nur solchen Verhandlungen beitreten
dürften, welche nicht gegen ihre Unterthanenpflichten gingen.
Die Versammlung fühlt tief das Beleidigende, dasz man es für9)
nöthig achtet, solche Clausel einem Deputirten besonders zu empfehlen,
der zu einer Versammlung der unter öffentlicher Autorität zusammen-
getretenen Stände geht.
Sie beschlieszt, nähere Eenntnisz von dem Grunde dieser auffallen-
den Begebenheit einzuziehen u beauftragt den Comitte4) der Stände,
wenn diese Sache von einer Behörde ausgegangen seyn solle, l0) deshalb
Beschwerde bei des Königs Majestät zu fuhren. Einer Versicherung
der besondern Treue u Anhänglichkeit bedarf es nicht, da die Ver-
sammlung in ihrem Innern die heilige Stimme gegen11) König und
Vaterland fühlt u des edlen Stolzes ist, dasz unser allverehrte !J)
König sie kenne u zu würdigen wisze.
Dies Protocoll ist von der Versammlung, nach geschehener Vor-
lesung, genehmigt u unterschrieben.13)
Bei der Vorlesung erklärt der Herr Deputirte aus14) Marienburg
^ HE Kaufmann Nitikowski, [sie] dasz in seiner Vollmacht7) dergleichen
§, nicht stände u die Sache vielleicht ein leeres Gerücht seyn könne,
1 welches die Versammlung in Hinsicht der übrigen Städte Westpreuszens
I* genau untersuchen wolle.
| 18)Dohna[-Schlobitten] Schimmelfennig Gr v Lehndorff Steinorth
^ Bieberstein Leitner Forster Kist. Ziehe. FEngel. v Kannacher
£ Hippel Bosenberg Dohna [-Brunau] Rittberg Marquardt. — Sierakowsky
'*" Schimmelpenink Nitykowski Fademrecht Bergau Heidemann.
A Schüeben v Krafft. v Knobloch Klinkowstroem ABrandt. Surau.
r
£ I Schlimm. Lilienthal. Richau v Bardeleben Lehndorff L : keim.
<*
>.*-
s-
Gedr. bei Dr. II, S. 313 f., No. 16, und bei Gerwien S. 15 b— 16», bei beiden
fast überaU in gleicher Weise lücken- und fehlerhaft: die weiter unten ange-
führten Unterschiede zwischen G. und D. sind unwesentlich. Hier bei den Akten
befindet sich das Ton Heidemann niedergeschriebene Original-Protokoll welches
wesentlich von dem bei G. und D. gedruckten abweicht. Entweder haben beide
Heransgeber dieselbe fehlerhafte Abschrift — etwa aus den Papieren Yorks —
bezw. deren Aftercopieen zum Abdruck gebracht, oder der Text bei Droysen (1852)
stammt aus Gerwien (1846). f) Droysen schreibt: »Actum Königsberg,
118 Urkunden zur Geschiente der stand. Versammlungen in Königsberg
den 9. Februar 1813/ Im Original-Protokoll und bei Gerwien steht das
Wort »Actum* keineswegs. *) Bei Droysen heisst es: »dem Kaiser von
Ruszland Majestät4: Gerwien hat richtig, wie das Original- Protokoll : » d e s
Kaisers von Euszland Majestät4. 3) Gerwien und Droysen schreiben
hier: »des Herrn Baron v. (bezw. von) Hindenburg und des Grafen
y. (bezw. von) Finkenstein4, lassen also beide aus: »Baron vonSchleinitz4,
verändern »der Herren4 in »des Herrn4, »Graf4 in »Grafen4. 4) Co-
mitte nicht K(C)omite% wie G. und D. haben. 5) G.undD. fahren hier fort:
»Ferner sollen die von den Westpreuszischen Städten gegebenen
»Instruk(c)tionen und Autorisationen die K(C)lausel enthalten:
»dasz die Deputirten nur solchen Verhandlungen beitreten
»dürften, welche nicht gegen ihre Unterthanenpflichten
»gingen.*,
lassen also die ganze »Elbing4 betreffende Stelle aus. Zufallig kann dies
nicht geschehen sein: denn zufolge der fortgelassenen Stelle ist zu Anfang
des Absatzes die Uebergangspartikel »Ferner4 hinzugesetzt. *) Bei G. und D.
ist hier ein »von4 eingeschoben. 7) In der Aufschrift des Aktenbandes A. 7. 1*
der Ostpr. General-Landschaft heisst es: »Von den Vollmachten sind be-
sondere Acten gefertigt.4 (Vgl. Altpr. Monatsschrift Bd. XUf. S. 513.)
Sie scheinen nicht mehr vorhanden zu sein. *) Hier hat Scheltz auf den
Band geschrieben:
Vermerk
Ex post ist das Ausschreiben des Kön. Westpr. ßegier. Prae-
sidii producirt, und wird hier beigefügt. Die neben benannte
Clausel ist darin In der gedachten Axt nicht enthalten.
°) In beiden vorgenannten Abdrücken fehlt »für4. 10) Gerwien und Droysen
haben: »sollte4. n) Dieselben schieben hier auch »den4 ein. 1S) Droysen
schreibt: »allverehrter4, Gerwien richtig: »allverehrte4. !3) Nach G. und
D. sollen hier die Unterschriften folgen. Das ist falsch: die Unterschriften
stehen erst unmittelbar hinter den Schlussworten des folgenden Absatzes:
». . . . Westpreuszens genau untersuchen wolle.4 ") »aus4 nicht
»von4 wie bei G. und D. ") Bei den Unterschriften fehlen die Namen fast
aller derjenigen städtischen Abgeordneten, welche schon unter dem 3ten Pro-
tokoll vom 8. Febr. vermisst wurden: nur Forster-Memel und Nitykowski-
Marienburg sind von diesen zugegen gewesen. 10) Diese Versammlung ist ganz
offenbar keine officielle, sondern eine der inoffieiellen oder Privatversammlungen
gewesen, wie sie für die Nachmittagsstunden laut [66 beschlossen waren:
a) Bei den Unterschriften stehen voran — nicht die Namen der Mitglieder des
ständischen Comite, wie unter den officiellen Protokollen, sondern: Dohua,
Schimmelfennig, Gr v Lehndorff-Steinorth, nämlich der »Präses oder Vorsteher4
und die »Censoren oder Gehülfen4 für die Privatversammlungen. (Vgl. [66 a. E.)
Später erst mitten unter den übrigen Namen finden wir: Kist, Schlieben,
v Krafft, v Knobloch, Klinkowstroem. b) Der Direktor des ständischen Co-
mites, Geh. Justizrath v. Brandt hat gar nicht unterzeichnet — »ABrandt4 ist
die Unterschrift des Landschaftsrath v. Brandt aus dem Brandenburgschen
Kreiee — also der Versammlung wol nicht beigewohnt, am wenigsten präsidirt.
Ton Rob. Möller. U9
c) Das Protokoll ist Dicht vom Justmath Scheltz, dem amtlichen Protokoll-
führer der officiellen ständischen Versammlungen, sondern von Heidemann, dem
»Secretario* der Privatversammlungen , geschrieben. Heidemann hat seinen
Namen zwar nicht zu Anfange gleich nach Lehndorff-Steinorth, sondern erst
später gesetzt: das that er aber oft auch bei den officiellen Protokollen, trotz-
dem er zu den Mitgliedern des standischen Comite's gehörte. — Aus dem
Vorstehenden erklärt sich auch der Zusatz:
»Nachgesellen und richtig befunden.
Scheltz*
der neben das letzte Alinea auf den Band geschrieben ist. Es hat hiedurch
nachträglich, wie es mir scheint, dies Protokoll einer ständischen Privat-
versammlung eine Art officiellen Charakters erhalten und ist Folge dessen
auch bei den amtlichen Papieren aufbewahrt worden. Vgl. Altpr. Monatsschrift
Bd. XIII. S. 526, Abs. 1 und [74 Anm. 4. Nehmen wir an, d&ss diejenige
Sitzung, von der Urkunde [74, das lte Protokoll vom 9. Februar abgefasst
wurde, wie doch wahrscheinlich, schon am Vormittage stattfand, so ist auch
diese Privatversammlung hier am Vormittage abgehalten worden, aber — in
der Art einer inofBciellen Nachmittagszusammenkunft. [93
35. Fol. 46.
In dem Protokoll, welches die versammelten Stände von Preussen,
über das was ich in dieser Versamlung, mündlich eröfnet, haben
aufnehmen lassen, ist ein fehlerhafter Ausdruck eingeschlichen, den ich
ad marginem im Protokoll abgeändert, und mit meines Nahmens Unter-
schrift bezeichnet habe.1)
Ich wiederhole den versammelten Deputirten der Stände von Preuszen
hierdurch nochmals schriftlich, dasjenige was ich mündlich eröfnet.
Als General Gouverneur von Preuszen u Litthauen, als treuster
Unterthan Sr: Majestät unseres Allergnädigsten Königs trete ich bei
Gelegenheit der Versamlung der Stände unter Sie, um ihre Treue u
Anhänglichkeit an König u Vaterland in Anspruch zu nehmen, und sie
aufzufordern, meine Vorschläge zur Bewafnung des Landes, und zur
Verstärkung der Armee auf das kräftigste zu unterstützen.
Da gegenwärtig die Gommunication mit Sr Majestät gehemmt ist,
so kann ich nur nach den Zeitumständen, u unter der Autorität, die
Sr Majestät der König mir als General Gouverneur verliehen, und
kraft dieser im Nahmen Sr Majestät handeln, welches ich auch ferner
mit aller Treue u Ergebenheit thun, und Sr Majestät für alle meine
Schritte verantwortlich bleiben werde.
120 Urkunden zur Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
Meine Pläne u Vorschläge kann ich der gesamten groszen Ver-
sandung nicht specialiter vorlegen, u wünsche daher, dasz dieselbe eine
Comitö [sie] wählen möge, welche meine Vorschläge anhöre, ihre Be-
merkungen hinzufuge, u dann so discutirt der Versandung vortrage.
Königsberg am 9" Februar 1813.
N. S. Uebrigens finde ich gegen die mir
vorgelegten Verhandlungen nichts v Torck
zu erinn:
v Torck
An
die Versamlung der Hoch u Hochwohlgebornen
Stände Preussens p
Gedr. bei Dr. II, S. 300 f., No. 6. !) Vgl [<J7 Anm. 1. [94
36* Fol. 47- 48.
Promemoria im Namen des Schackenschen/Wc/
Kreises1) %
Die Erfahrung hat gelehrt, dasz die mehresten Städtischen sowohl
als Ländlichen Grundbesitzer durch die Ereignisze von 1806 bis zum
heutigen Tage, auszer Stande gesetzt worden sind,' aus ihrem Grund-
eigenthume genug zu erwerben, um den Ansprüchen ihrer Gläubiger ein
Gnüge zu leisten.
Der Verlust des Eigenthums, oder wenigstens des Besitzes ihrer
Grundstücke ist die Folge davon gewesen, und schon sehen wir bedeu-
tende Güther, und bedeutende Häuser, aus den Händen achtbarer Fa-
milien in die Hände derjenigen übertragen, welche durch Umstände in
die Lage versezt worden sind, Allein aus den Ereigniszen des letzten
Quincennii Vortheil zu ziehen. Wie viel mehr würden diese Fälle
gegenwärtig eintreten, wo die Erhaltung unserer unschätzbaren Inde-
pendenz den Grundbesitzer laut den heutigen Beschlüszen zu den
gröszesten, und höchst möglichsten Anstrengungen auffordert; wenn mit
diesen auszerordentlichen Maszregeln zugleich, der gewönliche Gang
der Justiz in so fern er die Verhältnisze des Grundbesitzers zu seinen
Gläubigern betrifft, ohne Modificationen bestehen bliebe.
Könnte der daraus ohnfehlbar entstehende Wechsel des Grund-
tod Hob. Müller. 121
eigenthums dem State nützlich seyn? Wäre er gerecht, da laut den
Beschlüszen der Hochgeehrten Versammlung die Lasten der neuen
auszerordentlichen Maszregeln nicht den Capitalisten (denn von baaren
Geldleistungen ist nicht die Bede), sondern den Grundeigentümer treffen.
Die bisher bestehenden Gesetze zum Vortheil des Grundeigen-
tümers in obgedachten Verhältniszen, sind bey so auszerordentlichen
Maszregeln wie die gegenwärtigen, nicht hinlänglich, um dem vorher
erwähnten Uebelstande vorzubeugen, und wir tragen demnach darauf an:
1, dasz bey S. M. dem Könige allerunterthänigst darum gebeten
werde, dasz die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zum Vortheil
des Grundeigentümers in seinen Verhältniszen zum Gläubiger, so lange
die gegenwärtigen auszerordentlichen Anstrengungen bestehen, bedeu-
tender zum Bezsten des Ersten ausgedehnt würden.
2, dasz bis zur Rückkunft der Allerhöchsten Resolution über diesen
Gegenstand, der Chef unsrer Justiz disseits der Weichsel, im Namen
der Stände und in Bezug auf die gegenwärtigen Verhältnisze, ersucht
werde mit der möglichsten Schonung gegen den Grundeigenthümer in
diesen Gegenständen verfahren zu laszen.
Koenigsberg 8 Februar 1812 [nie]
Gr. Lehndorff v Bardeleben Bichau Schoen
üngedruckt. «) Vgl. [96. [$>
87. Fol. 49— 50. v* ■ u ^ flin, 10-0
Königsberg den 8 t Februar 1813.
In Beyseyn 2)Die nebenbemerkten Mi t-
des Herrn Landraht Grafen v. Lehndorf, glieder der ständischen Ver-
Gutsbesitzer Kist. Sammlung, welche durch die
Bürgermeister von Kannacher Wahl derselben zu einem Co-
Bichau cöllmischen Gutsbe- mite ernannt waren, um über
sitzers den Antrag zu berathen,
des Oberbürgermeisters Heidemann *) in wie fern dem Gutsbe-
sitzer, der für die Land-
wehr Aufopferungen leistet, Erleichterung in anderer Hinsicht
zu verschaffen seyen
hatten sich deshalb heute versammelt.
122 Urkunden zur Geschichte der stKud» Versammlungen in Königsberg;
Zuvörderst war man der Meinung
i
dasz nur die ländlichen Qutseigenthümer und diejenigen städti-
schen Grundeigentümer, welche eine bedeutende Landwirt-
schaft treiben, an der projectirten Erleichterung Theil nehmen
könnten
da man von dem Satze ausgeht,
dasz nur die genannten Landwirtschaft treibenden Grund-
eigenthümer deshalb durch die Einrichtung der Landwehr
leiden, weil viele ihrer Leute, welche zur Cultur des Landes
nothwendig gehören, dadurch ihnen entzogen werden, u so die
Cultur des Landes zurückgesetzt wird.
Die Begünstigung, welche der Comite für die genannten Grundeigen-
tümer anwendbar hält, besteht in Folgendem:
1, Es kann gegen solchen Gutseigenthümer kein Personalarrest
wegen Schulden verfügt werden
2, Es findet keine neue Subhastation seines Guts, so wenig als
Execution gegen das nothwendige Mobiliar u das Gutsinven-
tarium statt. Eine Execution findet also nur statt
a, wenn der Gläubiger einen andern Gegenstand der Execu-
tion nachweiset, als das Grundstück
b, wenn die Revenuen zur Befriedigung des Gläubigers ge-
nügen, nach Abzug der nöthigen Wirthschafts u Unter-
haltungskosten.
3, Es findet keine neue Sequestration statt; vielmehr musz der
Gläubiger zufrieden seyn, dasz der Gutseigenthümer ihm eine
vollständige Rechnung vorlegt. Nur wenn der Gläubiger den
Schuldner eines unredlichen oder unwirtschaftlichen Ver-
fahrens überführen kann, verliert der Schuldner diese und alle
oben genannten Yortheile.
4, Sequestrationen, welche schon schweben bleiben in ihrem
Gange, sowie auch schwebende Subhastationen. Eine Sub-
hastation wird schwebend genannt, wenn die Verkaufstermine
schon öffentl bekant gemacht sind.
tod Bob. Müller. 123
5, Wenn die Landwehr gegen den Feind marschiert, wird jeder,
der sich darin befindet, als eine gegen den Feind marschierende
Militairperson behandelt, weshalb auch die den Militairpersonen
in solchem Falle gegebenen Begünstigungen Anwendung finden.
aus.
Lehndorff L:keim. Kannacher
Richau
Eist. Heidemann
Ungedruckt. ') Heidemann hat das Protokoll verfasst s) Vgl. [95 n. [76. [96
88* Fol. 51. pst d 9 Febr 1813
Abends1)
Ad Acta, da die Versammlung schon auseinander gegangen ist
Königsberg d 10 Febr 13
v Brandt
Ewr Hochwohlgebohrnen
gebe ich mir die Ehre anbey das mir von den Deputirten der Städte
Königsberg, Elbing, Memel und Tilsit so eben zugestellte Votum zu
überreichen, deszen Einreichung sie sich in dem gestrigen Protokoll
reservirt haben1)
Die Gegenstände (welche von den einzelnen Mitständen einzeln
zur Sprache gebracht u bekanntlich durch die Pluralität beseitigt sind)
haben so grosze Wichtigkeit und der Wunsch, diese Punkte höchster
Prüfung und Entscheidung zu unterwerfen, ist so sehr billig, dass ich
diesem Voto meine Zustimmung nicht versagen darf.
Hochachtungsvoll hat die Ehre sich zu zeichnen
Ewr Hochwohlgebohren
Kg d 9 Fbr 1813 gehorsamster Diener
Hörn
[Adresse]
Herrn Geheimen JustizRath v Brandt
Hochwohlgebohren
Ungedruckt <) Vgl. [71 Anm. 9. ') Von Brandt vermerkt. [97
124 Urkunden cur Geschichte der stand, Versammlungen in Königsberg'
39. Fol. 52-55.
Votum zu dem in der Versammlung der hochachtbaren
Stände Preuszens unterm 7" Februar d. J. concludirten Plan
einer allgemeinen Landes-Bewafnung1)
Die hochachtbare Versammlung der Stände Preuszens hat in dem
Plan zur allgemeinen Landes Bewafnung durch Stimmen Mehrheit den
Beschlusz gefaszt
dasz zur Landwehr die ganze Mannschaft von 18 bis 45 Jahren
dienstpflichtig sey mit alleiniger Ausnahme, derer welche
geistliche oder Lehrämter bekleiden.
Es ist nicht zu leugnen, dasz die unbedingte Anwendung dieses
so scheinend allgemeinen Satzes in vielen Fällen zu einer Härte und
durch den Beitritt anderer Umstände zu Bedrükungen führen kann,
welche gewisz nicht dem Willen Sr Majestät des Königs, welcher alle
seine Unterthanen mit gleicher Liebe umfaszt entsprechen und die
unterzeichnete Deputirten der hochachtbaren Versammlung der Stände
nehmen sich daher die Brlaubnisz, einige Bescheidene Bemerkungen zu
den Acten zu geben um dar zu thun, wie nothwendig es sey, auf Mittel
zu sinnen, dasz jene Bestimmung in einzelnen Fällen diejenigen Modi-
ticationen erhalte, von denen jeder Unbefangene im einzelnen Fall ur-
theilen dürfte, dasz sie den Grundsätzen der Gerechtigkeit entsprechen.
Es darf als anerkannt, vorausgesezt werden, dasz bey dem Gefühl
des heiligen Patriotismus, welches alle Einwohner und jeden Stand
Preuszens beseelt, gar nicht davon die Bede sey oder seyn könne, irgend
einen Einzelnen, noch weniger irgend einen Stand von der Verpflichtung
zu entnehmen, dem Vaterlande zu leisten, was er nur zu leisten ver-
mag, Es ist vielmehr nur davon die Bede, die Aufopferungen des Ein-
zelnen, welche als gesetzliche Pflicht ausgesprochen werden, in die Wege
zu leiten, dasz sie nicht in einzelnen Fällen und bey einzelnen Individuen
in Opfer übergehen, welche die LeistungsFähigkeit übersteigen und so
sey es denn erlaubt, folgendes ehrerbietigst zu bemerken
lstens, wie sehr die oben angegebene Kegel der Dienstpflichtigkeit
bey der Landwehr, Modifikationen bedürfe und wie sehr sie zu uner-
warteten Anwendungen führen könne, zeigt das in der heutigen Ver-
von Rob MQUer. ]25
Sammlung schon zur Sprache gekommene Beispiel der Mennoniten.
Da Religion das heiligste ist, was der Mensch auf Erden besitzt, da
durch Religion, Vaterlandsliebe und Etusiasmus [sie] fürs Vaterland,
die stärksten Belebungen erhalten, so scheint es nicht nur hart, son-
dern auch in andern Beziehungen höchst bedenklich Individuen gegen
die ihnen heiligen Grundsätze ihrer Religion zu den Waffen zu ver-
pflichten. Jeder directe oder indirecte Zwang /;zu dem Letztern ge-
hörte der Anspruch auf Equivalente die, die Kräfte und das Verhältnis«
fibersteigen;/ würde wehe, sehr wehe thun und es ist hier schon ein
Fall eintretend, in welchem die Anwendung, jenes ausgesprochenen
allgemeinen Satzes über die Dienstpflichtigkeit, zu einer Härte führt,
zu welcher er nach der Absicht nicht führen soll.
2tens: Ein fernerer Fall dieser Art ist, wie uns dünckt, die Lage
der Bürgerschaften in den Gewerb und Handels-Städten. Die Lage
derselben ist von der der Landbewohner und der Bewohner der Acker-
städte wesentlich verschieden. Der Landbau erfordert nicht diejenige
stete persönliche Anwesenheit, nicht diejenige ununterbrochene ange-
strengte Aufmerksamkeit, als das Gewerbe des Bürgers und nahment-
lich des Kaufmanns in der Handels Stadt. Sobald gewisze Verrich-
tungen beym Landbau vollzogen sind, thut die Natur ihr Werk und
der Landmann hat in der Zeit von der Ackerbestellung bis zur Erndte,
so wie von der Zeit der vollzogenen Erndte bis zur neuen Ackerbestellung
hinreichenden Baum zu andern Beschäftigungen und es ist seine stete
Anwesenheit zur Erhaltung seines Eigenthums nicht schlechterdings
nothwendig. Ganz anders ist die Lage des Bürgers in der Gewerb
und Handels Stadt. Die Erhaltung seiner und aeiner Familie, die Er*
haltung des ganzen Erwerbstandes der Stadt erfordert stete Persönlich-
keit und Aufmerksamkeit und es dürfte in der Erfahrung beruhen, dasz
oft sehr kurze Abwesenheiten, des Gewerbsherrn, nicht blos den Wohl-
stand, sondern die bürgerliche Existenz ganzer Familien, auf immer
vernichteten. Ereignisze dieser Art sind im Gemeinwesen, um so mehr
wichtig, als die bezeichneten Städte diejenigen Puncte sind, von welchen
der Staat, oft Hülfs-Leistungen anderer Art, mit Recht erwartet und
fordert. Dasz die unbedingte Anwendung jedes allgemeinen Satzes der
126 Urkunden sar Geschichte der stund. Versammlungen in Königsberg.
Dienstpflichtigkeit zur Landes Bewafnung bey dieser Lage der Dinge
auch in vielen einzelnen Fällen dieser Art Opfer erheischen werden,
welche die LeistungsFähigkeit übersteigen, scheint uns gegründete Be-
sorgnisz zu seyn.
3ten. [sie] Ein dritter Fall dieser Art, ist unseres Bedünkens die
Lage des Staats und öffentlichen Beamten. Es ist hier nicht die Bede
von freiwilliger Aeuszerung, auszerordentlicher Anstrengung und Opfer,
an welchen es gewisz auch hier nicht fehlen wird. Es ist die Bede
blosz, von einer Festsezzung des projektiven Reglements und ihrer
Anwendbarkeit in einzelnen Fällen, welche auch in Absicht des Staats
und öffentlichen Beamten groszen Schwierigkeiten und Härten zu unter-
liegen scheint. Bedarf es zu irgend einer Zeit, kräftig würkender, mit
heroischen Muth ausgerüsteter Civil - Beamten , so ist es gerade zur
Zeit derjenigen Noth, wo eine Landwehr in Thätigkeit treten musz.
Ihre Entbehrlichkeit aussprechen, hiesze in derThat erklären, dasz mit
dem Eintritt der Landwehr, die ganze öffentliche Verwaltung aufhöre,
ein Gedancke, den die Unterzeichneten sich nicht erlauben. Das [ric]
ein Civil-Beamter, der mit gewissenhafter Hingebung ganz dem Könige
seinem Herrn, dem Vaterlande und seinen Mitbürgern dient, nicht gleich-
zeitig die Waffen führen könne, scheint ausgemacht zu seyn. Hiezu
kommt, dasz das Capital des Beamten ein rein persönliches ist und
mit deszen Erhaltung selbst die physische Existenz seiner und seiner
Familie unzertrennlich verbunden ist. Das [sie] die Anwendung des
Landwehr Dienstes auch hier zu beyspiellosen und auszerordenüichen
Härten führen musz, halten wir für unzweifelhaft. Der sachkundige
Verfaszer des Aufsatzes
was bedeutet Landsturm und Landwehr
ist in Absicht dieses Puncts mit uns gleicher Meynung.
Es ist uns nicht genügend, dasz in allen diesen Fällen, die Absendung
eines Stellvertreters nachgelaszen ist, denn dieses Mittel wird so schwierig
und so kostbar seyn, dasz es nicht, als equivalent, für die Festsezzung
eines Reglements angesehen werden kann, an welches mit Becht, der
Anspruch gemacht wird, dasz es Leistungen, welche in die Authoritaet
des Gesetzes übergehen, mit Gleichheit und Gerechtigkeit regulire.
Ton Rob. Müller. 127
Die Unterzeichneten bitten unterthänigst gehorsamst, diese be-
scheidenen Urtheile bey Sanction des projectirten Reglements einer
Bemerkung zu würdigen. Sie bitten ehrerbietigst modificirende Fest-
sezzungen zu treffen, welche den ad 1. 2. und 3 geäuszerten nicht un-
gegründeten Besorgnisze [sie] begegnen.
Sie enthalten sich absichtlich, aller speciellen Vorschläge hierüber,
um auch den entfernsten Anschein zu vermeiden, als ob es die Absicht
wäre, in einer so hoch wichtigen Sache, unbillige Exemptionen zu wün-
schen, da die Absicht doch nur ist, Festsezzungen zu erhalten, nach
welchen der Dienst zur Landwehr nicht bey Einzelnen zahlreichen In-
dividuen ungleich gröszere Opfer erheische, als bey andern, und als er
erheischen soll und darf. Dürften die Unterzeichneten sich wenigstens
für den Fall, dasz Abändernde allgemeine Festsezzungen unbesiegbare
Schwierigkeiten Anden einen Vorschlag erlauben, so ginge er dahin
dasz in jeder Stadt Comune ein Comitä der Einwohner bestellt
werde, welcher berechtigt sey, in einzelnen Fällen, von der
persönlichen Verpflichtung zum Landwehrdienst, wegen ganz
besonderer Umstände, des concreten Falles zu entbinden, und
dagegen das Equivalent zu bestimmen, welches der solcher-
gestalt nicht leistungsfähige hiefür zu gewähren habe.
Der Vorschlag scheint deshalb nicht unangemeszen, weil das Interesse
des Staats hiedurch nieht beeinträchtigt wird, indom die einzelne Comune,
das sie treffende Contingent leisten musz. Das eigene Interesze der
Comune sichert gegen jeden Misbrauch dieses Rechts und es wird da-
durch übergroszem Druck und Härte in Einzelnen nicht wohl vorher
zu würdigenden Fällen vorgebeugt.
Königsberg den 8" Februar. 1813.
Forster. Lutterkorth Zimmermann Speichert. Eawerau Hörn Becker
Ungedeckt ') Anlage zu [97. [£g
40. Fol. 56.
Zweite Gopie von Steins russischer Vollmacht,
datirt Raczky den 6. Januar (a. St.) 1813.
Vgl. [21 Anm. Ist diese Abschrift auch sicher von derselben Hand gemacht,
der wir oben [21 in der Gopie der Obexpi&ndUUkten begegneten, so weist sie
128 Urkunden sar Geschichte der. stKad. Versammlungen in Königsberg
doch einige Abweichungen, andere Schreibfehler u. dergl. auf. Vgl oben [21:
es steht Seite 441 Zeile 1: Premier für Premier; Z. 4: la für la; Z. 14:
franfaises für fran^ises; Z. 16: propriet^s für proprieWs; Seite 442
Z. 4: mesures für mesures; Z. 12: provisions für provinces; Z. 13:
partle für parole; Z. 17 schliesst sich ohne Absatz an Z. 16. Sonst stimmt
vorliegende Abschrift genau mit [21. — Ich verbessere hierbei zwei
Druckfehler in [21: Z. 8 ist hinter „Jes autorit^S* einzufügen:
„provinciales*, Z. 15 für „fiddlitd" zu schreiben: „fidelitd".
4L Fol. 57-58.
Dritte Copie von Steins russischer Vollmacht
mit daneben stehender deutscher Uebersetzung.
Diese Copie unterscheidet sich von der zweiten vorgenannten auf Fol. 50 ste-
henden nur in Kleinigkeiten. Für Empereur S. 441 Z. 1 (ich citire wieder
nach [21) steht: Empereur; Z. 4: etant für etant; Z. 10: ist ausgelassen:
de TOrdre ; Z. 18 steht cTapres für cTapres ; S. 442 Z. 4 : nous für Hous ;
Z. 6 umgekehrt: Hos für nos und Z. 10: Hous für nous; Z. 8: suspectes
für suspectus; Z. u heisst es: de Prusse: alors für de Prasse. Alors;
Z. 12/13: retournera für retournera; Z. 13: parole für partle; Z. 18:
Regne la treizieme annde für Rigne la treizieme Annle.
Die letzten 8 Zeilen von [21 lauten in der hier befindlichen Abschrift über-
haupt wie folgt:
conclu un arrangement d^finitif avec le Roi de Prusse: alors l'admi-
nistration de ces provisions4) lui sera rendue et le Baron de Stein
retournera de Nous.
Au reste Nous promettons sur Notre parole Imperiale d'agr£er
tout ce qui en vertu du präsent Pleinpouvoir aura 6t6 arretä et executä
par lui. En foi de quoi Nous avons signd ce Notre Pleinpouvoir et y
avons fait apposer Notre Sc&u priv& Fait k Raczky le six Janvier de
Fan de grace Mil huit cent treize, de notre Regne la treizieme ann£e.
Alexandre.
Neben dem französischen Text steht folgende deutsche Uebersetzung:
Wir Alexander der Erste
Von Gottes Gnaden, Kaiser und Selbstherrscher
aller Reussen p p p
Thun hiedurch kund u zu wissen, dasz, nachdem Ost u Westpreussen
durch ünsre Truppen in Besiz genommen (occupirt) u hiedurch von
von Rob. Müller. 129
Centro ihres Gouvernement's getrennt sind, die Verhältnisse mit Sr. Ma-
jestät dem König von Preussen aber noch unentschieden sind, Wir es
für unerlaszlich noth wendig erachtet haben diejenigen Maasregeln der
Vor- n Umsicht vorläufig zu nehmen, welche erforderlich sind um
sämmtliche Provincialbehörden zum Vortheil der guten Sache zu leiten
u zu gleichem Zweck die Nationalfonds Preussens zu benutzen.
Demzufolge haben wir ernannt u ernennen hiedurch den Freiherrn
Heinrich Friedrich Carl von Stein, Rittern des rothen Adler Ordens,
um sich nach Königsberg zu begeben, von der Lage des Landes
Eenntnisz zu nehmen, und sich damit zu beschäftigen alle Militär- und
Geld-kräfte des Landes zur Unterstützung Unsrer Operationen gegen
Frankreich in Wirksamkeit zu setzen. Wir beauftragen ihn überdem
dafür zu wachen, dasz alle öffentlichen Einkünfte des occupirten Landes
treu verwaltet u für den erwähnten Zweck verwandt werden, alles
französische Eigenthum u das ihrer Aliirten unther Sequester gesezt,
die Bewafnung des Militärs u der Nation nach dem von Sr. Majestät
dem Könige von Preussen im J. 1808 entworfnen u bestätigten Plan
so schleunig als möglich organisirt, u dafür gesorgt wird dasz alle
Lebens- u Transportmittel u sonstige Armeebedürfhisse so schleunig
als möglich u mit Ordnung herbeigeschafft werden.
Zu dem Ende bevollmächtigen Wir den Freiherrn v Stein zu allen
Maasregeb, die die Vollziehung dieses Unsers Auftrages nothwendig
machen sollte, Wir beauftragen ihn Mittelspersonen zur Vollziehung
desselben nach seiner Kenntnisz ihrer Tauglichkeit anzunehmen , sie
bei der Ueberzeugung von der ihnen mangelnden Fähigkeit oder
gutem Willen zu suspendiren oder abzusetzen, u verdächtige Personen
unter specielle Aufsicht stellen u selbst in gefängliche Haft bringen
zu lassen.
Wir ertheilen ihm das Eecht seine Vollmacht auf einen andern,
der sein vollständiges Vertrauen besizt, zu transferiren.
Sein Geschäft ist in dem Augenblick beendigt, dasz Wir mit dem
Könige von Preussen ein definitives arrangement getroffen haben werden,
alsdann ihm die fernere Verwaltung zurück gegeben u der Freiherr
v Stein zu Uns zurückkehren wird.
Altpr. MonatMchrift Bd. XIV. Hit. 1 u. 2. 9
130 Urkunden zur Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
Was er kraft dieser General -Vollmacht thun oder lassen wird,
versprechen Wir schlieszlich bei Unserm kaiserlichen Wort völlig ge-
nehm zu halten; zu Urkund dessen Wir diese Unsre General- Vollmacht
eigenhändig unterschrieben u Unser Privat-Insiegel haben beifugen lassen
Geschehen zu Baczky den 6^ Januar, im Jahre 1813 nach Christi
Geburt, u dem 13*ü Unsrer Eegierung.
Alexander
Hierauf folgt:
Vorstehende Abschrift der französisch abgefassten Vollmacht stimmt
mit dem mir vorgelegten Exemplar1) wörtlich überein, auch kann ich
nach der mir beiwohnenden Kenntnisz der französischen Sprache die
Uebereinstimmung der Uebersetzung5) mit dem Original8) attestiren,
musz jedoch pflichtmässig bemerken, dasz ich die im Original2) mit
Puncten bezeichneten Worte de ces provisions ohnübersezt gelassen habe.
Sie können nach dem Wortverstande ebensowol durch:
Verwaltung der Vorräthe u Bestände
als durch
fernere Verwaltung dieser interimistischer Maasregeln
übersezt werden; beides scheint mit dem Geiste der Urkunde nicht zu
stimmen u macht einen Schreibfehler wahrscheinlich, indem es statt
provisions vielleicht im Original3) heissen mag: provinces.4) Um jedoch
dem Original3) keinen ihm fremden Sinn zu unterlegen, habe ich diese
Worte völlig ohnübersezt4) lassen müssen.
Königsberg den 7üü Februar 1813.
Carl Ludwig Manitius
Justiz Bath u erster Landschafts Syndicus
Ungedruckt. ') Das »Exemplar*, von dem Manitius hier spricht, ist wahr-
scheinlich die vorhin nach No. 40 Fol. 56 des vorliegenden Aktenbandes be-
schriebene Copie, mit der ja die hier auf Fol. 57 stehende Abschrift fast ganz
übereinstimmt, in der nnter Anderm auch schon der Schreibfehler »provisions*
für »provinces4 sich findet. 2) »Original* bedeutet hier nur so viel als
»französischer Text4, nicht etwa »Originalurkunde*. 3) Aus vorstehenden beiden
Stellen, in denen im Gegensatz zu den beiden eben in Anm. 2 erwähnten unter
»Original* die »Originalurkunde* verstanden wird, ergiebt sich, dass die Bussische
Vollmacht für Stein im Original Manitius gar nicht vorgelegen hat. Vgl. den
Abdruck derselben bei Pertz, Leben Steins III, S. 644 f. 4) Genannter Abdruck
der Original- Vollmacht hat natürlich an dieser Stelle: »de ces Provinces*,
von Bob. Maller. 131
ebenso wie auch in derCopie [21 in den Oberpräsidialakten »de ces provinces*
zu lesen ist. Abgesehen von kleinen Verschiedenheiten der einen oder andern
oder aller drei Copieen von dem Abdruck des Originals bei Pertz constatire ich
folgende vier bedeutendere Abweichungen, die gleichzeitig alle drei Abschriften
aurweisen: a) Zeile 4 auf Seite 441 (ich citire wieder nach Urkunde [21) heisst
es »trouyant* nicht »trouvenf; b) S. 442 Z.4 hat die Originalurkunde: »Nous
aurisons le dit Baron de Stein*; c) ebenda Z. 13 muss es richtig heissen:
»retournera aupres de Nous*; d) Z. 17 steht: »Baczki* nicht »Racsky*. —
Z. 8 auf S. 442 hat der Originalabdruck: ,les personnes suspectea* wie die dritte
Copie, nicht »suspectus* wie fehlerhaft Abschrift I. und II. *)Dass dieüeber-
setzung im »Leben des ... . Stein4 III, S. 270 f. von Pertz selbst herrührt,
war schon oben in der Anm. zu [21 erwähnt. [99
4& Fol. 59-60.
P. M.1)
Die Unterzeichnete Deputirte der Stadt Elbing finden sich not-
gedrungen, folgende Erklärung abzugeben.
Aufgefordert durch ein Comissorium des Polizey Directors und
Stadt Präsidenten HE Bax und dHErrn Ober Bürgermeisters Marenski,
welches sich auf eine Verfügung der Königl Regierung von West Preuszen
gründete, begaben wir uns am 4ten c hierher, um derBerathung einer
auszerordentlichen Versamlung der höchstachtbaren Stände und Depu-
tirten der Städte von Ost und West Preuszen und Litthauen, rücksicht-
lich der für die Königl. Armeen zu fordernden Eriegsbedürfnisze, wie
solches gedachte Verfügung der Königl. Regierung von West Pr: be-
stimmt und einschränckt, bey zuwohnen; in welchen Comissorio wir
zugleich angewiesen wurden uns damit zur Legitimation an dHErrn
Justitz Rath Schelz /*/<?/ zu wenden, welcher selbiges zu den Acten
zurückbehielt.
Seitdem haben wir diesem Auftrage gemäsz, den Berathungen der
höchstachtbaren versamelten Ständen beygewohnt, und haben der Plu-
ralität in den Beschlüszen wegen der Organisation einer Landwehr zur
Verteidigung des Vaterlandes, nur in so fern beytreten können, als
hierzu die' formliche Zustimmung unserer Comittenten vorbehalten
bleiben müsze.
Zur Bewürckung dieser Zustimmung, und da uns dringende Ge-
schäfte nöthigen noch heute Abend diesen Ort verlaszen zu müszen,
tragen wir sub missest darauf an, von den bis jetzt geschehenen Ver-
9*
132 Urkunden zur Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
handlungen der höchst achtbaren Versandung der Stände eine Abschrift,
unseren Comittenten dHErren Stadt Präsidenten Bax, und Ober Bürger-
meister Marenski in Elbing auf das schleunigst möglichste zuzufertigen,
damit selbige das ferner nöthige dieserhalb sogleich veranlaszen können'.
Schlieszlich bitten wir dieses Pro memoria zu unserer Legitimation
den Akten beyzufügen, und dass es geschehen in dem Verhandlungs
Protokoll hochgeneigst zu vermerken.
Koenigsberg den 8! Pebr 1813.
Die Deputirte der Stadt Elbing
Speichert Kawerau
üngedruckt. ') Vgl. [73 Anm. 2 u. 3, [76 Anm. 2, [93 Anm. 5. [100
43. Fol. 61.
An
des Eönigl: Preusz: Landhofmeistern Geheimen
Staats Bath, und Begierungs Chef Präsidenten,
auch des groszen rothen Adler Ordens Bittern
Herrn v Auerswald
Excellenz
Ew: Excellenz überreiche ich in weitern Verfolg meiner Mitteilungen
vom 6. d M. ') die fortgesezten und Schlus Verhandlungen in den an-
gelegten Acten1) mit der ganz gehorsamsten Anzeige, dass ich Sr: Ex
den HErrn Staats Minister Grafen zu Dohna schriftlich ersucht habe
vor Absendung des von ihm zu wählenden Deputirten Ew: Excellenz
Eröfhungen über diese Verhandlungen zu entnehmen, und hiernach den
an Sr E Majestät abgeordneten Deputirten zu instruiren, weil ich früher
nicht im Stande gewesen bin Ew : Excellenz darüber vollständige Kentnis
zu geben.
Königsberg d 9 Febr. 1813.
Gedr. oben als [45 nach der Reinschrift in den Akten des Oberpräsidiums. Der
Abdruck beiDroysen II, S. 317, No. 20 istwol nach dem hier vorliegenden eigen-
händigen Entwürfe Brandt, aber nicht ganz genau gemacht: z. B. fehlt hier im
Concept Brands Unterschrift, u. dergl. — ') Vgl. [68, [70, [44, aber auch [46, [47.
*) Vgl* [45, Anm. 2. — Entwurf und Reinschrift unterscheiden sich übrigens
auch durch das hier fehlende P. S. Vgl. [45, Anm. 3,
▼on Rob. Möller. 133
44. Fol. 6|a-b.
An
des König: Preusz: Geheimen Staats Minister
Herrn Burggrafen und Grafen zu Dohna
Excellenz
Ew: Excellenz gebe ich mir die Ehre bey Mitteilung der für Sr.
Excellenz den Herrn General Gouverneur bestirnten Abschriflft der Ver-
handlungen zugleich anzuzeigen, dasz ich eine gleichmäszige dem HErrn
Landhofmeister v Auerswald Excellenz überreicht habe, und da der Herr
Landhofmeister hiedurch zuerst die vollständige Kentnis von den ge-
samten Verhandlungen erhalten hat, so ersuche Ew : Excellenz ich ganz
gehorsamst, vor Absendung des von Hochdenenselben zu wählenden De-
putaten an Sr Majestät den König, die Eröfhungen des HErrn Land-
hofmeister v Auerswald Excellenz über die Verhandlungen zu entnehmen
und hiernach den abgeordneten Deputirten zu instruiren.
Königsberg d 9 Febr. 1813
v Brandt
Ungedruckt. [101
45. Fol. 62.
md u abgg d 22 ej
An H
dHE. Landhofmstr v Auerswald
Excell.
Ew werden aus den, von mir dem Geh. Just, fiath v Brandt unterm
9 Febr c. eingereichten Acten geneigtest ersehen haben, dass die stän-
dische Versammlung eine baldige gedruckte ^Abschrift der Verhandlungen
dringend gewünscht hat 2)und dasz in den Acten auch Gegenstände
zur Sprache gekommen sind, icelche auf eine weitere Bearbeitung durch
den Comite der Stände ausgesezt sind.1) Damit *)nun diesem allen
genügt*) werden könne: so bitten Ew wir*) um gütige Bücksendung
der bemeldten Acten und *)um geneigte Bezeichnung der zum Abdruck
genehmigten Piecen.*)
Königsberg d 17 März 1813
Com. der 0. u L. B.
V Brandt
134 Urkunden zur Geschichte der stand» Versammlungen in Königsberg
Ungedruckt. Der Entwurf ist von Scheltz geschrieben; das in dem Schreiben
cursir gedruckte hat jedoch Brandt entweder am Rande hinzugefügt oder sonst
in den Entwurf hinein corrigirt. !) Vgl. [74 Anm. 8. *) In Scheltz Entwurf
fehlt diese Stelle noch ganz. Gemeint hat Brandt wol den Indult für den Grund-
besitz. Vgl. [76, [95, [96. *) Hiefür hatte Scheltz geschrieben: »dieser An-
trag, obwol spät, erfüllt.4 4) Im Entwurf: »wir Ew.4 *) Nach dem
Concept des Syndikus lautete die Stelle: »die Genehmigung des Abdrucks
g ghrst. [102
46* Fol. 63. p8t d 29 Mart 13 l)
Dem Hochlöblichen Comitd erwiedere ich auf das Schreiben vom
17^ d. Mts.*) wegen der gefälligst verlangten Verhandlungen über
die Errichtung der Landwehr ergebenst, dasz ich solche der General
Commission zur Besorgung des Abdrucks3) zugesandt habe.
Ich kann jedoch nicht bestimmen, wie weit es damit gediehen ist.
Königsberg den 26,! März 1813.
Auerswald
An
den Hochlöbl. Comitä der Ostpreusz und
Litth Stände
hier.
*) Vid: das Protocoü vom 7 April 13*)
v Brandt
Ungedruckt. s) Vgl. [102. s) Von Brandt vermerkt. 3) Erwähntes Protokoll
habe ich in den Akten der General-Landschafts-Direktion nicht gefunden. Ein
gleichzeitiger Abdruck ist mir trotz alles Nachforscheiis in den Katalogen
der hiesigen Bibliotheken u. s. w. nicht zur Hand gekommen. [103
47* Fol. 64. überschickt eod.
Scheltz.
Königsberg den 6. August 1813.
Man legt dem Herrn Rittmeister v Soden auf Sommerau, nach dem
mit Bitte der Rückgabe urschriftlich beigefügten Schreiben vom 22.
v. M. ') zur Last, dasz er sich zu dem am 4. Februar c. statt gefun-
denen Landtage als Deputirter aufgedrungen habe. Sr. Excellenz, der
Herr Staatsminister p p Graf zu Dohna wissen sich zu erinnern, dasz
Herr p v Soden in der gedachten Eigenschaft; förmlich gewählt und
eingeführt worden und wünschen, um denselben beruhigen zu können,
die hierüber sprechenden Verhandlungen einzusehen.
▼on Rob. Müller. 235
ich bin beauftraget, Ew. Wohlgebornen, wie hiemit geschiehet, um
deren gefallige Mittheilung ganz ergebenst zu ersuchen.
Brostowski
expedirender Sekretär im Bureau
des König. Civil-Gouvernements von Pr.
[Adre88e:J An
den König. Justitz Bath und General-Land-
schafts Syndikus, Herrn Schelz [sie]
Wohlgebornen
ltissime.
TTngedruckt. f) Das erwähnte Schreiben vom 22. Juli liegt nicht mehr bei, ist
also wol zurückgegeben. [104
48* Fol. 65. [ohne Adresse]
Nach der Aeuszerung Sr. Excellenz sind die beygehend zurück er-
folgenden Acten nicht die rechten indem darin die Verhandlung fehlt
worauf in dem gleichfalls beyliegenden Schreiben dHE v Soden Bezug
genommen wird. Eine beglaubte Abschrift dieser Verhandlung wird
daher beizufügen gebeten. Die Acten selbst sind entbehrlich.
Herold
Ganzley Director im
Bureau des Civilgouvernements
Extract 6/8.
aus den Protocollm vom 5 und 7 Febr. <\
und Abschrift
vom Attest des HE Praesident v. Schimmelf ennig
erteilt
d 11 Aug 13
Sckeltz
ÜDgedruckt. [105
49. Fol. 66.
abgeschickt ps d 15 Dec. 13
eod. um 6 Uhr. x) um 6 Uhr Nachm. l)
Ew Wohlg
ersuche ich ganz ergebenst die Gefälligkeit zu haben mir noch heute
ein namentliches Verzeichnisz der Deputirten zukommen zu laszen, welche
136 Urkunden zur Geschichte der stand, Versammlungen in Königsberg
im vorigen Monat Februar bei der hiesigen landständischen Versamm-
lung anwesend waren.
Dohna
[Adresse:] Des
Herrn Generallandschaftssyndicus Justizraths Schelz [sie]
Wohlg.
Ungedruckt. Brief and Adresse sind von Dohna eigenhändig geschrieben.
') Von Scheltz vermerkt. [106
50. Fol. 67a.
Des Königs Majestät haben unterm 17ten d. ein Gesetz, die Or-
ganisation der Landwehr in der gesammten Monarchie betreffend, zu
vollziehn geruhet, wovon anbei mehrere Exemplare erfolgen, und zugleich
haben Sr. Majestät mittelst der Allerhöchsten anliegenden Cabinetsordre
vom 17ten h. an die Stände von Preuszen befohlen, dasz die in dem
Bezirk dieses Militair-Gouvernements bereits getroffenen Anordnungen
der Organisirung der Landwehr nicht unterbrochen werden sollen.
Dem unterzeichneten Militair-Gouvernement ist es zur vorzüglichsten
und dringendsten Pflicht gemacht worden, unter Berücksichtigung der
bereits getroffenen Einleitungen und der Local- Verhältnisse mit dem
gröszten Nachdruck dahin zu wirken, dasz in der kürzesten Frist die
Landwehr vollständig organisirt wird.
In Gemäszheit dieses Allerhöchsten Befehls setzen wir folgendes fest:
1) Die General-Commission für die Preuszische Landwehr und
die fünf Special-Commissionen bleiben bis auf die weitere Be-
stimmung Sr. Königl. Majestät in Thätigkeit, und haben die
Behörden deren Verfügungen in Angelegenheiten, die Landwehr
betreffend, die schleunigste Folge zu leisten.
2) Hiernach finden die §§. 1. 2. 3. des Gesetzes über die Orga-
nisation der Landwehr vom 17ten huj. bis künftig ein anderes
bestimmt werden wird, fürs erste in dem Bezirk dieses Mili-
tair-Gouvernements keine Anwendung.
3) Ueber die Ausführung der §§. 5. und 6. des oftgedachten Ge-
setzes erfolgt anbei sub Litt. A eine von der General-Com-
mission für die Landwehr ausgefertigte erläuternde Anleitung,
durch welche dem Allerhöchsten Befehl Sr. Königl. Majestät
von Bob. Maller. 237
gemäsz die besonderen Verhältnisse dieses Landes, und die
bereits getroffenen Anordnungen berücksichtigt, möglichst mit
dem unterm 17tenhuj. emanirten Gesetz in Uebereinstimmung
gebracht, und vor allen Dingen nur darauf gesehn worden ist,
die Organisirung der Landwehr aufs äusserste zu beschleunigen
Die Special-Commission erhält anbei mehrere Exemplare von dieser
Anleitung, es wird derselben zur dringendsten Pflicht gemacht, darnach
aufs eiligste die nöthigen Anordnungen Behufs der Organisation der
Landwehr dergestalt zu treffen, dasz die Verloosungen ganz unfehlbar
am 6. April c. ihren Anfang nehmen und spätestens mit dem 15. April c.
beendigt sind, damit am 15. April c. ganz unfehlbar die Gestellung
der Landwehrmänner auf den noch zu bestimmenden Sammelplätzen
erfolgen kann.
Die Einhaltung dieser Fristen ist durchaus ganz unerlaszlich not-
wendig, es können dagegen keine Einwendungen angenommen werden.
Sämmtliche Behörden und Eingesessene werden vielmehr Angesichts dieses
durch Tag und Nacht die äussersten Anstrengungen anwenden müssen,
um sicher binnen dieser Frist den Zweck ganz vollständig zu erreichen.
Um die möglichste Beschleunigung zu bewirken, sind eine verh<nisz-
mäszige Anzahl von Exemplaren dieser Verfügung nebst deren Beilage
an die Special-Commissionen, an die Landräthe und an die Magisträte
der gröszern Städte Königsberg, Memel, Tilsit, Gumbinnen, Insterburg,
Wehlau, Bartenstein, Braunsberg, Heilsberg, Pr. Holland, Elbing, Marien-
burg, Graudenz directe von hieraus gesandt worden, damit alle diese Be-
hörden eiligst für die Publication sorgen und Alles dergestalt vorbereiten
können, um auf den ersten Wink der betreffenden Special-Commission,
und sobald der Contingent jeder einzelnen Behörde feststeht, augenblick-
lich die Verloosung und die wirkliche Gestellung bewirken zu können.
4) Die Beilage Litt. B. weiset nach, wie viel Landwehrmänner
eine jede Special-Commission und darunter wie viel an Ca-
vallerie, nach Cosakenart beritten, zu gesteilen haben wird,
desgleichen wie viel in die Reserve gesetzt werden darf.
5) Bei der ausserordentlichen Armuth, in welche das Land zwischen
der russischen Grenze und der Weichsel versunken ist, hat
138 Urkunden aur Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
das unterzeichnete Militair-Gouvernement sich für verpflichtet
gehalten, in Bücksicht der Kleidung solche Modificationen zu
treffen, wodurch die möglichst gröszte Ersparung bemerkt wird.
Die Beilage C. enthält die von der General-Commission für die
Preuszische Landwehr ausgefertigte erläuternde Anleitung über die Aus-
führung des §. 13. des Gesetzes die Landwehr betreffend; nach dieser
Anleitung musz pünktlich verfahren werden, dadurch, dasz man sich
auf die Litewkas als Hauptkleidungsstück beschränkt, die Anfertigung
derselben von Wand und die graue Farbe nachgelassen, und die An-
fertigung der Mäntel ganz ausgesetzt hat, ist das Aeuszerste geschehen,
um die Bekleidung der Landwehrmänner, unbeschadet der Brauchbar-
keit, so einfach und wohlfeil als möglich zu machen. Diese Modifi-
cationen entsprechen auch umsomehr der Allerhöchsten Intention Sr.
Majestät, da bereits auf den Grund der Verfugungen der General-Com-
mission für die Preusz. Landwehr vom 19ten und 25sten Februar c.
viele Einleitungen zur Anschaffung von grauen Mänteln gemacht waren,
welche nunmehr sehr leicht zu Litewkas umgeändert werden können.
Wir müssen bei dieser stattgefundenen groszen Erleichterung in Rück-
sicht der Bekleidung daher um so unbedingter verlangen, dasz am löten
April c. ganz unfehlbar die Landwehrmänner mit Litewkas, Mützen,
Patrontaschen, Ränzel und Beil oder Spaten nach Vorschrift der Bei-
lage G. versehen, gestellt werden.
Die Special-Commission erhält anbei mehrere Exemplare dieser Ver-
fügung, um auch ihrerseits für die eiligste Publication derselben in den
Dominien, Städten und Domainen-Aemtern und Intendanturen zu wirken.
Jedem redlichen Patrioten müssen wir die allerschleunigste Aus-
führung der Landwehr-Angelegenheit dringendst empfehlen. Die höchste
Eile bei der Erlassung aller hierauf Bezug habenden Maaszregeln können
wir nicht angelegentlichst und nachdrücklichst genug verlangen.
Königsberg, den 27. März 1813.
Königl. Militair-Gouvernement.
4n v. Massenbach. Dohna.
sämmtliche Special-Commissionen für die
Preusz. Landwehr, an jede besonders.
von Rob Müller. 139
Die Urkunden [107— [109 k liegen gedruckt vor in einem zusammenhängenden
Circnlar von 4 Foliobogen, das als Fol 67—74 dem Aktenbande A. 7. 1. der
Ostpr. General-Landschaft einverleibt ist. Gerwien hat diese Urkunden abge-
druckt aber — von einander getrennt. Vorstehende Urkunde [107 befindet sich
bei Gerwien S. 88a— 89a. [107
51. Fol. 67b.
Abschrift.
Ich erkenne die Treue meiner Stände in Preuszen und Litthauen
darin, dasz sie freiwillig sich zur Vertheidigung der Provinz erboten
haben und keine Aufopferungen zur Erreichung dieses Zwecks scheuen.
Ich will aus diesen Gründen, dasz Ihre getroffenen Anordnungen
der Organisirung der Landwehr nicht unterbrochen werden,
ungeachtet sie von denen, welche Ich für die übrigen Provinzen fest-
gesetzt habe, abweichen. Ich bestätige daher vorläufig die von den
Ständen für die Organisation der Landwehr gewählte General-Com-
mission. Jedoch soll nach und nach die Landwehr in Preuszen die
Verfassung derer der übrigen Provinzen erhalten, und es soll die Ge-
neral-Gommission diesen Uebergang leiten, damit die dortige Landwehr
keine von der Einrichtung des Ganzen abweichende Gestalt erhalte.
Breslau, den 17. März 1813.
(gez.) Friedrich Wilhelm.
An
die Stände von Preuszen und Littauen.
Vgl. [107. Anm. Abdruck bei Gerwien S. 30a. [106
58- Fol. 68-74.
*l ***- Verordnung
über
die Organisation
der
Landwehr.
De dato Breslau den 17. März 1813.
Königsberg,
gedruckt in der Hartungschen Hofbuchdruckerei.
Vgl. [107 Anm, Abdruck bei Gerwien S. 77* [IM
140 Urkunden zur Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
Fol $3b.
Ein vor Augen liegendes Beispiel hat gezeigt, dasz Gott die Völker
in seinen besondern Schutz nimmt, die ihr Vaterland in unbedingtem
Vertrauen zu ihrem Beherrscher mit Standhaftigkeit und Kraft gegen
fremde Unterdrückung vertheidigen. —
Preussen! würdig des Nahmens, theilt Ihr dies Gefühl! Auch Ihr
hegt den Wunsch, von fremdem Druck Euch zu befreyen. Mit Rührung
werde Ich die Beweise davon gewahr, in dem Eifer, mit welchem die
Jünglinge aus allen Ständen zu den Waffen greifen und unter die
Fahnen Meines Heeres sich stellen; in der Bereitwilligkeit, mit welcher
gereifte Männer, voll Verachtung der Gefahr sich zum Kriegs-Dienst
erbieten; und in den Opfern, mit welchen alle Stände, Alter und Ge-
schlechter wetteifern, ihre Vaterlandsliebe an den Tag zu legen.
Ein mit Muth erfülltes Heer steht mit siegreichen und mächtigen
Bundesgenossen bereit, solche Anstrengungen zu unterstützen. Diese
Krieger werden kämpfen, für unsere Unabhängigkeit und für die Ehre
des Volkes. Gesichert aber werden beyde nur werden, wenn jeder Sohn
des Vaterlandes diesen Kampf für Freiheit und Ehre theilt!
Preussen! zu diesem Zweck ist es noth wendig, dasz eine allge-
meine Landwehr aufs Schleunigste errichtet, und ein Landsturm
eingeleitet werde. Ich befehle hiemit die Erstere, und werde den
Letztern anordnen lassen. Die Zeit erlaubt nicht, mit meinen getreuen
Ständen darüber in Berathung zu treten. Aber die Anweisung zur Er-
richtung der Landwehr ist nach den Kräften der Provinzen entworfen.
Die Regierungen werden selbige den Ständen mittheilen. Eile ist nöthig.
Der gute Wille jedes Einzelnen kann sich hier zeigen. Mit Recht
vertraue ich auf ihn.
Mein getreues Volk wird in dem letzten entscheidenden Kampfe
für Vaterland, Unabhängigkeit, Ehre und eignen Heerd, Alles anwenden,
den alten Nahmen treu zu bewahren, den unsre Vorfahren uns mit ihrem
Blute erkämpften.
Wer aber aus nichtigen Vorwänden und ohne Mangel körperlicher
Kraft sich Meinen Anordnungen zu entziehen suchen sollte, den treffe
nicht nur die Strafe des Gesetzes, sondern die Verachtung Aller, die
von Bob. Müller. 241
für das was dem Menschen ehrwürdig und heilig ist, das Leben freudig
zum Opfer bringen.
Meine Sache, ist die Sache Meines Volkes, und Aller
Gutgesinnten in Europa!
Gegeben Breslau den 17ten März 1813.
Friedrich Wilhelm.
Vgl. [107 Anm. Abdruck bei Gerwien S. 28»- [109*
Foi 6$a—b.
Die Stände errichten gemeinschaftlich die Landwehr. Ich und alle
Prinzen Meines Hauses stehen an ihrer Spitze.
Die Landwehr einer Provinz steht unter dem unmittelbaren Ober-
befehl der Militair- und Civil-Gouverneurs derselben.
Jeder Kreis errichtet eine, der Bevölkerung angemessene Landwehr-
Abtheilung, ohne Verbindung mit andern Kreisen. Wieviel Landwehr-
Männer in jedem Kreise gestellt werden, wird die Regierung den Kreisen
bekannt machen.
Alle wehrbaren Männer, welche nicht zur Landwehr gezogen werden,
bilden einen Landsturm, welcher den Feind im Kreise erwartet. Bis
zu diesem Augenblick bleiben die bürgerlichen Gewerbe und häuslichen
Verhältnisse ungestört.
Den Ständen bleibt die Errichtung der Landwehr überlassen, es
wird dabei jedoch folgende allgemeine Verfassung hiermit festgesetzt:
§. 1. Zum Betrieb der Aushebung und Formirung der Landwehr,
bestimmt jeder Kreis einen Ausschusz, welcher aus 2 Deputirten von den
adelichen Gutsbesitzern, einem von den Städten und einem vom Bauer-
stande besteht, welche letztere beide von der Regierung gewählt werden.
§. 2. Um alle streitigen Fälle zwischen den Kreisen und den ver-
schiedenen Behörden zu schlichten, und die Punkte zu entscheiden,
welche von den Ständen und dem Ausschusz nicht entschieden werden
können, wird in jeder Provinz ein General-Commissarius von den Ständen,
und einer von Mir gewählt.
§. 3. Die Städte Berlin, Breslau und Königsberg in Preuszen er-
richten ihre Landwehr ohne Verbindung mit dem Kreise, in welchem
sie liegen.
142 Urkunden zur Geschichte der «tänd. Versammlungen in Königsberg
§. 4. Mit Errichtung der Landwehr werden die Bürgergarden in
den Städten aufgelöset, die Landwehr versieht ihren Dienst. Es wird
jedoch den städtischen Landwehr-Männern nachgelassen, die Uniformen
der Bürgergarden zu tragen.
§. 5. Die Landwehr besteht aus Freiwilligen , und zunächst aus
den wehrbaren Männern vom 17ten bis zum 40sten Jahr einschliesslich,
welche zur Ergänzung der Freiwilligen auf die bestimmte Anzahl Land-
wehr-Männer, ohne Rücksicht auf Stand und Bedienung, mit der §. 10.
vorgeschriebenen nähern Bestimmung, nach den Jahrgängen durchs
Loos bestimmt werden. Die erste Beilage ergiebt das Nähere.
§. 6. Dem Kreis- oder städtischen Ausschusz steht frei, jedem,
dessen ämtliche, häusliche oder andere Verhältnisse eine Ausnahme
erfordern, oder eine Abwesenheit aus dem Kreise nicht erlauben, diese
Ausnahme zu gestatten, welche nach sorgfaltiger Prüfung und Berück-
sichtigung aller Umstände bestimmt wird.
§. 7. Die Landwehr besteht aus Infanterie und Kavallerie, letztere
nach Kosacken-Art, der löte bis 8te Mann ist Reuter. Die Formirung
ergiebt die zweite Beilage.
§. 8. Die Officiere werden von dem Ausschusz der Kreise, bis
einschlieszlich den Gompagnie- und Schwadron-Chef, ohne Rücksicht
aufs Alter, aus der ganzen Volksmenge gewählt, und Mir zur Bestäti-
gung vorgeschlagen. Bis diese erfolgt, bleibt die Anstellung nur vor-
läufig. Die Bataillons-Chefs, Brigadiers und Divisionaire werden von
Mir gesetzt; Ich werde jedoch gern auf die Wahl des Ausschusses
Rücksicht nehmen.
§. 9. Die Gensd'armen-Officiere mit ihren Unter - Offieieren und
Gemeinen sind verpflichtet, zur Uebung der Landwehr-Männer, so lange
es erforderlich ist, in die Landwehr einzutreten. Trift die Officiere die
Wahl zu Offizierstellen nach ihren Graden, die Unter-Officiere und
Gemeinen aber, zu Feldwebel und Unterofficiere, so verbleiben sie in
der Landwehr, auszerdem aber treten sie, nach beendigter Uebung, in ihr
Verhältnisz zurück, und schlieszen sich demnächst dem Landsturm an.
§. 10. Sollten Besitzer adlicher Güter oder Königliche Bediente
in der zum Dienst bestimmten Landwehr, in der Reihe der Gemeinen
von Hob. Mnller. X43
oder Unter -Officiere, nach der geschehenen Wahl der Officiere ver-
bleiben, so werden sie in den Landsturm versetzt; denn Ich will nicht,
dasz die polizeilichen nnd bürgerlichen Verhältnisse gestört werden,
bevor der Landsturm eintritt.
§. 11. Die Unter-Officiere werden von den Officieren gewählt, und
von den Brigadiers bestätigt. Aus den Unter-Officieren wird der Ab-
gang der Officiere mit einigen Ausnahmen ersetzt.
§. 12. Die Officiere, Unter-Officiere und Gemeine leisten den
gewöhnlichen Eid des stehenden Heeres, und stehen mit diesen in
gleichem Bange, in gleichen Vorrechten, und daher auch in gleichen
Verpflichtungen.
§. 13. Die Landwehr-Männer kleiden sich selbst oder sie werden
von den Ständen oder Communen gekleidet, nachdem es die Umstände
erfordern. Die dritte Beilage ergiebt das Nähere.
§. 14. Die Landwehr erhält ihre Waffen und Munition, so weit
solche nicht in den Kreisen angefertigt werden können, aus dem Zeug-
Hause auf Kosten des Staats. Das Nähere ergiebt die vierte Beilage.
§. 15. Die Landwehr erhält keine Besoldung, so lange sie im
Kreise bleibt; es bleibt den Ständen, Gemeinden und Städten über-
lassen, ob sie die Landwehr-Männer nach Umständen entschädigen
wollen. Wird die Landwehr im Kreise zu ihrer Uebung zusammen-
gezogen, so sorgt der Kreis für die Verpflegung.
§. 16. Die Landwehr tritt in die Besoldung und Verpflegung der
stehenden Truppen, sobald sie auszerhalb ihres Kreises gebraucht wird.
§. 17. Die Landwehr ist der Disciplin des stehenden Heeres unter-
worfen, und wird bei Vergehungen nach den Kriegs-Artikeln derselben
[sie] gerichtet.
§. 18. Die Uebung der Landwehr geschieht nach Anleitung der
fünften Beilage.
Alle pensionirten Officiere und verabschiedeten Soldaten, wenn
solche nicht schon als Officiere gewählt, oder zur Landwehr gezogen
sind, sollen mit den GenscTarmen in der Landwehr eine Zeit lang die
jungen Männer üben, wenn frre Körper-Kräfte dies gestatten.
%. 13. Wenn die Landwehr Abgang hat, oder wenn von derselben
144 Urkunden mr Geschichte der stand» VerMimolangeii in Königsberg
zum Ersatz der im Felde stehenden Trappen einzelne Ersatz-Mannschaften
gestellt, oder ganze Bataillone zur Armee gezogen werden, so wird der
Abgang aus den zurückgebliebenen Landwehr-Pflichtigen sogleich wie-
der ergänzt.
§. 20. Die Einrichtung des Landsturms geschieht erst, wenn die
der Landwehr beendiget ist.
Gegeben Breslau den 17ten März 1813.
Friedrich Wilhelm.
Vgl. [107 Anin. Abdruck bei Gerwien S. 77» -78*- [109*»
Fol roa. Erste Beilage.
Anweisung zur Pormirung der Landwehr.
1. Sobald der Kreis zur Formirung der Landwehr seinen Ausschusz ge-
wählt hat, und der Tag dazu bestimmt ist, überlegt der Ausschusz,
ob das Geschäft an einem Orte, oder an mehreren Orten im Kreise,
geschehen müsse. Letztern Falls theilen sich die Ausschüsse nach
den Umständen so, dasz das Geschäft im ganzen Kreise zu einer
und derselben Zeit geschehen kann. Der Ausschusz, dem die im
Kreise zu stellende Anzahl Landwehr-Männer von der Regierung be-
kannt gemacht ist, bestimmt nach Verhältnisz, wie viel an jedem
einzelnen Orte gestellt werden müssen. Gleiche Anordnungen treffen
in den Städten Berlin, Breslau, Königsberg, die städtischen Aus-
schüsse. In den übrigen Städten geschieht die Aushebung durch
den Kreis-Aus8chusz.
2. Zur Gestellung selbst, berufen die Commissarien zur bestimmten Stunde :
a) alle im Kreise befindlichen Officianten, mit Auschlusz der im
wirklichen Königl. Dienst stehenden Präsidenten und Direktoren;
b) die Forstbedienten mit ihren Gehülfen und Söhnen, so weit sie
nicht schon zur Verteidigung der Festungen abgetheilt sind;
c) sämmtlich gewesene Soldaten, die nicht Krüppel oder Greise sind;
d) alle wehrbaren Männer, vom 17ten Jahre an gerechnet.
3. Wenn alles beisammen ist, versammelt der Commissarius die An-
wesenden in einen Kreis um sich, eröffnet ihnen in wenigen kräftigen
Worten den Zweck, sucht ihre Vaterlandsliebe und ihr Pflichtgefühl,
von Bob. Möller. 145
für den Zweck zu erwärmen, und fordert dann die Freiwilligen auf,
sich nach geöffnetem Kreise besonders zu stellen, und zwar so, dasz
diejenigen, welche zu Pferde dienen wollen, und ein Pferd stellen
können, besonders treten. Er eröffnet ihnen, dasz die Freiwilligen
den Bang eines Gefreiten erhalten, und dasz bei eintretendem Avance-
ment auf sie vorzüglich gerücksichtigt werden soll.
4. Nach geöfhetem Kreise rangirt der Gommissarius die vorgetretenen
Freiwilligen, und wenn sich aus Eifer für die Sache, Männer darunter
finden, welche zum Feidienst nicht mehr Kräfte genug besitzen: so
musz er sie auf eine zweckmäszige Art zum Austritt zu bewegen
suchen, und sie zum Landsturm verweisen.
Hierauf stellt er die nicht als Freiwillige vorgetretenen Landwehr-
pflichtigen Männer nach den Jahrgängen des Alters und überschlägt,
wie viel zur Ergänzung der Anzahl noch durchs Loos zu bestimmen
sind. Diese werden dann aus den Männern vom 17ten bis 40sten
Jahre, aus jedem Jahrgange nach gleichem Verhältnisz gestellt.
5. Findet sich unter den Freiwilligen nicht die hinreichende Anzahl
Beuter, so werden solche aus den gestellten Männern so bestimmt,
dasz die Wohlhabendem dazu gewählt werden.
6. Sobald dies Geschäft beendiget ist, werden die Landwehr -Männer
rangirt und ortweise aufgezeichnet. Findet es sich hierbei, dasz das
Loos zum Theil auf körperlich Unfähige gefallen ist, oder dasz nach
§. 6 der Organisation Ausnahmen Statt finden müssen; so werden
die Ausscheidenden sofort aus den Zurückgebliebenen wieder ersetzt
Wenn alles beendiget ist, und die vorher schon gewählten Offiziere
zugetreten sind; so föhic der Commissarius des Ausschusses die
Landwehr-Männer in die nächste Kirche. Der hierzu schon beauf-
tragte Prediger hält eine kurze, herzliche Anrede an die neuen Ver-
teidiger des Vaterlandes, legt ihnen das Ehrenvolle und Rühmliche
ihres Berufs ans Herz, und sucht dadurch ihren Muth und Eifer zu
entflammen. Nach beendigter Bede läszt der Gommissarius die
Landwehr-Männer den gewöhnlichen Soldaten-Eid schwören und ent-
läszt sie hierauf, bis auf weitere Ordre, in ihre Wohnungen.
Vgl. [107 Anna. Abdruck bei Gerwien S, 78* -79-- [109*
AJtpr. Monatsschrift Bd. XIV. BfL 1 u. 2. \Q
146 Urkunden inr Geschieht« der stund* Versammlungen in Königsberg.
m fM Zweite Beilage.
Anweisung zur Organisirung der Landwehr.
1. Die Landwehr soll in Gompagnien und Schwadronen dergestalt ein-
geteilt werden, dasz 160 bis 200 Mann Fuszvolk eine Compagnie,
und 72 bis 96 Mann Beater eine Schwadron bilden.
2. Das Fuszvolk wird von 12 zu 12 Mann nnd die Reuter von 8 zu
8 Mann in Corporalschaften eingetheilt. Die Compagnie oder Schwa-
dron erhält so viel Unterofficiere, als sie Corporalschaften enthält.
Auszerdem bekömmt jede Compagnie oder Schwadron einen Feld-
webel oder Wachtmeister.
3. Jede Compagnie Infanterie erhält einen Hauptmann und 4 Lieute-
nants, und theilt sich demnach in Officier-Abtheilungen zu 30 bis
40 Mann ein. Eine Schwadron erhält einen Rittmeister, und nach
Verhältnisz ihrer Stärke, 2— 3 Lieutenants, so dasz eine Officier-
Abtheilung nicht über 24 Mann stark wird.
4 Nach dieser Bestimmung überschlägt der ständische Ausschusz die
erforderliche Anzahl Officiere und wählt diese schon vor der Ver-
lockung der Landwehr-Männer aus der Gesammtheit des Kreises und
der darin befindlichen Gensd'armerie aus. Ein Gleiches geschieht in
den Städten Berlin, Breslau und Königsberg durch den städtischen
Ausschusz.
Die Wahlen der Officiere werden Sr. Majestät dem Könige zur
Bestätigung eingereicht, und letztere sind verpflichtet, die Stellen
anzunehmen, wenn nicht besondere von dem Kreis-Ausschusz aner-
kannte Hindernisse Statt finden.
Sr. Majestät der König haben das Vertrauen, dasz die Kreis-
Ausschüsse ohne alle Parteilichkeit ihre Wahl auf Männer richten
werden, die sich durch mehrere Bildung, durch Rechtlichkeit und
durch das Vertrauen, welches sie im Kreise oder in der Stadt be-
sitzen, dazu am besten qualificiren.
Wenn Officiere abgehen, oder neue Bataillons in der Folge formirt
werden, so werden die Officiere, jedoch mit Ausnahmen, aus den
ünterofficieren der Landwehr einer jeden Provinz, durch das Avance-
Ton Bob. Müller« 147
ment, nach der Wahl der Officiere ersetzt. Die Wahlen werden durch
den Brigadier Sr. Majestät dem Könige zur Bestätigung vorgelegt
5. Die Unterofficier - Stellen werden durch die Wahl der Officiere aus
den Landwehr-Männern bestimmt. Es musz dabei nach Möglichkeit
darauf gesehen werden, diese Stellen mit solchen Männern zu be-
setzen, welche mit dem Dienst nicht unbekannt sind, weshalb die
Gensd'armes und gewesenen Soldaten dazu gewählt werden können,
wenn ihre moralische Aufführung dazu geeignet ist, und sie das
Vertrauen ihrer Mitbürger besitzen. Vorzüglich musz dies bei den
Feldwebeln oder Wachtmeistern der Fall seyn, wozu Männer zu
wählen, die zugleich der Feder ziemlich gewachsen sind.
6. Bei der Eintheilung in Corporalschaften und Compagnien, musz darauf
gesehen werden, dasz die Leute nach Möglichkeit so zusammen bleiben,
wie sie in einem Orte oder nahe bei einander wohnen.
7. Sobald die Landwehr in Compagnien und Schwadronen formirt ist,
sollen je vier und vier Compagnien in ein Bataillon zusammenge-
zogen werden und einen Commandern: erhalten, zu dessen Wahl die
Stände Sr. Majestät dem Könige einige Subjecte vorschlagen können.
8. Vier Bataillons mit der zu ihnen gehörenden Reuterei, sollen eine
Brigade, die Beuter-Schwadronen derselben ein Regiment Beuter bil-
den, und je drei und drei Brigaden eine Division formiren. Sr. Majestät
der König behalten Sich die Ernennung der Brigadiers und Divisio-
naire vor; es bleibt jedoch den Ständen überlassen, ihre Vorschläge
auch hierzu abzugeben, welehe Allerhöchst-Dieselben nach den Um-
ständen berücksichtigen wollen.
Vgl [107 Anm. Abdruck bei Gerwien 3. 79» -79»- [109*
roi tu Dritte Beilage.
Anweisung zur Bekleidung der Landwehr.
l)Die Bekleidung eines Landwehr-Mannes musz einfach und der Ge-
sundheit zuträglich seyn. Sie kann bestehen in einer Ijtowka utti
blauem oder schwarzem Tuch mit farbigem Kragen der Provinz,
langen weiten leinenen Hosen, Stiefeln oder Schuhen mitfaran leüfenen
10*
148 Urkunden zur Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
Stiefeletten, einer Mütze von dem Tuch der Litewka, mit dem Tuch
des Kragens unten besetzt.
2) Die Freiwilligen, welche den Bang eines Gefreiten haben, werden
durch einen schmalen weiszen Band, und die Unterofficiere durch
einen schmalen schwarzen Band um den Aufschlag ausgezeichnet.
3) Die Officiere tragen die Interims-Uniform der Stände, jedoch ohne
alle Stickerey und eine ähnliche Mütze, wie die Landwehr-Männer.
Sie unterscheiden sich durch die Achselklappen eben so, wie die
Officiere der Armee, mit denen sie gleichen Bang, gleiche Vorrechte
und gleiche Verpflichtungen haben sollen.
4) Den städtischen Landwehr-Männern bleibt es überlassen, die Uni-
formen der Bürgergarden zu tragen, in so fern sie eine ganze Com-
pagnie oder Schwadron formiren.
5) Jeder Landwehr-Mann wird als solcher durch ein Kreuz ven weiszem
Blech mit der Inschrift:
mit Gott für König und Vaterland
bezeichnet, welches vorn an der Mütze angeheftet wird.
6) Jeder Landwehr-Mann ist verpflichtet, sich selbst zu kleiden. Dies
wird ihn um so weniger drücken, als dem guten Ueberrock des Land-
mannes leicht die Form einer Litewka gegeben werden kann. Wo
der einzelne Mann seine Bekleidung nicht selbst beschaffen kann,
wird der Kreis dafür sorgen, wobei vorausgesetzt wird, dasz die
Stände auf anständige Bekleidung und Uniformität sehen werden,
damit die Landwehr-Männer nicht dem Gespötte blosz gestellt werden.
7) Ein Mantel ist gegen die rauhe Witterung dem Landwehr- Mann so
unentbehrlich, dasz die Kreise oder Städte, wo derselbe solchen nicht
selbst beschaffen kann, dafür Sorge tragen werden.
Vgl. [107 Anm. Abdruck bei Gerwien S. 79b— 80*- [109«
ibz. m-m. Vierte Beilage.
Anweisung zur Bewaffnung der Landwehr.
l)Die Landwehr, welche sich bei der Infanterie jederzeit in drey Glie-
dern stellt, wird im ersten Gliede mit Piken, in den beiden hintern
Gliedern mit Flinten bewaffnet.
von Rob. Müller. 149
2) Die Flinten und die dazu gehörige Munition liefert die Regierung.
Die Piken, welche an S Fusz langen Stangen mit 6 Zoll langen spitzen
Beschlägen versehen seyn müssen, wird der Kreis anfertigen lassen.
3) Die Unterofficiere erhalten eine Flinte und ein Seitengewehr.
4) Die Waffen-Rüstung eines Reuters soll aus einer Pike von der Länge
der Uhlanen-Piken, einem Säbel und einer Pistole bestehen; letztere
beyde liefert die Regierung. Pike und Pferd nebst Sattel und Zeug
schafft in der Regel der Reuter selbst an, wo dies nicht geschehen
kann, sorgt der Kreis dafür.
5) Die Reuter-Sättel müssen gute lederne Sättel, mit tüchtigen Steig-
bügeln versehen und gut ausgefüttert seyn, oder eine gute Decke
zur Unterlage haben, damit sie die Pferde nicht drücken.
6) Jedes Pferd musz einen besondern Halfter und einen tüchtigen
Stangen-Zaum, wenigstens eine gute Wasser-Trense mit Knebel, zur
Führung haben.
7) Zur guten Aufbewahrung der Munition musz jeder Infanterist und
Reuter mit einer einfachen Patronen-Tasche von schwarzem ordinairen
Leder, in Form der Cartuschen, versehen werden, welche mit einem
Deckel gegen den Regen geschützt, so grosz ist, dasz sie, bei dem
Infanteristen 60 Patronen in Bunden, und bei den Cavalleristen
20 Patronen fassen kann, und mit einem schwarzen ledernen Riemen,
über die Schulter zu tragen, versehen seyn musz. Für deren An-
schaffung werden die Kreise sorgen.
8) Jeder Landwehr-Mann zu Fusz musz, auszer seiner Rüstung, noch
mit einem starken Beil oder leichten Spaten versehen seyn.
9) Die nöthigen Trommeln, Trompeten und Signal-Hörner müssen von
den Kreisen baldmöglichst herbeigeschafft werden.
Vgl. [107 Anm. Abdruck bei Gerwien S. 80» -80*- [10JK
^i 7ib. Fünfte Beilage.
Anweisung zur Uebung der Landwehr.
1) Jeder Landwehr-Mann musz zum Felddienst unterrichtet werden,
«
wozu eine besondere Instruction ertheilt werden wird. Bis nach
150 rfrkanden zur Gesohichte der stand. Versammlungen in Königsberg
dieser Instruction im Ganzen exercirt werden kann, welches nicht
eher geschehen musz, als bis die Uniformirung beendiget ist, sollen
2) die Landwehr-Männer alle Woche zweimal, und zwar am Sonntag
nnd Mittwoch, in ihren Officier- Abtheilungen versammelt, und die
Infanterie in der Stellung, Richtung, den Wendungen, im Marschiren
nach dem Geschwindsahritt, vorzüglich aber in Behandlung des Ge-
wehrs und der Pike geübt werden. Vorzüglich musz das Schieszen
nach dem Ziele geübt werden, welches Anfangs das Wesentlichste
der ganzen Bildung ist. Es sollen dazu auf jeden Mann 20 scharfe
Patronen, und auf die, welche Piken führen, 10 Patronen gut ge-
than werden.
3) Die Officiere, Unterofficiere und Gemeinen der Gensd'armerie, so wie
die gewesenen Officiere und Soldaten eines jeden Kreises, welche in
die Landwehr nicht eingestellt sind, müssen sich so vertheilen, dasz
sie die Officiere in diesen Uebungen nach Möglichkeit unterstützen
können.
4) Liefert ein Ort allein keine Officier- Abtheilung, und beträgt die Ent-
fernung bis zu den benachbarten Ortschaften über eine Meile, so
können die Officiere nach den Umständen solche abgelegenen Orte
bereisen und ihre Mannschaften in den Waffen üben, wenn sie nicht
durch vorgedachte Officiere und Unterofficiere so unterstützt werden
können, dasz sie in getheilten Abtheilungen die Uebungen bewirken
können.
5) Sobald die Landwehr eingekleidet ist, soll sie zunächst 8 Tage
Compagnieweise, und demnächst 14 Tage vom ganzen Kreise Ba-
taillonsweise geübt werden. Nach diesen Uebungen sollen die Brigade-
Abtheilungen in einem schicklichen Ort einer jeden Brigade zu-
sammengezogen und dort in der ganzen Brigade, nach der hierüber
noch zu ertheilenden besonderen Vorschrift, geübt werden.
Vgl [107 Anm. Abdruck bei Gerwien S. 80*- [109*
Ton Bob. M6I1er, 151
*«-** Beilage A.
Erläuternde Anleitung
rar Ausführung der §§. 5 und 6. und der ersten Beilage des Gesetzes
Tom 17ten Man 1813, die Errichtung der Landwehr betreffend.
Da nunmehr des Königs Majestät durch die Allerhöchste Verordnung
vom 17. März die Organisation der Landwehr und zugleich durch den
unter demselben dato erlassenen Aufruf vorzügliche Eile in dieser wich-
tigen Angelegenheit befohlen haben; so ist nöthig, das bei der Ver-
loosung der zur Landwehr bestimmten Mannschaft zu beobachtende Ver-
fahren näher anzugeben und dies um so mehr, als des Königs Majestät
unter andern mittelst der Allerhöchsten Cabinets-Ordre vom 17. März c.
geruht haben, zu erklären, dasz die Landwehr- Angelegenheit in Preuszen
auf dem rechten Weichselufer ungehindert ihren bisherigen Gang beibe-
halten, und diese Sache erst allmählig der Verfassung der übrigen
Provinzen gleichgestellt werden solL
Wir haben daher die allerhöchste Verordnung vom 17. März zum
Grunde gelegt, und nach der uns Allerhöchst gegebenen Erlaubnisz nur
da eine Abweichung zugelassen, wo durch die frühern Ankündigungen
gewisse Verhältnisse bereits eingeleitet sind, deren Aufhebung oder Zer-
stöhrung den Einzelnen zu nachtheilig seyn würde, oder wo eine Modi*
fication nöthig ist, um den besondern Verhältnissen dieses Landes ange-
messen, und zugleich mit der allerhöchsten Schleunigkeit zu verfahren.
Die wegen Gestellung der zur Landwehr nöthigen Mannschaft statt
findenden Grundsätze sind folgende:
§. 1.
Es werden aus bewegenden Gründen die historischen Tabellen
pro 1811 zum Grunde gelegt, zumal die nach dieser Zeit eingetretenen
Veränderungen alle Theile der Provinz beinahe gleich getroffen haben
und einzelne auffallende Abweichungen nach den unten vorkommenden
Bestimmungen ausgeglichen werden können.
§. 2.
Nach den genannten Tabellen stellt die Generalcommission die
Summe der in den einzelnen Spezialcojnmissionen befindlichen Seelenzahl
152 Urkunden zur Geschichte der stund. Versammlungen in Königsberg
zusammen, nachdem sie zuvor die Seelenzahl der Mennoniten abgezogen
hat. Die hienach aufzubringende Summe wird anzeigen, der wievielste
Theil der Seelenzahl nöthig ist, um eine Mannschaft von 20000 Mann
Landwehr und 10000 Mann Beserve aufzubringen. Durch diese Quote
stellt nunmehr die General-Commission fest, wie viele Männer auf die
Seelenzahl der einzelnen Spezialcommission treffen.
§. 3.
Die Spezialcommissionen ziehen, sobald sie das auf sie repartirte
Quantum kennen, die Herren Landräthe der ihnen zngetheilten Creise,
und bei groszen Städten, welche dem landräthlichen Officio nicht unter-
worfen sind, ein Mitglied der Gantonsbehörde und ausserdem einige
Gutsbesitzer und Städter, welche das besondere Zutrauen ihrer Mit-
stände besitzen, zu, und verth eilen mit diesen gemeinschaftlich das er-
forderliche Quantum auf die einzelnen Creise. Als Basis der Verth ei lung
werden die obenerwähnten historischen Tabellen von 1811 und zwar
nach der gesammten Seelenzahl zum Grunde gelegt, jedoch in einzelnen
Fällen, wo dadurch eine besondere Härte für einen einzelnen Creis
oder grosze Stadt entstehen würde, eine Abweichung gestattet. Bei
allen Vertheilungen und Subrepartitionen haben die Spezialcommissionen
und Creisbebörden darauf zu sehen, dasz einer jeden Stadt, einem jeden
Dominio und einem jeden Domainen-Amte oder Intendantur deutlich
gesagt wird, wie viel Mannschaft jede Behörde zum activen Dienst der
Landwehr zu stellen hat, und wieviel dieselbe in die Beserve stellen darf.
Wenn das von dem einzelnen Creise zu gestellende Quantum fest-
steht; so zieht der Landrath zur Subrepartition die schon vorher (§. 3.)
zugezogenen Gutsbesitzer und Städter, welche das Zutrauen der andern
haben, zu. Bei dieser Subrepartition auf einzelne Dominien, Städte und
Gemeinen werden ebenfalls die historischen Tabellen pro 1811 der ge-
sammten Seelenzahl noch als Basis gebraucht, jedoch, wo die indivi-
duellen Umstände es nöthig machen, nach dem pflichtmässigen Ermessen
der oben genannten Personen Abweichungen gestattet. Beschwerden
hierüber gelangen an die Specialcommissionen, und wenn der Beschwerde-
führer dadurch nicht zufrieden gestellt ist, an die Generalcommission.
▼od Rob. Müller. 153
§. 5.
Sobald es feststeht, wie viele Mannschaft von der einzelnen Stadt,
dem Dominio oder dem Domainenamte zu gesteilen sind ; so geschieht die
Verlosung, [sie] wobei jedoch ausdrücklich feststeht, dasz, wenn auch noch
Differenzien bei Bestimmung des Quanti zu entscheiden sind, die Verloosung
dadurch nicht aufgehalten wird, sondern rasch ihren Anfang nimmt.
§. 6.
Die Verloosung geschieht in den einzelnen Städten, Dominien und
Domainen-Aemtem, in jedem besonders. Jedoch wird es diesen über-
lassen, die Verloosung in mehrern einzelnen Abtheilungen geschehen
zu lassen, wo dann bei der Subrepartition das oben angegebene Ver-
fahren eintritt. Eine Abtheilung oder Ort, welcher für sich allein loosen
soll, musz mindestens 100 Seelen enthalten.
§. 7.
Die Direction der Verloosung hat
a) in den Städten der Magistrats-Dirigent, welcher sich dazu der Hülfe
der Magistratsmitglieder, Stadtverordneten, Bezirksvorsteher und an-
derer achtbarer Bürger bedienen darf, auch, wenn die Polizei-Behörde
vom Magistrate verschieden ist, von derselben den kräftigsten Bei-
stand zu erwarten hat.
b)Bei adlichen Dominien, Altpreusz. Cöllmern und Freien, in so fern
deren Besitzungen ganze Dorfschaften ausmachen, der Gutsherr mit
Zuziehung des Schulzenamtes oder, wenn dies nicht vorhanden ist,
anderer zuverläsziger Männer,
c) Bei Intendantur- oder Domainenämtern der Beamte mit Zuziehung
des Schulzenamtes oder anderer rechtlichen Männer. Ist das Amt
zu grosz und in besondere Abtheüungen getheilt, so überträgt der
Beamte dies Geschäft andern zuverläszigen Leuten, wenn er es nicht
selbst bestreiten kann.
§. 8.
Jede Behörde, welche den Wahlactus dirigirt, hat sich zuvörderst
eine genaue Liste sämmtlicher Männer vom 17ten bis zum vollendeten
40sten Jahre, mit Ausnahme der ihrer Körperlichkeit wegen zum Mili-
tair unbrauchbaren Personen, der im wirklichen Königl. Dienst stehen-
den Präsidenten und Directoren, der Mennonisten, [sie] Geistlichen und
154 Urkunden zur Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
Schullehrer, zu beschaffen, auch eine zweite genaue Liste dieser aus-
genommen Personen zu besorgen. In Hinsicht beider Listen musz die
möglichste Genauigkeit eintreten, daher besonders darauf zu sehen ist,
dasz niemand ein unrichtiges Alter angiebt oder ohne Grund ein körper-
liches Unvermögen vorschützt. Taufscheine, ärztliche Atteste und dergJ.
können hier nur allein Gewiszheit verschaffen, welche daher in allen
zweifelhaften Fällen zu erfordern sind. Jede unrichtige Angabe wird
vom EönigL Militair-Gouvernement mit der äuszersten Härte gerügt;
überdiesz wird durch eine angemessene öffentliche Bekanntmachung der-
jenige, welcher sich eine dergleichen Angabe hat zu schulden kommen
lassen, der allgemeinen Verachtung Preis gegeben werden.
§. 9.
Die wehrbaren Männer, worunter die nicht ausgenommenen Männer
vom 17ten bis zum vollendeten 40s ten Jahr zu verstehen sind, werden
auf eine, den Ortsverhältnissen angemessene Art zum Wahltage und
Wahlacie berufen. Wenn alles beisammen ist, versammelt der Com-
missarius die Anwesenden in einen Greis um sich, eröffnet ihnen in
wenigen kräftigen Worten den Zweck, sucht ihre Vaterlandsliebe und
ihr Pflichtgefühl für den Zweck zu erwärmen und fordert dann die
Freiwilligen auf, sich nach geöfhetem Creise besonders zu stellen, und
zwar so, dasz diejenigen, welche zu Pferde dienen wollen und ein Pferd
stellen können, besonders treten. Er eröffnet ihnen, dasz die Freiwilligen
den Bang eines Gefreiten erhalten, und dasz bei eintretendem Avance-
ment auf sie vorzüglich gerücksichtigt werden soll.
§. 10.
Nach geöfhetem Greise rangirt der Commissarius die angetretenen
Freiwilligen, und wenn sich ans Eifer für die Sache Männer darunter
finden, welche zum Felddienste nicht mehr Kräfte genug besitzen; so
musz er sie auf eine zweckmäszige Art zum Austritt zu bewegen suchen,
und sie zum Landsturm verweisen. Die Verloosung selbst geschieht
in der Art, dasz so viele Loose, als Personen, mit Eins^usz derer,
welche den listen nach hätten erscheinen sollen, aber nicht erschienen
sind, vorhanden sind, gemacht werden und auf so viele, als Landwehr-
jninner gebraucht werden, der Name Landwehrmann geschrieben wird,
von Rob. Müller. 155
wogegen die andern keine Bezeichnung haben. Jeder Gegenwärtige
zieht selbst das Loos. Für die Ausgebliebenen zieht der Wahlcom-
missarius. Dasz der Wahlcommissarius das Resultat der Yerloosung
genau aufschreibt, versteht sich.
§. 11.
Nach beendeter Verloosung wird ein Drittel der Summe der Frei-
willigen und Ausgelösten in die Reserve gestellt. Die Bestimmung,
wer in die Reserve zu stellen sei, hängt von dem Vorschlage der Orts-
behörde und der Bestätigung der Special- Commissionen ab. In den
Städten macht diesen Vorschlag der Magistrat, in den adelichen und
andern selbstständigen Gütern der Gutsherr mit Zuziehung des Schulzen-
amtes, oder in Ermangelung dessen zweier zuverlässiger Männer. Dieser
Vorschlag musz dadurch motivirt werden, je nachdem der Einzelne
eher oder weniger entbehrlich ist. Es sind da, wo die Umstände,
es erfordern, zwei Classen in der Reserve zu machen: 1) die der unbe-
dingt Unentbehrlichen, 2) die der bedingt Unentbehrlichen.
§. 12.
Zu der ersten Classe, nämlich zu den unbedingt Unentbehrlichen,
welche durchaus in die Reserve zu stellen sind, gehören diejenigen,
deren ämtliche, häusliche oder andere Verhältnisse nach sorgfältiger
Prüfling und Berücksichtigung aller Umstände es durchaus unmöglich
machen, in die Landwehr zu treten, demnächst die Mitglieder und Offi-
cianten bei den Communalverwaltungen, welche ohne Ruin dieser Ver-
waltungen nicht entbehrt werden können, ferner ländliche Grundeigen-
tümer von Einer Hube Magdeburgisch, wenn sie kein männliches Ge-
sinde haben, einzige Söhne von Wittwen auf dem Lande, welche die
Wirthschaft der Mutter führen, wenn sie kein männliches Gesinde hat,
und die nöthigen Wirthschaftsofficianten, nämlich der Wirthschafts-
inspector, wenn der Gutsherr von seinem Gute entfernt seyn musz, Hof-
männer, Brenner und Schäfer. Ebenmäszig werden alle Königl. Offi-
cianten, wenn sie nicht zu Officieren gewählt sind, deshalb in der Reserve
als unentbehrlich notirt, weil sie nach der ergangenen Königl. Ver-
ordnung zum Landsturm verwiesen werden sollen, die Landwehr mithin
nicht auf sie rechnen kann.
156 Urkunden zur Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
§. 13.
Wenn von den genannten Personen von der ersten Classe, nemlich
unbedingt Unentbehrlichen nicht so viele vorhanden sind, als die
ßeserve beträgt, so können auch solche Personen in die Reserve gesetzt
werden, welche zu den bedingt Unentbehrlichen zu rechnen sind, und
deren Verhältnisz sich den im §. 12 genannten nähern musz.
§. 14.
Wenn die oben genannten Ortsbehörden die Listen der in die Reserve
zu stellenden Leute eingesandt, und die Special-Commissionen diese
bestätigt haben; so steht fest, wer in die Landwehr tritt. Aus diesen
werden die Wohlhabenden als Reuter gewählt, wenn aus den Freiwilligen
nicht die nöthige Anzahl hervorgegangen ist. Die nach §. 12. als un-
bedingt unentbehrlich in die erste Classe der Reserve gestellten Per-
sonen sind von der Landwehr befreit und können nur zum Landsturm
treten. Die nach §. 13. als bedingt unentbehrlich in die zweite Classe
der Reserve gestellten Personen treten ein, so bald die Landwehr einer
Ergänzung bedarf.
§. 15.
Wenn in einem Orte, welcher für sich wählt, unter denen, die das
Loos getroffen hat, nach §. 12. so viele unbedingt Unentbehrliche sich
finden, dasz die Zahl, welche zur activen Landwehr des Orts gehört,
nicht erfüllt wird; so müssen diejenigen, welche das Loos noch nicht
getroffen hat, noch einmal loosen, bis die auf den Ort repartirte Zahl
der Landwehrmänner complett ist; indem jede Behörde durchaus und
ganz unfehlbar vollständig das auf dieselbe repartirte Contingent au
activen Landwehrmännern aufbringen musz.
§. 16.
Da durch die früheren Verfügungen mehrere veranlaszt seyn wer-
den, für Stellvertreter gesorgt zu haben; so wird es für jetzt nachge-
lassen, dasz die in die Landwehr Tretenden für sich Stellvertreter schicken
können, vorausgesetzt, dasz ein solcher Stellvertreter die Eigenschaften
eines tüchtigen Landwehrmannes hat, und ein unbescholtener zuver-
läsziger Mann ist Immer aber musz derjenige, der den Stellvertreter
gegeben hat, dafür einstehen, dasz er wenigstens Ein Jahr in der Land*-
ton Bob. Müller. 157
wehr diene, wenn er nicht durch Tod, Krankheit oder Verwundung früher
aus der Landwehr genommen wird. v
§. 17.
Die Landwehrmannschaft wird dem Bataillons-Chef oder den von
ihm dazu kommandirten Officieren übergeben. Finden sich darunter
körperlich Unfähige, so bringt der Bataillons-Chef dies bei der Special-
Commission zur Sprache, welche, wenn die Angabe gegründet ist, dafür
sorgt, dasz an deren Stelle, wo möglich von der Behörde, welche den
Unfähigen gestellt hat, ein brauchbares Subject geliefert wird.
§. 18.
Der Ersatz der Landwehr geschieht zuvörderst aus den in die
Reserve gestellten bedingt Unentbehrlichen. Jede Special-Coramission
hat deshalb eine vollständige Liste, und läszt die Einzelnen aus den
besondern Ortschaften nach Verhältnisz eintreten. Wenn alle in die
Reserve gestellten Entbehrlichen einer Special-Commission in die Land-
wehr getreten sind, geschieht Behufs des Ersatzes zur Landwehr eine
neue Verloosung.
§. 19.
Ueber die Vereidigung der Landwehrmänner wird eine besondere
Verfugung erscheinen.
Es versteht sich ganz von selbst, dasz auch vor erfolgter Vereidi-
gung die Landwehrmänner als verpflichtet für den Dienst des Vater-
landes angesehen werden, und dasz auch vor der Vereidigung im ein-
tretenden Fall gegen dieselben in eben der Art verfahren werden soll,
als ob dieselben bereits wirklich den Eid abgeleistet hätten.
Indem wir dies bekannt machen, fordern wir zugleich alle die
Behörden, die es angeht, auf, sich strenge darnach zu achten, und den
gröszten Eifer und vorzügliche Thätigkeit zu beweisen.
Königsberg, den 27sten März 1813.
Die General-Commission für die Landwehr von Preussen.
v. Massenbach. Dohna.
Vgl, [107 Anm. Abdruck bei Gerwien S. 89*- $2»- [109b
158 Urkunden SQr Geschichte der stand. Versammlongen in Königsberg
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jw. r*. Beilage C.
Erläuternde Anleitung
cur Ausführung de» §. 13. des Gesetzes vom lTten März o., betreffend
die Bekleidung der LandwehnnAnner.
Die auszerordentliche Armuth dieser Provinz und die bereits unterm
19ten und 25sten Februar e. getroffenen Anordnungen machen es not-
wendig, in Gemäszheit der Allerhöchsten Cabinetsordre vom 17ten huj.
folgende Modificationen des §. 13. und der dritten Beilage des Gesetzes,
die Landwehr betreffend vom 17ten huj., und insbesondere der Nro. 1.
der gedachten Beilage zur wesentlichen Erleichterung des Landes und
zur Beschleunigung der Landwehreinrichtung statt finden zu lassen.
1) Die Litewka musz als das Haupt-Kleidungsstück der Landwehr-
männer angesehn, und auf deren Anfertigung die vorzuglichste Sorgfalt
verwendet, dieselbe auch aufs alleräußerste beeilt werden. Es kann
die Litewka auch von grauem Tuch oder litthauischem Wand seyn. Es
ist sicher anzunehmen, dasz auf diese Weise die Bekleidung auf die
möglichst schleunigste, tüchtigste und wohlfeilste Weise in dieser Pro-
vinz bewirkt werden wird. Sollte man in einer Gegend, welches jedoch
unwahrscheinlich ist, die blaue Farbe vorziehn, so kann auch diese1 ge-
wählt werden; es versteht sich jedoch ganz von selbst, dasz ein Ba-
taillon durchaus immer eine Farbe der Kleidung haben musz.
Wenn die graue Farbe gewählt wird: so ist es gut, dieselbe mög-
lichst dunkel zu wählen, und dahin zu sehen, dasz wo möglich in einem
Bataillon nicht grosze Verschiedenheit der Nuancen vorkommen. Das
Tuch oder der Wand musz aufs aeuszerste gekrumpen seyn, die
Aermel müssen recht lang und weit, die Knöpfe dergestalt gesetzt seyn,
dasz der Unterleib gut bedeckt und recht warm gehalten wird, die
Litewka musz weit genug seyn, um warme Kleidungsstöcke darunter
zu ziehn. Modelle zu Litewka's und zu Mützen werden mit der nächsten
Post an die Special-Commissionen verschickt werden.
2) Der Mantel kann, da es gegen den Sommer geht, vor der Hand
noch ausgesetzt bleiben, und bleibt die Anschaffung der Mäntel, sowie
die Anschaffung der warmen Handschuhe beim Eintritt des künftigen
Winters vorbehalten*
160 Urkunden mr Geschichte der stand, Versammlungen in Königsberg
3) Das in den früheren Verfügungen angegebene Trink- und Koch-
Geschirr fällt weg, da wir wegen der bei einem eintretenden Marsche
notwendigen Kessel, uns das Weitere vorbehalten.
4) Die Patrontasche, die Kanzel und Brotbeutel bleiben wie sie
<
früher anzuschaffen angeordnet sind.
5) Es wird genügen, wenn auf sechs Landwehrmänner ein Beil
und ein Spaten gerechnet wird.
Da, wenn Mäntel schon angefertigt sind, diese theils nicht über-
flüszig sind, sondern künftig gebraucht werden, theils leicht in Litewka's
verwandelt werden können, die Trink- und Koch-Geschirre auch noch
nicht angeschafft sind; so wird diese veränderte Bestimmung keine
Verlegenheit herbeiführen. Uebrigens verbleibt es bei unserer an die
Special-Gommissionen erlassenen Verfügung, dasz wir von hier aus für
die Trommeln der ganzen Landwehr sorgen werden. Ein Gleiches
werden wir in Rücksicht der Kreuze thun, welche von weiszem Blech
an den Mützen getragen werden sollen, und werden auch diese sehr
bald von uns den Special-Gommissionen ebenfalls unentgeltich zuge-
fertigt werden.
Königsberg, den 27sten März 1813.
Die General-Gommission für die Landwehr von Preussen.
v. Massenbach. Dohna.
Vgl. [107 Annu Abdruck bei Gerwien S. 92b— 93* [1<KM<
SS, Fol. 75.
An
dHE. Geh. Begier. Bath Flottwell
Hochwohlg in Danzig
H. LandwehrS.
Hiebei ein Packet Acten in grau Pap.
Sign. G. B. F.
Ew
habe die Ehre, im Auftrage des General Ldsch. Directoris, HE. Staats
Minister Grafen zu Dohna Excell. beigehend 1 Actenstück, des stän-
dischen Comitl
die Errichtung der Landwehre 1813 betr.
von Bob. Maller. JßJ
ganz ergbst. zu übersenden and bitte um die baldmöglichste Bück-
sendung derselben.
Königsberg d 10 März 1820
Scheltz
Ungedruckt. [HO
M* FoL 76' pa d 18 April 20.
Die durch Euer Wohlgebornen mir gefälligst zugestellten Akten
des Ständischen Kommittes, die Errichtung der Landwehr im Jahre 1813
betreffend, ermangele ich nicht Denenselben in der Anlage mit dem
ganz ergebensten Danke zu remittiren.
Danzig, den 31" Maertz 1820.
Schön
An
den General-Landschaft Syndikus
Herrn Justiz-Bath Schelz [sie]
Wohlgebornen.
Ungedrucfct. — Mundum. [111
(Fortsetzung folgt.)
iltp. ifraaUftobrlfc Ö<L *IV. Utu i u. *. 11
Kritiken und Referate.
Christliche Lehre und Erziehung in Ermland und im preussischen
Ordensstaate während des Mittelalters. Ein Beitrag zur
Geschichte des Katechismus von Professor Dr. Franz Hipl er.
Braunsberg 1877. Verlag von fluye's Buchhdlg. (Emil Bender).
106 S. 8° mit 2 Holzschnitten. Preis 2 Mark.
Die so eben erschienene Abhandlung des um die Kulturgeschichte
Preussens, speciell Ermlands, so hochverdienten Verfassers wird von
Fachmännern verschiedener Wissenschaften mit Freuden begrüsst wer-
den. So rüstig auch und erfolgreich die Geschichte Preussens nach
verschiedenen Eichtungen seit längerer Zeit vielseitig durchforscht ist
(und die Mitglieder des ermländischen historischen Vereins, zu dessen
Vorstand Herr Hipl er gehört, haben auch ihr Schärflein zur Förderung
dieses Zweckes redlich beigetragen), so ist die preussische Kirchen-
geschichte seit dem verdienstvollen Hartknoch im Ganzen vernach-
lässigt worden; eine kirchliche Archäologie, wie solche, ältere und
neuere, aus verschiedenen Theilen Deutschlands existiren, fehlt für
Preussen noch ganz. Ein höchst willkommener Beitrag dazu liegt in
der Abhandlung des Herrn Professor Hipler uns vor, der den Theologen,
besonders den Katecheten jeder christlichen Confession, nicht minder
interessiren wird, als den speciellen Erforscher des preussischen Alter-
thums in Bezug auf die älteste Geschichte, auf die Germanisirung des
Landes, besonders auch in Hinsicht der Sprache.
Wenn auch das Hauptziel der ganzen Abhandlung im Titel deut-
lich vorgezeichnet ist, so genügt derselbe aber nicht, um die Menge
der gewonnenen Resultate im Einzelnen erkennen zu lassen. Desshalb
eben wollen wir einige Einzelnheiten hervorheben.
Auf S. 12 bekommen wir eine merkwürdige urkundliche Nachricht
Dr. Franz Hipler, Christlich« Lehre und Erziehung in Ermland. Jgß
über das Grab des h. Adalbert (d. i. über die Todesstätte des
Apostels der Preussen). Dem Cisterzienser Abte Gottfried von Lakene
(Lekno im Keg. Bez. Bromberg), erstem (Missions-) Bischof in Preussen,
zeigt der Landesfürst 1206 das Grab des h. Martyrs Adalbert, wie
Innocenz III. in einem erst neuerdings herangezogenen Schreiben bezeugt
(Migne, Patr. Lat. t. 225 p. 1009). Diess älteste Zeugniss also weist
auf Pomesanien hin. Wegen des Inhalts von Adalberts Missionspredigt
wird S. 6 auf ein Gedicht bei Dobner (Mon. hist. Boem. II, 45) hin-
gewiesen, welches bald nach Adalberts Tode entstanden und von Capa-
narius aus den Versen in schlechte Prosa gebracht zu sein scheint.
Ueber das Heidenthum der Preussen, besonders aber über deren
Bekehrung zum Ghristenthum erhalten wir vielfache Belehrung und Auf-
klärung. Die Bekehrungen konnten der Natur der Sache nach nur
Massenbekehrungen sein; desshalb war auch die Spendung des Sakra-
ments der Wiedergeburt eine Massentaufe. Hierüber erhalten wir
ein Bild aus der Art und Weise wie 1124 der h. Otto die Pommern
(durch Untertauchen) getauft hat (S. 8). So hat ohne Zweifel vor ihm
auch Adalbert verfahren. Dieses Verfahren des Apostels der Preussen
konnte Otto v. Bamberg, der in Gnesen war, nicht unbekannt sein ; es
war wohl überhaupt dem damaligen kirchlichen Bitus entsprechend.
(In Ermland lässt sich die Infusionstaufe erst im Cromer'schen Bituale
von 1572 nachweisen, wie Hipler S. 31 anführt).
Die Schilderung der Missionspredigt und Taufe und der darauf
nothwendig folgenden christlichen Lehre und Erziehung führt den Ver-
fasser auf eingehende Besprechung der Sprachverhältnisse Preussens,
auf das Verhältniss der preussischen zur deutschen Sprache; wie das
Preussische der Neophyten wegen von der Kirche sorgfältig geschont und
gepflegt ward; desshalb die Forderung in den nächsten Jahrhunderten,
dass in gemischten Gemeinden die Pfarrer beider Idiome mächtig sein
mus8ten; bis die allmählige Germanisirung des Landes diese Forderung
nicht mehr nothwendig sein Hess. Zeugniss für die Schonung der Nationa-
lität und der Sprache der preussischen Bevölkerung, für den sich allmählig
vollziehenden Verschmelzungsprocess der Preussen mit den Deutschen
legen die Diöcesanstatuten und die Satzungen der spätem Synoden ab.
11*
164 Kritiken und Referate.
Das Kapitel III, S. 44 ff. „die katechetischen Hauptstücke* giebt
uns Aufschluss über die Geschichte des mittelalterigen Kate-
chismus. Das IV. Kap. S. 62 ff. „Katechismus und Beichte"
(Beichte gleich Beichtspiegel d. i. Anleitung zur Gewissenserforschung)
bereitet uns in der Besprechung der vom Verf. benutzten königsberger,
pelpliner, wiener und heidelberger Handschriften vor auf die den zweiten
Theil der Abhandlung (von S. 67 bis Ende) bildende Edition der „Beichten
der seligen Dorothea von Montau.8 — Beim Lesen der hier edirten
Stücke können wir eine Ermunterung an die Germanisten nicht unter-
drücken, die mittelalterige Litteratur bei uns immer mehr und eingehen-
der zu berücksichtigen, als es bisher geschohen ist. Stoff bieten unsere
preuss. Bibliotheken und Archive in Fülle dar. Höchst merkwürdig ist
auch auf S. 34—36 der Auszug aus der Pädagogik des Conrad
Bitschin, dessen Werk — eine wahre Riesenarbeit — wohl verdient,
immer mehr durchforscht und verwerthet zu werden. — Aufmerksam-
keit verdient auch der Hinweis auf die Bilderkatechismen in den
Wandgemälden der mittelalterigen Kirchen, wie der Verf. Spuren eines
solchen in Arnau an den Seitenwänden der Kirche gefunden hat, der
gewiss verdiente ganz aufgedeckt zu werden. Wir haben dieselbe Be-
obachtung auch in andern Landkirchen Preussens gemacht, wenn auch
dergleichen Wandgemälde neuern Ursprungs zu sein schienen. Welch"
prächtiges pädagogisches Mittel ist das nicht für den Unterricht und
die Erbauung der einfältigen Christen?
Fragen wir nun, wie wurde von Anfang an in Preussen katechetisch
unterrichtet, oder welches sind die katechetischen Hauptstücke,
so erfahren wir auf S. 49 ff., dass es die uralten der christlichen Kirche
sind. Nämlich 1. Credo, 2. Pater Noster, 3. der Dekalog, 4. die Sakra-
mente. In der Synode von 1442 (bei Jacobson, Quellen des Kirchen-
rechts 1, 130) ist als nothwendige Vorbereitung zur Firmung schon die-
selbe Ordnung angegeben, in der der lutherische Katechismus die
Hauptstücke abhandelt. 1. Decalogus, 2. Articuli fidei (Symbolun)
3. ecclesiastica sacramenta. Auch ist in den bekannten Katechismen
in preussischer Sprache von 1545 und 1561 ein Umstand merkwürdig,
auf den schon Nesselmann „die Sprache der alten Preussen* S. XXX auf-
Dr. Franz Hipler, Christliche Lehre und Erziehung in Er ml and. JßÖ
merksam gemacht, nämlich die Abweichungen der preussischen Ueber-
setzung von dem beigedruckten deutschen Texte. Dem Katechismus
von 1545 fehlt die charakteristische Eigenthümlichkeit des Lutherischen
Katechismustextes : die Doxologie am Schlüsse des Vaterunsers und die
geänderte Eintheilung und Fassung des Dekalogs. In dem Katechismus
von 1561 „der Kleine Katechismus Doctor Martin Luthers Deutsch vnd
Preussisch u. s. w.tf hält sich der preussische Text, wenigstens in den
eigentlichen Gebetsformularen und im Dekalog, regelmässig an die Vul-
gata aus der katholischen Zeit, so dass der beigefugte Text des deut-
schen lutherischen Katechismus oft merkwürdig genug davon abweicht.
Sollten dem Bearbeiter des preuss. Katechismns nicht ältere katholische
Formulare in preussischer Sprache vorgelegen haben, von denen in den
alten Satzungen die Rede ist? denn warum sollte der Bearbeiter, wenn
er neu übersetzte, den lutherischen Text verlassen und den katholischen
zu Grunde gelegt haben?
Die von S. 67 an abgedruckten .Beichten" der „ selige vrowe
Dorothea czu Marienwerdir* lassen tief in das Seelenleben dieser gott-
begnadigten Frau hineinblicken. Der Inhalt ihrer Herzensergiessungen
wird freilich unsere Zeit im allgemeinen fremd berühren und wenig
verständlich sein. Mancher aber wird sich auch heute noch an der
einfachen, edeln und leicht verständlichen Sprache erfreuen und am
Inhalte sich erbauen.
Das S. 67 gegebene Bildniss der sei. Dorothea ist als der älteste
preussische Holzschnitt eine höchst willkommene Beigabe. Diess Denk-
mal der Xylographie ist nur in einem einzigen Exemplare der 1492 in
Marienburg im Druck erschienenen Biographie Dorotheas erhalten, das
sich in der kaiserlichen Bibliothek zu Petersburg befindet.
An die im Vorstehenden besprochene jüngste Arbeit des Herrn
Verfassers schliessen wir noch eine Besprechung einer zweiten, in an-
derer Hinsicht höchst interessanten, ebenfalls im vorigen Jahre erschie-
nenen Abhandlung an;
166 Kritiken und Referate.
Die Chorographie des Joachim Rheticus. Herausgegeben von Prof.
Dr. P. Hipler. Mit einer Pigurentaf. Gedruckt bei B. G.Teubner
in Dresden 1876. Verlag von Huye's Buchhdlg. (Emil Bender)
in Braunsberg. 28 S. gr. 8° Preis 1 Mark.
Diese Abhandlung bespricht in der Einleitung das Verhältniss Rheti-
cus' zu Copernicus, unter dessen Augen gleichsam das hier edirte Werk-
chen von seinem begeisterten Verehrer und besten Schüler entstanden ist.
Die darin hervortretenden Kenntnisse des Bheticus aus der Mathematik
und Physik, namentlich die Kenntniss des Erdmagnetismus, waren
also ohne Zweifel ebenso das Eigenthum des grossen Astronomen. —
In der Einleitung giebt Hipler das Leben des Rheticus (Georg
Joachim von Lauchen) aus Feldkirch im alten Bhätierlande. Rhe-
ticus widmete diese seine Chorographie 1541 dem Herzog Albrecht
von Preussen. Seitdem entwickelte sich zwischen beiden ein sich auf
mathematische und physikalische Fragen beziehender Briefwechsel, der
nach den Originalen oder Copiebüchern des königsberger Staatsarchivs
auf S. 4 flf. mitgetheilt wird. Diese Briefe sind neben der Chorographie
die einzigen deutsch geschriebenen Stücke, die uns von Rheticus (in
ziemlich ausgeprägtem vorarlbergischen Dialekt) erhalten sind.
Aus einem der Briefe erfahren wir, das» Rheticus eine Landkarte
oder Landtafel von Preussen, „ain chorographicam tabulam auff Preussen
vnd etliche vmbliegende lender, " entworfen hat, die er mit einer Wid-
mung im August 1541 dem Herzog Albert übersandte. (Copernikus
selbst arbeitete schon 1529 an einer „Mappa terrarum Prussiae*).
Rheticus' Chorographie befindet sich im Autographon des Verfassers
selbst auf der Königsberger Universitäts- Bibliothek und ist in vorliegen-
der Arbeit zum ersten Male von Hipler edirt. Der Titel lautet:
Chorographia | tewsch. | Durch Georgiü Joachimü Rheticü | Ma-
thematik, vnd der Vniuersitet Vitenberg Pro- | fessorem zwsamenge-
bracht | vnd an den tag geben | MDXLj.
In der Widmung spricht Rheticus von der Wichtigkeit der Geo-
graphie und Chorographie und der Chorographicae tabulae „so
man lands tafflen nennen mocht" für alle Potentaten.
Cap. 1. „Was do seye Geographia vnd Chorographia, vnd durch
Dr. Franz Hipler, die Ghorographie des Joachim Bheticus. 167
wie uilerlai art manChorographicas tabulas machen konde." Das
letztere ist eigentlich der Inhalt des ganzen Werkchens, wie man Land-
tafeln zu verfertigen hat. Die folgenden Kapitel geben die ver-
schiedenen (vier) Arten und Weisen der Anfertigung von Landkarten
an: zuerst durch Bestimmung der Länge und Breite eines Ortes, welche
Weise man den Mathematikern lassen muss; die übrigen Methoden
kann jeder verständige Mann gebrauchen. „Die erst bedarff nicht mehr
als ain itinerarium des landes, das ist wie vil meilen es von einer stat
zw der andren seye vnd wie weit ain ort auff das gerichtist von dem
andern lige. — Die ander weiss geht zw durch ain Instrument oder
Compas so sunderlich darzw verordnet vnd gemacht wurt. — Zwm
dritten sindt die Chorographicae tabulae auch zw machen auff dass
ainfeltigist, durch die strich des Compas sampt dem Itinerario, vnd
durch disse weiss werden die sehe oder Compas Charten gemacht." —
Nun geht er kapitelweise jede Art und Weise besonders durch. Geo-
metrische Figuren sind zur Erklärung in den Text beigezeichnet (auf
der lithogr. Figurentafel unserer Edition beigelegt). — Cap. V handelt:
„Wie man die mittag linien auf ainer ligenden ebne finden solle." —
Am interessantesten erscheint uns Cap. VI. „Wie man die Magneten
probieren vnd die schippercompas recht machen solle." Hier giebt er
interessante historische Notizen und theilt als Erfahrung mit, dass er
einen Magneten in ein entsprechend grosses hölzern Schüsselchen ge-
legt und dann das Schusselchen in einen Eimer Wasser gesetzt habe. „So
befinde ich ain sehr schon spectakel der natur, dan er wendet sich vnd
schussel vmerdaren so lang herumb biss des stains nord kand in nord
sthet vnd swder kand in swd u. s. w." Nun zeigt er, wie nach auf-
gefundener Nordkant mit gewissen Instrumenten die Tafel entworfen und
gerissen wird. Zum Schluss weist er auf die weitern Kräfte und Tugen-
den des Magneten hin; er wundert sich, dass man «zw vnsrenzeitten"
nicht weiter sucht, „dieweilman doch sieht, dass alwegenGott der herre
ainem Ding mehr alss nur ain tugend vnd aigenschafft mittailet."
Ißg Kritiken und Referate«
Der Verein für hansische Geschichte und die Bedeutung seiner
Publicationen für die Provinz Prenssen.
Am 24. Mai 1870 fand in Stralsund eine Gedächtnissfeier des vor
500 Jahren daselbst abgeschlossenen Friedens zwischen der Hansa und
Dänemark statt, bei welcher sich auf die Einladung der rügisch-pommer-
schen Abtheilung der Gesellschaft für pommersche Geschichte auch
Vertreter der 3 hansischen Localvereine eingefunden hatten. Man be-
schloss in Stralsund einen dauernden Verein zu gründen für hansische
Geschichte und Publication ihrer Quellen. Zu Pfingsten im nächsten
Jahr trat der Gedanke ins Leben, unter hauptsächlichster Mitwirkung
von Professor Waitz aus Göttingen ward der Verein constituirt, ein
fester Plan entworfen unda der Weg zur Erlangung der nöthigen Geld-
mittel ins Auge gefasst.
Seit 5 Jahren ist nun der hansische Geschichts- Verein in die
Reihe der deutschen historischen Gesellschaften eingetreten, aber schnell
hat er sie sämmtlich überflügelt. Auf breiter Grundlage, wie einst
der alte Städtebund selbst, sich erhebend, umfasst er die meisten Mit-
glieder des Hansabundes von der Scheide bis zum finnischen Meer-
busen, 44 Städte und 259 Mitglieder weist der letzte (gedruckte) Jahres-
bericht von 1874 auf; reiche Mittel stehen dem Verein zu Gebote,
bedeutendere, als sie sonst in Deutschland historische Provincial-Ver-
eine zu besitzen pflegen, aber weit über die Grenzen eines Territoriums
hinaus erstreckt sich die Bedeutung seiner Arbeiten, von Holland bis
Ehstland ist keine deutsche Landschaft, deren Geschichte aus den Publi-
cationen des hansischen Geschichts- Vereins nicht werthvolle Bereiche-
rung, sei es durch Erschliessung neuen Stoffes, sei es durch kritische
Beleuchtung des bereits Bekannten, gewonnen habe. Nicht in letzter
Linie steht in dieser Beziehung die Provinz Preussen; im Mittelalter
ein hervorragendes Glied des Bundes, hat sie jetzt ganz besonders
Grund dem Verein für seine Thätigkeit dankbar zu sein und ihn in
derselben zu unterstützen.
Die bisher von dem hansischen Geschichtsverein veröffentlichten
Schriften zerfallen in 3 Abtheilungen, eine jährlich erscheinende Zeit-
Der Verein für hansische Geschieht«. Jg9
schrift „Hansische Geschichtsblätter/ von der bis jetzt 4 Bände (von
14 — 20 Bogen) vorliegen; in ihnen tritt neben der allgemein hansischen
Geschichte die der westlichen Bundesglieder in den Vordergrund, Ham-
burg, Bremen und Lübeck liefern den meisten Stoff, wie ja auch in
diesen Städten der Verein die meisten Mitglieder (voran steht Bremen)
zählt. Unsere Provinz ist in den hansischen Geschichtsblättern durch
2 Recensionen Karl Koppmanns über Töppens Elbinger Antiquitäten
(1873 p. 219—224) und desselben Acten der Ständetage Preussens
(1874 p. 173—178) vertreten; in der letzteren werden Vorzüge und
Mängel mit gleicher Billigkeit gewürdigt; von grosser Bedeutung ist
im Jahrgang von 1872 p. XXVII der Reisebericht der drei „Sende-
boten* des Geschichts Vereins Koppmann, Höhlbaum und von der Bopp,
in dem sich sehr werthvolle Nachrichten über die Archive von Danzig
und Königsberg finden.
Auch die zweite Klasse der Publicationen, die «Hansischen Ge-
schichtsquellen/ bietet bisher nichts unsere Provinz direct berührendes.
Sie enthalten in Band I das Verfestungsbuch der Stadt Stralsund, her-
ausgegeben von dem Stralsunder Bürgermeister Otto Francke und mit
einer rechtshistorischen Einleitung von Professor Frensdorff in Göttingen
versehen, in Band II die Bathslinie der Stadt Wismar von Friedrich
Crull, beide Veröffentlichungen haben einen mehr localen Gharacter,
die erste enthält auch einen werthvollen Beitrag zur Kenntniss des
lübischen Strafrechts im Mittelalter.
Von ganz anderem Werthe sind dagegen die beiden grossen Edi-
tionsarbeiten, welche der Verein als seine Hauptaufgabe ansieht, die
Sammlung des urkundlichen Materials der hansischen Geschichte, das
hansische Urkundenbuch und die Hanserecesse seit 1430. Von beiden
sind kurz nach einander die ersten Bände erschienen, auf die wir hier
unser Augenmerk zu richten haben, da beide für unsere Provincial-
Geschichte von der grössten Bedeutung sind.
Das hansische urkundenbuch, herausgegeben von Kostantin Höhl-
baum, ') ist bestimmt die ältere Sammlung, welche Sartorius-Lappen-
f) Der Name wird den Lesern dieser Zeitschrift nicht unbekannt sein, vgl.
IX. 165, 472, X. 499.
170 Kritiken und Referat«,
berg im 2. Bande der urkundlichen Geschichte der Hansa 1830 ge-
geben haben, zu ersetzen. Auf breiterer Grundlage angelegt, verwerthet
Höhlbaum's Werk in vollem Maasse die Erfahrungen und Fortschritte,
welche in dem seit 1830 verflossenen Menschenalter die historische
Editionsmethode gemacht hat; es ist durchaus nach modernen Editions-
principien angelegt, zieht seine Grenzen bedeutend weiter, als seine
Vorgänger, da es nicht nur die Urkunden des Bundes, sondern auch
die der einzelnen Glieder, soweit sie für hansische Interessen in Be-
tracht kommen, berücksichtigt; zumal im ersten Bande, der im Wesent-
lichen sich mit der Vorgeschichte des Bundes (er reicht bis 1300) be-
schäftigt, treten die einzelnen Communen sehr in den Vordergrund.
Nicht alle Stücke hat der Herausgeber wieder vollständig abgedruckt,
die meisten der bereits publicierten finden sich hier nur in Kegesten-
form. An absolut neuem, bisher unbekanntem Material ist der Band
nicht reich, Wohl aber hat er alles vereinigt, was auf dem Gebiete und
für den Zeitraum, die er umfasst, ans Licht getreten ist und ist jeder
einzelnen Urkunde bis an ihre reinste Quelle nachgegangen.
Preussen hat im 13. Jahrhundert im Hansabund nur eine be-
scheidene Bolle gespielt: erst am Ende des Jahrhunderts beginnen seine
Städte sich zu fühlen und unter einander wie mit anderen sich zu-
sammen zu schliessen. Dennoch ist Preussen unter den 1376 Nrn. des
vorliegenden ersten Bandes mit 60 vertreten ; die Reihe eröffnet n. 260
ein Regest aus der Kühner Handfeste, dann folgt n. 272 eine Zoll-
ermässigung Swantepolks für Lübeck und alle Kaufleute, die (sie ist
undatirt) der neueste Herausgeber zwischen 1235 und 1240 setzt.
N. 291 bietet zum ersten Mal einen lesbaren und correcten Text der
polnischen Zollrolle von 1238 für das Ordensland, die bisher nur bei
Dogiel IV. n. 19 abgedruckt war, aus dem Original im Königsberger
Archiv, besonders die Zeugenreihe erscheint jetzt verbessert, denn Dogiel
las nobiles magistri statt n. nostri, Milesa, Hebora castellanus in Ozyowe,
castellanus in Oberyz Zbilut statt Milesa castellanus in Ozcrowe
(Ostrow erklärt H. im Register Seite 500), Nebora castellanus in
Oberiz, Sbilut. Dagegen liest auch Höhlbaum vor den ersten Zeugen-
namen: Harum institutionum testes sunt hü fratres ordinis predicti;
Der Verein für hansische Geschieht«. J71
Jazco etc., wofür Eef. Preussische Eegesten n. 160 ordinis predicatorum
vorgeschlagen hatte; in dem Königsberger Original steht, nach einer
gütigen Mittheilung des Herrn Archivsecretairs Dr. Sattler pdic, was
allerdings mit predicti aufzulösen ist, aber auch wohl predicatorum
gelesen werden kann. Unter n. 293 u. 294 werden die beiden zu-
sammengehörigen Urkunden Otto's von Braunschweig und Johanns von
Holstein vom 21. Dec. 1239 im Hegest angeführt, in denen der Preussen-
fahrt des ersteren Erwähnung gethan wird, unter n. 296 finden wir die
älteste Erwähnung der Bewidmung Elbings mit lübischem Recht von
1240; n. 300 verzeichnet eine abermalige Zollherabsetzung Swantepolks
für Lübeck aus derselben Zeit. Aus den Jahren 1242 und 43 registrirt
Höhlbaum n. 326 — 328 die Verträge Heinrichs von Wida mit Eonrad
von Masovien vom 1. Oct. und mit Lübeck vom 31. Dec. 1242, sowie
die polnische Zollrolle für Preussen vom 22. März 1243, zu 1246 bringt
er unter n. 343 den zweiten Vertrag des Ordens mit Lübeck vom
10. März ; 358 enthält wieder eine Vergünstigung Swantepolks für die
Schifffahrt vom 30. Jan. 1248, n. 397 das Zoll-Privileg Jaromars von
Rügen für Elbing (1249— -60). Unter n. 414 wird die zweite Kulmer
Handfeste excerpirt, in n. 425 und 437 treffen wir die beiden Urkunden
Bischof Thedwards von Samland vom April und Juni 1252; bei der
ersten ist im Regest feria quinta mit Donnerstag statt Freitag über-
setzt, bei der zweiten Swantepolk III. in S. II zu verbessern, zwischen
beide fallt noch n. 430, die Zollbefreiung Sambors für Kulm vom
30. April 1252; n. 461 und 462 bringen Regesten der Aufhebung des
Strandrechts durch Swantepolk (wieder III statt II) und Mestwin, sowie
des als falsch bezeichneten Handelsprivilegs Mindowe's für Riga, aus-
gestellt am Tage seiner Krönung durch Heidenreich von Kulm. Nicht
ganz correct ist das Regest von n. 474, der Uebersendung des Dort-
munder Rechts an Memel, da dieselbe nicht an die Stadt selbst, son-
dern an den Livländischen Landmeister und den Bischof von Kurland
gerichtet ist. In 481 wird wieder eine Zollfreiheit Elbings, diesmal
von Sambor von Pommerellen, notirt (von 1255 Mai 16), während 490
die Aufhebung des Strandrechts durch Erzbischof Albert vom Juni 1256
bringt und in 545 das Fundationsprivileg von Dirschau (von 1260) an-
X72 Kritiken and Keter«t«.
geführt wird (n. 4 erwähnt die Verleihung des Thorner Kaufhauses
durch Gerhard [im Register S. 516 steht Georg] von Hirzberg vom
April 1259). 587 enthält die Aufzeichnung des lübischen Rechts für
Danzig von 1263, doch war die Sigle S. (illustris domini S. ducis Pome-
ranorum (Hach, d. alte Lübische Recht S. 185) nach Frensdorffs Vor-
gang (das Lübische Recht nach seinen ältesten Formen S. 13 Anm.)
mit Swantopolk statt, wie Höhlbaum es gathan, mit Sambor aufzulösen.
Unter 588 wird der grosse Schiedsspruch vom 19. Febr. 1263
zwischen dem Orden und Kasimir von Cujavien wegen seiner Zoller-
leichterungen, unter 591 eine erneute Aufhebung des Strandrechts durch
Swantopolc vom 25. April 1263 (mit dem obigen Fehler) im Auszuge
mitgetheilt. 643 u. 654 enthalten Privilegien Wartislaw's IL von Pom-
merellen für Lübeck von 1267 und 1268, 708 u. 9 die Zollbefreiung
der Lübecker in Danzig durch die Brandenburger Markgrafen von 1272.
Die erste, wenn auch nicht ungedruckte, so doch bisher in Preussen
unberücksichtigte Urkunde tritt uns in n. 746, einer Greifswalder Zoll-
rolle von c. 1275 entgegen, in welcher bei einer Befreiung auch Uli
de Elvinge erwähnt werden. 751, 54 u. 58 bringen Strandrechtsauf-
hebungen der Rigaer Erzbischöfe und das Privileg Rudolfs von Habs-
burg für die Lübecker in Preussen in Livland von 1275. An eine un-
richtige Stelle ist n. 841, das Fundationsprivileg Braunsberg's gerathen,
indem der Herausgeber das Datum Millesimo ducentesimo octuagesimo
quarto Kalendas aprilis mit 29. März 1280 auflöst, während, wie Bender
in der Ermländischen Zeitschrift V, 291 nachweist, es nur 1284 1. April
heissen kann, da Bischof Heinrich Fleming erst im Juli 1282 seine
Diöcese betrat. In 864 erhalten wir die erste Verbindung einer preussi-
schen Stadt mit der Hansa, es ist Thorn, das am 21. Sept. 1280 sein
Bedauern ausspricht sich den Beschlüssen des deutschen Kaufmanns
in Flandern anschliessen zu wollen. Von nun an mehren sich die Zeug-
nisse der Betheiligung Preussens am Bunde, in n. 970 erhält neben
anderen Städten auch Elbing ein Privileg Erichs von Norwegen; n. 1003
führt wieder eine polnische Handelsvergünstigung für Thorn und Kulm
an (vom 18. Mai 1286), in 1106 erhalten wir einen vollständigen Ab-
druck der Elbinger Klageschrift von c. 1293 (im Ermländischen Ur-
Der Verein für hansische Geschichte. 273
kundenbuch I, n. 87 ist sie zu c. 1290 gestellt), auf welche im selben
Jahre Herzog Mestwin die Elbinger von Zoll und Strandrecht befreite
(n. 1107). Neu und wichtig ist n. 1119: der Hochmeister Konrad von
Feuchtwangen bittet König Eduard I. von England den Bürgern Ger-
hard von Hattingen und Konrad von dem Stege aus Preussen Ersatz
zu verschaffen, welche ohne alle Ursache und wider das Recht in Eng-
land ihrer Waaren im Werth von etwa 500 Mark Sterlingen beraubt
sind, Thorn 4. Aug. o. J. Höhlbaum reiht diese Urkunde, deren Original
sich im Tower befindet und von der er leider den vollständigen Text
nicht geben kann, zum Jahre 1293 ein, doch gehört sie wahrscheinlich
ins Jahr 1295; der Hochmeister war in Preussen bisher nur vom 31. Jan.
bis 14. Mai 1296 nachweisbar (Voigt, Gesch. IV, 120, n. 1, Perlbach,
Preuss. Reg. n. 1167), zum 5. Juli verzeichnet das Graudenzer Exem-
plar der Ordensstatuten auf der Königsberger Bibliothek Msc. 1861
seinen Tod (in, Non. Jul. magister generalis frater Chumfadus] de
Wanchtenwang obiit in provincia Bohemie in domo Troboiz), der nur
ins Jahr 1296 fallen kann, da schon am 3. Mai 1297 sein Nachfolger
Gotfried von Hohenlohe gewählt wird (Hennig, Ordensstatuten 120);
es bleibt daher für die Urkunde vom 4. Aug. nur das Jahr 1295. Die
beiden geschädigten Kaufleute Gerhard von Hattingen und Konrad von
dem Stege dürften aus Elbing stammen, sie lassen sich zwar unter den
uns bekannten Elbinger Bürgern des 13. Jahrhunderts (Perlbach, Preuss.
Regesten S. 359) nicht nachweisen, doch klingt einmal Hattingen stark
an den Elbinger Bürgernamen Hatnick (Cod. Warm. I, n. 118, 124, 155)
aus den Jahren 1284—93 an, dann war Elbing im 13. Jahrhundert
von den preussischen Seestädten am meisten entwickelt und hatte end-
lich den Engländern Veranlassung zu Repressalien gegeben, da die
Elbinger neben den übrigen Hansestädten sich die Verwendung ihrer
Schiffe durch die Franzosen im Kriege gegen England hatten gefallen
lassen, n. 1173 und 1175; Höhlbaum setzt die hierauf bezüglichen Ur-
kunden, welche das Datum die cinerum u. dominica ante mediam qua-
dragesimam 1294 tragen, mit Rücksicht auf den französischen Jahres-
anfang ins Jahr 1295. Im Verkehr mit Dänemark zeigt uns n. 1157
das Ordensland Preussen, in 1180 sehen wir die erste bekannte Tagfahrt
174 Kritiken and Referate.
der preussischen Städte, die Höhlbaum mit Recht (gegen Toppen) nach
Elbing und auf den 3. April (in die pasche o. J.) 1295 verlegt. Unter
n. 1176 u. 90 werden die Beitrittserklärungen Danzigs und Elbings
zum hansischen Beschluss über die Appellation von Nowgorod nach
Lübeck registrirt, n. 1188 enthält ein Strandrechtsprivileg des Bigischen
Erzbichofs von 1295, n. 1159 und 1267 die Privilegien Przemislaw's und
Wladislaw's von Ostpommern für Elbing von 1294 und 1298, n. 1287,
88, 1801, 1310, 1311, 1318—20 bringen ostpommerische Privilegien für
Lübeck; dass n. 1331, eine Entschuldigung Harderwyks bei Lübeck und
den preussischen Städten, ins Jahr 1369 gehört, ist in den Berichti-
gungen S. 524 (vgl. Götting. gelehrte Anzeigen 1876. S. 990) nachge-
tragen, n. 1361 bringt einen undatirten Brief Elbings an Osnabrück
über die Gefangenschaft des Elbinger Bürgers Conrad Slaginduwel, der,
vollständig abgedruckt, bisher unbekannt war.
Bietet der erste Band des Hansischen Urkundenbuchs bei dem Be-
ginn der Verbindung zwischen Preussen und der Hansa für unsere
Provinzialgeschichte nicht viel neuen Materials, so bringt uns dagegen
die zweite grosse Publication des hansischen Geschichtsvereins, die
Becesse, fast allein Inedita. Die zweite Abtheilung der Becesse, welche
der Verein übernommen hat, beginnt mit dem Jahre 1431 und knüpft
so an die von der Münchener historischen Commission durch K. Kopp-
mann herausgegebene erste, von der bisher 3 Bände bis 1390 vorliegen,
an: der erschienene erste Band, herausgegeben von Dr. G. v. d. Kopp,
umfasst den kurzen Zeitraum vom 10. Januar 1431 bis zum Sept. 1436;
die Zeit der hansischen Kämpfe mit dem Unionskönig Erich von Pom-
mern, für Preussen die trostlosen Jahre Pauls von Bussdorf, des Hussi-
tensturms und der ewigen Streitigkeiten mit Polen. Die neue Samm-
lung schliesst sich nach Editionsmethode und Einrichtung ganz genau
der älteren Koppmanns an. Wie stark Preussen an derselben bethei-
ligt ist, ergiebt sich schon aus dem Umstände, dass unter den 97 Hanse-
tagen, deren Becesse hier abgedruckt sind, 36 in Preussen abgehaltene
sich befinden. Demgemäss nehmen auch unter den archivalischen
Quellen die preussischen eine hervorragende Stelle ein, die Danziger
iBecesshandschrift A (1415—50) lieferte (p. XXI ff. der Einleitung)
Der Verein Ar hansische Geschichte. 275
43 Nummern, ausserdem fanden sich inDauzig noch 26 einzelne Becesse
und 142 Briefe und Berichte, 60 einzelne Urkunden ergab das Königs-
berger Stadtarchiv.
Eine besondere Schwierigkeit erwuchs dem Herausgeber bei der
Behandlung der preussischen Städtetage aus dem Umstände, dass auf
ihnen Gegenstände rein territorialer Natur, wie das wechselnde Ver-
bältniss Preussens zu Polen, die Politik der Stände gegen den Orden
neben hansischen Interessen und untermischt mit solchen zur Sprache
kamen. Mit grossem Geschick hat es Dr. v. d. Bopp verstanden, diese
Klippe zu vermeiden, indem er die nicht hansischen Artikel nur in
Regestenform, die hansischen vollständig zum Abdrucke brachte: uns
scheint dieses Verfahren demjenigen vorzuziehen, welches bei der Her-
ausgabe der preussischen Ständeacten durch den Verein für die Ge-
schichte der Provinz Preussen eingeschlagen wurde, der Auslassung
der fremdartigen (also hier der hansischen) Artikel.
Da es seit Voigts 7. Bande, der im Jahre 1836 erschien, an einer
politischen Geschichte dieser Zeit für Preussen fehlt, lässt sich das
neue Material, das durch den vorliegenden Band unserer Provincial-
geschichte zugeführt, nur schwer übersehen. Wenn einst für das löte
Jahrhundert der Vorrath preussischer Urkunden zugänglich sein wird,
werden die Prussica der Hansarecesse erst ihre wahre Würdigung er-
fahren können. Eine sehr erhebliche Erleichterung für die Ausgabe
der „Acten der Ständetage Preussens, B die bisher bis zum Jahre 1421
gediehen sind, enthält dieser Band sicherlich und wird dem Heraus-
geber derselben nicht minder willkommen sein, wie die 3 Bände der
ersten Abtheilung.
Aus dem angeführten ergiebt sich zur Genüge, dass die beiden
grossen Arbeiten des hansischen Geschichtsvereins, deren rüstiger Fort-
gang dringend zu wünschen ist, auch für die Geschichte der Provinz
Preussen von hervorragender Bedeutung sind. Der Verein verdient da-
her die volle Theilnahme und Anerkennung, die er im Gebiet der drei
Hansastädte, Mecklenburgs und Livlands bereits gefunden hat, auch
bei uns: denn Preussen steht vorläufig noch in der Reihe der Land-
schaften, die sich für den Verein und seine Bestrebungen interessiren,
176 Kritiken «od Referate.
weit zurück, nur 5 Mitglieder nennt das Mitgliederverzeichniss von 1874
zwischen Weichsel und Niemen: erfreulich ist dagegen, dass 4 preussische
Hansastädte den Verein unterstützen (ib. LX), zu denen, wenn wir recht
berichtet sind, im vergangenen Jahre auch Königsberg getreten ist.
Ausser von Braunsberg und Memel ist von den übrigen Städten der
Provinz der Beitritt wohl kaum zu verlangen.
Alljährlich zu Pfingsten hält der Verein an wechselnden Orten eine
General- Versammlung: 1872 tagte er in Lübeck, im folgenden Jahre
vereint mit dem Harz- Verein in Braunschweig, 1874 versammelten sich
seine Mitglieder in Bremen, 1875 in Hamburg, das vergangene Jahr sah
die „Hanseaten11 in Köln und für das laufende Jahr ist, wie wir hören,
Stralsund in Aussicht genommen. Möge der Verein seine Blicke auch
einmal nach Preussen richten: eine Sitzung des hansischen Geschichte-
Vereins in Danzig würde sicherlich nicht ohne befruchtende Wirkung
für historisches Interesse in unserer Provinz bleiben und dem Verein
selbst bei uns neue Mitglieder, wie unseren heimischen Bestrebungen
neue Anregung zuführen. Beides aber ist gleich dringend zu wünschen.
M. P.
Altarthuttsgtsellschaft Prussia,
In der Sitzung am 20. Oktober kam das Resultat der fast dreiwöchentlichen
Ausgrabungen des cand. med. Hennig, welche derselbe auf dem Ontsterritormin
von Löbertshof, Er. Labiau, zum Theil im Mai, zum Theil im August vorgenommen
hatte, zur Vorlage und zum Vortrag. Der freundlichen Einladung des Besitzers,
Lieutenant Biebensahm auf Löbertshof, und der angestrengten Arbeit des cand.
med. Hennig war es zu danken, dass mehr als 800 Nummern von Alterthümern, die
als Gesammtfund und durch die gründliche Beobachtung der Umstände, unter denen
sie aufgedeckt wurden, einen um so hohem Werth haben, zu den Sammlungen der
Gesellschaft gekommen sind. Auf einem Grandlager, das circa 135 Ruthen sich ans
der flachen Labiauer Niederung bis 14 Fnss an der höchsten Stelle erhebt, hat cand,
med. Hennig ungefähr 18 D-Buthen durchgraben, nahe der Stelle, auf welcher die
Trümmer einer alten Windmühle und der markirte Stein für die Generalstabskarte
sich befinden. Dieser Platz ist schon in der Zeit der Leichenverbrennung benutzt
worden. Dafür sprechen kalcinirte Knochen und Knochenstückchen, mit denen der
Grandboden durchweg gemischt war, ebenfalls auch ein früher gefundener Stein«
Altertbumsgesellschaft Prussia. 277
hammer und ein gebrochenes Pferdegebiss mit bronzenen Ringen (vgl. Schriften der
phys.-ökon. Ges. Jahrg. 1876, Taf. II, pag. 54). In diesem Grandlager sind aber
muldenartige Vertiefungen schwarzer Erde bis 5 Fass tief gefunden worden, deren
Ränder sich bisweilen nur schwach markirten. In ihnen lagen sowohl Alterthümer,
regellos verstreut, als auch mit Sorgfalt bestattete Skelette von Menschen und
Pferden. Nur ein Pferde-Skelett wurde 12 Fuss tief in der reinen Kiesschicht ge-
fanden. Besonders auffallend war es dem Untersuchenden, dass er die Menschen-
skelette, mit Ausschluss von einem, ohne Beigaben fand, die der Pferde reich ausge-
stattet mit Schnallen, Trensen, Sporen von Eisen, einige auch mit Verzierung von
Bronze und Knochen. Die Aufgrabung konnte im Ganzen leicht vollzogen werden,
weil sich keine Steinpflasterung, sondern nur hin und wieder einige sogenannte Kopf-
steine ohne Begelinässigkeit fanden. Die Zahl der jetzt aufgenommenen mensch-
lichen Skelette betrug 19, doch sind schon bei frühern zufälligen Grabungen viel-
leicht eben so viele, ohne dass man ihre Lage beobachtete, zu Tage gekommen.
Auf der Ostseite des Hügels ist ihre Buhestätte, an dem westlichen Abhang die
Fundgrube für Pferdeskelette. Niemals lag ein Menschenskelett über dem andern,
die meisten in einer Tiefe Ton drei Fuss, einige von 5 Fuss. 17 derselben waren
mit den Füssen noch Südosten, mit dem Kopfe nach Nordwesten gelagert, zwei mit
den Füssen nach Südwesten und dem Kopfe nach Nordosten. Sie lagen alle auf
dem Kücken lang ausgestreckt, die Unterarme über der Brust gekreuzt und zwar
stete die linken 'Handwurzelknochen unter den Knochen des rechten Vorderarms.
Unter vier Menschengerippen lagen 1 — iy2Fuss tiefer je ein Pferdeskelett und zwar
im rechten Winkel zum Menschenskelett, mit dem Schädel nach Südwesten, dem
Steiss nach Nordosten. — Die bei einem einzigen Skelett gefundenen Alterthümer
bestanden in einer silbernen Münze und einem kleinen eisernen Messer. Die Münze
lag auf den Knochen des Unterleibes und gehört nach Professor Nesselmann dem
8. Jahrhundert n. Ch. an oder dem 2. Jahrhundert muhamedanischer Zeitrechnung.
Auf dem Avers steht in arabischer Sprache: »Es ist kein Gott ausser Allah, dem
Einzigen, der nicht Seinesgleichen hat.* Die Bandumschrift, welche den Namen der
Stadt» wo sie geprägt ist und die Jahreszahl in Buchstaben enthält, kann wegen
zweimaliger Durchlochung zum Durchziehen eines Bandes nicht gelesen werden.
Leider hat auf dem Bevers der Kost den Namen des Califen unter den Worten:
»Mohamed ist der Gesandte Gottes,* ebenfalls zerstört. — Nicht dieselbe Regel-
massigkeit wie bei Bestattung der Menschen findet sich bei der der Pferde, wohl
möglich, dass die heidnischen Preussen dieselbe Sitte vor dem Begräbniss ihrer Pferde
hatten, von der in späterer Zeit Peter Dusburg anno 1326 bei denLittauern erzählt.
Sie hätten ihre Pferde vor der Verbrennung so lange abgetrieben, bis sie nicht mehr
auf ihren Füssen stehen konnten. Von den durch cand. med. Hennig ausgegrabenen
27 Pferdeskeletten, von denen einige nur l!/2 Fuss tief gefunden wurden, lagen 21
auf dem Bauch mit untergeschlagenen Füssen, die ein wenig seitlich fortgestreckt
Altpr. MonaUsohrift Bd. XIV. HfU 1 u. 2. 12
178 Kritiken and Referate.
waren, den Kopf dicht an den Hals gezogen, 5 mit der rechten Seite anfliegend und
lang aasgestreckten Füssen. Nar ein Skelett lag auf dem Rücken mit nach oben
gerichteten Füssen. — Der Reichthara von Alterthümcrn, der, wie gesagt, 800 Num-
raern umfasst, enthält allein 608 Gegenstände zur Aasrüstung des Pferdes. -- Za
dem oben erwähnten eisernen Pferdegebiss, aus zwei Stücken bestehend, die an ihren
Enden durch bronzene Ringe verziert sind, ist zu bemerken, dass ein eben solches
bei Tengen, Kr. Heiligenbeil, unter deutlichen Spuren von Leichenbrand, noch in
den Zähnen eines Pferdes gefunden ist. Das kostbarste Gebiss von allen, in seinem
Mundstüok und Ringen aus Eisen gearbeitet, ist statt mit eisernen Querstangen, mit
schön geschnitzten Knochenstäben versehen. (Vgl. Liadenschmit: Aus unserer heidni-
schen Vorzeit Bd. II, Hft. 10, Taf. 5, Fig. 5 zum Vergleich der Ringe, in denen die
Querstangen aus Knochen sitzen.) Ferner befinden sich unter den 88 eisernen Pferde-
gebissen drei seltene Exemplare, weil sie ohne Bruch noch Querstange sind; die
übrigen muss man sämmtüch »gebrochen4 nennen, einige einmal, andere zweimal.
Unter letzteren erregen zwei Exemplare wegen ihrer Reparaturen Aufmerksamkeit. —
Von den 290 Steigbügeln sind 50 mit keinem besondern Loch zum Dutchziehen des
Riemens versehen. Für 3 Exemplare vergl. Montelius antiquite's sue'doises tom. 2,
fig. 523 — 3. Periode des Eisenalters, 3 Stück sind jener Abbildung ähnlich, nur
niedriger und breiter, für 2 Exemplare vergl. Baehr: Gräber der Liven Taf. XVI,
Fig. 8. — Wie ein Theil der Pferdegebisse und Steigbügel an den Pferdeskeletten
gefunden wurde, so auch einige von den ausgegrabenen 72 eisernen Schnallen, die
entweder rechteckig sind, oder die Form eines Kreises oder Halbkreises haben. —
Ferner dienten zum Schmuck der Pferde Glocken aus Eisenblech, wie sie heutigen
Tages von den Kühen getragen werden. Von 14 sind nur Fragmente voihanden,
13 haben einen kegelförmigen, eine einen cylinderischen Mantel. — Die Sporne sind
einfachster Form: der Dorn sitzt an einem durchschnittlich 20 mm. langen Halse,
•welcher fast noch in der Fläche des Bügels liegt und wenig schräge aufgesetzt ist.
An einzelnen Spornen (im Ganzen 36 gefunden) sind noch die Enden des Bügels er-
halten, so dass in ihnen die schlitzenartigen Oeffhungen zum Durchziehen des Riemens
gesehen werden können. — Der selten schöne Bronzeschmuck, welchen cand. med.
Hennig an dem 12 Fuss tief in der Kiesschicht gelegenen Pferdeskelett fand, wurde
noch nicht vorgelegt und ebensowenig eine Beschreibung der gefundenen Skelette von
Pferden und Menschen gegeben, weil ausser den 511 Gegenständen, die zur Aus-
rüstung der Pferde dienten, noch 70 Waffenstücke, 66 Geräthe und 90 Schmuck-
gegenstande vorgezeigt wurden. — Der Fundort der zuletzt rubricirten 2*26 Alter-
thümer ist die sogenannte Kulturschicht in den muldenartigen Vertiefungen des
Grandlagers, nur ein kleines Messer aus Eisen lag an der Seite des Skeletts, auf
dem die arabische Silbermünze gefunden wurde. — Von den hier gefundenen 11 Schwer-
tern, zu denen auch die vorher von Lieutenant Riebensahm der Gesellschaft ge-
schenkten zugefügt waren, sind 6 einschneidige messerartige Kurzschwerter, Scrama-
Alterthumsgesellschaft Prussia. J79
saxe, vergl. Lindenschmit: Aas unserer heidnischen Vorzeit, Bd. I, Heft 7, Taf. 6,
Flg. 1, bei 4 derselben bildet der Bücken eine gerade Linie, eine seltenere Art, bei
2 läuft der Rücken in darr unteren Hälfte nach der Spitze zu der Schneide entgegen
(vergl. 8chriften der physikal .-Ökonom. Geaellsch., Jahrg. 1876, Taf. I, Fig. f>). Zwei
dieser Scramasaxe sind verbogen, drei zeigen noch deutlich die verzierende Hohlkehle.
5 Schwerter sind zweischneidig, vergl. Montelius antiquitäs su6doises fig. 508 und
gehören der dritten Periode des Eisenalters an, wie sie in Schweden gerechnet wird,
vergl. auch Bahr, Gräber der Liven, Taf. 18, Fig. 3 wegen des Knaufe und wegen
der sogenannten Blutrinne. Von den 46 Speerspitzen ist ersichtlich, dass sie den
späteren Jahrhunderten der heidnischen Zeit angehört haben, weil keine eine Rippe
oder einen Grat, sondern nur eine hervortretende Linie an der dicksten Stelle der
lütte der Blattklinge zeigt. Für 19 Speerspitzen vgl. Lindenschmidt, Bd. I, Heft 1,
Taf. 6, Fig. 26 u. 28, für 6 Speerspitzen mit blattförmiger Klinge Lindenschmit,
Bd. I, Taf. 6. Fig 27 u. Bd. U, Heft 9, Taf. 5, Fig. 2, 3, 6. Für 3 rhombische
Speerspitzen vergl. Lindenschmidt, Bd. I, Heft 1, Taf. 6, No. 21, für 9 Speerspitzen
Lindenschmidt, Bd. I, Heft I, Taf. 6, Fig. 24, für 2 harpunenartige Speerspitzen mit
3 Widerhaken vgl. Bahr, Gräber der liven, Taf. XVIII, Fig. 8 u. Fig. 10, für 7 mit
gewundenem Stiel und einem Widerhaken Bahr, Taf. XVIII, Kg. 9. — Die beiden
Giadbeile aus Eisen erinnern, das grosse an Lindenschmidt» Bd. I, Heft 2, Taf. 7,
Fig. 14, das kleinere an Lindenschmidt, Bd. 1, Heft 2, Taf. 7, Fig. 8, nur sind die
Schneide und die Fortsätze am Bahnende länger. — Ueberreste von Schwertscheiden
sind nicht gefunden, nur zwei Ortbände, die Endstücke der Schwertscheiden, beide
aus Bronze. — Von den 59 kleinen eisernen Messern haben 3 die Form kleiner
Rasiermesser, 10 die der bei Lindenschmidt Bd. I, Heft 8, Taf. 4, Fig. 1 abgebilde-
ten bronzenen Messer, 14 Stück die bei Montelius antiquite's suädoises Fig. 401 aus
der zweiten Periode des Eisenalters abgebildete Form. — Ferner sind 2 durchlochte
stabfftrmige Wetzsteine aus versteinertem Holz und 2 Rudimente derselben anzu-
führen, die u. a, zum Schleifen der kleinen Messer dienten. — Zum Abwiegen der
arabischen Sübermünzen und feinen Filigranarbeit aus Silber, von welcher auf diesem
Begräbnissplatz nichts gefunden wurde, hatte man in der Zeit vom 8. bis 12. Jahr-
hundert auch schon kleine bronzene Waagschaalen. Wenn diese auch hier nicht
mehr gefunden wurden, so hat sich der Waagebalken aus Bronze mit beweglichen
Armen hier erhalten, vergl. u. a. Bahr, Gräber der Liven, Taf. XX, Fig. 14. — Als
Uebergang von Geräthen zu den Schmucksachen können 2 cjlindrische eiserne Etuis
mit Bügeln angeführt werden. Fast konnte man sie mit feingearbeiteten Vorlege-
schlössern vergleichen, die einen sehr dünnen Bügel haben, welcher dem Cylinder
parallel läuft, vgl. memoires du Nord, Jahrg. 1872, pl. 14, Fig. 6. Es dürfte nicht
unwahrscheinlich sein, dass sie auch als festschliessende, starke Gewandnadeln benutzt
wurden. — Unter den 90 Schmuckgegenständen gehören zu den selteneren 10 voll-
ständige und 7 defecte Bügel aus Eisen in Form eines Halbkreises und erinnern m
12*
JgO Kritiken und Referate.
Bahr, Gräber der Liven, Taf. 5, Fig. 13: sie wurden über den Nacken gelegt und
an ihre Enden auf der Brustseite eine Kette angehängt: in Lirland wurden sie aus
Bronze gefunden. — Von den 25 bronzenen Gewandnadeirk sind 19 hufeisenförmig,
die Nadel hängt mit ihrem bandartig sich verbreitenden und spiralförmig aufgeroll-
ten Ende in dem Bügel. Die Bügelenden sind bei 12 aufgerollt (Bahr, Taf. 8, Fig. 21),
bei 4 mit im rechten Winkel aufsitzenden Knöpfen verziert (vgl. Verhandlungen d.
Estnischen Gesellsch. Bd. VI, 1870. Heft 1 u. 2, p. 44, Fig. 31, 32, 34, 36, 90 und
Bahr, Taf. VIII, Fig. 8 u. 14). Bei einer hufeisenförmigen Fibula schliesst das eine
Ende des Bügels mit rechtwinklig aufsitzendem Knopf, das andere Ende ist aufge-
rollt, die Dicke des Bügels misst 7 mm., der Durchmesser des Gewandhalters 70 mm.
2 hufeisenförmige Gewandhalter schliessen mit verdickten und verzierten Enden in
der Fläche des Bügels (vgl. Bahr, Taf. 8, Fig. 13), 3 Gewandnadeln sind ringförmig
geschlossen, die Vorderseite ist mit radienartig aufgesetzten Bippen verziert, die
Bückseite glatt und die Nadel hängt an einem Stift, der an zwei rechtwinklig auf-
sitzenden Vorsprüngen befestigt ist. Eine Gewandnadel bildet eine Platte in Kreis-
form und auf ihrer Bückseitc ist ebenso, wie eben beschrieben, die Nadelbefestigung.
Eine andere Fibula ist ähnlich, nur in der Mitte mit einer kleinen Oeffnung ver-
sehen und der Kopf der Nadel ist in der Nähe eingewunden, so dass sie sich be-
wegen kann (vgl. Schriften der physikal.- Ökonom. Gesellsch. 1872. Taf. 5, Fig. 7).
Dem flüchtigen Beschauer möchte die Meinung erlaubt sein, dass er hier Sachen der
kurischen Nehrung oder aus den Tensha-Gräbern, Gouvernement Kowno, vor sich
habe. Er wird darin bestärkt beim Anblick einer bronzenen Armspange, deren Enden
Drachenköpfe vorstellen, nur sind die in Löbertshof gefundenen noch schöner, als
die aus den Tensha-Gräbern (Estn. Gesellsch. Bd. VI. Fig. 93). Von den andern
Armbändern ist eines aus 'drei Bronzedrähten zusammengewunden, wie die Halsringe,
von denen nur einer in 1 y2 Windungen erhalten ist, sonst aber noch viel Fragmente
gefunden wurden, die andern Armspangen haben eine Bandform in grösserer und
geringerer Breite, eine zeigt 4 Windungen. — Auch unter 16 Fingerreifen sind 9
spiralförmig gewunden (vgl. Bahr, Taf. 6, Fig. 18), nur einer geschlossen, die übrigen
nach Belieben der Grösse des Fingers anzupassen, darunter auch ein gebuckelter
Bing. Seltener sind die breiten Gürtelbeschläge, von denen einer aus Silberblech, der
andere aus Bronzeblech hergestellt ist und eine Verzierung in einer Zickzacklinie
aufweist. Der Beichthum an Perlen ist für diese grosse durchgrabene Fläche ver-
hältnissmässig klein : es sind 2 Thonperlen, 2 Glasperlen von blauem Glas, eine kleine
Doppelperle und eine grössere ringförmige Perle, 6 aus Stein und 7 aus Bernstein
gefunden worden. Die grösste Bernsteinperle misst im horizontalen Durchmesser
45 mm., in der Höhe 20 mm. Das einzige erhaltene Thongeföss, 88 mm. hoch, mit
einem Durchmesser von 60 mm. am Boden, 61 mm. an der Oeffnung des einge-
schnürten Halses, stimmt in seinem Profil mit dem kleineren für die Tensha-Gräber
abgebildeten Gefasse. Wollten wir das Resultat der Untersuchungen des Professor
Alterthumsgesellschaft Prussia. 281
Grewingk in Dorpat, die derselbe über die Tensha-Graber gemacht; hat, für den
grössten Theil der bei Löbertshof gefundenen Sachen in Betrachtung ziehen, weil
eine Uebereinstimmung der Fnndobjecte theilweise vorhanden ist, so ist Grewingk's
Aussprach, die Inhaber der Tensha-Graber hätten zwischen dem 10. und 13. Jahr-
hundert gelebt, mit den Nachweisen ans Montelius' nnd Bähr's Werken nicht im
Widersprach. Eine andere Frage ist aber, welchem Stamme die Inhaber des Löberts-
hofer Leichenfeldes angehört haben. Hierüber wird eine genauere Untersuchung der
Skelette, Ton denen mehrere wieder im nächsten Sommer in den Sammlungen der
Prussia ausgestellt sein werden, und eine genaue Bearbeitung des Lebertshofer
Leichenfeldes in einer besonderen Publikation der Prussia durch cand. med. Hennig
Auskunft geben.
Die neu angemeldeten Mitglieder sind: cand. Ivanovius, Rittergutsbesitzer
Biebensahm auf Löbertshof, Bittergutsbesitzer Siegfried auf Jäglack, Gymnasial-
Lehrer Dr. Tribukeit in Bastenburg. Ostpr. Ztg. 1876. Nr. 270. (Beil.)
Sitzung «in 15. November 1876. »Die Fortsetzung und der Abschluss der
Ausgrabungen im Arys-See" war der auf der Tagesordnung stehende grössere Vor-
trag, welchen Professor Hey deck hielt. Er skizzirte in der Einleitung, zu welchen
Resultaten er im September 1873 mit Hauptmann v. Streng über den Pfahlbau im
Arys-See bei Werder gekommen war, der nach Senkung des Spiegels des Arys-Sees
behufs Anlage der Arys-Mühle zu Tage trat und von welchem ebenso wie von dem
Pfahlbau im Czarni-See Bittergutsbesitzer Balduhn auf Krczywen 1866 und 1868
in der »Altpreussischen Monatsschrift* berichtet hatte. Prof. Hey deck hatte im
Herbst 1873 feststellen können, dass der Pfahlbau im ^rys-See in Form eines
Rechtecks ca. 36Fuss lang und ca. 72Fuss breit und durch eine ca. löOFuss lange
Pfahlbrücke, aus drei Reihen Pfähle bestehend, mit dem Festland verbunden war.
Er war 1873 durch Umgraben des Bandes dieser Wohnstätte in diesen Maassen auf-
gedeckt worden. Bei der Durchgrabung des Innern des Pfahlbaus im Septbr. 1875
stellte es sich heraus, dass die Maasse richtig, aber an der dem Lande zugekehrten
Langseite kein Ausschnitt, wie er 1873 angenommen, sondern eine Laufbrücke sich
befunden habe und auf der dem Lande abgewaudten Langseite die Wohnungs- und
auch Stallräume der Bewohner des Pfahlbaus lagen. Um so erklärlicher ist aus dem
letzteren Grunde, dass das Rechteck des Wohnraums noch durch einen Kreis von
Pfählen zur Abwehr des Eises geschützt ist.
Auch der horizontale Durchschnitt, wie er 1873 am Bande des Pfahlbaus ge-
funden war, zeigte sich in gleicher Weise im Innern desselben. Nachdem 1 m. tief
gegraben, wurde die oberste von 3 horizontal geschichteten Reihen Pfählen gefunden,
nur lagen sie nach der Seeseite zu regelmässiger als nach der Landseite. Die grösste
Länge der horizontal geschichteten Balken betrug 8 m. Aber in nicht regelmässiger
Entfernung von einander waren diese horizontal geschichteten Balkenlagen durch
Pfahle in fast senkrechter Richtung unterbrochen, welche bis 4 m. 28 cm. masseu
J82 Kritiken and Referate.
und von denen 0,54 cm. über die Rasenfläche hinausragten. Die Stellung dieser
Pfahle war nach dem Lande zu geneigt. Alle Bemühungen, Bindemittel wie z. B.
Weidenrnthen zwischen den Balken zn finden, waren vergeblich, nur Einkerbungen
zeigten die Pfahle. — Ist so das Fundament des Hauses beschaffen gewesen, so
drängt sich sofort die Frage nach den Ueberresten des oberen Baues auf. Von dem-
selben sind September 1875 Spuren der Feuerstatte gefunden, nämlich durch Feuer
erhärteter Lehm auf Holzlagen und September 1873 Strohspulen, die von der Dach-
deckung herzurühren scheinen. Dass hier aber nicht bloss Menschen, sondern auch
Viehheerden ihr Unterkommen hatten, ist durch den Septbr. 1873 gefundenen Kuh-
dünger bewiesen. Andere Merkmale für die Bewohner des Platzes werden in den
Küchenabfallen, Geräthen und Waffen, welche reichlich in dem Pfahlbau gefunden
sind, geboten. Die im Herbst 1875 aufgenommenen Knochen, welche mehr als
yt Scheffel betragen, werden wohl (sie sind noch nicht untersucht worden) bestätigen,
was der Fund der Kücbenabfalle vom Jahre 1873 besagte, dass die Bewohner des
Pfahlbaus von Bind, Schwein und Schaf, vielleicht auch von der Ziege lebten. Bei
der früheren Ausgrabung fanden sich nur Oelfrüchte (Camelina microcarpa), von denen
nicht festgestellt werden konnte, ob sie wild gewachsen oder von den Inhabern des
Pfahlbaus kultivirt worden sind. Die grossen Steine, ' die als Unterlage zur Hand-
mühle dienten, und ßchon bei der ersten Ausgrabung an das Tageslicht kamen,
zeigten, dass auf ihnen Getreide gemahlen worden ist, nur fand sich kein Getreide.
Nur eine Frucht war in grosser Fülle vorhanden, die Haselnuss (corylus Avellana). Die
letzte Ausgrabung hat hierüber auch Auskunft geschafft. Aus verkohlten Körnern
und faserartigen Pflanzenüberresten (Septbr. 1875 gefunden) muthmasst Prof. Cas-
pary mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass die verkohlten Getreidekörner verkohlte
Hirse (panicum miliaceum) und verkohlte Gerste und die zuletzt bezeichnete Pflanze
mit parallelen Stengeln Flachs (linum usitatissiwum) ist. — Zu diesem wichtigen Funde
von Getreide, kamen im letzten Herbst noch neue Fundstücke hinzu, die vermöge ihres
Materials einen endgiltigen Auftchluss geben, ob die Inhaber des Pfahlbaus, die ihre
Hausthiere hatten, ihr Getreide bauten und es auf ihren Handmühlen mahlten, der
vtormetallischen oder metallischen Zeit angehört haben. Bei der Durchgrabung des
äusseren Bandes des Pfahlbaues und einzelnen Stellen der Pfahlbrücke im Herbst
1873 war kein Stück von Metall gefunden, sondern nur Geräthe aus Knochen, Holz,
Thon und Stein. Freilich blieb immer noch eine offene Frage, wie haben mit solchen
Geräthen die grossen Pfahle bearbeitet werden können? — Durch die letzte Aus-
grabung ist diese Unsicherheit gehoben: Prof. Heydeck fand eine eiserne kleine
Lanzenspitze (10,7 cm. lang) mit einem Grat und einer Tülle (1 cm. im Durchmesser),
einen grossen bronzenen Knopf (die Platte 4,5 cm. im Durchmesser) mit ein wenig
umgebogenem Bande, auf der einen Seite der Platte sitzt 8 mm. hoch eine 1 cm. im
horizontalen Durchmesser haltende Erhebung, auf der andern Seite 7 mm. über der
Platte eine Oese, 3 mm. dick, deren Enden auf der Platte 7 mm. von einander ent-
Alterthumggesellschaft Prussia, ISS
fernt ansitzen) and ein Stück Bronzeguss. Prof. Heydeck hat aber noch einen andern
Beweis für die metallische Zeit des Pfahlbaus des Arys-Sees bei Werder: es ist der
Fond eines mit einer Metallröhre bearbeiteten Steinhammers in dem ]/4 Meile vom
Pfahlbau im Arys-See entfernten Pfahlbau im Czarni-See, in welchem irdene Gefasse
derselben Form wie im Arys-See, auch eine Hornaxt und eine eiserne Lanzenspitze
in diesem Herbst gefanden worden. Doch ehe ein Bericht über die Untersuchung im
Czarni-See gegeben wurde, erfolgte die Aufzählung und Beschreibung der reichen
Funde aus dem Arys-See nach ihrem Material. An Geräthen aus Stein ist nur eine
Ausbeute von 5 messerartigen Splittern aus Feuerstein gemacht. Die Ausbeute von
Gerathen oder Werkzeugen aus Zähnen, Hörn oder Knochen ist verhältnissmässig
eine grosse, sie besteht in einem durchbohrten Eberzahn, in 3 Fragmenten und in
4 vollständigen Aezten aus Hörn, Geweih oder Knochen, in 11 Pfeilspitzen, in 4
Pfriemen, in 2 Schabern und in 2 Haarnadeln und 2 Nadeln zum Nähen, welche
letzteren Gegenstände fast alle aus Knochen gearbeitet sind. Auch hat sich rohes
Hörn mit bearbeiteten Stellen und auch ein Paar bearbeitete Rippen- und Röhren-
knochen gefunden. Die Fragmente von Aexten aus Hörn oder Knochen sind ein
Stuck Schneide, ein Bahnende, an welchem das ganze rechteckige Schaftloch noch
sichtbar ist, und ein Seitenstuck zur oberen Schneide (?); an den übrigen 4 Aexten ist
nicht durchgehend die Schärfe der Schneide erhalten, sondern bei einigen Exemplaren
wahrscheinlich schon durch den Gebrauch abgenutzt. Die grösste Axt ist 16 cm.
lang, an der Bahn 6!/2 cm. breit und 5 cm. dick, diese Axt hat ein rundes Schaft-
loch zum Stiel, ebenso wie eine kleine 9,3 cm. lange Behsprosse mit zugespitzter
Schneide, an der Bahn nur 1,9 cm. dick. Eine Axt, 15,2 cm. lang mit zugespitzter
Schneide, hat das Schaftloch in der Mitte zwischen Bahn und Schneide, während die
anderen Geräthe es näher der Bahn haben. Die vierte durchlochte Axt ist 9,5 cm.
laug, aber das Schneideende ist schon abgebrochen; das Schaftloch ist oval. — Die
1 1 Pfeilspitzen, aus hohlen Knochen gearbeitet, die an einer Seite spitz zugeschliffen
sind, haben eine Länge von 7 bis 11,8 cm. — Die 4 Pfriemen sind 3,5 bis 6 cm.
lang. — Die 2 Schaber, die ersten, welche in dem Pfahlbau gefunden sind, haben
eine annähernd rechteckige Form mit abgerundeten Ecken, der eine 8,6 cm. lang und
4,5 cm. breit, der andere 9,9 cm. lang und 3,7 cm. breit; der Längenausdehnung
entspricht die scharfzulaufende Schneide. Die dickere Bückenseite, mit der der
Schaber gefasst wurde, ist noch mit zwei kreisförmigen Löchern, je einem an den
abgerundeten Ecken der Rücken seite, verschen. — Die zwei Haarnadeln haben eine
Länge von 18,7 und 16 cm. und sind aus langen dünnen Knochen gearbeitet. — Die
2 durchlochten Nadeln zum Nähen, 7,5 und 6 cm. lang, unterscheiden sich durch
die Lage des Nadelöhrs; die eine, wohl erhalten, hat es an dem der Nadelspitze
entgegengesetzten Ende, die andere ist in der Mitte aufs Neue durchlocht worden,
weil das alte Nadelöhr an einem Ende ausgebrochen war. — Die Betrachtung des
bearbeiteten Holzes ist eine viel schwierigere, als die des anderen Materials, weil
|g4 Kritiken and Referate.
das Holz sich fast nicht anders als im Wasser erhalten läset. Von bearbeitetem Holz
war ron besonderer Wichtigkeit eine Klammer zum Zusammenhalten, pflock- und
keulenartige Stücke Holz, auch ein Stamm mit ansitzendem Ast, ferner Kieferborke,
welche kreisförmig zugeschnitten und in der Mitte durchlocht, als Flotthölzer diente
(von der letzten Ausgrabung 2 Exemplare) und 2 Quirle, wie dgL auch in Pfahlbauten
anderer Länder gefunden sind. Prof. Heydeck vermuthet, dass an diese Quirle kleine
kugelförmige Steine befestigt wurden und diese an eine Leine gebunden dazu dienten,
die verlorengegangenen Netze aufzufischen, wie es noch heutigen Tages die Fischer
thun. — Von Ueberresten von Gelassen aus Thon lag Prof. Heydeck diesmal ein
Vorrath von */A Scheffel Scherben zur Auswahl vor. Er entnahm denselben die durch
ihr Profil, durch ihre Boden- oder Stehfläche und durch ihre Verzierungen interessanten
Topfscherben. Die Gefasse sind von der verschiedensten Grösse, von 6,5 bis 47 cm.
Nach dem Scherbenfunde lässt sich schliessen, dass hier nur Gefasse mit Stehflachen
gebraucht wurden, einzelne kleine Gefasse zeigen einen vollständigen Untersatz, ein
kleiner Napf zeigt sogar einen ausgehöhlten Boden. Ferner sind noch zwei Eigen-
tümlichkeiten bei den meisten Scherben vorhanden, eine rauhe Aussenflache und die
Durch! ochung des Gefassrandes zum Durchziehen einer Schnur, wie solche Scherben
auch auf der kurischen Nehrung gefunden sind. Prof. Hey deck hat beide Eigen-
schaften der Scherben auch an den aus Pfahlbauten in Baden entnommenen und im
Carlsruher Museum aufgestellten Thougefässen wahrgenommen und hält sie für
Kochgeschirre. Wenige andere Topfscherben mit einer glatten Aassenflache tragen
eine Daumen-Nagel- oder Schnur- Verzierung, welche letztere bisher als nur der voi-
metallischen Zeit, wie es scheint mit Unrecht, zugeschrieben wurde.
Nach der Betrachtung dieses Pfahlbaues im Arys-See, der in Altpreussen bis-
her allein eine solche Vollständigkeit von Fundobjecten erwies und jetzt der metalli-
schen Zeit zugeschrieben, aber der historischen Zeit abgesprochen werden muss, so
dass man ihn nicht als Fliehhaus der Ordensleute ansehen darf, berichtete Prof.
Heydeck über seine Untersuchungen im Ozarni-See, welcher V, Meile nordwestlich
vom Pfahlbau im Arys-See bei Werder liegt. Nicht so günstig liess sich im Czarni-
See graben, sondern hier konnte wegen der Wassermenge nur geschöpft werden:
Dieselben Urnenscherben mit rauher Aussenfläche fanden sich hier wie im Arys-See,
an denen man noch die rauhen Streichlinien mit der Handfläche und den Fingern
wahrnehmen kann und ebenso die durchlochten Gefassränder zum Durchziehen eines
Bandes. Von anderen Gegenständen, welche der vormetallischen Zeit gewöhnlich
zugeschrieben werden, sind gefunden worden: das Fragment einer durchlochten Axt
von Geweih und ein Stück Feuersteinmesser. Das gefundene Steinbeil aus Diorit-
Porphyr zeigt durch die Bearbeitung zweier Bohrlöcher, 1) dass solche Gerathe aus
Stein noch kostbar waren; denn das Steingeräth war früher länger und trägt an
seiner noch vorhandenen Bahn ein Stück Seitenwand des alten Bohrlochs; uud 2) an
der Herstellung desselben, wie es mit einem Metallcy linder in regelmässig aufeinander
Alterthumsgesellschaft Prnssia. 285
folgenden Rillen gearbeitet worden ist. Die cylindrische Form des Bohrcylinders
offenbart sich aber noch in dem Versneb ein neues Bohrloch herzustellen. Dieses
wurde aber nicht vollendet, sondern es blieb der Zapfen stehen, nachdem wenige
Centimeter tief der Bohrcylinder in den Stein hir eingearbeitet war. Dieses inter-
essante Steingeräth hat die Länge von 8 cm., an der Schneide eine Höhe von 3,9 cm.,
an der Bahn 2,9 cm., die grösste Breite in Entfernung von 1,3 cm. von der Bahn,
wo die Bohrung des zweiten Schaftlochs begonnen ist, im Betrage von 4,4 cm. —
Yon Gegenständen der metallischen Zeit ist von Bittergutsbesitzer Bald ahn und
Studiosas We dt ho ff schon früher eine eiserne Lanzenspitze mit durchlaufendem
Grat gefunden worden und im September 1875 von Prof. Hey deck wiederum eine
solche mit sehr schwachem Grat, 16 cm. lang, deren Tülle im Durchmesser 1,4 cm.
hat. Die grösste Breite der Klinge beträgt 2,1 cm. Noch ein anderer Fund wurde
an der Pfahlbaustelle im Czarni-See gemacht, bestehend in der Hälfte einer blauen
Glasperle mit einem weissgelben Zickzackmuster, Da von jedem Pfahlbau, von dem
im Arys-See 180 Schritte südöstlich entfernt und von dem im Czarni-See 450 Schritte
ostnordöstlich entfernt ein Grabhügel liegt, die bei früheren Untersuchungen Thon-
gefässe übereinstimmender Form und Bearbeitung mit den Thongefässen in beiden
Pfahlbauten gezeigt hatten, so konnte eine Oefihung von Grabhügeln in der Nähe
des Arys-Sees nicht umgangen werden, um durch diese neue Aufschlüsse über die
Bewohner der Pfahlbauten zu erhalten. — Ein Grabhügel auf dem Topek'schen
Grunde enthielt ein Eistengrab gewöhnlicher Dimension, l'/4 m. lang und 3/4 m.
breit, aber keine Urnenscherben mehr. — Ein Grabhügel bei Odoyen, nordwestlich
vom Arys-See, enthielt ein Ganggrab, von den Dänen Steinröhre genannt Wenn
dasselbe auch schon berührt war, so konnte Prof. Heydeck noch den interessanten
Bau feststellen und die Uebereste eines Gefässes, wie eine Spur von Bronze auf-
nehmen. Die Zusammensetzung der Scherben ergab, dass es ein Geftss ohne Steh-
Üäche gewesen war. Bei dieser Untersuchung der Pfahlbauten und der genannten
Grabhügel, welche länger als eine Woche dauerten und bei der in den Pfahlbauten
15—20 Arbeiter täglich beschäftigt wurden, hatte Prof. Heydeck die dankenswerthe
Hilfe des Studiosus Wedthoff und genoss die Gastfreundschaft des Bitterguts-
besitzers Dembowski auf Werder.
Eine gleiche Förderung seiner Untersuchungen fand Prof. Hey deck bei Baron
Schenck von Taute nburg auf Gr. Partsch, als er bei Doben, Kreis Angerburg,
einen grossen Grabhügel öffnete, der auch eine Steinröhre oder ein Ganggrab enthielt,
wie es in Odoyen vorhanden gewesen war. Baron Schenck wird die Steinröhre, die
nun ihrer Bedeckung von kleinen Steinen und Erde entkleidet ist, zur richtigen
Instruction und zur Erinnerung an die heidnische Zeit so stehen lassen. Der Gang
hatte 16 Fuss Länge, 3 Fuss Höhe und 2!/2 Fuss Breite. Ueber den je 7 Steinen,
die die Wände zu beiden Seiten bildeten, lagen plattenförmige Steine als Decken.
Die Ausbeute bestand auch hier nur aus einigen Urnenscherben. Die ganze Kammer
186 Kritiken und Referate.
war ausgefüllt mit weissem Sande and enthielt nur Urnenscherben, aber keine ganze
Urne. Eine Art Pflasterung, von einer Lehmschicht gebildet, begrenzte die Kammer
Ton der Bodenseite, der Eingang in dieselbe lag, wie immer, anf der Südseite, and
ron hier ans liess anch Prof. Hejdeck das Grab öffnen. Wie derselbe bei seinen
Ausgrabungen am Arys- nnd am Czarni-See verschiedene Skizzen und Zeichnungen
entworfen, die bei dem Vortrage gezeigt wurden, so auch bei der Oefinung dieses
Grabes. Dasselbe hat er ertlich vor und dann nach der Oeffhung bildlich aufge-
nommen und zwar von der Stelle aus, von der er den Einblick in den Gang des
Grabes voraussetzen konnte. Schliesslich sprach Prof. Hey deck noch über die unter-
scheidenden Merkmale der Grabhügel im Gegensatz zu den Steinhaufen, die mit Erde
beworfen sind und über die Herstellung kugelartiger Thongefässe.
Eingelaufene Geschenke waren: Zur Sammlung von Grabalterthümern von Ritter*
gutsbesitzer Steppuhn auf Liekeira, Kr. Friedland, ein daselbst an einem Skelett
gefundener bronzener Halsring in sieben Spiralwindungen. Derselbe ist aus 3 bron-
zenen Drähten hergestellt, von denen der einzelne 3 cm., im Durchmesser hat. Die
kleine Oeflhung unter dem Kinn hat 12,5 cm., die grosse über den Schultern 20 cm.
im Durchmesser, die beiden Endungen sind mit einer Hülse versehen, nur hat die
eine 2,8 cm. lange Hülse noch einen 7,4 cm. langen bandartigen Fortsatz. Die
schöne Patina des Ringes schimmert eher ins Grünliche als ins Röthliche, so dass
die Mischung von Kupfer und Zinn noch mehrere andere Zusätze zu haben scheint.—
Von Gastwirth Kemmer im Waldhause Görlitz, Kreis Rastenburg, mehrere Grab-
funde von einem Urnenfelde daselbst, nämlich ein geschlossener bronzener Ring, ein
kreisförmiges Zierstück aus Bronze, 2,5 cm. im Durchmesser, gleich einem Rade mit
5 Speichen, gefunden in einer buntgemusterten schwarzen Urne; ein eisernes Messer
und eine eiserne Speerspitze, die jener Urne zur Seite lagen; ferner ein bearbeitetes
Stück Knochen, das vielleicht als Knauf eines Schwertes gedient hat. — Vom Gym-
nasiasten B. vonSteegen ein eisernes Messer mit Urnenscherben auf einem Hügel
daselbst gefunden und die Hälfte eines durchlochten Steinhammers aus einem gneis-
artigen Gestein zu Gottesgnade bei Gr. Steegen gefunden. — Zur Münzsammlung
von Dr. Busolt 3 Denare aus dem grossen Münzfunde vonDorotowo, Kr. Alienstein,
von den Kaisern Vitellius, Trajan und Domitian. Von Rittergutsbesitzer v. Schack
auf Kotittlack ein Ordensschilling von Winrich von Kniprode. — Zur Sammlung von
Curiosen von Frau Paula t ein Lehrbrief des Perlenk als ausgelernten Kochs, ihm
nach dreijähriger Lehrzeit durch den Koch des Herrn v. Ostau C. G. Faust am
4. März 1801 ertheilt und ein Gedicht an die zurückkehrende Königsberg'sche Land-
wehr und die sie begleitenden Waffengefährten von ihrer dankbaren Vaterstadt
Königsberg den *J4. August 1814.
Von neu eingegangenen Vereinsschriften wurden vorgelegt die Hefte des Er-
furter, Hennenberger, Märkischen, Magdeburger, Lievländischen und Steiermärki-
schen Vereins.
AltertliamsgeeelUcfcaft Prassia. Jg7
Die neu angemeldeten Mitglieder waren: Kaufmann H. F. Magnus und In-
stnuncnten-Fabrikant Carl Simsky.
In der darauf folgenden General-Versammlung erstattete der Vorsitzende Dr.
Bnjack Bericht über das verflossene Vereinsjahr. Der Unterstützung gedenkend,
welche die hohen Behörden dem Verein zugewandt haben, und zwar der Provinzial-
Landtag, der Kultusminister, der Oberpräsident und die Königliche Regierung, konnte
er nur mit Freuden die Erfolge der Thätigkeit der Vereinsmitglieder hervorheben.
Die Zahl derselben betrug zum Schluss des Jahres 192, von denen aber drei durch
den Tod verloren sind. Die Thätigkeit der Mitglieder erstreckte sich auf Vorträge
und Mittheilungen an den Sitzungs-Abenden, deren im Laufe des Jahres neun ge-
halten wurden, auf Ausgrabungen, Lokaluntersuchungen, Oeffnung der Sammlungen
und Erhaltung der Grabalterthümer, so dass sie vor einer Zerstörung durch die Zeit
gesichert sind. Die Ausgrabungen übernahm Cand. med. Braatz, Cand. med.
Hennig, Professor Heydeck, Gutsbesitzer Seek auf Lobitten, Dr. Tribukeit in
Rastenburg und stud. jur. Wedthoff. Die untersuchten Grabhügel, Urnenfelder
und Wohnstätten befanden sich im Kreise Fischhausen bei Kl, Blumenau, im Land-
kreise Königsberg zu Lobitten, im Kreise Labiau bei Löbertshof, im Kreise Fried-
land bei Dietrichswalde, im Kreise Johannisburg bei Werder, Odoyen und am Czarni-
See, im Kreise Angerburg bei Doben, im Kreise Bastenburg bei Waldhaus Görlitz.
Die Untersuchung und Aufnahme der Burgwälle in der Umgegend von Bastenburg
übernahm Dr. Bujack Die durch werth volle Alterthümer vermehrten Sammlungen
der Gesellschaft zogen grossen Besuch von Fremden und Einheimischen herbei. Für
die Erhaltung einiger der Verrostung ausgesetzter Geräthe und Waffen aus Eisen
sorgte unter andern in liberalster Weise der Partikulier G. Dreyer. Die Analyse
verschiedener Bronzen führte freundlichst im chemischen Laboratorium des Professor
Spirgatis Herr Zornow aus. Zur Dechargeertheilung für Verwaltung der Kasse
wurden nach gehaltenem Bericht der Landschafts-Syndicus von Buchholz und
Justizrath Bülowius erwählt. Ferner erfolgte die Wiederwahl des vorjährigen Vor-
standes und Ausschusses. Den Vorstand bilden: Dr. Bujack als Vorsitzender,
Staatsarchivar Dr. Meckelburg als Socretair und Kaufmann OttoEhlert als
Kassenwart; den Ausschuss Geheimrath Hagen, Professor Hey deck, Partikulier
Prothmann und Professor Zaddach.
[Ostpr. Ztg. No. 15 u. 16.]
Mittheilungen und Anhang.
i Ilasirische Volkslieder.
Vor mehreren Jahren lernte ich in dem Dorfe Masaren (Kreis Oletzko) einen
alten Dorfschullehrer kennen, welcher mir interessante Mittheilungen über den Ur-
sprung einiger der vielen Masarischen Volkslieder machte.
Am Anfang dieses Jahrhunderts wurde, so erzählte er mir, ein College von ihm,
der wegen liederlichen Lebenswandels sein Amt verloren hatte, zum fahrenden Sänger.
Keine Hochzeit, keine Kindtaufe, kein Erntefest versäumte er; überall empfing er als
gern gesehener Gast für seine Lieder gute Bewirthung und entsprechendes Honorar.
Auf meine Bitte gab mir der gesprächige Alte zwei Lieder, welche er mit un-
verkennbarem Stolz als Erzeugnisse der Muse seines genialen Collegen erklärte.
Andere Lieder sollte ich später erhalten, was indessen trotz meiner wiederholten
Anfragen nicht geschehen ist. — So gebe ich hier nur die zwei; vielleicht komme
ich durch diese Veröffentlichung zu weiteren Texten.
1*
Sonntags weidete die Schafe
Heil vier Jahre, volle Jahre
Dient* dem Bauern ich.
Früh schon stand ich auf zur Arbeit;
Er bezeug's för mich.
Und dies that ich für Mariechen;
War so lieb zu mir.
Und wie Theer zog sich mein Herze,
Zog sich hin zu ihr.
Ein gefärbtes Kleidchen trug sie,
Selbstgewebt so fein,
Und am Finger einen Ring von
Gold und Edelstein.
Dort im Thale sie,
Auf dem Berg die Clarinette
Spielt ich der Marie.
Sie kommt athemlos gelaufen:
»Alle Schaf sind weg!
»Sieh", ein Wolf entführt ein Schäfchen —
»Ach, ich sterb' vor Schreck!*
„Was bekomme, lieb Mariechen,
»»Denn als Fundgeld ich?**
»Wenn Du willst, so nimm als Fandgeld,
»Nimm als Fundgeld mich!*
Zwei Masarische Volkslieder.
189
2.
Guten Tag, mein Flaschchen,
Und da Glas daneben!
Hei, zum lust'gen Trinken
Seid ihr mir gegeben.
a
Güten Tag, mein Brantwein,
Lass dich herzlich grossen:
Mochte, süsser Honig,
Täglich dich gemessen.
Ach, bei jedem Feste
Hört dein Lob man singen,
Dann machst du von selber
Aller Beine springen.
Konnte dich nicht hassen,
Warst mir auch gewogen;
Hast mich von der Arbeit
Hin zor Kneip1 gezogen.
Und kam dann der Krugwirth
Um sein Geld gelaufen,
Musst ich einen Ochsen
Dir zu Lieb verkaufen.
Doch die Kehl1 verlangte
Immer mehr Getränke —
Komm1, mein gutes Pferdchen,
Führe dich zur Schenke.
Haus und Hof und Acker,
Vieh und Schaf und Pferde —
Hab1 verzechet Alles:
Grundstück und auch Herde!
Doch ich kann's nicht lassen,
Muss zur Schenke laufen;
Sollt die letzten Hosen
Ich auch noch versaufen.
Uebrigens bemerke ich, dass ich das erste Gedicht schon in einem Aufsatze der
Petermann'schen Geographischen Mittheüungen (Bd. 20. S. 130 f.) veröffentlicht habe,
in welchem ich irrigen Berichten über Masuren entgegentrat. Die Uebersetzung
desselben ist eine wörtliche; auch konnte ich den mir mündlich mitgetheilten Text
mit dem einer gedruckten polnischen Liedersammlung vergleichen. Den Text des
zweiten Gedichtes dagegen habe ich in keiner gedruckten Sammlung gefanden and
die Uebersetzung aar aas der Erinnerung (also nicht wortgetreu) geben können.
Bartenstein im December 1876. Df j^ Heyer
liivmitÄte-Chrwiik 1877.
18. Jan. Zu d. am 18. Jan. . . . stattfind. Feier d. Krönungstages laden ... ein
Prorect. u. Sen. ... (2 Bl. 4.) [ohne Abhdlg. Preisaalgaben f. d. Studircnd.
I J. 1877.]
12. Febr. Med. Doctordiss. v. Heinr. Tiessen (aus Kgsbg.): Untersuchungen üb. die
Amjloid-Leber. (32 S. 8.)
17. Feb. Med. Doctordiss. v. Jean B. Borntraeger (auft Gräfentonna im Herzogth.
Gotha-Coburg): Ueb. foetale Rhachitis, im Anschluss an einen Fall aas der
Königsberger geburtshilfl. Klinik. (40 S. 8.)
„Acad. Alb. Regim. 1877. I.'4 Index lectionam ... per aestat. anno 1877 a. d.
IX.Aprilis P.P.O. (Prorect.: Dr. Felix Dahn, Prof. P.O.) (16 S. 4.) [Praefatus
est L. Frledlaender de Marte Loucetio et de Junone graeca. (S. 3 4.)]
Verzeichniss der ... im Sommer-Halbj. v. 9. Apr. 1877 an zu haltend. Vorlesgn.
u. der öffentl. academ. Anstalten« (4 Bl. 4.)
16. März. Med. Doctor-Diss. v. Artur Hennig (aus Kgsbg.): Die Einschnürungen
und Unterbrechungen der Markscheide an den markhaltigen Nervenfasern.
(48 & 8. m. 2 Steindr.-Taf.)
22. März. Zu d. am 22. März . . . stattfind. Feier d. Geburtstags Sr. Maj. d. Kais.
u. Kgs. laden ein . , , Prorect n. Senat . . . (ohne Abhdlg.)
$
190 Mittheilungen und Anhang.
Periodische Literat« 1876/77.
Zeitschrift für Preussische Geschichte und Landeskunde, unter Mitwirkung
von Droysen, Duncker, L. v. Ledebar und L. v. Ranke, hrsg. von Constantin
Rttssler. 13. Jahrg. Berlin 1876. Mittler u. Sohn. Jan. -Decbr. (No. 1—12.)
(No. 1/2.) D. Zeitgn. im erst. Jahrzehnt Friedr. d. G. J. G. Droyseu. 1—38.
Briefwechs. zwisch. d. preuss. Minist. Casp. Wilh. v. Borke u. d. Grei&walder Prof.
Alb. Georg v. Schwartz. Dr. Herrm. Müller. 39— li>6. Zeitung üb. die Einnahme
Jülichs 1622. Prof. Dr. Nordhoff. 157—159 — (No.3/4.) Die Beform d. karfürstl.
brandenburg. Kammerstaats 1651/52. 8. Isaacsohn. 161 -208 Froben-Uhle in der
v. Witzleben -Hasselsch. Schrift Fehrbellin. W. Schwartz. 209—216. Die Manu-
scripta Borussica d. Kgl. Uoiv.-Bibl. zu Greifswald. Dr. Herrm. Müller. 217—220.
Die Verlobg. des Prinz, v. Preuss. Sept. 1740. Prof. Dr. Grün nagen. 220—222.
Ein Rückblick auf General y. Finck, den Capitulanten bei Maxen 1759. Gr. L. 223—23/.
Zur Gesch. d. Krieges geg. Frankreh. v. 1672—74. Dr. Babncke. 237—249. Max
Lehmann, Koesebeck u. Schön, Beiträge z. Gesch. d. Frhtskriege. Const. Rössler.
250 — 261. — (No. 5/6.) Briefe v. Carl v. Clausewitz an Marie t. Clausewitz , geb.
Graf. Brühl. 273— 33S. Ber. üb. d. Verein f. d. Gesch. d. Prov. Preuss. Karl Loh-
meyer. 339—353. Froben-Uhle noch einmal. Dr. L. Brock. 351—357. Nachtr.
z. altpr. Namencodex. W. Pierson. 358—360. Nachtr. z. d. »Bückblick auf General
v. Finck.* Gr. L. 361—362. — (No. 7/8.) Berlin. Nachrichten aus d. Beginn der
schle9. Kriege. Grüuhageu 369— :>89. Das Kreuz am Kremmer Damm in d. Sage.
W. Schwartz. 390— >9i. Münster üb. d. Erwerbg. der Mark Brandenburg durch
Friedrich I. W. Schwartz 393—394. Gesch. d. »Hussiten*- Ansiedelungen unter
Friedr. II. als Mittelpkt. d. böhmisch. Glaubens-Colonie in Preuss. Dr. Max Beheim-
Schwarzbach. 395—466. (Schluss No.9/10. S. 481-559.)— (No.9/10.) Zur Gesch.
d. Kammerstaats Reform von 1652. (Actenstücke, mitgeth. v. B Erdmannsdörffer.)
660— 590. — (No. 11/12.) Zur Gesch d. Belagerg. Magdeburgs dureh Wallenstein
im J. 1629. Dr. Holstein. 593. Zwei Adress. d. Grosshrzgl. Bergisch. Staatsraths
an d. Kais. Napoleon 1. u. Joachim Napoleon, Kg. beider Sicilien, 1808. 621. Die
Katastrophe der Schweden in Schlesw.-Holst. im J. 1713. Ein Nachtrag v. Reinh.
Koser. 625. Die französ. Colonien in Oranienburg, Köpenick und Rheinsberg.
Lic. th. H. Tollin. 632. Mart. Kerndners v. Landsberg Preußische Chronik. Nach
d. einsig. Hdschr. in d. Kgl. Univ.-Bibl. zu Lund. Dr. Herrm. Müller. 673. Ein
zeitgenöss. französ. Urtheil üb. Friedr. d. Gr. M. Krnmmacher. 712. — Neuere
Forscbgen z. preuss. Gesch. — Aus d. Veröffentlichgn. d. dtsch. Geschichts vereine.
Die griech. u. röm. Handelsstrass. durch d. Thal d. Oder, Weichsel, d. Dniepr u.
ÜVjemen an die Gestade des Balt. Meeres, (poln. geschrieb. Abhandig. von
J. N. Sadowski vor d. archäol. Commiss. d. Akad. d. Wiss. in Krakau geles.
u. in deren Memoiren (Pamietnik) gedruckt, 11 Bog. umfassd., m. Kart. u.
Lithogr. (Globus 1876.) [Danz. Ztg. v. 15. Nov. 1876. No. 10046.]
D. Grabhügel in Litauen u. d. westl. Ruthenien. Nach d. Werk d. Graf. Tyszkiewicz :
,0 Kurhanach na Litwie etc.* u. nach and. Quell, bearb. v. H. Nitsehtnann.
[Altpr. Ztg. 1876. 274. 275. 277.]
M. Toppen, Ueb. einige Alterthümer auf d. Ostrande d. Marlenwerd. Niedrg.
(Gräbfeld. b. Rospitz. — D. Schlossbg. b. Rothhof.) [Neue Westpr. Mitthlgn.
1876. 64. (Beil.)1 D. Schlossbg. zu Budzin. [Ebd. 75. (B.)] D. Schweden-
schanze b. Neudorf. [Ebd. 78J
W. Pierson, Nachtr. zum altpreuss. Namencodex, (s. Bit. 7—12 d. Jahrg. 1873
d. Ztschr. f.pr. Gesch.) [Ztschr. f. preuss. Gesch. u. Ldskde. 13. Jahrg. Hft. 5/6.
S. 358-360.]
D. Mannscripta Borussica d. Kgl. Univers.-Bibl zu Greifewald. Mitgeth. v. Dr.
Herrm. Müller, (darunt. f. uns. Prov. zu merk. 7—11. 13. 19.) [Ebd. Hft. 3/4.
8. 217— 2x0.]
Martin Kerndner's v. Landsberg preuss. Chronik. Nach d. einzig. Hdschr. in d.
Kgl. Univ.-Bibl. zu Lund, hrsg. von demselb. [Ebd. Hft. 11/12. 8.673—710.]
M. Perlbach« rec. Herqnet, Kristan v. Müllhaus, Bischof v. Samland (1276—95).
(Halle 1874.) [Götting. gel. Anz. 1876. No. 38. S. 1207—12.]
Periodische Literatur 1876/77. 191
Zwei Briefe v. Georg Wytzel. (im Besitz d. Kgl. Geh. Staatsarchivs zu Kgsbg., nach
e. v Fräul. Th. v. Miltitz übermittlt. Copie mitgeth v. Eitner.) 1. An Herzog
Albreckt v. Prenss. 30. Jan. 1543. 2. An deneelb. 25. Nov. 1549. [Monats-
hefte f. Musik-Gesch. VIII. Jahrg. 1876. Hft. 12. S. 157—159.]
Ein Postprivilegium d. Königs Joh. Sobieski v. Polen. [Arch. f. Post u. Telegr.
1876. Nr. 8. S. 284—86]
G. Rathlef, Bermkgn. zur Chronolog. d. ÜvlJind. Ordensmstr. im 13. Jahrb. u. üb.
d. angebl. Gebrauch d. Marienrechng. [Mitthlgn. aus d. Gebiete d. Gesch.
Liv-, Est- u. Kurlds. XII. Bd. 2. Hft. Riga 1876. S. 2*1-268.]
Hermann Hildebrand, Ybessergen zu K. E. Napiersky's Russ.-LivlAnd. Urkunden.
[Ebd. S. 259—94.]
Dr. Th. Schiemann, d. piltensche Archiv. [Ebd. S. 2?5— 308.]
Zehn Urkdn. z. älter. Ilvlftnd. Gesch aus Petersbg. u. Stockholm, mitgeth. v. Dr.
Hern. Hildebrand. [Ebd. S. 367-80.]
Victor Diederichs, Niflant. [Ebd. S. :*81— 85.]
Prof. Dr. E. Win ekel mann, Analecta histor. Llvonicac. [Ebd. S 394—96.1
Prof. Dr. G. Berendt, Notiz aus d. russ Grenzgebiete nördl. d. Memel. [Schrift,
d. phjsik.-ökon. Ges. 17. Jahrg. 1. Abth. S. 47—50.]
L. Sobnke, wandernde Berge, (kur. Nebrg.) [Augsb. Allgcm. Ztg 135. (B.) 136.]
Wachsen. Ob.-Postsecret. in Memel, Dunenbildg. u. Bernsteingewinnung an der
kor. Nehrg. [Arch. f. Post u. Telegr. 1876. No. 3. S. 78—84]
Ewald. Ztschriften d. Prov. Prenss. (Altpr. Monatsschrift XI. Bd. 1874.) Zugl. e.
Rückblick auf ältere Leistgn [Histor. Ztschr. 1876. Bd. XXXVI, S. 566— 80.1
Karl Lohmeyer, Bericht üb. d. Verein f. d. Gesch. d. Prov. Prenss. [Ztschr. f.
Preuss. Gesch. u. Ldskde. 13 Jahrg. Hft. 5/6. S. 339—53.]
Kitswunn-Darkemen, die Entstebg. d. Vorschuss- Vereine u. ihre Verbreitg. in d.
Prov. Prenss. [Genossenschafts-Correspondenz No. 16. hrsg. b. Geleght. d.
allgem. dtsch. Vereintages zu Danzig v. E. Gutmann. Insterbg. 1876.T
2te Generalvsmmlg. d. Fischereivereins f. £ Pioy, Prenss. 20. Dec. 1876 z. Kgsbg.
Prof. Knpffer, Vortr. Üb. d. Befruchtg. d. Fischeier. — Reg.-Aasessor Ger-
mershausen, Vortr. üb. Fischerei-Genossenschaften. — Ber. üb. d. bisher.
Vreinsthätigkt. auf dem Gebiete d. künstl. Fischzucht. (Die sehr werthvolle
Madü-Marene, welche früher in viel. Seen unsr. Prov. existirte, jedoch allmäl.
ausgerott. word. ist, soll wied. heimisch gemacht werden; ferner soll, in die
Passarge u. den Pregel junge Lachse eingesetzt wd., um dadurch d. frische
Haff wied. m. Lachs, zu bevölk.) — Rttrgtsbes. Eben- Bau ditten, üb. d. Ver-
kauf d. Fische, besond. Karpfen, nach Gewicht. — Oberforstmstr. Malier
(Vorsitzdr.) empfiehlt d. Bepfianzg. d. Ufer d. Gewäss. m. Rohr zum Schutz
d. jung. Fischbrut. — Nächste Gen.-Vsmmlg. Ende Juni 1877 in Elbing. —
Dem Fischerei- Vereine gehör, jetzt d. Städte Kgsbg., Elbing u. Insterbg., d.
Er. AUenstein, die landw. Vereine zu Marggrabowa u. Heinrichswalde u. etwa
150 Privatpersonen an. [Hartg. Ztg. 1877. 2. (Abd.-Ausg.)]
Vorläufige Ergebnisse d. letzt. Vblkszählg. in d. Prov. Prenss. [Ebd. 1876. 131. (M.)
134. (M.)]
Localbahnen (in unsr. Prov.) [Danz. Ztg. 1876. 10009.]
Die Lokalbahnen u. d. Land. (betr. uns. Prov.) [Ebd. 10091.1
A. Boldt-Elbing, Zur Einführg. d. Secundärbahn. in d. Prov. Prenss. [Hartg. Ztg.
1876. 291. (A.)]
Wie man Wege baut. (Vf. weist nach, dass d. System, welch, bisher d. gesammten
[provinziellen Wegebau zu Grunde gelegt word., nicht mehr ztgemäss ist.)
Danz. Ztg. 1876. 10039.1
Baurath Steenke, Vortr. ȟb. d. projeetirte Trockenlegg. d. Drausensees* gehalt.
27. Nov. 1876 im Elbing; Gewerbeverein. (Referat.) [Altpr. Ztg. 1876. 279.]
Das Weichseldelta u. seine üeberschwemmgn. Vortr. v. Oekonomierath Hausbnrg
gehalt. im Club d. Ldwirthe z. Berlin am 11. Jan. 1877. (Referat) [Insterbg.
Ztg. 1877. 6.]
A. J. Claassen-Mirau, d. Nogatdamm-Durchbruch. 18. Decbr. [Danz. Ztg. 1876.
10106. Altpr. Ztg. 298.T
A. Bertram, d. Ursachen d. Dammbruches bei Flscherscampe u. der. Abstellg,
[Danz. Ztg. 1876. 10147. 49.]
192 Mittheilungen and Anhang,
Dr. E. Wie ist den Nogat- u. Weichseldurchbrüch. abzuhelfen? (Vf. schlägt vor:
»man vschaffe d. Haffweichselausflüss. Vorfluth mittelst Durchstechg. d. Düne
an der. Westende, da wo jetzt d. Strom d. Nogat an dieselbe am stärksten
anstösst, d. h. etwas westl. v. Prebbernau.*) [Altpr. Ztg. 1877. 5.]
Eine Stimme aus dem Elbinger Einlagegebiete üb. d. im Decbr. 1876 stattgehabt.
Nogat-Eisgang. [Ebd. 9. 10. (Beil.)]
Elbinger Briefe in Bezug auf d Theilg. d. Prov. Preuss. I. II. [Danz. Ztg. 1876.
9997. 10003.]
Beden d. Provinzial-Landtgs-Abgeordn. v. Winter-Danzig u. Thomale-Elbing üb.
d. Trennung Westpreuss. u. Ostpreuss. nach d. stenogr. Bericht üb. d. Prov.-
Ldtgs.-Vrhdlgn. v. 3. Oct 1876. [Ebd. 9996. (Beil.)]
Otto Steiner (Dan zig), die Winileod u. zwei ungedruckte Ostpreuss. Variant d.
Herderschen Volksliedes: »kein schönre Freud auf Erden ist.* [German.
21. Jahrg. 1876. 2. Hft. S. 209—13.]
Frischbier (Kgabg.J, ostpreass. Volkslieder. I. De Grötknecht. II. So kömmt
man wider. III. KlOk gewält. IV. De Bicht verhöre. V. Tom Polteräwend.
VI. Spiellied. [Die dtschn. Mundarten. Ztschr. f. Dichtg., Forschg. u. Kritik
hrsg. v. Dr. G. Karl Frommann. VII. Bd. (N. F. I. Bd.) II. Hft. S. 208—19.]
Richard Adelt Ostpreass. jenseits d. Weichsel. [Hartg. Ztg. 1876. 77. (M.)]
Ostpreuss. Ingenieur- u. Architekt-Verein z. Kgsbg. Sitzg. 4. Jan. 1874. (Ingen.
Otto Meyer, Vortr. üb. d. Steuerg. der Compoundmaschine.) [Ostpr. Z. 1877. 7.]
Landwirthsch. Instruktionen Friedr. d. Gr. (speciell die f. Westpr. an d, Kammer-
direct. v. Korkwitz in Marienwerd. gerichtete Anwsg.) [Land- u. forstw. Ztg.
f. d. nordöstl. Dtschld. 1876. 40.]
D. Ldwrthschaft in Westpr. im J. 1875, [Danz. Ztg. 1876. 9723. 27.]
Westpr. Architekt, u. Ingenieur- Verein. 8. Hptvsmlg. u. Stiftgsfest am 27. Decbr.
1876 in Dirschau. D. Vorsitzde, Reg.- u. Baurath Ehrhardt thlt. u. A. mit,
dass d. Verein nunmehr in d. Vrbd. dtsch. Architekt.- u. Ingenieur- Vereine
aufgenom. sei. Es wd. d. Hrsgbe eines in zwanglos. Hftn. erscheind. sogen.
Notizheftes beschloss., welch, m. d. Publikation, d. übrig, verbünd. Vereine
ausgetauscht wd. u. auss. d. im Verein gehalt. techn. Vortragen auch Original-
aufsätze d. Mitgl. üb. alte u. jetzige Bauwerke nebst Zchngn. enthalt, soll;
Bedact.-Comm. besthd. aus Reg.- u. Baurath Ehrhardt, Baumstr. Habermann,
MaBchinen-Fabrikdirect. Kohlert, Stadtbaumstr. Otto u. Schiffsbaumstr. De-
ment; Zuschlg. zu d. Beitrag, v. 2 Mark pro Mitgl. für d. J. 1877. — Der
um d. Ktnisse d. alt. Bauwerke unsr. Prov. sehr verdiente Prof. Bergan in
Nürnberg wurde zum Efarenmitgliede d. Vereins ernannt. — Bauführ. Hohns
(Danzig), Vortr. üb. »Architektonische Wandergn, im Elsass.* Ob.-Ing. Vo-
geler u. Bau-Inspect. Bobrik, Bericht üb. d. seitens d. Architekt.- u. Ingen.-'
Vereine von Ostpreuss. u. vom Niederrhein an den hiesigen zugesdtn. Publica-
tionen (üb. d. Projecte z. Begulirg d. Schlossteichs u. z. Vbessrg. d. Wasserltg.
v. Kgsbg., üb. d. zu beseitigdn. Stadtmauern Kölns, d. Wiederherstellg. eines
Vierungsthurm. auf d. Strassbg. Münster u. d. Construct. d. amcrik. Brücken-
baues.) [Ebd. 10119.]
Ad, Bezzenberger, Mythologisches in altlitausch. Texten. [Beitrage z. Kunde d.
indogerman. Sprachen hrsg. v. Dr. Adalb. Bezzenberger. Bd. I. Hft. 1. Göt-
tingen 1876. S. 41—17.]
0. Z. Ein Besuch in d. littauisch. Niederung. [Westpr. Ztg. 1876. 178.]
ftodrockt tu dtr Albort Ro»baeh'*ohen Bachdruöktret in Königsberg»
Der ländliche Grundbesitz im Ermlande
von der Eroberung Preussens durch den deutschen Bitterorden
bis zum Jahre 1375,
Von
Hermann Hoffmann,
(Schluss.)
Güter preußischen Rechts.
Die zweite Hauptklasse der ländlichen Bevölkerung, die wir unter-
schieden haben, bilden die preussischen Freien.
Zu dieser Klasse gehören zunächst alle diejenigen Preussen, die
während des letzten Aufstandes dem Orden treu geblieben, deren Ver-
dienste aber nicht so bedeutend waren, dass sie den deutschen Kolo-
nisten gleich gestellt wurden.
Hierher gehören ferner alle Preussen, die in jenem Aufstande dem
Orden feindlich gegenübergetreten waren, denen aber dieses feindselige
Verhalten verziehen wurde. IM)
Endlich sind zu dieser Klasse noch diejenigen Preussen zu rechnen,
die im Lauf der Zeit von der Hörigkeit befreit und in den Stand der
Freien erhoben wurden. m)
Leider haben wir für diese Guter zu preussischem Becht keine
allgemein gültigen Grundbestimmungen, wie sie für die culmischen
Güter in der culmischen Handfeste und in jener Verschreibung für die
Lehnsleute aus Ermland und Natangen enthalten sind, wir sind allein
auf die Verschreibungen der einzelnen Güter angewiesen. Diese sind
glücklicher Weise aber zahlreich und meistens auch genau genug, um
"•) Preusa. Regesten von M. Perlbach. Altfrr. Monatsschr, v. 1875. p. 136 u, 137.
lw) C. W. H, 90, 91.
Altpr. MonatBtofarift Bd. XIV. Hft. Z u. 4. 13
294 ^er ländliche Grondbesits im Ermltnde
uns ein wenigstens annähernd klares und deutliches Bild der Verhält-
nisse der preussischen Freien zu geben.
Das preussische Recht, das diese Klasse besass, ist nun, wie aus
dem früher Gesagten ja schon hervorgeht, durchaus nicht dasselbe,
das den unterworfenen Preussen im Jahre 1249 gegeben war. Jenes
Rechtes waren die Preussen durch ihren Abfall zum Heidenthume ver-
lustig gegangen.
Der kleinste Theil der Preussen wurde nach der Niederwerfung
des zweiten Aufstandes den Deutschen gleich gestellt, die meisten wur-
den hörig; für die übrigen wurde ein neues Recht geschaffen, wie es
den Interessen des Landesherrn am besten entsprach.
Dieses ist das „ius Pruthenicum8 oder, wie es auch häufig heisst,
das „ius hereditarium" oder das „ius hereditarium Pruthenicum.*
Die Inhaber dieses Rechts standen nun zu dem Landesherrn in
einem ganz anderen, und zwar viel ungünstigeren Verhältnis als die
Kölmer. Wenn jene vermöge des flämischen Erbrechts und des freien
Yeräusserungsrechtes eigentlich im vollen, freien Besitz ihrer Güter
waren, so hatten die preussischen Freien ihre Güter vom Landesherm
wirklich als Lehen.
Natürlich hatte der Landesherr diesen Gütern sowie den Inhabern
derselben gegenüber eine grossere Gewalt als gegenüber den culmischen
Gütern, zumal da das preussische Recht erst geschaffen wurde. Die
Grenze, bis zu der einerseits die Rechte des Landesherrn, andrerseits die
Verpflichtungen des Lehnsträgers reichten, wurde häufig noch nicht scharf
gezogen, manches vielleicht auch noch absichtlich unentschieden gelassen.
Wie weit die Rechte des Landesherrn ungefähr gingen, ersehen
wir aus zwei beiläufigen Bemerkungen, 101) nach denen Besitzungen, die
jedenfalls zu preussischem Recht ausgethan waren, wie es heisst „propter
servitii sui (er ist Dolmetscher) ac heredum suorum negligencias* und
im anderen Falle „propter suos excessus et demerita" den Belehnten
genommen nnd eingezogen wurden.*)
»") C. W. I, 156; II, 487.
*) Ans einer Ordensverschreibiuig vom Jahre 1373 (C.W, II, 483) ersehen wir,
dass sogar ein Sohn das Beritithum seines Vaters nicht erhalt, weil er noch ein
von Hermann Hoffmann. 195
Ueber die preussischen Güter behielt der Landesherr auch nach
ihrer Verleihung noch immer ein gewisses Bestimmungsrecht, es stand
ihm stets frei, diese Güter gegen andere umzutauschen.
Wenn wir nun als charakteristisches Zeichen der preussischen
Güter sehr häufig die Formel finden, „sie sollen von ihren Gütern nicht
vertrieben werden dürfen * "*) (quod ab eis depelli non debeant) so heisst
das nur, sie sollen nicht ohne genügenden Ersatz verdrängt werden.
Dass diese Erklärung die richtige ist, beweist uns die Verschreibung
für den Preussen Tolledraus aus dem Jahre 1346. 103)
Es wird hier diesem Preussen auch zuerst versprochen, dass er
nicht vertrieben werden dürfe. Wenn aber ein Bischof, heisst es weiter,
ihn von seinen Gütern entfernen (amovere) will, so soll er ihm vier
andere Haken geben, die eben so gut sind oder noch besser.
Veranlassung, solche Güter, die ja überall zerstreut lagen, einzu-
tauschen, war wol sehr häufig, da dieselben den Dorfgründungen und
Verleihungen grosser Güter oft hindernd entgegen stehen mussten.
Aus diesem Grunde finden wir auch bisweilen "4) schon in der Ver-
leihungsurkunde die Verpflichtung auferlegt, dass die Inhaber dieser
Güter, wenn daselbst ein deutsches Dorf gegründet werden wird, mit
ihrem Besitz und ihren Hechten in dasselbe eintreten sollen, oder es
wird geradezu gesagt, dass sie in diesem Fall ihren alten Besitz verlassen
müssen, . wofür ihnen aber ein entsprechender Ersatz zugesichert wird. 1M)
Dass dieses Eintreten von preussischen Freien in den Dorfrerband
deutscher Dörfer sehr häufig vorkam, werden wir später bei der Be-
trachtung der Dörfer sehen.
Die preussischen Freien wohnten nun entweder auf ihren Besitzungen
zerstreut oder in Ddrfern zusammen. Diese Dörfer sind aber von den
deutschen Dörfern ungemein verschieden. Sie sind nicht auf einmal
gegründet, haben keine Handfeste, keinen Schulzen, keine Dorfordnung,
es sind eigentlich nur Zusammensiedelungen, denen jeder Verband fehlt,
Kind ist, also den Kriegsdienst nicht leisten kann. Dieses Besttrfhnm wird dann,
noch durch 2 Haken vermehrt, ihm und zweien seiner Verwandten zusammen übertragen.
»*) C. W. ü, 35, 65, 107, 128, 269 etc. 1M) C. W. H, 45. '•♦) C. W. H, 1»
»•) C. W. I, 139.
13*
196 Der ländliche Grundbesitz im Ermlande
und deren Bewohner sich in nichts von ihren zerstreut wohnenden
Standesgenossen unterscheiden. *)
Als solche Dörfer sind besonders zu nennen, Pr. Bertung, Caynyn
und Kapkeim,
Das Erbrecht, das der Klasse der preussischen Freien für ihre
Besitungen gageben wurde, ist von dem Erbrecht, das die deutschen
und preussischen Kölmer besassen, sehr verschieden, es bildet einen
der Hauptunterschiede dieser beiden Klassen.*)
Wenn bei den cölmischen Besitzern sowol die Söhne als auch die
Töchter, und im Falle, dass keine directen Erben vorhanden waren, die
Seitenverwandten erbten, so waren bei den preussischen Freien nur die
Söhne erbberechtigt. Dass dieses, wenigstens in späterer Zeit, so war,
kann keinem Zweifel unterliegen.
Es fragt sich hier aber, ob diese Beschränkung schon im 13. und
14. Jahrhundert gegolten hat, ob dieses Erbrecht gleich von Anfang
an so beschränkt gewesen, oder ob es erst im Laufe der Zeit so ge-
macht worden ist.
Aus unseren ermländischen Versehreibungen ersehen wir nun, dass
in unserer Periode in dem grössten Theil der Verschreibungen ausdrück-
■
lieh die Erfolge für beide Geschlechter zugesichert wird.196)
Unter diesen Umständen ist es natürlich unmöglich anzunehmen,
dass der Rechts-Grundsatz, „die Güter preussischen Rechts können nur
auf Söhne vererbt werden/ in unserer Periode schon zur allgemeinen
*) Der Unterschied, den Bender (Ermlands politische und nationale Stellung
innerhalb Preussens p. 56) macht, dass die preussischen Freien, die immer frei ge-
wesen waren (preussische Reiter) in Dorfern sassen, diejenigen aber, die auf Einzel-
höfen wohnten, aus dem Erbunterthänigen Stande (d. h. früher Hörige) waren, lässt
sich wol nicht halten.
Wir finden sehr viele preussische Freie auf Einzelhöfen sitzen, Ton denen wir
durchaus nicht anzunehmen berechtigt sind," dass sie früher Hörige gewesen sind.
*) Frölich, Geschichte des Graudenzer Kreises p. 10 sagt, dass die preussischen
Freien das Erbrecht für beide Geschlechter und auch für die Seitenverwandten ge-
habt haben. Er ist hiebei irrthümlicher Weise der Ansicht, dass das Erbrecht, das
den Preussen im Friedensvertrage von 1249 zugestanden wurde, auch noch später
für sie gegolten habe.
1M) C. W, I, 174; II, 64, 65, 107, 128, 269, 271, 275, 278 etc,
von Hermann Hoffmann. 297
Geltung gekommen sein kann« Dieser Bechtsgrnndsatz hat sich in
seiner vollen Schärfe erst sehr allmählig ausgebildet.
Doch waren da, wo das Erbrecht für beide Geschlechter ausdrück-
lich verliehen ist, die Söhne und Töchter durchaus nicht immer ganz
gleich gestellt.
Den Beweis hiefür liefert uns die Yerschreibung für die Preussen
Queyrams und Cometris aus dem Jahre 1316. Es heisst darin:197)
„Aus besonderer Gnade verleihen wir ihnen, dass ihre Söhne und
Enkel männlichen Geschlechts, und nicht Frauen, so lange die Söhne
leben, die Güter in erblicher Nachfolge besitzen sollen. Wenn aber,
was nicht geschehen möge, die Söhne oder Enkel männlichen Geschlechts
sterben, und Niemand mehr übrig ist, so sollen die Töchter die Erb-
schaft besitzen."
Die Behauptung Voigts, '") dass diese Güter wol nie theilbar waren,
sondern dass der älteste Sohn, oder welchen der Landesherr dazu be-
stimmte, an die Stelle des Vaters trat, ist nicht haltbar. Dass Güter-
theilungen beim Tode des Vaters damals viel seltener vorkamen, als
heute zu Tage, ist ganz richtig, hat aber seinen Grund darin, dass die
ganze Verwandschaft meistens mit einem Gute belehnt wurde und des-
halb auch wie eine Familie zusammen wirtschaftete. Der Trieb zur
Separation war in jenen Tagen lange nicht so mächtig als heute. Da-
zu kommt noch, dass die preussischen Güter meistens so klein waren,
dass eine Theilung durchaus nicht gerathen schien.
Dass trotzdem aber solche Güter bisweilen getheilt worden, ersehen
wir aus verschiedenen Urkunden. IM)
Wurden nun, wie in den meisten Fällen, die Güter nicht getheilt,
so traten die Söhne die Erbschaft an. Die Bestimmung, die sich hier-
über unter den „Jura Pruthenorum* findet:100)
»») C. w. 1, 174.
"*) Voigt, Geschichte Preussens Bd. III, p. 435 u. 36. Er folgt hierin ganz
der Ansicht Hartknwhs cf. Altes und Neues Preussen p. 563.
19°) Kreuzfeld, Der Adel der alten Preussen p. 45, 46, Urkunde 5 und Rogge,
Das Amt Balga, Ahpr. Monatsscbr. für 1868, p. 125, Anm. 36.
20°) P. Labano, Jura Pruthenorum, p. 18, Bestimmung No. 98,
29g Der ländliche Grundbeaits im Ermlande
„Stirbt ein man, der pomezenisch recht hot and lest zwene söne,
der eldste son behelt den brieff: damit verleuset der jüngste von
seines rechten nicht"
ist wol einfach so zu erklären, dass der älteste Sohn als der primus
inter pares gewissermassen die Oberleitung der Geschäfte, vielleicht
auch die Vertretung der anderen dem Landesherrn gegenüber übernahm,
die andern Söhne an dem Ertrage des Gutes aber gleichen Antheil mit
ihrem ältesten Bruder hatten.
Voigt sagt dann bei Betrachtung dieser Güter ferner,101) sie wären
in der Begel nicht veräusserlich gewesen, nur ausnahmsweise sei zuweilen
die Erlaubniss hiezu ertheilt worden, wobei dem nächsten Ordensge-
bietiger hievon Anzeige gemacht werden musste.
Da, wie wir gesehen haben, dem Landesherrn in Betreff der Güter
preussischen Bechts immer ein Umtauschsrecht zustand, ist es wol an-
zunehmen, dass diese Güter ohne besondere Genehmigung des Landes-
herrn auch nicht veräussert werden durften. Unter welchen Umständen
der Landesherr seine Genehmigung verweigern konnte, lässt sich nicht
mehr feststellen, dass er dieses aber ohne jeden Grund thun durfte,
ist wol nicht denkbar.
In unsern Verschreibungen finden wir die Freiheit, verkaufen zu
dürfen (canonice et rite202) sehr häufig verliehen.209)
Jedenfalls verzichtete damit der Landesherr auf das ihm sonst
zustehende Einspruchsrecht.
Was die Gerichtsbarkeit anbetrifft, so standen die preussischen
Freien unter dem Vogte, der sie nach preussischem Becht richtete.
Es war dieses Becht das polnische, das die Preussen sich im Jahre 1249
erwählt hatten.*)
Ueber ihre Hintersassen erhielten sie äusserst selten die Juris-
2") Voigt, Gesch. Preussens Bd. HI, p. 438.
*>*) C. W. II, 64. *03) C. W. II, 64, 128, 269, 271, 278, 299, 304, 371 etc.
*) Ueber das Crimin&lrecht, sowie über da* Erbrecht in Besag auf das be-
wegliche Eigenthum, wie es für die Preussen galt, geben uns du einzelnen Bestim-
mungen der Jura Pruthenorum Aufschluas. (Jura Pruthenorum eJirt von P. Laband.
Königsberg 1866. -
▼on Hermann Hoffmann. 199
diction. Nor zwei Male finden wir in unseren Urkunden die niedere
Gerichtsbarkeit verliehen. *04)
Der Grund für diese auffallend seltenen Verleihungen der Juris-
diction ist einfach der, dass die allermeisten preussischen Güter so klein
waren, dass wir auf ihnen keine Hintersassen vermuthen dürfen.
Wie wir aus den Jura Pruthenorum ferner ersehen, *°*) hatten die
preussischen Freien auch die Institution der Eideshülfe. Bei einer Reihe
von Bestimmungen über die verschiedensten Punkte finden wir 12 Eides-
helfer erwähnt, wobei der Angeschuldigte der zwölfte ist, so dass wir wol
annehmen können, dass dieses die gewöhnliche Zahl gewesen sein wird.
Zuweilen wird nun aus besonderer Gnade die Zahl der Eideshelfer von
12 auf 7 vermindert, so dass der Angeklagte als der siebente schwört. *")
Dass die Institution des Wehrgeldes durch die Deutschen nach
Preussen gekommen ist, ist shon früher gesagt worden. Da, wie Dus-
burg erzählt,*07) die Blutrache bei den alten Preussen durchaus üblich
war, wurde das Wehrgeld auch bei ihnen eingeführt. Die erste Er-
wähnung desselben ist in der Verschreibung für den Preussen Gedune
vom Jahre 1261. ^
Hier heisst es, dass der Schuldige, der Gedune tödtet, Hand für
Hand und Hals für Hals geben solle. Die Angehörigen des Erschla-
genen können aber entscheiden, ob sie statt dessen eine Summe Geld
annehmen wollen.
Es wird das Wehrgeld hier also noch nicht gesetzlich hormirt,
sondern die Bestimmung seiner Grösse dem freien Uebereinkommen
überlassen.
Der gewöhnliche Satz für das Wehrgeld war 30 Mark. Hiefür spricht
ausser der Menge von Stellen, in denen ein Wehrgeld von 30 Mark
erwähnt wird,209) noch eine Bestimmung aus den , Jura Pruthenorum. g
*01) C. W. I, 42. 164. *06) P. Laband, Jura Pruthenorum p. 7, Best. 4, p. 9,
Best. 21, p. 11, Best. 40, p. 12, Best. 44, p. 13, Best. 50, p. 15, Best. 69.
*oe) C. W. I, 161. *07) Script, rer. Prosa. I, p. 55 heisst es: ,Si homicidium
committitur inter eos, nulla potest composicio interveuire, nisi prius ille homicida
vel propinquus ejus ab occißi parentibus occidatur.€ a08) C. W. II, 520.
**) C. W. I, 287; H, 44, 65, 107, 128, 254 etc.
200 Der l^0^^6 Grundbesitz im Ermlande
Die 61ste Bestimmung heisst nemlich:310)
„Eyn freyer wie er gelden sal, es sei XXX marck mynner
„oder mehr das sal er beweisen mit bederwen leuten, das sein
9vater also vil gegolden habe oder mit seinen briefen,"
wo wol nicht 30 Mark besonders angefahrt sein würden, wenn dieses
nicht das gewöhnliche Wehrgeld gewesen wäre.
Wenn wir zuweilen ein Wehrgeld von 32 Mark erwähnt finden,*11)
so sind wir völlig ausser Stande sagen zu können, was diese so gering-
fügige Erhöhung des Wehrgeldes veranlasst hat.
Das Wehrgeld durfte jedoch, wie Voigt in seiner Abhandlung ' über
das Wehrgeld212) schon ganz richtig sagt, von den Verwandten des Er-
schlagenen durchaus nicht immer angenommen werden, vielmehr stand
es in ihrem Belieben zu wählen, ob der Todtschläger die Todesstrafe
erleiden oder ein Wehrgeld geben solle. Anders lassen sich auch ver-
schiedene Stellen garnicht erklären, in denen es heisst, er habe das
Wehrgeld zu zahlen, „si penam sanguinis evaserit.*213)
Eine eigentümliche Bestimmung findet sich noch in einer Ver-
schreibung aus dem Jahre 1353, 2") nach der ein Todtschläger in dop-
peltem Gericht (duplici Judicio) bestraft werden soll. Es soll dieses
doch jedenfalls heissen, dass der Belehnte ein Wehrgeld von 60 Mark
haben soll.
Weshalb hier dieser Maximal-Satz genommen ist, ist aus den an-
deren Bestimmungen der Urkunde durchaus nicht ersichtlich, da diese
den Bestimmungen anderer Verschreibungen völlig gleichen.*)
Freie Fischerei216) und freie Jagd216) wird diesen freien Preussen
ziemlich häufig verliehen. Meistens findet sich bei diesen Bestimmungen
,10) P. Laband, Jura Pruthenorum p. 14, Best. 61. 2li) C. W. II, 64, 226.
2ia) Voigt, Gesch. Prenssens Bd. IV, Beüage II.
*») C. W. II, 107, 128, 311 etc. *») C. W. II, 200.
*) Ans einigen Ordensverschreibungen ersehen wir, dass von dem zu zahlen-
den Wehrgeld !/3 an den Richter and % an die Hinterbliebenen des Erschlagenen
fiel. (Voigt, Geschichte Prenssens Bd. IV, Beilage 2, p. 602, Anm. 1 and Kreuzfeld,
Ueber den Adel der alten Preussen p. 53, Urk. 11.)
a") C. W. I, 174; H, 61, 110, 113, 194.
*") C. W. II, 110, 113, 194.
von Hermann Hoftnann. 201
noch der Znsatz „more aliornm Pruthenorum"*17) und „in eitrema
solitudine.**1-)
Vielleicht lässt sich hieraus folgern, dass diese Preussen, besonders
wenn ihnen neue Besitzungen gegeben wurden, meistens am äussersten
Bande der cultivirten Landstriche angesiedelt wurden, da der Ausdruck
in extrem a solitudine sonst kaum einen Sinn hätte.
Hinsichtlich der Leistungen, die auf den Gütern zu preussischem
Rechte ruhten, tritt uns zunächst der Kriegsdienst als die bei weitem
drückendste Leistung entgegen.
Für die preussischen Freien galt regelmässig der ungemessene
Kriegsdienst
Die Herrn sowol wie die Hintersassen waren verpflichtet, an den
Kriegsreisen Theil zu nehmen, sich zu der Verteidigung des Landes
zu stellen und Hülfe beim Burgenbau zu leisten. Auch diese freien
preussischen Besitzer werden jedenfalls nur zum Schutz der Arbeiter
erschienen sein, während ihre Hintersassen den gemeinen Arbeitsdienst
zu leisten hatten.
In unseren ältesten Verschreibungen JIJ>) sind noch sämmtliche Be-
lehnte zum Kriegsdienst verpflichtet. Später finden wir die Zahl der
Dienste aber immer genau bestimmt.
Wenn wir uns nun vergegenwärtigen, dass auf Gütern von 2 Haken
schon immer ein Dienst lastete, dass von einer Besitzung von 3 Hufen,
die einem Preussen in einem Dorfe zu preussischem Recht gegeben
wurden,210) sogar 3 Dienste gefordert wurden, so begreift man wol,
welche ungeheure Last mit dem ungemessenen Kriegsdienst auf den
preussischen Gütern ruhte. Ein festes Verhältniss zwischen der Grösse
der Güter und der Zahl der zu leistenden Dienste hat hier noch weniger
als bei den culmischen Gütern bestanden.
Die Bestimmungen über den Kriegsdienst sind aber auch bei den
Verschreibungen für diese Güter sehr verschieden.
Während in den meisten Fällen die Verpflichtung zum ungemesse-
»") C. W. II, 110. 2") C. W. II, 194, 221.
*'•) C. W. I, 42; II, 520. **°) C, W. H, 383.
202 Der Endlich« GrundUsite im ErmUnde
nen Kriegsdienst ausdrucklich erwähnt wird,221) heisst es sehr häufig
auch nur, sie sollen gegen alle Angreifer der Kirche dienen, so oft es
verlangt wird.222)
Da hier eine Befreiung vom ungemessenen Kriegsdienst durchaus
nicht erwähnt wird, haben wir auch keine Veranlassung, eine solche
vorauszusetzen.
Sehr auffallend sind nur die Verschreibungen für die Freussen im
Dorfe Kapkeim223) aus dem Jahre 1361. Es heisst hier nemlich, sie
sollen dienen „contra quos cunque ecclesie nostre invasores ad terrarum
defensiones necnon ad novarum municionum construcciones etc.* d. h.
sie sind nur zum gemessenen Kriegsdienst verpflichtet.
Derselbe gemessene Kriegsdienst findet sich auch noch in einer
Verschreibung aus dem Jahre 1337. 234)
Diese Bestimmungen stehen aber so vereinzelt da, und widerspre-
chen so vollständig der sonstigen Gewohnheit, dass man hier eine Nach-
lässigkeit im Ausdruck resp. eine ganz besondere Begünstigung anzu-
nehmen, versucht ist. *
Was die übrigen Leistungen anbetrifft, so sehen wir, dass dieselben
den Leistungen, die auf den culmischen Gütern ruhen, ganz gleich sind.
Wir finden auch hier regelmässig das Pflugkorn und die Becogni-
tionsgebühr.
Zu bemerken ist hiebei nur noch, dass sich bei den Verschreibungen
für preussische Guter häufig die schon früher erwähnte Erleichterung
in Betreff des Pflugkorns findet,225) indem dieses dann nicht von jedem
Pfluge sondern von jedem Dienst gegeben wird.
Die Ursache, weshalb sich diese Erleichterung bei den preussischen
Gütern viel häufiger findet, als bei den culmischen, ist wol die, dass
jene Güter durch den Kriegsdienst schon viel mehr gedrückt wurden
als diese, auch der Landesherr durch diesen theilweisen Erlass keinen
grossen Schaden hatte, da jener ja immer nur für ganz kleine Güter galt.
M1) C. W. I, 44, 61, 65, 79, 128 etc.
Mt) C. W. I, 161, 164, 174, 192, 270; 11, 46, 107 etc.
"») C. W. II, 311. 221) C. W. I, 287,
»») C. W. II, 44, 61, 128, 311 etc.
▼od Hermann Hoffmann, 203
Zur Zahlung des Wartegeldes scheinen die Besitzer der preussi-
schen Güter auch verpflichtet gewesen zu sein.226)
Freijahre wurden den preussischen Freien nicht zu häufig und
dann auch nur in geringer Anzahl verliehen."7)
Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass sich in einer ganzen Reihe
von Verschreibungen"8) zu preussischem Recht der Zusatz findet, die
Haken sollen von Scharwerk frei sein (liberi ob omni servitio rusticali).
Da Scharwerksfreiheit nun so wie so zu den Rechten preussischer
Güter gehört, kann in den betreffenden Fällen keine besondere Be-
günstigung gemeint sein.
Wahrscheinlich ist es, dasz hiemit nur gesagt werden soll, dass
entweder diese Haken früher an Hintersassen ausgethan waren, auf
denen die Scharwerkspflicht ruhte, oder dass die jetzigen Besitzer früher
Hintersassen waren und nun freie Hufen erhielten.
In beiden Fällen ist dem Ausdruck keine Bedeutung beizumessen.
Als Unterabtheilung der preussischen Freien sind noch die Beutner
zu erwähnen.229) Sie stehen den gewöhnlichen preussischen Freien in
allen Dingen ganz gleich, haben aber, so lange sie die Bienenstöcke zu
bewachen haben, keinen Kriegsdienst zu leisten. Erst wenn die Bienen-
zucht aufhört, sind sie zu dem ungemessenen Kriegsdienst verpflichtet.
Deutsche Dörfer.
Nachdem wir bis jetzt die einzelnen Klassen der freien Güter be-
trachtet haben, die selbstständig und unabhängig waren und jedes für
sich ein geschlossenes Ganze bildete, haben wir unsere Aufmerksamkeit
noch auf die bäuerlichen Besitzungen zu richten, die auch frei waren,
aber nicht selbstständig für sich dastanden, sondern zu einem Dorfver-
bande gehörten, einen Theil einer Dorfmark ausmachten.
Betrachten wir hiebei zuerst die deutschen Dörfer. Aus welchen
Gründen die Dorfgründungen in Ermland erst mit dem Anfange des
14. Jahrhunderts auftreten, haben wir schon früher erörtert. Dass aber
M<0 C. VT. I, 183. J27) C. W. I, 192; II, 6ö, 200, 319, 368.
»") C. W. I, 183, 184, 254 etc. 2") C, W. H, 371, 372.
204 Der ländliche GrundbesiU im Ermlande
auch im 14. Jahrhundert die Einwanderung deutscher Bauern für die
zahlreichen Dorfgründungen nicht genügte, zeigt die Thatsache, dass
viele Dörfer, wahrscheinlich zum Theil aus Mangel an Bewohnern bald
wieder verschwinden.
In einer Handfeste aus dem Jahre 1336 "°) finden wir sogar die
ausdrückliche Bestimmung, dass, wenn in einem halben Jahre die ver-
liehenen Güter nicht in Besitz genommen sind, die Urkunde aller Kraft
entbehren solle, ein deutlicher Beweis dafür, dass das Heranziehen zahl-
reicher deutscher Kolonisten keine ganz leichte Sache war.
Die bei weitem meisten Dörfer sind nun so gegründet, dass der
Landesherr oder ein Privatmann, dem vom Landesherrn das Recht,
Dörfer zu gründen, zugestanden war,131) einem oder mehreren bewährten
Männern (locator) eine bestimmte Anzahl von Hufen übertrug mit der
Verpflichtung, sie mit Bauern zu besetzen (ad locandum titulo locacionis. *)
Für seine Mühe erhielt der Locator**) dann einen Theil dieser
Dorfmark und das Schulzenamt als erblichen Besitz.***)
Was die Grösse dieser Dorfmarken anbetrifft, so war dieselbe natürlich
sehr verschieden ; als Durchschnittsmass können wir 50 Hufen annehmen.
**>) C. W. I, 277. *31) C. W. I, 102; II, 199, 266.
*) Zuweilen finden wir auch Dörfer, die ohne einen Locator gegründet sind.
(C. W. I, 126; II, 314.) In diesen beiden Fällen ist der Herr des Dorfes nicht
der Landesherr sondern einmal ein Domprobst (C. W. I, 126) and im anderen Falle
die Domherrn des Erlöserstiftes zu Gattstadt (C. W. II, 314). Diese Dörfer hatten
keinen Schaken, standen also wol direct anter der Jurisdiction ihrer Herrn. In
beiden Fallen wird später in den Dörfern ein Schulzenamt gegründet, sie also so
erst zu wirklichen Dörfern umgeschaffen.
**) Rhode, Der Elbinger Kreis p. 40 behauptet, die Handfesten der Dörfer
seien erst nach der Besiedelang ausgestellt. Dass diese Ansicht falsch sei, braucht
wol nicht mehr bewiesen zu werden. Wie sollten sich sonst in den Handfesten Be-
stimmungen finden über die eventuelle Grösse der bäuerlichen Besitzungen etc.?
***) Aeusserst selten sehen wir, dass ein Locator die zurLocation bestimmten
Hafen kauft (C. W. I, 212). Da aber trotzdem der eigentliche Grandherr die
Leistungen der Bauern bestimmt, diese auch ihm zu Gate kommen, wird man wol
annehmen dürfen, dass der Locator nicht eigentlich die Dorfmark kaufte, da er ja
sonst selbst Grundherr des Dorfes wäre, sondern nur das Schulzenamt, das Recht,
als Locator ein Dorf in gründen. Wenn Droysen in seiner Geschichte der preussi-
schen Politik (I, p. 62) sagt, der Locator kaufte von dem Grundherrn die Dorfflur,
so wird sich dieses wahrscheinlich auch nur auf den Kauf des Schulzenamts beziehen.
von Hermann Hoffmann, 205
Die Grenzen der Dorfmark sind selten genau angegeben.
Da eine sorgfältige Vermessung des zu verleihenden Landes An-
fangs nicht stattfand, wird häufig gleich hinzugefügt, was zu geschehen
habe, wenn bei einer späteren Vermessung sich mehr oder weniger
Hufen finden sollten.
Zuweilen heisst es:131) «Wenn bei einer späteren Vermessimg mehr
als die bestimmte Anzahl von Hufen gefunden werden, so sollen sie an
einer bestimmten Stelle abgenommen, wenn weniger gefunden werden,
so sollen sie ebendaselbst zugelegt werden.*
Dann heisst es wieder:2") „Wenn sich Uebermass findet, soll es
dem Dorfe zu demselben Zins, zu dem es die übrigen Hufen hat, ver-
bleiben. Sind weniger Hufen als ursprünglich bestimmt worden, so
sollen die fehlenden zugegeben werden. Wenn keine passenden Hufen
in der Nähe sind, so wird der zu leistende Dienst entsprechend ermässigt
Häufig wird endlich nur ganz einfach bestimmt,"1) dass sich heraus-
stellende Uebermasshufen dem Dorfe unter denselben Bedingungen ver-
bleiben sollen, unter denen die Bauern die anderen Hufen haben.
Dieses ist wol auch meistens geschehen;135) doch finden wir auch,
dass diese Uebermasshufen an das Dorf verkauft werden. *30)
Noch häufiger indess sehen wir,"7) dass Dörfern, die schon längere
Zeit bestanden, noch Ländereien zugegeben werden, weil sie für die-
selben gunstig lagen, und für das Emporblähen derselben von grosser
Bedeutung waren. Häufig werden solche gunstig gelegene Hufen auch
von den Bauern zugekauft.13')
Die Hauptaufgabe des Locators war nun, die zur Besetzung der
verliehenen Hufen nöthigen Kolonisten herbeizuziehen und sie anzusiedeln.
Ebenso Korn, Geschieht der bäuerlichen Verhältnisse in der Mark Brandenbarg. Zeit-
schrift für Rechtsgeschichte BcL XI, Heft 1, p. 3. Dieselbe Nachricht findet sich
bei Biedel, Die Mark Brandenbarg im Jahre 1150. B. II, p. 310. Ob in der Provinz
Preussen in solchen Fällen ebenso wie in der Mark Brandenburg die Ansiedler ihre
ßanernstellen Tom Schulz erkaufen mossten (p. 63) ist nicht festzustellen, da sich
darüber nirgend die geringste Andeutung findet.
"*) C. W. I, 178. "») C. W. II, 76, 291, 293.
"4) C. W. I, 189; II, 262, 264. "*) C. W. H, 140, 327,
*") C. W. II, 195, 216. *37) C. W. I. 238; H, 134, 163, 242, 318, 331,
"•) C. W. D, 172, 191, 218, 381, 464.
206 Der l*ndlteh« Grundbesite im Ermlande
Dass diese Aufgabe oft eine sehr mühsame und beschwerliche war,
und einen erfahrnen Mann erforderte, unterliegt wol keinem Zweifel.
Wir werden uns deshalb auch gar nicht darüber wundern, wenn wir
die Notiz finden, *") dass die Locatoren des Dorfes Heiligenkreuz einem
andern Mann zwei Drittel des Ertrages der Taberne und den halben
Ertrag der Mühle abtreten, damit er ihnen bei der Location behülflich sei.
Von wo und auf welche Weise die Locatoren diese Kolonisten
heranzogen, ist aus unsern Quellen nicht ersichtlich. Die einzige Notiz,
die hierauf Bezug hat, aber auch keinen weitern Aufechluss giebt, findet
sich in einer Urkunde aus dem Jahre 1311, ,4°) in der es heisst, die
Locatoren erhalten zu ihren Freihufen noch drei hinzu, damit das Dorf
sich entwickeln möge, und sie selbst andere Leute aus fremden Ge-
genden herbeirufen können.
Ueber die Art und Weise der Location selbst finden sich in den
Urkunden hin und wieder verstreute Andeutungen. Doch sind diese
meistens so allgemeiner Natur, dass das Bild, das wir uns aus ihnen
herzustellen versuchen wollen, an Deutlichkeit und Schärfe vieles zu
wünschen übrig lassen wird.
Zunächst ist hiebei zu beachten, dass nicht das gesammte Land
zur Vertheilung kam. Eine bestimmte Anzahl Hufen wurde, wenn das
Dorf ein Kirchdorf werden sollte, der Kirche zur Dotirung angewiesen ;
ausserdem fast immer eine oder mehrere Hufen je nach der Grösse der
Dorfmark zur gemeinsamen Nutzung (als Weide oder Wald) bestimmt.
Ob die Schulzenhufen auch sofort von der ganzen Dorfmark ab-
gezweigt wurden, ist schwer zu bestimmen.
Die einzige Notiz, die hierauf etwas Licht wirft, findet sich in der
Verschreibimg für das Dorf Penglitten941) aus dem Jahre 1350. Es
heisst daselbst:
„Und weil die oben genannten Güter nicht sehr fruchtbar sind,
wollen wir nicht, dass der Schulz bessere Hufen empfange, sondern sie
empfangen müsse, wie die anderen Dorfbewohner nach dem Loose."
Der Schulz wird hier den anderen Dorfbewohnern also ganz gleich-
"•) C. W, I, 272. ™) C. W. I, 168. Ui) C, W, H 159.
von Hermann Hoflraann. 207
gestellt Diese Notiz hat aber in so hohem Masse den Charakter einer
Ausnahme-Bestimmung, dass wir wol die Behauptung wagen dürfen,
dass es sonst gerade umgekehrt gewesen sei, d. h. die Schulzen haben
sonst immer das Recht gehabt, sich ihre Hufen selbst auszuwählen.*)
Was nun von den verliehenen Hufen nach Abzug der Hufen für
den Schulzen, die Kirche und das Gemeindeland noch übrig blieb, kam
zur Vertheilung unter die Kolonisten. Diese Vertheilung geschah aber
nicht der Art, dass jeder Bauer sofort ein Stück Land erhielt, das er
nun nach Belieben bewirtschaften konnte ; vielmehr mussten die Bauern
das zur Vertheilung kommende Land während der dem Dorfe gewährten
Freijahre gemeinsam bebauen. Erst nach Ablauf der Freijahre wurde
die Dorfflur getheilt und jedem sein Stück durchs Loos zugewiesen.
Den Beweis. für die Richtigkeit des eben Gesagten finden wir in
der Handfeste für das Dorf Saladyn aus dem Jahre 1361. *48)
Es wird hier nämlich bestimmt, dass ein gewisser Arwideten von
den 51 zur Location bestimmten Hufen 3 Hufen, die er selbst schon
früher cultivirt hat, behalten solle, bis die anderen Hufen zinspflichtig
werden. Ist dieses geschehen, so wird er oder seine Erben an Stelle
dieser drei Hufen drei andere empfangen, welche ihm, wenn alle Hufen
unter die Bewohner des Dorfes vertheilt werden, durch das Loos zuzu-
weisen sind.
Wie es nun aus allen Handfesten hervorgeht, wurden die Bauern-
hufen nach Ablauf der Freijahre zinspflichtig. Die Freijahre wurden
aber gegeben, damit der fast immer wüste Boden in der Zeit cultivirt
und ertragfähig gemacht würde.
Nach Ablauf der Freijahre, während deren die anderen Dorfshufen
angebaut wurden, hatte also Arwideten seine Hufen dem Locator zu
übergeben, der sie dann mit den anderen Hufen vertheilte, wobei jedem
sein Antheil durch das Loos bestimmt wurde.
*) Nach einer Handfeste aus dem Jahre 1388 (C. W. I, 290) hat es aber den
Anschein, als ob die Schulzen ihre Hufen nicht sofort aaswählen konnten, sondern
erst bei der allgemeinen Vertheilung. Hierauf deutet wenigstens die eben angefahrte
Vexschreibang, in der es ausdrücklich heisst, dass der Sehais nach den Freijahren
so and so Tiele Hafen als Scholzenhofen frei haben solle.
*») C. W. II, 320.
208 Der 1***1»«*« Qnmdbesits im Ermlaode
Hiemit hängt nun aber eine andere Frage zusammen, nämlich die,
ob auch immer das ganze Land, das zur Yertheilung kommen konnte,
wirklich aufgetheilt wurde.
Aus den Zinsbüchern können wir schliessen, dass dieses nicht der
Fall war. Wir wissen wenigstens genau, dass noch in bedeutend
späterer Zeit bei vielen Dörfern bald mehr bald weniger wüste Hufen
vorhanden waren, die entweder schon einmal früher besetzt, wieder Wüste
geworden, oder noch niemals zur Ansiedelung überwiesen waren. In
der Handfeste für das Dorf Grutta243) heisst es sogar, dass der Schulz,
wenn nach Verlauf der eilf Freijahre nicht alle Hufen besetzt sind,
für den Ausfall stehen solle.
Diese auffallende Erscheinung erklärt sich nun daraus, dass einmal
die Zahl der Ansiedler oft sehr gering war, andrerseits aber auch die
Grösse der bäuerlichen Grundstücke eine beschränkte gewesen sein muss.
Wenn dies nämlich nicht gewesen wäre, so hätte man doch unzweifel-
haft in jedem Fall, wenn auch noch so wenig Ansiedler da waren, die
ganze Mark aufgetheilt, da die Einkünfte der Landesherrschaft durch
die wüste liegenden Hufen ja eine bedeutende Einbusse erleiden mussten.
Meistens überliess man es nun wol dem Locator, wie viele Hufen
er jedem Kolonisten zutheilen wollte, doch trifft auch zuweilen der
Landesherr hierüber Bestimmungen.*)
So wird in einer Dorfverschreibung von 1353 *44) bestimmt: „Wir
wellen, daz en desem Dorfe keyn man sal mer haben czinshaftiger hüben
denne czwu, aber her mag wol mynner haben.*
Schliesslich haben wir noch zu untersuchen, ob das Recht der
Besetzung dem Locator allein zustand, oder ob die Landesherrschaft
sich auch ein Besetzungsrecht reservirt hatte.
*4S) Froelich, Geschichte des Graudenzer Kreises p. 157.
*) Was die Grösse der einzelnen bäuerlichen Besitzungen in der Mark Bran-
denburg anbetrifft, sagt Korn in seinem Aufsatz »Geschichte der bäuerlichen Ver-
hältnisse in der Mark Brandenburg* (Zeitschrift für Rechtswissenschaft, Band XI,
Heft I, p. 4.):
»Ursprünglich sollte jeder Bauer wol nur eine Hufe erhalten, da diese eben
dasM&88 für eine Wirthschaft bildete, doch ist es wol oft nachgelassen worden, dass
jedem Kolonisten gleich im Anfange 2 oder auch 3 Hufen zugetheüt wurden.
"4) Voigt, Geschichte Preussens Bd. VI, p. 578, Anm. 3,
vod Hermann Hoffmann. 209
Aus einigen Verschreibungen ergiebt es sich ganz klar, dass der
Landesherr bei der Ueberweisung zur Location sich zuweilen einen
Theil der Dorfmark reservirte, natürlich um darauf nach seinem Ge-
fallen selbst Leute anzusiedeln.
Ebenso sehen wir, dass gleich bei der Ausstellung der Handfesten
häufig bald grössere bald kleinere Ländereien ausgeschieden werden,
die eihzelne zu c ulmischem oder preussischem Eecht erhalten.145)
Dass dem Landesherrn aber, auch wenn er sich nicht ausdrücklich
einen Theil der Dorrmark vorbehielt, auch noch später ein Kecht der
Besiedelung zugestanden habe, kann wol kaum bezweifelt werden.
Darauf deutet auch hin, wenn der Orden in der Handfeste für Grat ta246)
darauf verzichtet, dort eine Allode zu gründen oder Lehnsleute anzu-
setzen ausser zu Gunsten der Familie des Locators.
Dieses Ansiedlungsrecht sehen wir die Landesherren nun auch bis-
weilen ausüben.247)
Die Schulzenhufen betragen meistens den zehnten Theil des ganzen
verliehenen Landes.348) Ebenso erhält der Schulz zuweilen noch den
zehnten Theil der Hufen, die sich bei einer späteren Vermessung als
Uebermasshufen herausstellen,249) oder dem Dorfe noch besonders hin-
zugefügt wurden."0)
Doch finden wir auch eine Stelle, in der ausdrücklich gesagt wird,
dass der Schulz von den zugegebenen Hufen den zehnten Theil nicht
erhalten solle.251)
Ausser der zehnten Hufe wurden den Schulzen zuweilen noch
andere Hufen (ex speciali gracia) gegeben,262) die auch zum Schulzen-
amt gehörten, oder sie erhielten eine bestimmte Anzahl von Freihufen
und von den übrigen noch den zehnten253) oder einen anderen254) be-
stimmten Theil.
*") C. W. I, 267; H, 207, 351, 435 etc.
*46) Frölich, Geschichte, des Giaadenzer Kreises p. 157.
*i7) C. W. I, 156; JI, 162, 388. 248) C. W. I, 130, 178, 251 etc.
'") C. W. II, 140 und Frölich, Geschichte des Graudenzer Kreises I, p. 198.
"«) C. W. II, 134, 153, 242, 318. WI) C. W. II, 102.
•**) C. W. I, 167, 197; II, 331, 337, 344.
»*) C. W. I, 109, 143, 158. *34) C. W, I, 121.
Altpr. Moaatatehrlft Bd. XIV. Hft. 3 u. 4. 14
210 ^er ländliche Grundbesitz im Ermlande
Gewöhnlich wurden diese Freihufen «racione locacionis* gegeben,
doch findet sich auch zwei Mal3") die eigentümliche Bezeichnung
„ad Judicium *• Freihufen hiessen diese Hufen nun im Gegensatz zu
den Zinshufen, weil sie von dem gewöhnlichen Hufenzins befreit waren. *)
Ob die Schulzenhufen auch vom Pflugkorn frei waren, lässt sich
mit voller Bestimmtheit nicht sagen, da keine Verschreibung sich
speciell darüber ausspricht.
Aus einer Reihe von Verschreibungen*56) können wir nun aber,
wenn nicht wieder grobe Nachlässigkeiten im Ausdruck vorliegen, mit
ziemlicher Sicherheit folgern, dass in den betreffenden Fällen die Schulzen
von dieser Abgabe befreit waren. Auch aus einer Ordensverschreibung
für das Dorf Keichenbach257) folgt diese Freiheit vom Pflugkorn.
Dagegen können wir mit demselben Recht aus einigen anderen
Ordensverschreibungen für die Dörfer Lenzen258) und Neukirch"9) das
Geg entheil folgern, dass nämlich die Schulzen dieser Dörfer das Pflug-
korn ebenso wie die Bauern liefern mussten.
Zu einem bestimmten Resultat wird man bei der geringen Anzahl
der in Betracht kommenden Verschreibungen wol nicht kommen können.
Der Decem für den Pfarrer scheint von den Schulzen immer ge-
geben zu sein.*60)
Welche Lasten sonst noch auf diesen Freihufen ruhten, lässt sich
nicht ganz genau sagen. Nur von der Scharwerkspflicht lässt es sich
nachweisen, dass sie seit ihrem Erscheinen überhaupt wol auch stets
auf den Schulzenhufen lastete. Hiefür spricht zunächst eine Stelle*61)
aus einer Verschreibung des Jahres 1372, die da lautet: „und sal mir
und meynen nochkomlingen dynen also als die andern schulczen in dem
m) C. W. I, 239; II, 36.
*) Ein einziges Mal nur sehen wir, dass von den Schulzenhufen der gewöhn-
liche Hufenzins gezahlt wird. (G. W. 314).
Der Grund für diese einzig dastehende Erscheinung ist der, dass in diesem
Dorfe ursprünglich kein Schulzenamt, also auch keine Schulzenhufen vorhanden waren.
Als dann später ein Schulzenamt gegründet wurde, wurden einige Zinshufen zu
Schulzenhufen umgewandelt, wobei man aber den bisher geleisteten Hufenzins be-
stehen Hess.
"•) C. W. I, 290, 292, 297; H, 120. *57) C. W. I, 152. 288) C. W. I, 107.
»*•) C, W. I, 132. %w) C. W. I, 175, 180. *») C. W. II, 464.
von Hermann Hoffmann. 211
Bischofthume irer herschaft pflegen czu dynen wo ader wenne ich
seyner bedarf."
Ganz ähnlich, nur noch etwas bestimmter, spricht sich eine Ver-
schreibnng aus dem Jahre 1373 aus.262) Der Schulz erhält hier vier .
Hufen, drei freie und eine zinspflichtige (für die er aber nicht schar -
werken darf). Von den drei Hufen soll der Schulz dann seinem Herrn
dienen, wann und wo dieser seiner bedarf, wie die andern Schulzen im
Bisthume ihrer Herrschaft zu dienen pflegen.
Hierher gehört endlich noch eine dritte Stelle268) aus der Ver-
schreibung für das Dorf Bewernick. Dieses Dorf wird nämlich um
10 Hufen vergrössert, von denen der Schulz eine, wie es heisst „ratione
locationis et Scultetie* erhält. Für diese 10 Hufen, also auch für die
eine des Schulzen, werden dann zwei Freijahre für die Kriegsreisen
and Scharwerksdienste bewilligt.
Jedoch werden solche Freihufen zuweilen auch ausdrücklich von
dem Scharwerksdienst befreit.161)
Aus einer der eben angeführten Urkunden ersehen wir dann ferner, "*)
dass diese Freihufen auch zum Kriegsdienst verpflichtet waren.
Vortrefflich stimmt hiemit eine Stelle in der Handfeste des Dorfes
Begnitten (1343), in der es heisst, der Schulz erhalte drei Hufen
,racione locacionis et ad servitium unius equi competentis et viri
8ecundum hujus terre consuetudinem armati.*
Einen weitern Beweis hiefür finden wir noch in einer Urkunde aus
dem Jahre 1364. *66) Bei der Theilung eines Dorfes in zwei Dörfer
wird nämlich bestimmt, dass die beiden Schulzen doch nur, wie früher,
zu einem Reiterdienst gegen die Lithauer verpflichtet seien, und den-
selben abwechselnd leisten sollen.
Eine andere Bestimmung über diesen Kriegsdienst enthält die
Handfeste von Pomerendorf aus dem Jahre 1344. 267) Die beiden
Schulzen (es sind Brüder) sind zu einem Reiterdienst verpflichtet. Wenn
nun der eine an der Heerfahrt Theil nimmt, so soll der andere die
*") C. W. n, 476. *63) C. W. II, 134. a") C. W. I, 198, 194; II, 314.
*•») C. W. H, 134. 2M) C. W. II, 365. M7) C. W. II, 4L
14*
212 Der Endliche Grundbesits im Ermlande
Hälfte der Kosten tragen. Will er dieses nicht thun, so soll er selbst
gegen die Lithauer ziehen und sein Bruder die Hälfte der Kosten zu
tragen verpflichtet sein.*)
Eine Verpflichtung zum ungemessenen Kriegsdienst ist aber ohne
eine Verpflichtung zur Landesverteidigung nicht gut denkbar, weshalb
wir diese bei den Schulzen als selbstverständlich werden voraussetzen
müssen.
Was endlich die Verpflichtung zur Hülfe beim Burgenbau anbe-
trifft, so lastete diese ebenfalls auf den Schulzenhufen, wie wir aus
einer ganzen Anzahl von Urkunden, 868) in denen es ausdrücklich gesagt
wird, sehen können.
Ausser diesen Freihufen finden wir aber auch noch häufig andere
Hufen im Besitz der Schulzen, für welche sie dieselben Leistungen
haben, wie die culmischen Besitzer für ihre Güter.269) Es sind diese
Hufen aus dem für das Dorf bestimmten Lande genommen ; sie scheiden
aber eigentlich vollständig aus dem Dorfverbande aus, da auf ihnen
ganz andere Lasten ruhen als auf den bäuerlichen Zinshufen. Es sind,
um es mit einem Wort zu sagen, kleine Güter culmischen Rechts, für
die daher auch alles dasjenige gilt, was früher von jenen gesagt
worden ist.
Hauptsächlich hervorgehoben wird besonders die Verpflichtung zum
ungemessenen Kriegsdienst. Zuweilen finden wir auch hier,270) jeden-
falls statt der Verpflichtung zum Kriegsdienst, eine bedeutende Abgabe
an Wachs erwähnt (1/2 — 1 Stein) mit oder ohne die andern Abgaben.
Die Jurisdiction wird selten erwähnt, wol weil diese Besitzungen
*) Hartknoch, Altes and Neues Preassen p. 579, §. 29 sagt:
»Alle Scholtsen sollen haben vier freie Haben and darvon sollen sie einen
Hengst and einen Harnisch zu einem Manne halten, and sollen auf ihre eigene
Zehrang zu ihrem Herrn reisen bei Verlast aller ihrer Freiheit and ihres Ampts.*
Hartknoch ist hiebei aber durchaus nicht genau gewesen, da die Grösse der
Schukenhufen durchaus nicht überall gleich war, sondern sich vielmehr immer nach
der Grösse der Dorrmark richtete.
*") C. W. I, 193, 194, 196, 197, 272, 302; H, 347 etc.
aw) C. W. I, 158, 231, 297, 306; n, 46, 53, 72,. 95, 120 etc.
"°) C. W. I, 158; H, 96.
von Hermann Hoffmann» 213
meistens so klein waren, dass es an Baum für die Hintersassen ge-
brach; doch sehen wir zwei Mal371) sogar die hohe und niedere Ge-
richtsbarkeit verliehen.
Das Pflugkorn wird gewöhnlich nicht von jedem Pfluge, sondern von
jedem Reiterdienst gegeben, 272) es findet sich sogar ein Mal, dass von
dem Dienst nicht zwei Scheffel, sondern nur ein Scheffel zu liefern ist '")
Endlich kommt es auch zuweilen vor, dass wir Schulzen im Besitz
von Zinshufen finden. So wird bei einem Verkauf im Jahre 1809 "*)
erwähnt, dass der Schulz ausser seinen Freihufen noch IV2 Zinshufen
besitzt, von denen er denselben Zins zahlt, wie die Bauern von den
ihrigen. In einer andern Urkunde275) wird wieder gesagt, dass der
Schulz drei Zinshufen besitzt, deren Zins ihm für seine Lebenszeit er-
lassen ist. Aus einer dritten Urkunde ersehen wir, *70) dass ein Schulz
sogar gleich bei der Yerschreibung neben drei Freihufen noch eine
Zinshufe erhält, von der ihm nur der Scharwerksdienst erlassen ist.
Dieser letzte Fall steht aber in der grossen Masse von Verschreibungen
ganz vereinzelt da, so dass wir wol anzunehmen berechtigt sind, dass,
wenn ein Schulz im Besitz von Zinshufen ist, er sie wol immer durch
Kauf erworben hat.
Von diesen drei verschiedenen Arten von Hufen gehören aber nur
die Frei- oder Schulzenhufen wirklich zum Schulzenamt. Sie sind mit
diesem fest verbunden, so dass sogar, wenn ein Theil von ihnen ver-
kauft wird, der betreffende Theil des Schulzenamtes (d. h» die Verant-
wortlichkeit für den betreffenden Theil der Abgaben, sowie der be-
treffende Theil der Einnahmen) mitverkauft werden muss.
Sehen wir nun aber zunächst zu, welches eigentlich die Obliegen-
heiten des Schulzen waren.
Der Schulz war das Haupt des Dorfes, dessen Vorsteher und Leiter,
hatte also, um das zunächst allgemein auszudrücken, die Interessen des
Dorfes in jeder Hinsicht wahrzunehmen und zu vertreten.
In wie weit eine Vertretung des Dorfes nach aussen hin, also
»") C, W. I, 306; H, 95. 178) C. W. I, 297; II, 46. m) C. W. II, 23.
"4) C. W. I, 180. 27*) C. W. II, 318. "•) C. W. II, 476.
214 Der ländliche Grundbesitz im Ermlande
andern gleichgestellten Unterthanen oder dem Landesherrn gegenüber
stattfinden konnte, lässt sich allerdings nicht sagen, da wir darüber in
unsern Urkunden nichts finden. Es bleibt uns daher nur übrig, das
Walten des Schulzen innerhalb der Grenzen der Dorftnark zu betrachten.
Zunächst hatte er natürlich die Ordnung im Dorfe aufrecht zu
erhalten, die Ortspolizei auszuüben. Hiezu gehörte auch, dass er für die
Instandsetzung von Wegen und Brücken, von Zäunen und Gräben etc.
sorgte, dass er darauf sah, dass die Vorsichtsmassregeln gegen Feuers-
gefahr und Wassersnoth beobachtet wurden, dass Sicherheit der Person
und des Eigenthums im Dorfe herrschte, dass beim Verkauf die rich-
tigen Maasse und Gewichte gebraucht wurden u. s. w.
Dann hatte er die Verpflichtung, die Abgaben, die auf den bäuer-
lichen Grundstücken ruhten, einzuziehen und an den Herrn abzuführen.
Da er für die zeitige und richtige Ablieferung derselben verantwortlich
war, stand ihm ohne Zweifel auch das Recht zu, die Säumigen mit
einer entsprechenden Strafe zu belegen.
Den Decem ffir den Pfarrer hatte er nach Hartknoch277) ebenfalls
einzusammeln und zwar vier Wochen nach Martini. Die Ungehorsamen
konnte er, wie es daselbst heisst, „mit Ernst und mit Pfänden" strafen.
In der Handfeste für das Dorf Wieps178) findet sich nun die Be-
stimmung, dass der Decem von dem Schulzen an Dietrich Czecher, der
das Dorf angelegt hat, zu geben sei; wahrscheinlich führte hier dieser
als Patron der betreffenden Kirche den eingesammelten Decem selbst
an den Pfarrer ab.
Eine der wichtigsten Functionen des Schulzen war nun die, den
Vorsitz beim Dorfgericht zu fuhren. Ob in jedem Dorfe — es gab
nämlich auch Dörfer von sehr geringer Hufenzahl, also auch von sehr
geringer Bauernzahl — ob nun in jedem Dorfe ein solches Gericht
gewesen ist, könnte vielleicht fraglich erscheinen. Jedenfalls hatte der
Schulz aber stets , also entweder mit oder ohne das Gericht der Dorf-
geschwornen die niedere Gerichtsbarkeit, d. h. er durfte über Vergehen
urtheilen, deren Busse vier Solidi nicht überstieg. Mit der hohen Ge-
■") Hartknoch, N. u, A. Preussen p. 569 §. 28. *78) C W. II, 476.
Ton Hermann Hoffmann. 215
richtsbarkeit hatte der Schulz nichts zu thun; diese gehörte dem
Landesherrn (resp. dem Privatmann, der auf seinen Ländereien das
Dorf gegründet hatte und dem die hohe und niedere Gerichtsbarkeit
verliehen war), und wurde durch den Vogt geübt, der dem betreffenden
Schulzen aber ein Drittel der Bussen abgeben musste.279)
Einige Versehreibungen 2W) scheinen allerdings darauf hinzudeuten,
dass dem Schulzen auch die schweren Verbrechen zuweilen zur Abur-
teilung überwiesen wurden, und er nur zwei Drittel oder, wie es in
einer Verschreibung heisst, ein Drittel der Bussen dem Oberherrn ab-
zugeben hatte. Diese Stellen stehen aber so vereinzelt da, dass man
geneigt sein könnte, eine grosse Nachlässigkeit bei der Abfassung der
Urkunden anzunehmen.
Von den Strassengerichten erhielt der Schulz natürlich nichts.281)
Die bis jetzt geschilderte Gerichtsbarkeit erstreckte sich nur auf
die Bauern des Dorfes. Wenn in den Grenzen des Dorfes culmische
Güter lagen, so wurde diesen zuweilen eigene Gerichtsbarkeit gegeben;292)
zuweilen wurden sie auch, weil ihre eigene Gerichtsbarkeit zu leicht
mit der des Schulzen in Collision hätte kommen können, wie die anderen
Dorfbewohner in geringen Sachen der Jurisdiction des Schulzen unter-
stellt,283) während der Vogt die hohe Gerichtsbarkeit über sie hatte.
Zuweilen wurde die Jurisdiction des Schulzen auch über ihre
sonstigen Grenzen ausgedehnt. So wird der Jurisdiction des Schulzen
von Grunenberg ein Müller unterstellt,284) der in der Nähe des Dorfes
eine ausserhalb des Dorfverbandes stehende Mühle besitzt, doch nur
für Vergehen, die er ausserhalb der Grenzen seines Mühlengrundstücks
2") C. W. I, 121, 127, 134, 140, 158, 197 etc.
28°) Die eine Stelle (C. W. I, 187) lautet: »Insuper eidem Eberharde* et suis
veris et legitimus successoribus Judicium majus et minus in dictis bonis confero in
hunc modum, ut quidquid ibidem jndicatom fuerit, seu de judicio cesserit, quod
debet mihi et meis heredibus partes duae deriventur, ipse vero et sni heredes
partem tertiana suis usibus reservabunt.* Die andere Stelle (C. W. I, 149) lautet:
»Judicium quoque minus scilicet IV solidorum ad ipsum pertinebit sed tortium
denarium nobis reddet judicio de majori/
*") C. W, II, 75: Von den grossen Gerichten erhält der Schulz den dritten
Theil exceptis hiis, que in stegis pontibus aut stratis contingent publiois.
*•*) C. W. I, 171. *M) C. W. I, 182j II, 351. w) C. W. I, 248.
216 Der ländliche Grundbesitz im Ermlande
begeht (aber natürlich wol innerhalb der Dorfgrenzen). Vergehen, die,
wie es heisst, „infra septa ipsius molendini" begangen werden, kommen
vor das Gericht des Landesherrn. Ganz ähnlich wird die Jurisdiction
des Schulzen von Cunayn285) ausdrücklich auf einen gewissen Johannes
Widdin ausgedehnt. Ob dieser ausserhalb des Dorfes gesessen, oder in
dem Dorfe selbst vielleicht ein Gut zu mimischem Recht gehabt, lässt
sich nicht feststellen. Jedenfalls war er an und für sich der Juris-
diction des Schulzen nicht unterworfen.
Wird anderwärts ein Verbrechen begangen, und der Verbrecher
flüchtet in die Grenzen des Dorfes, so erhält der Schulz für den Fall,
dass er den Verbrecher ergreift und ausliefert, den dritten Theil der
hieraus fliessenden Busse.286)
Was die Gerichtsbarkeit der Schulzen über eingeborne Preussen
anbetrifft, so sagt Voigt an verschiedenen Stellen287) ganz kurz und
bestimmt, dass die Schulzen über Preussen, die in ihren Dörfern wohn-
ten, keine Gerichtsbarkeit hatten, sondern dass diese stets unter der
Jurisdiction des nächsten Comthurs oder Vogts standen.
In unsern Urkunden haben wir nur eine Stelle, 288) an der das Ge-
richt über Preussen ausdrücklich der Landesherrschaft reservirt bleibt;
viel häufiger289) erhält der Schulz den dritten Theil der Bussen von
den grossen Gerichten über Preussen, wobei doch wol zu ergänzen ist,
dass er auch die niedere Gerichtsbarkeit über die Preussen gehabt hat,
oder es wird geradezu gesagt,200) dass die Schulzen die niedere Gerichts-
barkeit über die preussischen Reiter, die in den Dorfverband eintreten
müssen, haben sollen. Von den Bussen der hohen Gerichtsbarkeit da-
gegen, und das ist eben hiebei eigenthümlich, erhalten sie in diesen
Fällen nichts.
Ganz eigenthümlich lautet die Bestimmung891) über die Jurisdiction
des Schulzen in der Verschreibung für ein Dorf im District Tlokaw
aus dem Jahre 1318. Der Schulz erhält hier den dritten Theil der
hohen und niederen Gerichtsbarkeit.
m) C. W. I, 260. "•) C. W. I, 294, 297; II, 120. 287) Voigt, Geschichte
Preussens Bd. III, p. 480; Bd. VI, p. 621 u. 736. »••) C. W. I, 176. 2M) C. W
I, 194, 197. *">) C. W. II, 138, 139, 318 etc. Ml) C. W. I, 186.
TOD Hermann Hoffmann. 217
Wenn ein Preusse in den Dorfgrenzen (in eadem hereditate) ein
Verbrechen begeht und auch daselbst ergriffen wird, so wird ihn der
Vogt richten, da der Schulz selbst die Preussen nicht zu richten ver-
steht (cum ipse ludeco pruthenos judicare nesciat.) Von den Strafge-
fällen erhielt der Schulz den dritten Theil.
Schliesslich ist hier noch eine Stelle zu erwähnen, die uns zeigt,
wie eigentümlicher und verwickelter Art zuweilen die Rechtsverhält-
nisse der Dorfbewohner waren.*)
In einer Verschreibung aus dem Jahre 1384 tM) findet sich nemlich
die Bestimmung, dass der Schulz und die Bewohner des Dorfes — sein
Name wird nicht genannt — in ihrem Dorfe, das „Jure Theutonicali1
gegründet ist, und auf den Wegen von diesem nach Quttstadt nach
deutschem Rechte, in anderen Dörfern dagegen nach preussischem Becht
gerichtet werden sollen.
Ausser den Einnahmen, die der Schulz durch diese Gerichtsbussen
hatte, wurden ihm aber fast immer noch andere einträgliche Bechte
verliehen.
Zunächst gehört hieher die freie Fischerei. Häufig wird sie dem
Schulzen allein 293) verliehen, häufig dem Schulzen und Pfarrer,294) meistens
aber ausser diesen auch allen Dorfbewohnern. m) Zuweilen erhält auch
der Schulz allein das Becht der Fischerei in einem See, während die
Dorfbewohner in einem anderen See fischen dürfen. 29fl)
*) Interessant ist es zu sehen, dass die Jurisdiction der Schulzen in anderen
Theilen Preussens zuweilen noch bedeutender war, als im Ermland. So theilt uns
A. Kogge: »Die Kirchen des ehemaligen Amtes Balga* einige Urkunden mit, die
höchst interessant sind. In den Handfesten für die Dörfer Grünau (p. 41, 42,
Anm. 74) aus dem Jahre 1331 und Hohenfürst (p. 47, 48, Anm. 84) aus dem Jahre
1432 (beide Dörfer liegen im heutigen Kreise Heiligenbeil) heisst es, der Schulz
erhält die kleinen Gerichte bis 4 Solidi und ein Drittel der grossen. »Hujus tarnen
judicia scultetus non judicabit sine fratribus vel ipsorum nundis ad hoc deputatis,
si decreverint, interesse. De hominibus eciam aliunde venientäbus, Theutonicis,
preter Pruthenos, si violenciam in hie bonis fecerint, et per Scultetum et suos
coadjutores compulsi ad satisfaciendam et emendam tertium denarium ipsi non ne-
gamus propter ipsius laborem judicii execucionis.
2W) Voigt, Cod. dipl. Pruss. Bd. IV, Urk. 21. 2M) C. W. I, 127; II, 165.
*") C. W. U, 73, 270. 2M) C. W. I, 143, 178, 186, 197, 297; II, 347 etc.
*") C. W. I, 167.
218 ^er leidliche Grundbesitz im Ermlande
Diese Fischerei darf aber nur mit immer genau bestimmten Ge-
räthen und auch nur zum Bedarf des Tisches betrieben werden (ad
mensam tantum et non ad vendendum). Das Verkaufen von Fischen
wird mit Entziehung des Rechtes bestraft.207)
Dass der Landesherr das Fischerei-Recht sich besonders reservirt,
kommt äusserst selten vor.298)
Das Jagdrecht wird viel seltener verliehen als die Fischereigerechtig-
keit und immer in sehr beschränktem Masse.
Dass einem ganzen Dorfe das Jagdrecht verliehen wird, findet sich
nur an zwei Stellen ; 2") sonst erhält es immer nur der Schulz allein ***)
(und zwar nur auf Ziegen und Hasen).
Die Geistlichen, die in Betreff der Fischerei ja gleich dem Schulzen
eine bevorzugte Stellung einnehmen, scheinen das Jagdrecht wol ihres
Standes wegen nicht erhalten zu haben. Hiefur spricht auch eine Stelle
in der der Schulz und Pfarrer freie Fischerei, der Schulz aber nur
allein freie Jagd erhält.301)
Ganz reservirt wird die Jagd ziemlich häufig.302)
Eine oft nicht geringe Einnahme erwuchs dem Schulzen ferner
aus den Schenken. Bei der Gründung eines Dorfes nämlich reservirte
sich der Landesherr entweder das Becht, Schenken anlegen zu dürfen,
und verlieh es dann gegen gewisse Leistungen einem andern, oder er
gab dieses Becht dem Schulzen.
Wenn die Schenke, zu der zuweilen kleine Stücke Landes gehörten,
nicht in den Händen des Schulzen war, hatte ihr Inhaber vor allem
den sogenannten Tabernenzins zu zahlen. Es beträgt dieser in unsern
Urkunden 1/2—2 Mark.303)
Von diesem Zins erhielt der Schulz gewöhnlich die Hälfte, ao4) zu-
weilen wird ihm indess auch nur ein Drittel hievon zugewiesen.306)
Waren 2 Tabernen, so erhielt der Schulz den Zins der einen, die
Landesherrschaft den der anderen.306)
»•*) C. W. II, 399. 298) C W. I, 134. 2M) C. W. II, 277, 291. *») C. W.
I. 276; II, 75, 262, 327. 301) C. W. II, 327. *») C. W. I, 109, 134, 160 etc.
»») C. W. I, 271, 272, 291 etc. **) C. W. I, 179, 209, 221, 227, 251; II, 72, 75,
86, 138, 185, 296 etc. *») C. W. H, 103, 403. "•) C. W. H, 223.
von Hermann Hoffmann. 219
Wurde der Zins im Lauf der Zeit erhöht, oder durch Erbauung
einer zweiten Taberne verdoppelt, so erhielt der Schulz auch hievon
den entsprechenden Theil.307)
Wenn nun der Schulz das Eecht, eine Taberne erbauen zu dürfen,
erhielt, zahlte er meistens gar keinen Zins,308) (taberna libera), indess
finden wir auch, dass er hin und wieder zur Zahlung der Hälfte des
sonst bestimmten Zinses verpflichtet wird. *•) Die andere Hälfte darf er
nicht bezahlen, da sie ihm zukommt. Bei mehreren Tabernen gehörte
wol meistens die eine dem Schulzen, während die andere dem Landes-
herrn zinsete. 3,°) Baute der Landesherr nun noch eine Taberne (deren
Zins ihm gehörte), so durfte der Schulz auch noch eine Taberne bauen
(von der er keinen Zins bezahlte.)
Als besonderes Vorrecht wird dem Schulzen zuweilen noch zuge-
standen, dass ausser ihm Niemand eine andere Taberne erbauen dürfe.
Von dem Zins, der von den Fleisch- und Brodbanken, den Schuh-
machern etc. gezahlt wurde, erhielt der Schulz311) bald die Hälfte, bald
den dritten Theil; zuweilen durfte er auch selbst Brod- und Fleisch-
banken, Badestuben etc. zinsfrei einrichten.31*)
Die Mühlen, deren Erbauung den Schulzen auch sehr häufig ge-
stattet wurde, waren zuweilen auch zinsfrei,313) meistens aber musste
von ihnen der gewöhnliche Zins entrichtet werden. Dieser bestand
fast immer in Geld und schwankt in unseren Urkunden zwischen einer
und drei Mark. 3!1) Nur sehr selten findet sich auch noch ein Natural-
zins316) (3 Pfund Wachs).
Zuweilen richtet sich der Zins auch nach der Anzahl der Bäder,
die in der Mühle sind. So wird in einer Verschreibung aus dem
Jahre 1330 für jedes Ead ein Zins von IVaMark,316) in einer anderen
Verschreibung von 2 Mark bestimmt317)
Etwaigen Schaden, der durch den Mühlenteich entsteht, soll, wie
es in der Handfeste für das Dorf Raunau heisst,3") der Schulz ersetzen,
*") C. W. H, 156. 308) C. W. I, 109, 127, 143, 160, 236, 237 etc.
*») C. W. I, 209, 243, 283. 3,°) C. W. I, 167. »») C. W. I, 179, 167.
3W) C.W. I, 130. 313) C.W. I, 125, 160. 3") C.W. I, 178, 180, 233, 287; H, 270.
3») C. W. I, 143. 3") C. W. I, 251. 3") C. W. II, 323. 3") C. W. H, 287.
220 Der ländliche GrundbeeiU im Ermlande
wofür er aber ausser dem Zins zu keinen anderen Diensten (racione
ipsius molendini) verpflichtet ist.
Was wir schon früher bei Betrachtung der selbstständigen Mühlen-
grundstücke gesehen haben,, dass nämlich der Landesherr häufig einen
Theil der Mühle besass und ein Lehnsmann den andern, das findet sich
auch hier. Zuweilen hat der betreffende Schulz zum Bau der Mühle
einen entsprechenden Theil der Kosten beizutragen319) und erhält dann
auch den betreffenden Theil der Einahmen oder er erhält den bestimmten
Theil der Mühle und hat den entsprechenden Theil des Zinses zu zahlen.320)
Bezüglich der Unterhaltungskosten sind die Bedingungen natürlich
sehr verschieden. Bald heisst es,321) der Schulz hat die Mühle allein
im Stande zu erhalten und was dazu gehört, auszulegen ; nur wenn sie
baufällig wird, soll jeder nach seinem An theil zu den Kosten beitragen;
bald wird bestimmt,382) dass der Schulz allein die Beparatur auszu-
fuhren hat.
Wie bei den Tabernen finden wir endlich auch hier hin und wieder
die Vergünstigung, dass in den Grenzen des betreffenden Dorfes gegen
den Willen des Schulzen, der dort eine Mühle besitzt, keine andere
gebaut werden darf.823)
Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass nach der Handfeste des
Dorfes Freimarkt324) der Schulz die Hälfte des Gärtnerzinses für sich
behalten durfte. Ob dieses hier nur eine specielle Vergünstigung war,
oder ob es gewöhnlich geschah, lässt sich nicht entscheiden, da uns
keine andere Stelle darüber Auskunft giebt.
Nachdem nun, so weit unsere Quellen es uns gestatteten, gezeigt
worden ist, was zum Schulzenamt gehörte, welches die Bechte und
welches die Pflichten des Schulzen waren, ist es nothwendig, noch
einiges über die persönliche Stellung des Schulzen hinzuzufügen. Zu-
nächst ist hiebei hervorzuheben, dass es durchaus nicht nothwendig
war, dass in einem Dorfe, welches zu culmischem Becht gegründet war,
dessen Einwohner also vorwiegend; wenn nicht alle, deutsche Bauern
IW) C. W. I, 190; H, 284. 81°) C. W. II, 464. 3JM) C. W. H, 464.
MJ) C. W. H, 284. 3M) C. W. I, 189. 33M) C. W. If, 192.
▼on Hermann Hoffinann. 221
waren, dass in einem solchen Dorfe, wiederhole ich, der Schulz stets
ein Deutscher sein musste. Zahlreiche Beispiele zeigen uns, dass ein-
gebornen Preussen häufig die Location eines Dorfes zu culmischem
Recht übertragen wurde;325) wir bemerken sogar, dass um die Mitte
des 14. Jahrhunderts preussische Schulzen in deutschen Dörfern viel
häufiger anzutreffen sind als deutsche. Ein unterschied in den Com-
petenzen und Rechten der deutschen und preussischen Schulzen lässt
sich aber durchaus nicht erkennen.*)
Ferner sehen wir, dass häufig nicht einer, sondern mehrere Leute
mit der Location, also auch mit dem Schulzenamt betraut wurden,
wobei wir wieder ebenso Preussen wie Deutsche treffen.
Waren mehrere mit der Location betraut, so wurden die Schulzen-
hufen häufig gleich zwischen ihnen get heilt, und zwar durchaus nicht
immer zu gleichen Theilen. **)
So ersehen wir aus mehreren Handfesten, in denen wir nur eine
Hufe und eine halbe für das Schulzenamt bestimmt finden, dass die
eine Partei eine Hufe, die andere aber nur eine halbe erhält.386)
In einer anderen Urkunde heisst es,"7) die einen erhalten die
Hälfte, die anderen den dritten Theil der Hufen und des Gerichts. ***)
"•) C. W. I, 297, 802; II, 22, 89 etc.
*) Voigt sowol wie Bender nehmen an, dass, wenn in deutschen Dörfern
Preussen als Schaken waren, sie nicht die Gerichtsbarkeit Über die deutschen Bauern
hatten. (Voigt, Gesch. Pr. III, p. 481; Bender, Erral. polit. u. nat. Stellung inner-
halb Preussens p. &3.) Leider geben beide nicht an, wer in solchen Fällen, ihrer
Ansicht nach, die Jurisdiction über die deutschen Bauern hatte. Ich glaube aber,
wenn der Orden oder die Bischöfe und Domcapitel einzelnen Preussen so weit ihr
Vertrauen schenkten, dass sie ihnen die Location deutscher Dörfer übertrugen, so
werden sie ihnen die Jurisdiction über die deutschen Bauern nicht vorenthalten
haben, zumal in keiner unserer Urkunden dieser Punkt irgend wie erwähnt wird«
**) Riedel, Die Mark Brandenburg ums Jahr 1250 (ü, p. 219 ff.) sagt, dass
wenn auch mehrere Locatoren da waren, doch nur einer das Schulzenamt erhielt,
die andern eben als Lehnsbauern eine dem Schulzen ähnliche Stellung einnahmen.
Wo er in Dörfern mehrere Schulzen erwähnt findet, hilft er sich mit der Annahme,
dass nnr einer- wirklich Schulze gewesen sei, die andern nur den Titel geführt haben.
3M) C. W. I, 299; H, 120. M7) C. W. I, 288.
***) Es liegt' hier wol jedenfalls wieder eine Nachlässigkeit bei der Ausstellung
der Urkunde vor, da wir nur Über den Verbleib yon fünf Sechsteln der Schulzen«
hufen etwas erfahren.
222 Der ländliche Grnudbeiits im Ermlande
Die eben angefahrten Theilangen sind alle gleich bei der Aus-
setzung der Hufen vom Landesherrn bestimmt worden. Wo eine solche
Theilung der Schulzenhufen auf diese Weise nicht geschah, werden die
Betreffenden sie häufig unter sich vorgenommen haben.
Wenn wir nun an dem Grundgedanken festhalten, dass die Schulzen-
hufen zum Schulzenamt gehören, mit diesem aufs engste verbunden
und von ihm gar nicht zu trennen sind, so folgt daraus ganz einfach,
dass bei einer Theilung der Schulzenhufen auch die Rechte sowie die
Pflichten des Schulzen getheilt wurden, d. h., dass jeder, der einen
Theil der Schulzenhufen besass, nach der Grösse dieses Antheils auch
an den Rechten und Pflichten des Schulzen Theil hatte.
Es ist dieses so zu verstehen, dass er einmal den betreffenden
Theil der Einnahmen des Schulzen, also besonders der Gerichtsbussen
empfing, andererseits aber auch für die richtige Einlieferung der be-
treffenden Quote der bäuerlichen Abgaben verantwortlich war. Die
Functionen des Schulzen gingen dabei vielleicht der Reihe nach bei
den einzelnen Mitbelehnten herum, doch so naturlich, dass derjenige,
der z. B. doppelt so viel von den Schulzenhufen besass, als ein anderer,
die Functionen des Schulzen auch doppelt so lange versehen musste,
als dieser.
Es ist hier nun noch der Fall zu betrachten, dass unter mehreren
Zusammenbelehnten eine Frau war.
In der Handfeste von Langen walde m) aus dem Jahre 1318 wird
das Schulzenamt einem Manne und seiner Schwester verliehen, und
zwar erhält jeder die Hälfte der Schulzenhufen.
Mit der Zustimmung des Domcapitels ernennt nun die Frau, weil
sie als Frau dem Schulzenamt nicht vorstehen kann, ihren Bruder für
ihre Hälfte zum beständigen Procurator und verpflichtet sich, alles,
was er tfaun würde, gut zu heissen. Unzweifelhaft blieb ihr aber die
Hälfte der Einnahmen, sowie die Verantwortlichkeit für die Hälfte der
abzuführenden Abgaben. Ob sie ihrem Bruder für seine Arbeit und
Mühe vielleicht einen Theil ihrer Einnahmen abtrat, wissen wir nicht.
m
) C. W. I, 189.
von Hermann Hofftnann, B2ä
Es ist dieses auch vollständig gleichgültig, da es nur eine rein private
Abmachung gewesen wäre.
Das Wichtigste, was aus. dieser Handfeste folgt, ist aber, dass
eine Frau im Besitz von Schulzenhufen sein kann, und dass es ihr
freisteht, sich einen männlichen Beistand, einen Procurator zu erwählen,
der die Functionen des Schulzen für sie und in ihrem Namen ausübt
Da die Schulzen ihre Freihufen nun zu culmischem Recht besassen,
gelten für sie auch dieselben Grundbestimmungen wie für diese Güter.
Das Erbrecht für beide Geschlechter und das freie Veräusserungsrecht
kam ihnen jedenfalls zu.
Bemerkenswert ist hiebei nur der Fall, wenn nur eine Erbtochter
vorhanden war. Nach Analogie des eben erwähnten Falles konnte diese
sich wahrscheinlich einen Procurator wählen, den der Landesherr, wenn
er ihm genügend befähigt und geschickt erschien, bestätigte. Ver-
heiratete sich eine solche Erbtochter, so ging jedenfalls (natürlich mit
Zustimmung des Landesherrn) das Schulzenamt auf ihren Mann über.
Geschah keins von beiden, so blieb ihr wol nichts anderes übrig, als
das Schulzenamt zu verkaufen. Waren endlich keine Erben vorhanden,
so fiel das Schulzenamt sammt den Schulzenhufen an die Landesherr-
schaft zurück, die es einem andern übergeben oder verkaufen konnte. *)
Was das freie Verkaufsrecht der Schulzen anbetrifft, so konnten
diese das Schulzenamt sammt allen Hufen ganz oder theilweise ver-
kaufen. Im ersten Falle trat der Käufer vollständig in die Rechte und
Pflichten des bisherigen Schulzen ein, im andern Falle gestaltete sich das
Verhältniss genau so, wie bei einer Theilung zwischen mehreren Erben.
Ausser den Schulzenhufen nehmen nun auch noch die Hufen, die
zur Dotirung der Kirche bestimmt wurden, eine besondere Stellung ein.
Gewöhnlich wurden der Kirche 4 Hufen "•) zugetheilt, doch finden wir
*) Riedel, Die Mark Brandenburg ums Jahr 1260 (II, p. 211) sagt, dass bei
den märkischen Lehnsschalzen immer nur ein Sohn, gewöhnlich der jüngste, dem
Vater im Amte folgte. — In Schlesien konnte das Schulzenamt auch auf weibliche
Nachkommen Übergehen cf. Tzschoppe u. Stenzel, Urkundensammlung zur Geschichte
des Ursprungs der Städte in Schlesien und der Ober-Lausitz, Einleitung 3. Hanpt-
stfick p. 150.
»•) C. W. I, 109, 127, 134, 158, 167, 179, 261 etc.
224: Der läadl»che Grundbesitz im Ermlande
auch sehr häufig fünf,330) auch 6 Hufen.331) War in einem Dorfe nur
eine Kapelle, in der der Pfarrer eines benachbarten Dorfes das Amt
hielt, so finden wir gewöhnlich nur 2 Hufen gegeben.333)
Diese Hufen waren ebenso wie die Schulzenhufen frei von dem
Geld- und Huhnerzins. Ob von ihnen das Pflugkorn zu geben war,
lässt sich nicht genau entscheiden.
Da diese Hufen aber eine ganz ähnliche Stellung einnehmen, wie
die Schulzenhufen, liegt die Vermuthung, dass auch sie von der Ab-
gabe des Pflugkorns befreit waren, sehr nahe.
Ausser diesen Freihufen hatte der Pfarrer noch den kirchlichen
Decem oder das Messkorn. Dieser Decem wurde ebenso wie das
Pflugkorn von jedem Pfluge gegeben333) und betrug für jeden Pflug
1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Hafer.
Wenn wir auch hier nicht zu selten die Bestimmung finden, dass
der Decem von der Hufe (de manso) zu geben sei, 334) so gilt hiefür das-
selbe, was wir schon früher bei Betrachtung des Pflugkorns gesagt haben,
d.h. es ist wol nachlässigerweise „de manso11 statt „de aratro" gesetzt.
Die Gärtner, die nur eine geringe Ackerfläche zugewiesen erhielten,
geben dem Pfarrer als Decem für jeden Garten zwei Hühner.*)
Weil dieser Decem nun nur vom bebauten Lande gegeben wurde,
war das Gemeindeland, das als Wald oder Weide benutzt wurde, von
demselben frei.
Ganz dasselbe gilt von den Hufen, die später einmal zugegeben
oder zugekauft wurden. So lange sie noch unbebaut sind, heisst es
gewöhnlich, haben 9ie keinen Decem zu liefern, wenn sie aber cultivirt
werden, sollen sie den beackerten Hufen ganz gleich stein.
Doch findet es sich auch zuweilen,336) dass solche Hufen einen
geringeren Decem, nämlich nur 1 Scheffel Getreide von jeder Hufe zu
M0) C. W. H, 179, 273, 284, 430 etc. SS1) C.W. I, 143,186,233; H, 73, 75,
223, 327 etc. 3M) C. W. H, 192, 291, 344 etc. J") C. W. I, 193, 194, 196, 197;
II, 399. 334) C. W. t 175, 180, 288 etc.
*) Nach einer SteUe bei Voigt (Gesch. Pr. VI, p. 657 Anm. 2) haben die
Gärtner zuweilen statt dieses Naturaldecems eine Geldabgabe zu geben, und zwar
dem Pfarrer für jeden Garten 1 Schilling, dem Glöckner 6 Pfennige.
»") C. W. II, 191.
von Hermann Hoffroami. 225
geben haben; hin und wieder werden solche Hufen auch für immer
vom Decem befreit 336) Ebenso sehen wir, dass Hufen, die kaum cultur-
föhig sind, vom Decem (wie auch ganz oder theilweise von den übrigen
Abgaben) befreit werden.337)
Bevor wir nun zu den eigentlich bäuerlichen Hufen übergehn, ist
es noch nöthig, einen Blick auf das Gemeindeland zu werfen, das von
allen gemeinsam benutzt wurde. Die Grösse desselben ist natürlich sehr
verschieden; in unsern Urkunden variirt sie zwischen einer halben Hufe
und acht Hufen.338)
Dieses Gemeindeland war entweder Wald oder Weide und darnach
auch verschieden belastet. Ais unbeackertes Land war sowol der
Gemeinde- Wald wie die Gemeinde- Weide von der Lieferung des Pflug-
korns an den Landesherrn und des Decems an den Pfarrer entbunden.
In der älteren Zeit war wenigstens das gemeinsame Weideland wol
stets auch zinsfrei. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts finden
wir indess schon, dass auch von der Gemeinde-Weide zuweilen ein
Zins gezahlt werden rnuss.339) Der Gemeinde- Wald scheint in Betreff
des Zinses den gewöhnlichen Bauernhufen gleichzustehn. 34°) Aehnlich
verhielt es sich auch mit dem später zugegebenen oder zugetheilten
Lande. So lange dieses nicht beackert und noch unaufgetheilt war,
sondern als Weide und Wald gemeinsam benutzt wurde, war es von
der Scharwerkspflicht und dem Decem an den Pfarrer befreit,341) doch
finden wir noch häufiger, dass solche Hufen für immer vom Scharwerk
und Decem befreit sind,342) oder dass die Befreiung vom Scharwerk für
alle Zeit, die vom Decem aber nur temporär ist,343) resp. gar nicht
erwähnt wird. 344) ^
Der Zins wird von solchen Hufen gewöhnlich gleich gegeben und
ist derselbe wie von den andern Hufen. Zuweilen finden wir auch,
dass einige Hufen zur Verbesserung einzelner sehr schlechter Grund-
3M) C. W. II, 195, 331. 887) C. W. II, 3Ö6. a") % Hufe cf. C. W. I, 180, Ml.
1 Hufe cf. C. W. I, 109, 127, 143, 149; H, 75, 86. 2 Hufen cf. C, W« I, 167, 176;
II, 291. 4 Hufen cf. C. W. II, 101, 831, 347. 8 Hufen cf. C. W. II, 376.
8a») C.W. II, 375. *">) C.W. ü, 242. •*') C.W, II, 818. »«*) C.W. II, 195, 881.
m») C. W. II, 827. *«) C. W. II, 455.
Altpr. MoDSMMbrift Bd. XIV. Hft. 8 u. 4, 15
226 Der ländliche Grundberitt im Ermlande
stücke gegeben werden, bei welchen dann Freiheit von Zins, Scharwerk
und Decem bewilligt wird.345)
Als ganz aussergewöhnliche Bestimmung ist endlich noch zu er-
wähnen, dass einmal von zwölf zugekauften Hufen an Stelle alles
Dienstes von jeder Hufe 10 Scheffel Weizen zu geben sind.
Was nun von den ursprünglich zu einem Dorf gegebenen Hufen
nicht dem Schulzen zufiel, und der Kirche als Dotation oder dem Dorfe
*als Gemeindeland zugewiesen wurde, kam zur Vertheilung unter die
Bauern. Den bei weitem grössten Theil dieser Ländereien finden wir
gewöhnlich mit freien deutschen Bauern besetzt. Neben diesen treffen
wir in den Dörfern dann häufig noch kleine selbstständige Güter cul-
mischen Rechts, kleine Güter preussischen Rechts, Gärtner etc.
Betrachten wir hier zunächst die Besitzungen der deutschen Bauern.
Die Frage, in wie weit das culmische Becht auf die bäuerlichen Be-
sitzungen Anwendung gefunden hat, ist sehr schwer zu beantworten,
da für die Bauern keine Einzelverschreibungen ausgestellt wurden. Ueber
das Erbrecht und Veräusserungsrecht vor Allem sind wir vollständig
im Unklaren. In den Handfesten der Dörfer findet sich hierüber nicht
die geringste Notiz. Da wir nun aber annehmen, dass die Verleihung
des culmischen Bechts sich nicht bloss auf die Schulzen, sondern auch
auf die Bauern bezogen hat, glauben wir auch, dass hier in Betreff des
Erb- und Yeräusserungsrechtes die Bestimmungen der culmischen Hand-
feste gegolten haben.*)
Die niedere Gerichtsbarkeit über sie besass, wie schon gezeigt ist,
»«•) C. W. H, 331.
*) Voigt (Gesch. Pr. Vi, p. 591) scheint anzunehmen, dass das culmische
Becht sich häufig nur auf den Schulzen und und nicht auf die Bauern bezogen habe.
Bender in seinem schon oft citirten Werk (p. 48) sagt: »An dem culmischen
Becht partieipirten auch die deutschen Bauern.* In Betreff ihres Erb- nnd Ver-
äusserungsrechts drückt er sich aber sehr unbestimmt aus, indem er nnr sagt:
»Ihr Besitz war erblich und yeräusserlich.*
ßchmitt (Stuhmer Kreis p. 118) sagt: das culmische Recht habe sich nie auf
die Bauern, sondern immer nnr auf den Schulzen bezogen.
Korn (»Geschichte der bäuerlichen Verhältnisse in der Mark Brandenburg*
Zeitschrift für Rechtswissenschaft Bd. XI. Hft. I. p. 4) sagt, dass die bäuerlichen
Besitzungen In der Mark Brandenburg erblich und veräusserlich gewesen seien.
von Hennann Hoffmanxu 227
der Sehulz, die hohe der Vogt. Von beiden wurden sie nach deutschem
Recht gerichtet, und unterscheiden sich hierin sehr zu ihrem Vortheile
von der grossen Masse der Preussen, die nach preussischem (polnischem)
Recht gerichtet wurden.
Von anderen Rechten, die die deutschen Bauern besassen, ist nur
das Fischereirecht zu erwähnen, dass sie sehr oft,9") und das Jagd-
recht, das sie sehr selten erhielten.*47)*)
Die Leistungen, die nun auf diesen bäuerlichen Hufen ruhten, be-
standen zunächst im Hufenzins. Ueber diesen sind bis jetzt zwei ver-
schiedene Ansichten aufgestellt worden. Voigt348) sagt bei Behandlung
der einzelnen Geldabgaben an den Orden: „Geleistet wurde der Zins
aber nur von den wirklich besetzten und bebauten, nie von den wüsten
und unbebauten Hufen, worüber die Comthure genaue Verzeichnisse
hielten. " Die andere Ansicht ist die von Meitzen.'49) Derselbe sagt,
allerdings nicht mit specieller Beziehung auf die Provinz Preussen,
sondern nur auf die Länder östlich der Elbe: „Bei wüsten Hufen war
es üblich, dass die übrige Bauernschaft sie gegen die Lasten bis zur
Besetzung mit einem neuen Wirth gemeinschaftlich oder durch die
Nachbarn bebaute. *
Unsere Urkunden bieten uns leider nicht das Material, um uns
hierüber eine selbstständige Ansicht zu bilden. Sie sagen fast immer:
Zum Schulzenamt gehören so und so viel Hufen, zur Kirche und zum
Dorfanger so und so viel; von den übrigen ist der Hufenzins zu zahlen.
Es wäre hienach dieser Hufenzins von sämmÜichen Hufen mit
Ausnahme der Freihufen zu leisten, ohne Bücksicht darauf, ob alle
Hufen besetzt werden oder nicht. Es kann hierauf aber leider nur
sehr wenig Gewicht darauf gelegt werden, da man entschieden den Fall,
dass ein Theil der Hufen unbesetzt bleiben könnte, bei der Verleihung
*">) C. W. I, 143, 178, 186, 197, 297; H, 347 etc. 34T) C. W. I, 277, 291.
*) Voigt (Gesch Pr. VI, p. 637) sagt, dass die Bauern das Fischereirecht
gegen einen jährlichen Zins erhielten. Von einem solchen Pachteins findet sich in
unsern Urkunden keine Spur.
'") Voigt, Gesch. Pr. VI, p. 652.
34°) Meitzen, Boden- und landwirtschaftliche Verhältnisse des preußischen
Staates, Band I, HauptBtuck II, p, 871,
15*
228 Der ländliche Grundbesitz im Ermlende
nicht berücksichtigt hat. Hiefür spricht der Umstand, dass wir nicht
selten statt jener eben angefahrten Bestimmung „von den übrigen
Hufen etc. " eine andere finden, die ganz dasselbe sagen soll, jene Deu-
tung aber nicht zulässt. Es heisst nämlich ziemlich häufig: „Von
den übrigen Hufen haben die Besitzer von jeder Hufe den Zins zu
zahlen/ Dieses kann aber doch nur für die besetzten Hufen gelten,
denn die Erklärung, dass das Dorf der Besitzer von herrenlosen Hufen
sei und deshalb jeder Bauer als Mitbesitzer zur Erlegung seines Zins-
antheils verpflichtet sei, dürfte doch etwas gesucht erscheinen.
Hiezu kommt nun noch, dass wir für die spätere Zeit aus den
vorzüglichsten Quellen, den Zinsbüchern etc., wissen, dass es wirklich
sehr häufig wüste Hufen gab, von denen kein Zins gezahlt wurde.
Für die Ansicht Meitzen's, oder wenigstens gegen die Ansicht
Voigt's scheint aber wieder eine Stelle in der Verschreibung für das Dorf
Grutta zu sprechen, "°) in der es heisst, dass wenn nach Ablauf der
Freijahre nicht alle Hufen besetzt sind, der Schulz für den Ausfall
stehen solle; das heisst doch unzweifelhaft, dass er aus seiner eignen
Tasche den Zins für die nicht besetzten Hufen zahlen solle.
Wahrscheinlich ist dieses aber auch nur eine ganz singulare Be-
stimmung, der keine allgemeine Bedeutung beizulegen ist.
Wir werden uns daher für die von Voigt geäusserte Ansicht ent-
scheiden, dass der Hufenzins nicht auch von den wüsten, sondern nur
von den besetzten Hufen zu zahlen war.
Dieser Hufenzins war je nach den örtlichen Verhältnissen natürlich
ein verschieden grosser. Der gewöhnliche Hufenzins in Ermland betrug
för jede Hufe eine halbe Mark,851) doch steigt er auch nicht selten bis
zu einer ganzen Mark.351) Daneben findet sich in der späteren Zeit,
d. h. ungefähr seit der Mitte des 14. Jahrhunderts ein Naturalzins von
Hühnern. Es stellt sich dann der Normalzins für jede Hufe auf eine
halbe Mark und zwei Hühner.353) Doch haben wir auch einen Zins
S5°) Froelich, Geschichte des Graudenzer Kreises p. 157.
»") C. W. I, 121, 140, 158, 167, 231 j O, 46, 323, 327 etc.
•") C. W. I, 109, 134, 149, 180, 251 etc.
»**) Cf W. I, 259, 262, 271, 276» 302; II, 76, 86, 138, 223 etc.
von Hermann Hoffmann. 229
von 16 Skoten und 2 Hühnern, 3*4) von 14 Skoten und 1 Huhn, ws) von
3 Vierdungen und 3 Hühnern, 356) von 1/2 Mark und 4 Hühnern3*7) etc.
Ausnahmsweise findet sich auch ein Mal ein Hufenzins von 1 Pfund
Pfeffer und 15 Hühnern.358) Dann lassen sich noch eine ganze Eeihe
von Verschreibungen nachweisen, in denen der Zins in den ersten Jahren
ganz gering ist und dann allmählig steigt, bis er, gewöhnlich im
sechsten, siebenten oder achten Jahre, das Maximum erreicht hat und
stehn bleibt.309) Der Geldzins wurde gewöhnlich zu Martini gezahlt,
die Hühner konnten zu jeder Zeit eingefordert werden, wenn es der
Landesherrschaft passte.
Die zweite Hauptabgabe, die auf den bäuerlichen Grundstücken
lastete, war der Bischofsscheffel oder das Pflugkorn. Wir haben hier
die eigentümliche Erscheinung, dass es sich verhältnissmässig sehr
selten erwähnt findet, und dass fast alle Urkunden, in denen es erwähnt
wird, aus einer späten Zeit stammen.
Wir werden trotzdem aber nicht annehmen dürfen, dass diese Ab-
gabe ursprünglich nicht existirt habe und erst im Laufe der Zeit dazu
gekommen sei. Hiefür spricht schon, dass in einigen Handfesten
(in denen allerdings nachlässiger Weise der Bischofsscheffel und der
Hufenzins unter die gemeinsame Bezeichnung „census* zusammenge-
bracht werden) es ausdrücklich heisst, der Zins und das Pflugkorn sei
von jeder Hufe gemäss dem Wortlaut des culmischen Privilegiums zu
geben. Hiezu kommt noch, dass in der Handfeste für das Dorf Krebs-
walde aus dem Jahre 1314 860) des Pflugkorns, oder, wie es da ausdrück-
lich heisst, des Bischofsscheffels, als einer ganz allgemein bekannten
und gewöhnlichen Abgabe gedacht wird. Als zu leistende Abgabe wird
in diesem Fall nur der Hufenzins erwähnt. Später heisst es dann, für den
Bischofsscheffel und das Wartegeld sollen sie drei Freijahre haben.
Der Grund dafür, dass das Pflugkorn meistens nicht speciell er-
wähnt wird, ist wol der, dass es immer gleich gross war und deshalb
einer besonderen Erwähnung nicht zu bedürfen schien. Dass es trotz-
3") C. W. 1, 187. 3") C. W. I, 264. »•) C. W. I, 266. 867) C. W. I, 293, 294;
H, 41. »•) C. W. U, 159, 869) C. W. I, 127, 143, 149, 158, 167, 186 etc,
3W) C. W. I, 170.
2QQ Der ländliche Grundbesite im Ermlaude
dem zuweilen erwähnt wird, darf uns nach dem, was wir über die Ab-
fassung unserer Yerschreibungen schon gesagt haben, durchaus nicht
wundern. Wie das Pflugkorn, das von den culmischen Gütern zu geben
war, betrug auch das Pflugkorn, das die Bauern zu geben hatten, für
jede beackerte Hufe 1 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Boggen.*)
Ausnahmen hievon finden sich äusserst selten. So wird ein Mal
das Pflugkorn auf 4 Scheffel normirt, während es ein anderes Mal nur
1 Scheffel beträgt.
Als letzte Abgabe an die Landesherrschaft ist noch das Wartegeld
zu erwähnen (denarii custodiales), das nach den Hufen bezahlt wurde,
dessen Grösse wir aber nicht kennen.
Ueber den Decem, der an den Pfarrer zu entrichten war, ist schon
gesprochen und hier nichts mehr hinzuzufügen.
Es bleibt nun noch übrig, einen Blick auf die andern Lasten zu
werfen, die auf den bäuerlichen Grundstücken ruhten, ich meine auf
die Kriegspflicht und die Verpflichtung zum Scharwerksdienst. Voigt
sagt:381) Der deutsche Bauernstand war in der Kegel von der Kriegs-
folge völlig frei. Bei feindlichen Einfällen hatten sie aber ebenfalls
sich zum Kriegsdienste zu stellen, d. h. sie waren zum gemessenen
Kriegsdienst verpflichtet. **)
In unseren Urkunden finden wir bis zu der Mitte des 14. Jahr-
*) Sehr auffallender Weise wird in der Handfeste des Dorfes Ryn (C.W. 1,297)
gesagt, die Bauern haben den Hufenzins, das Pflugkorn und den Htihnerzins ,de
quolibet manso censuali* zu geben. Ebenso heisst es in der Yerschreibnng für das
Dorf Roggenhausen (Froelich, Gesch. des Granden z er Kreises p. 277), dass von jeder
Zinshufe 2 Scheffel, von jedem Zinshaken 1 Scheffel Getreide zu geben ist.
3«») Voigt, Gesch. Preussens VI, p. 679—682.
**) Bender in seinem bekannten Werk (p. 48) sagt nur, dass die Dorfbewohner
nur in besonderen FäUen unmittelbar zu Kriegsleistungen herangezogen wurden.
Biedel (Die Mark Brandenburg ums Jahr 1250 II, p. 226) sagt, dass die Bauern
nur zur Verteidigung des Landes verpflichtet waren, und dass ihnen dieses Recht
1280 Ton Neuem bestätigt sei.
Bei Korn (»Geschichte der bäuerlichen Rechtsverhältnisse in der Mark Branden-
burg« Zeitschrift für Rechtswissenschaft Bd. XI. Hft. I. p. 7) findet sich in Betreff
der Kriegspflicht (servitium curruum) nur die Verpflichtung, dass im Falle eines
Krieges von jedem Dorf ein vierspänniger Rüstwagen zum Gefolge der aufgebotenen
Lehnsmannschaft gestellt wurde.
von Hermann Hoffmann. 231
hunderts keine Spar von einer Kriegspflicht der deutschen Bauern (mit
Ausnahme der Verpflichtung zur Hülfe beim Burgenbau).
Dass sie trotzdem von Anfang an zum Landwehrdienst verpflichtet
gewesen sind, ist nicht nur möglich, sondern sogar sehr wahrscheinlich,
weil bei den damals so häufigen Einfällen der Litthauer wol kein
waffenfähiger Mann vom Yertheidigungsdienst befreit gewesen sein wird.
Nun finden wir aber in einer Urkunde aus dem Jahre 1349 eine Ver-
pflichtung der Bauern zum ungemessenen Kriegsdienst. SM)
Das Dorf Bevemick bei Heilsberg wird nämlich um zehn Hufen
vergrössert. Nachdem die einzelnen Abgaben bestimmt sind, heisst es
dann zum Schluss: »Damus etiam dicto Tiloni a festo beati Martini
proximo nunc venturo ad duos annos de predictis X mansis libertatem
ab expeditionibus et singulis serviciis dominorum."
Die Verschreibung für Schöndamerau 363) aus dem Jahre 1391 sagt
ferner ausdrücklich, dass die Bauern zu Beisen und zum Burgenbau-
dienst verpflichtet sind.
Es lässt sich also unmöglich leugnen, dass seit der Mitte des
14. Jahrhunderts schon eine Verpflichtung der deutschen Bauern zum
ungemessenen Kriegsdienst existirt hat. Es fragt sich hiebei nur, ob
diese Verpflichtung immer bestanden hat, oder wann sie aufgekommen
und allgemein geworden ist.
Für die Beantwortung dieser Fragen haben wir in unseren Ur-
kunden nicht den mindesten Anhalt. Wir können nur vermuthen, dass
die Verpflichtung zum ungemessenen Kriegsdienst in der älteren Zeit
wol entschieden nicht bestanden hat, da sie zu den Verhältnissen, in
die die deutschen Einwanderer durch die culmische Handfeste gebracht
waren, durchaus nicht passt. Dass sie ums Jahr 1349 wenigstens
theilweise schon existirte, wissen wir; dass sie aber auch nicht viel
früher aufgekommen sein wird, schliessen wir daraus, dass um dieselbe
Zeit der ungemessene Kriegsdienst auch in den Verschreibungen für
Güter culmischen Bechts gewöhnlich ausbedungen zu werden pflegt.
Dieselben Ursachen, die den bisher bei den Gütern culmischen
8M) C. W. I, 134. 3flJ) Voigt, Cod. dipl. Prosa. Bd. IV, ürk. 99,
232 "er IftBdliehe Grundbesitz im Ermlande
Rechts üblich gewesenen gemessenen Kriegsdienst in einen ungemessenen
verwandelten, nämlich der immer mehr steigende Bedarf an bewaffneter
Mannschaft, die nicht nur zur Verteidigung eines beschränkten Gebietes
verpflichtet war, diese selben Ursachen legten wol auch dem deutschen
Bauernstand die Last des ungemessenen Kriegsdienstes auf.
Dass die Bauern dagegen von Anfang an zur Hülfe beim Burgen-
bau verpflichtet waren, lässt sich durch eine grosse Anzahl von Ur-
kunden beweisen.864) Ob sie hiebei den unfreien Hintersassen ganz
gleichgestellt waren, oder ob diese vielleicht mehr Handdienste zu leisten,
jene aber mehr mit ihren Gespannen zu dienen hatten, ist nicht klar
ersichtlich. *) Der Schluss der Handfeste für Schöndamerau, 3M) wo es
heisst, sie haben beim Bau des Schlosses in Frauenburg Hülfe zu leisten :
„et ipsi servicia et evectiones et operas exhibere teneantur", scheint
darauf hinzudeuten, dass sie am Ende des 14. Jahrhunderts beim Burgen-
bau den eigentlichen Frohndienst zu leisten hatten.
Endlich haben wir noch die Scharwerkspflicht zu betrachten, zu
der die deutschen Bauern ihren Herren gegenüber auch verpflichtet
waren. Auch hier haben wir, wie bei der Verpflichtung zum Kriegs-
dienst die auffallende Erscheinung, dass sich bis ungefähr zur Mitte
des 14. Jahrhunderts keine Spur von Scharwerkspflichtigkeit findet.**)
Die erste Bestimmung hierüber treffen wir in einer Urkunde aus
dem Jahre 1338, 3M) wo 50 Hufen, die zu einem Dorf gegeben werden,
10 Jahre, wie es heisst: „ab omni onere servitutis", frei sein sollen.
Von nun ab finden sich die Scharwerksdienste (servicia msticalia
oder servicia domini) häufiger erwähnt, doch wird selten Genaueres
s") C. W. I, 193, 194, 196 etc.
*) In der Mark Brandenburg (cf. Korn a. a. 0. p. 6) hatten die Bauern ausser
dem Vorspanndienst, den wir später auch in unserer Provinz treffen, die sogenannte
Burgwehre zu leisten, d. h. sie hatten die erforderlichen Fuhren bei Bauten der
markgrftflichen Festungen, Burgen etc. mit ihren Gespannen zu thun.
*") Voigt, Cod. dipl. Pruss. Bd. IV, ürk. 99.
**) In der Mark Brandenburg (cf. Korn a. a. 0. p. 7) findet sich diese Schar-
werkspflichtigkeit ursprunglich auch nicht, doch sehen wir, dass da zuweilen die
Verpflichtung zum Burgenbaudienst in die Verpflichtung zum Scharwerksdienst um-
gewandelt wurde.
»") C. W. I, 290,
Ton Hermann Hoffmann. 233
darüber bestimmt. Meistens wissen wir nur, dass die Scharwerkspflicht
bestanden haben muss, weil Befreiung von ihr auf bestimmte Zeit er-
wähnt wird, 367) oder weil wir später zugegebene oder zugekaufte Hufen,
so lange sie unbebaut sind, vom Scharwerksdienst befreit sehen. m)
Zuweilen werden, wie wir schon oben gefunden haben, solche zugegebene
oder zugekaufte Hufen auch für immer vom Scharwerksdienst befreit,
gleichviel ob sie nachher zur Vertheilung und Beackerung gelangen
oder nicht. 369) Ebenso sehen wir auch ein Mal, dass 6 Hufen, die schon
einem oder mehreren zugewiesen sind, von der Scharwerkspflicht be-
freit werden (ebenso vom Decem und dem halben Zins), weil sie kaum
culturfthig sind.370)
üeber das Wesen der Scharwerkspflicht erhalten wir durch diese
Urkunden aber nicht die mindeste Aufklärung. Erst aus dem Jahre
1371 haben wir eine Handfeste, die den Scharwerksdienst genauer be-
stimmt.371) Es heisst hier: „Vort mer sullen die selbigen gebuer mir
und meynen nochkomelyngen von iclicher hübe eynen tag dynen czwuschen
dem Schofsberge und der frouvenburg, ab is mir und meynen noch-
komelyngen not tut. Ist is aber keyne not, so sullen sye dynen von
iclicher hüben eyne tag beynen den grenitczen des Dorfes Schofeberg
alle jar vor allen dinst."
In einer etwas späteren Urkunde aus dem Jahre 1373 heisst es
einfach nur:378) „und sullen myr und mynen rechten erben dynen wenne
ader wie sie geheissen werden. u
Aus dem Jahre 1391 haben wir sogar schon eine Handfeste, in
der der Scharwerksdienst in einen Zins umgewandelt wird.*7*)
Zunächst ist hier nun die Frage zu erörtern, ob diese Scharwerks-
pflicht von Anfang an bestanden hat. Ich glaube diese Frage ganz
entschieden verneinen zu müssen. Wie wir früher gesehn haben, war
Scharwerksfreiheit einer der Hauptvortheile, den das culmische Recht
seinen Besitzern gewährte. Wir haben ferner schon gesehn, dass die
Grundzüge dieses Rechts sich bis gegen die Mitte des 14. Jahrhunderts
>•') C. W. II, 134, 242, 351. JM) C. W. II, 318. »«) C. W. H, 196, 327, 331.
37°) C. W. D, 356. "0 C. W. II, 454. 37a) C. W. H 476.
373) Voigt, Cod. dipl. Pruss. Bd. IV, ürk. 99.
234 ^er J&ndlicbe Grundbesitz im Ermlande
in ihrer Reinheit erhielten, dann aber zum Nachtheile derer, die es
empfingen, bedeutende Veränderungen erlitten.
Wenn wir unter diesen Verhältnissen die Scharwerkspflicht bis
gegen die Mitte des 14. Jahrhunderts nirgend erwähnt finden, so dürfte
die Behauptung wol nicht zu gewagt sein, dass die deutschen Bauern,
die in Dörfern culmischen Rechts sassen, ursprünglich sich auch der
Freiheit vom Scharwerk erfreuten, und diese Last ihnen erst um die
Mitte des 14. Jahrhunderts auferlegt wurde.
Die zweite Hauptfrage ist natürlich die, wie gross die Last war,
die mit dieser Scharwerkspflicht auf den deutschen Bauern ruhte. Wir
müssen diese Frage leider unbeantwortet lassen, da unsere Urkunden,
wie gesagt, die Scharwerkspflicht fast immer nur erwähnen, ohne ge-
nauer darauf einzugehn. Jedenfalls ist sie aber keine ungemessene,
sondern stets eine genau bestimmte gewesen. Anfangs leicht, wurde
sie im Lauf der Zeit allmählig immer schwerer und drückender, bis sie
schliesslich eine unerträgliche Last wurde.
Diese so eben ausfuhrlicher geschilderten Abgaben und Leistungen
sind den Dorfbewohnern in den ersten Jahren fast immer erlassen
worden. Wenn man bedenkt, dass das für ein zu gründendes Dorf be-
stimmte Land wol stets vollständig uncultivirt war, es also der Arbeit
mehrerer Jahre bedurfte, es einigermaßen ertragfähig zu machen, so
wird man es ganz natürlich finden, dass den Dorfbewohnern immer eine
Anzahl von Freijahren gegeben wurde.*)
Je nach der Beschaffenheit des Bodens war diese verschieden gross.
Wir haben Dörfer, denen nur ein Freijahr gegeben wurde374) und Dörfer,
die siebzehn Freijahre erhielten.876)**)
Ob in den seltenen Fällen, wo keine Freijahre erwähnt werden,
wirklich keine gegeben sind, ist mit Sicherheit natürlich nicht zu ent-
*) In einem Falle (C. W. II, 241) sehen wir sogar, dass ein Dorf, weil die
ganze Landschaft (Barthen) durch die Litthauer verwüstet ist, zum zweiten Male
Freijahre für den Zins erhält
»") C. W. I, 134, 149. J76) C. W. I, 274; II, 75.
*♦) In der Handfeste des Dorfes Benern 1316 (C.W. I, 178) werden den Dorf-
bewohnern zehn Freijahre bewilligt. Von einer bestimmten Anzahl von Hafen, die
schon cultivirt Bind, sollen sie aber schon nach fünf Jahren den vollen Zins geben.
von Hermann Hoffmann, 235
scheiden. Warum sollten aber unter Umständen nicht auch schon cul-
tivirte Hufen zur Gründung von Dörfern verwandt worden sein, wobei
dann Freijahre natürlich keinen Sinn gehabt hätten.
Diese Preijahre bezogen sich zunächst, wie aus allen Urkunden zu
ersehn ist, auf den Hufenzins. Auf das Fflugkorn haben sie sich jeden-
falls aber auch bezogen, weil dieses ja überhaupt erst vom beackerten
Lande gegeben wurde. Ausserdem ergiebt sich dieses aus einer ganzen
Reihe von Verschreibungen. Später werden auch Preijahre vom Kriegs-
dienst und Scharwerksdienst erwähnt.*)
Höchst auffallender Weise findet sich nun seit dem Jahre 1349
gar nicht selten die Bestimmung, dass während der Preijahre ein Ge-
treidezins zu geben ist, und zwar von jeder Hufe ein Scheffel Boggen.
Unzweifelhaft wollte man die Preijahre, auf die die deutschen Bauern,
weil sie fast immer gegeben wurden, einen gerechten Anspruch zu haben
schienen, ihnen nicht vorenthalten, hielt es aber, vielleicht weil der
Boden in den betreffenden Fällen besonders ertragfähig erschien, für
unnöthig, während der Preijahre auf jede Einnahme zu verzichten.
Ausser den Abgaben und Leistungen, die auf den bäuerlichen Be-
sitzungen ruhten, und die dem Oberherrn resp. dem Pfarrer zu Gute
kamen, waren die Bauern nun noch zu Leistungen verpflichtet, die
sich auf die Dörfer selbst bezogen. Hieher gehörte natürlich das In-
standsetzen und Imstandehalten der Wege und Brücken, das Ziehen
von Gräben und Errichten von Zäunen etc., wie es durch die Dorf-
ordnung bestimmt war, und auf Befehl des Schulzen ausgeführt werden
musste. Näheres berichten uns unsere Urkunden hierüber nicht.37*)
Neben den deutschen Bauern, die den Stamm der Bevölkerung der
deutschen Dörfer bildeten, finden wir nun häufig noch andere Leute in
den Dörfern wohnen, die rechtlich bald schlechter, bald günstiger als
die deutschen Bauern situirt waren. Hierher gehören zunächst die
*) In iwei Ordensyerschreibungen für Münsterberg (C.W, I, 204) und* Ebers-
bach (C. W. I, 242) heisst es ausdrücklich, dass die Freijahre sich nicht auf den
Hühnerzins beziehen sollen.
37<J) Genaueres hierüber in der Dorfordnung für das Dorf Gollembiewo: Froelich,
Geschichte des Graudenzer Kreises I, p. 79, 80.
236 Der HtodKche Grundbesitz im Ermlande
Gärtner.*) Voigt im VI. Band seiner Geschichte Preussens giebt eine
ausführliche Schilderung ihrer Verhältnisse, meistens leider ohne anzu-
geben, woher er alle diese Nachrichten hat. Aus diesem Grunde und
weil wir in unsern Urkunden so sehr wenig über sie finden, ist es uns
unmöglich, das von Voigt Gesagte zu controliren.
In der Handfeste für das Dorf Freimarkt bei Heilsberg aus dem
Jahre 1353*") wird eine Hufe zu vier Gärten bestimmt, von denen
jeder eine halbe Mark Zins zahlen soll. Aus einer andern Urkunde
ersehen wir,*78) dass die Gärtner als Decem an den Pfarrer von jedem
Garten zwei Hühner zu liefern hatten.
Was die rechtliche Stellung der Gärtner anbetrifft, so betrachtet
sie Voigt als eine Art von Hintersassen, die kein eigentliches Erbe
hatten, ihre Gärten nur auf zeitweilige Benutzung besassen und sie
ohne Weiteres aufgeben mussten, wenn sie den Zins nicht pünktlich
lieferten oder ihre anderen Pflichten nicht erfüllten.
Da diese Gärtner entschieden immer freie Leute waren, ist es wol
fraglich, ob ihre Stellung wirklich eine so untergeordnete und abhängige
gewesen ist, wie Voigt sie schildert, zumal wir ganze Gärtnerdörfer
treffen, die zu culmischem Recht gegründet sind.179)
Wie schon früher gesagt ist, finden wir in den deutschen Dörfern
nun aber noch häufig Güter zu preussischem und culmischem Becht. "°)
Bei der Betrachtung der Verhältnisse der preussischen Freien ist schon
gezeigt worden, dass diesen zuweilen gleich bei der Verleihung die Ver-
pflichtung auferlegt wurde, wenn daselbst ein deutsches Dorf gegründet
werden würde, in den Verband desselben einzutreten.
Wenn diese Verpflichtung nun in den meisten Verschreibungen auch
fehlt, so waren die preussischen Freien wahrscheinlich doch immer im
*) Den preussischen Gärtnern entsprechen in der Mark Brandenburg die
Kossäten, cf. Riedel a. a. 0. p. 250—272.
*") C. W. II, 192. 3") C. W. II, 293.
*7*) Voigt, Cod. dipl. Pruss. Bd. HL ürk. 132. — Korn a. a. 0. p. 8 nimmt
von den Kossäthcn in der Mark Brandenburg an, dass sie ihre Ländereien ebenso
wie die Huftier zu Erbzinsrecht besessen haben. Nur mussten sie statt der Spann-
dienste Handdienste leisten, weil sie keine Gespann haltenden Wirthe waren.
»••) C. W, H, 198,
von Hermann Hoffmann. 237
betreffenden Falle zum Eintritt in den Dorfverband oder zum Umtausch
ihrer Besitzungen verpflichtet. Wir haben nämlich aus dem Anfange
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine ganze Reihe von Ver-
schreibungen, in denen eingeborne Preussen in Dörfern eingesiedelt
wurden. In den meisten Fällen haben sie in eben dem Felde Besitzungen
gehabt, das zur Dorfmark bestimmt wurde. Sie werden in Folge
dessen einfach in den Dorfverband hineingezogen, erhalten aber stets
statt der betreffenden Haken, die sie bis dahin hatten, die gleiche An-
zahl von Hufen.181) Zuweilen wird ihnen auch die Wahl freigestellt,
ob sie die entsprechende Anzahl von Hufen in demselben Felde oder
anderwärts im Bisthum annehmen wollen.312)
Die Stellung dieser Preussen wurde in den meisten Beziehungen
gar nicht geändert. Ebenso wie die ausserhalb des Dorfverbandes
stehenden preussischen Freien erhielten sie häufig das Erbrecht für beide
Geschlechter, "') das freie Verkaufsrecht, zuweilen auch die Zusicherung,
dass sie von ihrem Besitz nicht vertrieben werden sollen,98*) ebenso das
gewöhnliche Wehrgeld von 30 Mark.385)
Ihre Leistungen bestehen im ungemessenen Kriegsdienst, der Hülfe
beim Burgenbau, der Abgabe des Pflugkorns und der Recognitionsgebühr.
Indessen sehen wir auch zuweilen, dass solche Preussen zinspflichtig
werden. So heisst es in der Verschreibung für das Dorf Strahlenberg *")
(1349), die einzelnen Preussen (sie werden namentlich aufgeführt) sollen
ihre Freiheit, die ihnen früher gegeben ist, behalten, und diese soll
fünf Jahre dauern. Nach Ablauf dieser Freijahre sollen sie dann, wie
die anderen Zinspflichtigen des Dorfes, von jeder Hufe eine halbe Mark
und zwei Hühner geben.
Diese preussischen Besitzer gehören nun alle in so fern zum Dorf-
verband, als sie, wie wir schon früher gesehen haben, in geringen Sachen
unter der Jurisdiction des Schulzen standen. Dass sie auch zu den
Communallasten (Bessern von Brücken, Wegen etc.) herangezogen wurden,
wird nur einige Male erwähnt, ist aber wol immer geschehen.
"') C. W. H, 138, 139, 318. 8M) C. W. H 143, 146, 164.
»") C. W. H, 138, 139, 318. Sf4) C. W. n, 138, 139. >M) C. W, H, 361.
»••) C. W. H, 147.
238 ^er ^n^iche Gnindbeflits im Ermlande
Schliesslich finden wir in den Dörfern auch noch zuweilen Guter
zu culmischem Recht. Es werden diese entweder sofort bei der Loca-
tion des Dorfes verliehen oder auch erst später, im letzteren Falle
natürlich nur, wenn noch unbesetzte Hufen vorhanden waren, oder der
Landesherr sich einen Theil der Dorfmark reservirt hatte. So wird in
der Handfeste für das Dorf Hohenfeld 38T) (1369) dem Vater und einigen
Brüdern des Schulzen (es sind Preussen) ein Gütchen von vier Hufen
zu culmischem Recht verliehen. Sie haben dafür einen Reiter zu stellen
und die gewöhnlichen Abgaben zu geben. Bei Klagen, die gegen sie
erhoben werden, haben sie dem Schulzen Rede zu stehn. Höchst auf-
fallender Weise haben sie auch demselben Scharwerksdienst zu leisten,
wie die deutschen Bauern. Der Kriegsdienst, zu dem sie verpflichtet
sind, muss der ungemessene sein, weil sie auf vierzehn Jahre von den
Kriegsreisen befreit werden.
In der Handfeste für das Dorf Robawen bei Rössel *••) (1363) er-
hält auch ein Verwandter des Schulzen (er ist ein Deutscher) ein Gütchen
zu culmischem Recht unter den gewöhnlichen Bedingungen. Eine Mühle
und Taberne darf er auf seinen 6 Hufen aber nicht bauen. In geringen
Sachen steht er unter der Gerichtsbarkeit des Schulzen, in schweren
unter der des Voigtes. Sein Kriegsdienst ist ebenfalls der ungemessene.
Aus einer Urkunde des Jahres 1317 ersehn wir ferner,390) dass
eine Wittwe 12 Zinshufen gegen 6 Zinshufen, die zu einem Dorfe ge-
hören, und die sie zu culmischem Recht frei von Zins erhält, eintauscht.
Weil eigenes Gericht hier nicht angebracht erscheint, steht auch sie in
geringen Sachen unter der Jurisdiction des Schulzen.
Doch ruhte auch auf solchen, jedenfalls immer ziemlich kleinen
Gütern zuweilen die hohe und niedere Gerichtsbarkeit.800)
Schliesslich sind hier noch einige Begünstigungen zu erwähnen, die
sich nicht auf eine specielle Klasse der Dorfbewohnerschaft, sondern
auf einzelne Dörfer im Allgemeinen beziehen. Hierher gehört zunächst,
dass den Bauern zuweilen gestattet wurde, sich eine Burg oder Schanze
zu erbauen, in die sie bei einem Einfall der Lithauer mit ihrer Habe
»") C. W. II, 436. *••) C. W. II, 861. *••) C. W. I 182. ■••) C. W. I, 171.
von Hermann Hoffmann. 239
flächten könnten."1) Dann erhielten die Bauern zuweilen die Erlaubniss,
frei kaufen und verkaufen, ja sogar einen Markt abhalten zu dürfen. *")
Höchst auffallend und einzig dastehend ist endlich eine Bestimmung
aus der Handfeste für das Dorf Waldow aus dem Jahre 1337. M3) (Die
ganze Verschreibung ist deswegen schon sehr auffallend , weil das Dorf
»Jure hereditario" gegründet wird.) Es heisst hier: „Wenn Jemand
einen von ihnen (den Schulzen) tödtet, so soll der Todtschläger 16 Mark
geben. Wer einen von den Dorfbewohnern tödtet, zahlt 8 Mark.
Wenn aber einer von den Schulzen oder andern Dorfbewohnern einen
Diebstahl oder Todtschlag begeht, kann er seinen Hals lösen, wie es
dem Yoigte gefällt.8 Es ist dieses die einzige Bestimmung in unsern
Urkunden, die sich auf ein Wehrgeld der Bauern bezieht, und ist
keineswegs dazu angethan, weitere Folgerungen zu rechtfertigen.
Preussische Dörfer.
Ueber preussische Dörfer lässt sich nur sehr wenig sagen. Ob es
im Ermlande überhaupt preussische Dörfer gegeben hat, die analog den
deutschen Dörfern zu preussischem Recht gegründet waren, ist fraglich;
unter unsern Urkunden befindet sich keine für ein preussisches Dorf.
Die Ortschaften, die gewöhnlich preussische Dörfer genannt werden,
sind, wie wir schon bei der Betrachtung der Verhältnisse der preussischen
Freien gesehn haben, durchaus nicht Dörfer in dem gewöhnlichen Sinn.
Ihre Bewohner stehen zu den preussischen Freien nicht etwa wie die
deutschen Bauern zu den Besitzern culmischer Güter, sie unterscheiden
sich von ihnen nicht durch geringem Grundbesitz, geringere Rechte
und grössere Leistungen, sie stehen ihnen vielmehr völlig gleich, nur
dass die einen auf Einzelhöfen sitzen, die anderen dagegen in Zusammen-
siedelungen wohnen, die man gewöhnlich mit dem Namen Dörfer be-
zeichnet. Für diese Dörfer sind keine Handfesten ausgestellt, sondern
jeder einzelne Besitzer hat eine Verschreibung über seine Lfiadereien
erhalten. In ihnen sind ferner keine Schulzenämter, weshalb die Juris-
diction durch den Voigt ausgeübt wird. (In dieser Beziehung ahnen
Ml) C. W. I, 194, 196. *«) C. W. I, 167, 8M) C. W. I, 288,
240 Der ländliche Grundbeait« im Ermlande
sie den deutschen Ddrfern, die von dem Grundherrn selbst ohne die
Vermittelung eines Locators gegründet sind, und in denen der Grund-
herr auch die Stelle des Schulzen versieht.) Es ist endlich sogar nicht
einmal zu ersehen, ob diese Dörfer wenigstens eine Dorfordnung gehabt
haben, die sich als gemeinschaftliches Band um alle schlang, oder ob
jeder für sich allein lebte, ohne auf seinen Nachbarn Bücksicht nehmen
zu müssen.
Preu88i8che Hintersassen.
Nachdem wir nun die einzelnen Klassen der freien Landbevölkerung
Ermlands betrachtet, nachdem wir gesehen haben, welche Rechte einer
jeden Klasse zukamen, zu welchen Leistungen eine jede verpflichtet
war, bleibt uns noch übrig, den Stand der Hörigen oder Hintersassen
näher ins Auge zu fassen.
Wie früher schon auseinandergesetzt wurde, erfolgte nach Nieder-
werfung des zweiten Aufstandes der Preussen in deren Lage eine voll-
ständige Veränderung, indem im Allgemeinen alle Preussen, die sich
an diesem Aufstande betheiligt hatten, in den Stand der Hörigkeit
herabsanken, oder, wenn sie schon früher abhängig gewesen waren, in
demselben verblieben.
Wie Toppen"4) in seinem Excurse über die Verschreibungen für
Stammpreussen im 13. Jahrhundert schon ganz richtig sagt, wurden
diesen Hörigen ihre alten Besitzungen durchaus nicht immer gelassen.
Viele dieser Hörigen wurden in andere Gegenden versetzt; denen, die
vorher Freie und Edle gewesen waren, ihre Güter natürlich genommen
und ihnen nur ein geringer Theil übrig gelassen.
Diese Besitzungen, die meistens wol nur einen oder zwei Haken*)
gross waren, waren aber nicht ihr volles freies Eigenthum, sie besassen
sie nur zu erblicher Nutzung; das Eigentumsrecht daran war bei dem
Herrn, dem die Grundstücke sammt den darauf sitzenden Familien ver-
liehen waren.
Wir sind leider in der ungünstigen Lage, unter unseren Ver-
M4) Script, rer, Pruss. I, p. 254.
*) In der Verschreibang für Jordanus und Nycolaus (1298) C. W. I, 105
»eben wir, dass ein höriger Preosse sechs Hufen besitst.
von Hermann Hoffmann. 241
Schreibungen nur eine einzige zu haben, in der ein Stück Land, auf
welchem ein höriger Preusse sitzt, verliehen wird.398) Dieses erklärt
sich wol daraus, dass von der altpreussischen Bevölkerung des Eng-
lands ein verhältnissmässig nur kleiner Theil übrig geblieben war. *)
Aus unsern Urkunden wissen wir, dass noch im 14. Jahrhundert
ein grosser, vielleicht sogar der grössere Theil Ermlands mit Sümpfen
und Wäldern bedeckt war, das Land früher also nur stellenweise stark
bevölkert gewesen sein kann. Rechnet man nun hinzu, dass gerade im
Ermlande der Krieg am längsten und blutigsten gewüthet hat, die Zahl
der Opfer, die er gefordert hat, also hier auch mit am grössten ge-
wesen sein muss, so ist es wol sehr erklärlich, dass die Zahl der hö-
rigen Preussen in Ermland eine verhältnissmässig geringe war.
Von diesen Familien behielten endlich noch sowol der Bischof als
auch das Domcapitel unzweifelhaft den grössten Theil als ihre un-
mittelbaren Hintersassen für sich selbst zurück.
Die meisten deutschen Ansiedler und bevorzugten Preussen erhiel-
ten daher Stücke Landes, die entweder noch nie cultivirt gewesen oder
in Folge des Krieges und aus Mangel an Arbeitskräften wieder wüste
geworden waren.
Da in jener Zeit an eine freie Arbeiterklasse, wie wir sie heute
zu Tage so zahlreich besitzen, nicht gedacht werden kann, geriethen
die so Belehnten oft in die übelste Lage, und jedenfalls wird es sich
*>*) C. W. I, 105.
*) Bender (p. 57) meint gerade im Qegentheil, dass im Ermlande sehr viele
hörige Preussen 'gewesen seien. Er sagt, dass wir da, wo neben den Abgaben vom
mansus sich auch Abgaben vom uncus erwähnt finden, immer neben deutscher auch
preu&sische Bevölkerung zu vermuthen haben. Diese Ansicht ist aber nicht richtig.
Aus einer Reihe von Verschreibnngen (C. W. I, 140, 169, 174, 282 etc.), in denen
Abgaben von den Hufen sowol wie von den Haken erwähnt werden, sehen wir, dass
auf ihnen noch keine Hintersassen sitzen können, weil es immer heisst: »Wenn sie
Hintersassen bei sich locirt haben werden etc.* Es sprechen diese Urkunden gerade
für meine Ansicht, dass im Ermlande verhältnissmassig wenig Hörige gewesen sind,
und diese daher von anderen Landestheilen herbeigezogen werden mussten. Dass
auch da, wo noch keine Hintersassen sind, doch Abgaben vom uncus erwähnt werden,
ist so zu erklären, dass man natürlich annahm, jeder werde sein Gut, oder einen
Theil desselben mit Hintersassen besetzen, weil dieses damals die einzig mögliche
Art der Bewirtschaftung war«
Altpr. Monatttobrift Bd. XIV. Hft, 3 u. 4, 16
242 Der ländliche Grandbetiti im Ermlande
hieraas mit erklären, dass wir ziemlich häufig Güter wenige Jahre nach
ihrer Verleihung schon wieder wüste finden.
Ob zuweilen auch unabhängige Deutsche aus freiem Willen in
dieses Abhängigkeitsverhältniss der Hörigkeit getreten sind — ein recht-
liches Hinderniss konnte dem kaum im Wege stehen — ist für unsere
Zeit sehr fraglich; mindestens geschah es äusserst selten, da bei dem
damals noch vorhandenen Landüberfluss wol jeder deutsche Einwanderer
mit einem je nach seinen Verdiensten grösseren oder kleineren selbst*
ständigen Oute beliehen wurde, oder doch wenigstens in einem Dorfe
ein freies Bauerngut oder Gärtnergrundstück erhielt.
Dem eben geschilderten Uebel wurde nun einigermassen dadurch
abgeholfen, dass die hörigen Preussen nicht an die Scholle gefesselt
waren. *) Es ist dieses eine sehr eigentümliche Erscheinung, dass eine
zahlreiche Klasse von Hörigen, die zu ihrem Herrn in einem fest aus«
gebildeten Abhängigkeitsverhältniss stand, die vor allen Dingen mit
ihrem ganzen Eigenthum, Sclaven gleich, ihren Herren verliehen wurde,
dass diese unbestreitbar das Recht hatte, ihren Herrn zu wechseln.
Für diese Thatsache, die auch schon Voigt annimmt, haben wir
einmal eine ganze Anzahl directer Beweise,396) andererseits folgt sie
aber auch aus verschiedenen Urkunden, in denen ausdrücklich gesagt
wird:3*7) »Wenn sie Preussen bei sich lociren werden, so sollen sie etc.*
*) Wie weit die slavische Bevölkerung in der Mark Brandenburg von den
deutschen Kolonisten abhängig gewesen ist, lässt sich bei dem grossen Mangel an
Quellen hierüber nicht nachweisen. In der Prignitz und Uckermark scheint es ähn-
lich wie in Preussen gewesen zu sein, wenigstens finden wir, dass die Hintersassen
dort gegen Entrichtung eines Abzugsgeldes auch ihren Herrn wechseln durften.
Biedel a. a. 0. II, p. 273 ff.
Im Gegensatz zu der Ansicht Riedels nimmt Korn a. a. 0. p. 8 f. an, dass
die unterworfenen Wenden neben den deutschen Bauern mit gleichen Hechten an-
gesessen waren.
"*) a) Voigt, Gesch. Preussens in, p. 467 Anm. 2. ,1s das ymant erer lüte
von jn ctyn wil, der zal jn geben eynen vir düng, in der selbigen wjse mögen
untere lüte williclich csu yn czyn.€
b) Versohreibung Conrads von Thierberg für Pygant (1277), Elhing. Comthurei-
bach p. 89 (mitgeth. Altpr. Monatsschr. 1875 p. 129, Preuss. Regesten von Perlbach).
c) Yerschreibung Mangolds von Sternberg für Mandio (1280), Elbinger Com-
thureitaen p. 92 (Altpr« Monatsschr. 1875 p. 136, Preuss. Begesten von Pedbach).
»•*) C. Wf I, 140, 161, 192, 174, 282 etc. und Voigt, Co* dipl, Pr. I, Urk. 54.
von Hermann Hoffmann. 243
was nur dann einen Sinn hat, wenn auf ihrem Gute noch keine Hintersassen
sitzen, es ihnen aber freisteht, solche von anderwärts herbeizuziehen.
Wenn die Hintersassen ihren Herrn verliessen, hatten sie ihm ge-
wöhnlich einen Vierdung als Abzugsgeld zu zahlen. SM) Wahrscheinlich
ist es, dass sie ihn auch eine gewisse Zeit vorher von ihrem Vorhaben
in Eenntniss setzen mussten, damit er sich nach einem Ersatz für sie
umsehen konnte. Das bewegliche Eigenthum blieb den Hintersassen
bei einem solchen Wechsel wol jedenfalls unverkürzt.
Dieses Portzugsrecht konnte dem Mangel an Arbeitskräften in
Ermland aber nur dann abhelfen, wenn es auch den Hintersassen im
Ordensgebiet und den übrigen Bisthümern freistand, nach dem Ermland
zu ziehen. Dass dieses, wenigstens für das Ordensgebiet, wirklich der
Fall gewesen ist, ersehn wir aus einer Stelle in dem Excurse von
Toppen, SM) wo es heisst, dass der Orden den Bischof von Ermland sich
dadurch hoch verpflichtete, dass er seinen Hintersassen das Abzugsgeld
erliess, das Fortziehen derselben also noch mehr erleichterte.
Um nun aber ein zu häufiges Verziehen der Hintersassen zu ver-
hindern, um in diese Verhältnisse eine gewisse Stätigkeit hineinzubringen,
war die Lage der Hintersassen überall gleichförmig gestaltet worden.
Es kann dieses als allgemein geltend angenommen werden, dass der
Landesherr seine Vasallen verpflichtete, ihre Hintersassen genau ebenso
zu stellen und zu behandeln, wie er es mit seinen eigenen that.400)
Einerseits sollte dadurch einer Ueberbürdung der Hintersassen durch
ihre Gutsherrn vorgebeugt werden, andrerseits darf man wol aber auch
annehmen, dass damit eine stellenweise zu günstige Situirung der Hinter-
m) Die Verechreibungen unter a and b in Anm. 404.
3") Script, rer. Pruss. I, p. 256.
40°) Voigt, Cod. dipl. Pruss. I, 54 und C. W. I, 71 und 105. Die einzelnen
Stellen lauten: Voigt a. 0. »Er darf Leute aus allen Nationen bei sich ansiedeln,
dummodo Pruthenis, si quos locaverit in eundem rigorera, quem nos losiria Pru-
tbenis injunxerimus, injungant et ipsi.€ C. W. I, 71: »Concedimus insuper pre-
dictis feodalibus et eorum heredibus, ut rusticos eorum et homines eo jure ac more,
quo fratres nostri suos judicant homines, valeant judicare.* C. W. I, 105: >Qui
videlicet Pruthenus aut sui heredes aut successores sepedictis Jordano et Nycolao
et eorum veris heredibus aut successoribus servire tenebuntur eodem servicio tota-
litär, qtio nobis servire coneuevit,5
16*
244 ^er Endliche Grandbesits im ErmUnde
sassen vermieden werden sollte, weil eine solche nur Veranlassung zu
fortwährendem Hin- und Herziehen der Hintersassen gegeben hätte.
Etwas, was aber noch mehr als diese Gleichstellung der Hinter-
sassen dazu beigetragen hat, diesen Verhältnissen Stätigkeit zu ver-
leihen, war das Erbrecht, das die Hintersassen an dem von ihnen be-
bauten Lande hatten. Wenn es dem Hintersassen auch freistand, seinen
Herrn zu wechseln, so hatte der Herr doch keineswegs das Recht, seine
Hintersassen willkürlich von seinem Gute zu entfernen. Dieser besass
sein Land vielmehr zu erblicher Nutzung, d. h. er vererbte es auf seine
männlichen Nachkommen.
Dass hier nur das Erbrecht der Söhne gegolten haben kann, liegt
ja schon in der Natur der Sache, da sowol die Bewirtschaftung des
zugewiesenen Landes, sowie die Frohn- und Kriegsdienste sich nur von
Männern verlangen Hessen. Ob beim Vorhandensein mehrerer Söhne
dieses Erbrecht sich nun auf alle gleichmässig erstreckte, oder ob nur
einer (vielleicht der älteste oder einer, der vom Gutsherrn dazu be-
stimmt wurde) an die Stelle des Vaters trat, lässt sich bei dem gänz-
lichen Mangel an Nachrichten hierüber nicht feststellen. Der Stellen,
die sich auf das Erbrecht in Betreff des Guts der Hintersassen be-
ziehen, sind nur wenige. An einer Stelle heisst es,401) der Gutsherr
erhalte die Erbschaft (hereditas) seiner verstorbenen Hintersassen. An
einer anderen Stelle401) wird gesagt, der Gutsherr erhalte nach dem
Tode seines Hintersassen, der keine Erben hat, freie Verfügung über
dessen Sachen (de eorum rebus disponendi facultas). Eine dritte Stelle
besagt, 403) dass der Gutsherr, wenn einer seiner Hintersassen ohne Erben
stirbt, den dritten Theil von dessen Erbschaft (hereditas), welche auch
Palayde genannt wird, erhalten solle, während dem Landesherrn zwei
Drittel davon zufallen. In einer vierten Verschreibung404) endlich wird
dem Gutsherrn die Hinterlassenschaft (reliquiae) eines Hintersassen, der
ohne Erben stirbt, und welche Palayde heisst, ganz bewilligt.
Es fragt sich nun natürlich zunächst, was unter den Ausdrücken
hereditas, res und reliquiae zu verstehen ist.
<») C, W, I, 89, 40t) C, W. I, 131. 40S) C W. I, 174. «•*) C. W, I, 208,
yoi! Hermann Hoffmann« 245
Hereditas bedeutet in der culmischen Handfeste und auch sonst
gewöhnlich den Grund und Boden, den Jemand besitzt, res und reliquiae
dagegen deuten wol auf das bewegliche Eigenthum. Da die Hinter-
sassen nun aber nur ein erbliches Nutzungsrecht an dem von ihnen
bebauten Lande hatten, der Gutsherr dagegen das Eigenthumsrecht be-
sass, so ist es unmöglich, dass hereditas hier den Grund und Boden
bedeutet, da man einem das nicht mehr besonders bewilligen kann, was
ihm schon rechtlich zukommt. Hiezn kommt nun noch, dass res und
reliquiae entschieden das bewegliche Eigenthum bezeichnen, und dass
in dem einen Falle auch zwei Drittel der hereditas an den Landesherrn
fallen, was, wenn hereditas die unbewegliche Habe bezeichnete, nicht
gut denkbar sein würde.
Wir werden daher unter hereditas, res, reliquiae, Palayde immer
das bewegliche Eigenthum zu verstehen haben.
Die zweite Schwierigkeit bereitet uns der Ausdruck Erbe (heres).
Sind hierunter nur die Söhne oder auch die Töchter verstanden? Es
lässt sich diese Frage aus Mangel an Nachrichten nicht ganz sicher
entscheiden, doch ist es bei der günstigen Situation, in der wir die
Hintersassen im 13. und 14. Jahrhundert sehen, wol wahrscheinlich,
dass auch die Töchter an die bewegliche Habe ihres Vaters Erb-
ansprüche hatten.
Hienach verhielt sich die Sache so, dass, wenn ein Hintersasse
starb, ohne Söhne zu hinterlassen, das von ihm bebaute Land sofort
an den Gutsherrn zurückfiel, während die Töchter und die Wittwe
sich in das bewegliche Eigenthum theilten. Waren auch diese nicht
vorhanden, so erhielt der Gutsherr meistens das ganze bewegliche
Eigenthum, musste zuweilen dem Landesherrn aber auch einen Theil
davon abtreten.
Für die Wittwen, die durch den Tod des Mannes natürlich immer
in eine sehr bedrängte Lage geriethen, sorgte der Landesherr zuweilen
noch dadurch, dass er die Gutsherrn, für sie in entsprechender Weise
zu sorgen verpflichtete.105)
40») a) Voigt, Geschichte Preussens Bd. VI, p. 577 Anin, 3. b) Verschreibung
j}46 Der l*QdJiche Grondbeeit« im Ermlande
Ueber die Jurisdiction, die die Gutsherren über ihre Hintersassen
hatten, ist schon bei Behandlung der einzelnen Klassen der Freien ge-
sprochen und nichts mehr hinzuzufügen.
Bei den Leistungen, die auf den Hintersassen ruhten, haben wir
zwischen solchen zu unterscheiden, die sie dem Landesherm, und solchen,
die sie ihrem unmittelbaren Gutsherrn zu leisten, verpflichtet waren.
Dem Landesherrn gegenüber waren die Hintersassen nur zum unge-
messenen Kriegsdienst verbunden, d. h. sie mussten, wenn sie dazu
aufgefordert wurden, sowol an den Kriegsreisen theilnehmen, als auch
zur Landesverteidigung sich stellen. Beim Burgenbau waren sie die
eigentlichen Arbeiter, während ihre Herren nur zu ihrem Schutz be-
waffnet erschienen.
Selbstverständlich dienten diese Hintersassen nur zu Fuss. Dass
einzelne aber auch zu Bossdiensten verpflichtet gewesen sein müssen, folgt
aus zwei Stellen,406) in denen es ausdrücklich heisst, sie sollen dienen
„tarn equites quam pedites*. Doch war dieses jedenfalls eine sehr seltene
Ausnahme und konnte nur die treffen, die ein aussergewöhnlich grosses
Stück Land zur Benutzung erhalten hatten.
In der Verschreibung für die ermländischen und natangischen
Lehnsleute407) heisst es dann weiter: „Nee ad alia servitia nostre do-
mui sunt obnoxii, sed suis dominis feodalibus videlicet supradictis".
Wenn es nun trotzdem gleich darauf heisst, das Pflugkorn solle von
dem Herrn sowol wie von den Hintersassen gegeben werden, so scheint
dies mit dem eben Gesagten in offenem Widerspruch zu stehn. Die-
selbe Bestimmung, dass die Hintersassen zur Lieferung des Pflugkorns
verpflichtet sein sollen, findet sich dann auch noch in einigen anderen
Verschreibungen. 40i) Trotz dieser Stellen ist aber die Annahme un-
möglich, das die Hintersassen das Pflugkorn zu geben gehabt haben. *)
Das Pflugkorn ist für die Freien dieselbe Abgabe, die der Decem
Conrads von Thierberg für Pygant im Elbinger Comthureibuch p. 89. c) Toppen
in seinem Excnrse über Verschreibungen für Stammpreussen im 13. Jahrhundert in
den Script, rer. Pruss. I, p. 256 Anm. 4.
*06) C. W. I. 6-2, 71. 407) C. W. I, 71. 40») C. W. I, 62, 153.
*) Toppen (Scr. rer. Pr. I, p. 264) meint, das Pflugkorn sei auch von den
Hintersassen zu geben.
von Hermann Hoffmana. 247
für die Hörigen ist. Deshalb ist es höchst unwahrscheinlich, dass Je-
mand zu diesen beiden Abgaben verpflichtet gewesen sein soll. Ein
weiterer Beweis hiefür liegt darin, dass die anmittelbaren Hintersassen
des Landesherrn und die Hintersassen der einzelnen Gutsherren zu den-
selben Abgaben und Leistungen verpflichtet waren. Dass die unmittel-
baren Hintersassen des Landesherrn das Pflugkorn nicht zu geben hatten,
bedarf aber wol keines Beweises.
Die angeführten Stellen lassen sich nun aber ganz ohne Zwang so
erklären, dass die Gutsherrn nicht allein für die Hufen, die sie selbst
bewirtschafteten, sondern auch für diejenigen, welche sie mit Hinter-
sassen besetzt hatten, das Pflugkorn geben mussten.
Die Leistungen der Hintersassen an ihre Gutsherrn lassen sich nun
in Frohndienste und Abgaben zerlegen.
Die Bewirtschaftung eines grösseren Gutes in jener Zeit haben
wir uns so zu denken, dass der Gutsherr einen Theil des Landes für
sich selbst behielt, den anderen aber an Hintersassen austhat. Diese
hatten dann sowol ihre eigenen Aecker zu bestellen, als auch deu ihres
Herrn, sie hatten eben die Scharwerksdienste zu leisten, die in Säen,
Ernten, Heuschleppen, Holzfahren etc. bestanden.
Jedenfalls waren diese Dienste aber nicht ungemessen, sondern
genau geregelt, damit die Hintersassen nicht an der Bestellijng ihrer
eigenen Aecker gehindert würden.
Von dem Ertrage dieser hatten sie dem Gutsherrn den zehnten
Theil (Decem) abzuliefern. Ob sie gleich die zehnte Garbe geben
mussten oder den zehnten Theil des gedroschenen Getreides ist nicht
ersichtlich. Es stand dieses wol ganz in dem Belieben der Herren«
Ausser dem Decem finden wir nun aber noch einen Geldzins, den
die Hintersassen ihren Herren zu geben hatten. Ueber seine Natur
erfahren wir aus unseren Quellen nichts, da sie ihn überhaupt nur
einige Male ganz beiläufig erwähnen. 409) Wahrscheinlich war es ein Zins,
der von jedem Haken entrichtet werden musste. Bemerkenswerth ist
hiebei nun noch, dass wir im 13. Jahrhundert und in der ersten Hälfte
40*) C, W. H 177, 378, 386.
248 ^er ländliche Grundbesitz im Ermlande
des 14. Jahrhunderts diesen Zins nie erwähnt finden. Wo' die Leistungen
der Hintersassen bestimmt werden, wird des Zinses nie gedacht.410)
Es liegt daher die Vermuthung nahe, dass dieser Zins, wie Toppen
auch schon annimmt/11) erst um die Mitte des 14. Jahrhunderts auf-
gekommen ist.
Aus unseren citirten Yerschreibungen ersehen wir aber noch, dass
für diesen Zins auch Freijahre gegeben wurden. Vielleicht wurden den
Hintersassen immer so viele Freijahre für ihre Leistungen gegeben, als
dem Gutsherrn von der Landesherrschaft bewilligt wurden.
Dass die Hintersassen zur Zahlung des Wartegeldes und zur
Lieferung des Decems an den Pfarrer verpflichtet waren, ist schon
früher gesagt worden.
Endlich ist hier noch eine Verschreibung zu betrachten,412) die
deshalb sehr interessant ist, weil sie die einzige Verschreibung ist, die
wir für hörige Preussen ausgestellt finden. Eigentlich sind es aller-
dings nicht mehr Hörige, sondern Halbfreie, denen der Decem für immer
erlassen wird. Unter den „denarii servitiales*, für die sie sechs Frei-
jahre erhalten, dürfte wol der Zins der Hörigen zu verstehen sein.
Ausser dem Versprechen, dass sie von ihrem Lande nicht vertrieben
werden dürfen, erhalten sie auch ein Wehrgeld von 12 Mark. Zur
Zahlung des Wartegeldes sind sie verpflichtet. Ihre Kriegspflicht er-
streckt sich nur auf die Verteidigung der Burg Heilsberg.
Werfen wir schliesslich noch einen Rückblick auf das, was bei
Betrachtung der einzelnen Klassen der ländlichen Bevölkerung gesagt
worden ist.
Wir finden in Preussen zwei verschiedene Nationalitäten, die alten
unterworfenen Preussen und die siegreichen deutschen Einwanderer.
4,°) Voigt, Cod. dipl. Pruss. I, p. 54 Verschreibung für Dietrich von Tiefenau
(1242). — Verschreibung Meinhards von Querfurt über das Gut Pocarben. (Altpr.
Monatsschr. von 1874 p. 274 u. 275.) — Kreuzfeld, Ueber den Adel der alten
Preussen p. 44, 45, ürk. 4: Verschreibung für Otto von Russen (1288). p. 47, 48,
Urk. 7: VerschreibuDg für Jonico.
4n) Script, rer. Pruss. I, p. 255 Anm, 4.
4») C. W. I, 162.
ron Hermann Hofimann. 249
Es stehen sich diese Klassen nun aber durchaus nicht so schroff
gegenüber, als man nach einem dreiundfünzigjährigen blutigen Kampfe
erwarten sollte. Allerdings ist ein grosser Theil der Preussen hörig ; doch
dürfen wir hiebei nicht vergessen, dass vielleicht die meisten davon schon
vor der Ankunft des Ordens in Abhängigkeit lebten, und die anderen
erst in Folge wiederholter Empörungen unfrei wurden. Auch hat, wie
wir gesehen haben, diese Hörigkeit so milde Formen, dass sie kaum
den Namen „Hörigkeit* verdient. Den übrigen Theil der Preussen
sehen wir als freie Besitzer bald kleinerer bald grösserer Güter, eine
nicht unbeträchtliche Anzahl sogar den Deutschen ganz gleich gestellt.
Die deutschen Einwanderer, unter denen wir wol Vertreter aller
deutschen Stämme finden, treffen wir hier in einer überaus günstigen
Lage. Unter diesen Umständen ist es erklärlich, dass man die Regierung
Winrichs von Kniprode das goldene Zeitalter Preussens genannt hat.
Wie ganz anders dagegen ist das Bild Preussens schon im löten
Jahrhundert. Der Adel im Kampf gegen den Landesherrn, der Mittel-
stand heruntergekommen, die Bauern schwer belastet, die Hörigen zu
Knechten gemacht; eine Veränderung so traurig, wie wol selten eine.-
Die ersten Anfänge zu diesem Umschwung der Dinge reichen aber
schon bis in die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts hinauf, schon in
der Blüthezeit beginnt der Verfall. Die allmählige' Verschlechterung
des culmischen Rechts, die grösseren Lasten, die den einzelnen Klassen
auferlegt wurden, sie bilden schon den Anfang jener traurigen Ver-
änderung. Vielleicht wird später das Material für die Geschichte dieser
Zeit es uns ermöglichen, dieser Veränderung Schritt für Schritt zu folgen.
Sehr ähnlich wie in Preussen lagen die Verhältnisse in der Mark
Brandenburg. Die einheimischen Slaven und die erobernden Deutschen
entsprechen vollkommen den alten Preussen und dem deutschen Ritter-
orden. Leider sind wir über das politische Verhältniss, in dem die
Slaven am Ende des Kampfes zu den Deutschen standen, sehr wenig
orientiit. Wir wissen nur so viel, dass um die Zeit, als der deutsche
Orden die Eroberung Preussens begann, in Brandenburg die Macht des
Adels schon zu einer Höhe gestiegen war, wo für die Entwickelung
eines freien Mittel- und Bauernstandes kein Raum mehr übrig blieb.
250 ^er J^dlich« Grundbeiii« im Ermiaode ron fl. Hoffmann*
Fassen wir hier noch den dritten bedeutenden Schauplatz deutscher
Kolonisationsthätigkeit ins Auge, nämlich Schlesien, so finden wir da
andere Verhältnisse.
Wenn in Preussen und der Mark Brandenburg die Deutschen als
Eroberer erschienen, wenn sie da, das Schwert in der Hand, kolonisirten,
so war ihre Thätigkeit in Schlesien eine friedliche. Sie konnten den
Slaven nicht als Herren gegenübertreten, sie waren ihnen gleichberechtigt.
Allerdings sind sie von vielen Lasten, die auf den Slaven ruhten, be-
freit, allerdings ist, wo deutsche und slavische Sitte einander wider-
sprachen, im Laufe der Zeit die deutsche Sitte überall siegreich geblieben,
allein es ist dieses immer ein Sieg, den die höhere deutsche Gultur,
nicht das Schwert erfochten hat.
Als friedliche Kolonisten waren die deutschen Einwanderer aber
natürlich lange nicht so günstig situirt, als da, wo sie als Sieger er-
schienen. Auch konnten deutsche und slavische Institutionen nicht rein
neben einander bestehen, es musste eine Mischung eintreten, die nicht
zum Vortheil der deutschen Kolonisten war.
Ein Blick auf diese drei Länder zeigt uns nun, dass Preussen
■
jedenfalls das Land ist, in dem die Verhältnisse für die einzelnen Be-
völkerungsklassen am günstigsten lagen. Wenn der deutsche Orden
nicht so lange dem mächtigen Landadel und den grossen Handelsstädten
jeden Antheil an der Verwaltung verweigert und damit ihren Abiall
an Polen herbeigeführt hätte, wer will sagen, wie es heute in unserer
Provinz aussehen würde? —
Urpreussen
(das erste Buch aus dem Manuscript einer Kirchengeschichte der Provinz
Preussen probeweise mitgetheilt)
von
Adolf Rogge.
Erstes Kapitel.
Urgeschichte.
Lage des Landes und Bestandteile desselben seit 1777. Dunkle Urzeit. Die Perioden
der Lappen, Finnen, Aestier, Gothen, Slaven. Die skandischen Gothen in Witland
und Ermland. Die Danen in Samland. Der gemeinsame Name Preussen und seine
Herleitung. Sprache,
Das interessanteste Königreich der Neuzeit, das Königreich Preussen
verdankt seinen Namen einem Landstrich, der sich heute von 52* 54'
bis 55' 53' nördlicher Breite und von 34' 22' bis 40* 2ö' östlicher
Länge erstreckt, auf einem Gebiete von 1178 Geviertmeilen. In einer
Längenausdehnung von etwa 80 Meilen zieht es sich von S.-O. nach
N.-O. von der westlichen Grenze des Deutsch-Croner Kreises bis zur
russischen Grenze bei Memel und bildet einen ca. 20 Meilen breiten
Landstreifen, der sich jedoch im N.-O. und besonders im S.-W. zu nur
wenige Meilen breiten Zipfeln verengt. Im S. stösst er an die Provinz
Posen, im N. an hinterpommersche Kreise und die Ostsee. Ursprünglich
waren die Grenzen des Preussenlandes noch enger gezogen, denn das
alte Preussen östlich der Weichsel umfasst nur ein Gebiet von etwa
878 Geviertmeilen. Das ist das alte Bernsteinland, das Land der Sage
und Sehnsucht für die Culturvölker des Alterthums.
Natur und Geschichte haben in diese dem Meer entstiegenen Schollen
ihre Bäthsel mit wunderbaren Hieroglyphen eingezeichnet. Trotz einer
fast unübersehbaren Fülle geistreicher und scharfsinniger Yermuthungen
und Behauptungen, ja zum Theil vielleicht wegen derselben ist es bis
252 Urpreussen
auf den heutigen Tag dem Biesenfleisse zahlreicher Forscher nicht ge-
lungen die Urzeit des Bernsteinlandes in das helle Licht der Geschichte
zu stellen. Entweder versucht man immer von Neuem die wesenlosen
Schatten der Sage mit Fleisch und Blut zu bekleiden, oder man löscht
dieselben einfach weg und vertilgt mit einem kalten „Wir wissen's
nicht' die letzten schwachen Spuren einer merkwürdigen Vergangenheit.
Eben so tiefes Dunkel wie über dem eigentlichen alten Preussen-
lande lagert auch über den Districten an dem linken Ufer der untern
Weichsel, dem alten Pommerellen, auch früher Ostpommern oder Klein-
pommern genannt, welches 1777 mit dem altpreussischen Antheil auf
dem rechten Weichselufer und dem grosspolnischen Antheil zu beiden
Seiten der Netze zu einer Provinz vereinigt wurden.
Friedrich der Grosse hat denselben auf den Vorschlag seines Ministers
Herzberg den Namen „Westpreussen* gegeben. Ueberall ist auch hier
„streitiger Boden in eminentem Sinn* ') dessen verschiedenartige Bestand-
teile einer einheitlichen Geschichtsdarstellung grosse Schwierigkeiten
bereiten. Für die älteste Zeit sind diese verhältnissmässig am geringsten.
In ihr ging die Geschichte der ganzen Provinz Preussen in der des
europäischen Nordens auf. Die Völkerschaaren, welche vom Wolchonski-
wald, den Earpathen und Sudeten in das von den Meereswogen ver-
lassene Ostseebecken herniederstiegen, folgten sicher dem Lauf der
Ströme, welche in der Bichtung von der russisch-polnischen Grenze
nach dem Meere hin die Provinz Preussen durchziehen. Dieselben be-
stimmten die Verkehrsgebiete derselben bis in die Neuzeit, wo durch
den ehernen Schienenstrang dem Handel und Wandel neue Bahnen er-
öffnet wurden. Wie das eintönige Rauschen der Wogen, denen sie nach-
zogen, ist die Geschichte jener Völker verklungen, wenn bei ihrer mehr
oder minder geringen Bildungsstufe überhaupt von einer Geschichte die
Rede sein kann. Spurlos spülten Niemen, Pregel und Weichsel ihr
Blut ins Meer, wenn die Wellen dieser Ströme bei wilden Grenzkämpfen
mit demselben geröthet wurden.
0 So sagt F. W, F. Schmitt, »Land und Leute in Westpreussen* Zeitechr. für
prense. Gesch. u. Landeskunde, Jahrg. 1870, S. 189 ff.
Tön Adolf Bogge. 253
Am deutlichsten durften die einzelnen Ablagerungen des grossar-
tigen Völkergeschiebes, welches sich ähnlich den Diluvialschichten des
Bodens, den es betrat, allmälig im Norden Europas aufthürmte, zu er-
kennen sein, wenn man die Lage der russischen Ostsee- Provinzen, so
wie der unter gleichen Graden gelegenen skandinavischen Ortschaften
zur Schnur für die wenigen Perlen macht, welche die Geschichtsschreiber
des Alterthums uns für die Urzeit des europäischen Nordens überliefert
haben. Dieser Weg, der uns der glücklichste dünkt, ist auch von neuern
Forschern, wie uns scheint, nicht ohne Erfolg betreten worden. ') Das
von ihnen angehäufte Material verstattet es bereits ein summarisches
Ergebniss ihrer Untersuchungen festzustellen. Die Lappen, welche heute
in drei schwach bevölkerten Kirchspielen Finnmarkens ihrem baldigen
Untergange entgegensehen, besassen einst den ganzen Norden Europas.
Nach ihrer Sprache der uraltaischen Völkerfamilie angehörig, bezeichnen
sie sich noch heute selbst als einen Tschudenstamm. Ihren jetzigen
Namen verdanken sie den Finnen, die sie Loppu d. i. Grenzvolk (frais,
extremitas) nannten. Derselbe reicht nicht über das 12. Jahrhundert
hinaus. Die Lappen selbst nennen sich ebenso wie die Finnen mit
demselben nationalen Namen „Suome,* Same, ein Wort, welches gleich
dem altschwedischen „Fenn* einen Morast bedeutet9) und wohl ohne
Frage dem preussischen Samland den Namen gegeben hat. Im Bus-
sischen ist es in der Form ,Ssum" erhalten, welches Wort gleichfalls
zur Bezeichnung von Lappen und Finnen dient. Obwohl an Leib und
Seel' Sinn und Art grundverschieden, gehören, wie Sprachforscher be-
haupten, beide Stämme derselben Völkerfamilie an und sind schon von
Tacitus mit einander verwechselt worden. Bei diesem ist Finnland nicht
als ethnographische, sondern lediglich als geographische Bezeichnung
eines Gebietes zu fassen, welches zu seiner Zeit noch von Lappen be-
völkert war.4) Auf diese allein passt seine in kurzen Schlagwortes
*) Zur alten Gesch. Fiimlandt nach den Forschungen des Freih. W. J. A, v. Tettau,
Ausland. Jahrg. 1874, No. 34 (24. Aug.) S. 666—70.
*) Geyer, Gesch. Schwedens I. Hamh. Perthes. 1832. S. 89. Schmitt S, 189,
Suomalaiset Sumpfbewohner,
*) Tettaa a. a, 0.
£54 UrpreusÄen
abgefasste Skizze:*) „Bei den Feimen herrscht wunderbare Wildheit,
scheussliche Armuth. Keine Waffen, keine Pferde, keine Götter! Kraut
zur Nahrung, Fell zur Kleidung, die Erde zum Lager! Ihre einzige
Hoffnung ruht auf den Pfeilen, welche sie beim Mangel des Eisens an
Knochen schärfen. Die Jagd nährt Männer und Weiber, welche die
erstem allerwärts begleiten und ihren Theil an der Beute fordern.
Keinen andern Zufluchtsort haben die Kinder vor wilden Thieren und
Regengüssen, als dass man sie in irgend einem Geflecht von Zweigen
birgt. Hier erholen sich die Junglinge, hier ist die Ruhstatt der
Alten. Aber sie halten das für glücklicher als unter Seufzen das Feld
zu bebauen, sich mit Häusern zu mühen und um eignes und fremdes
Glück in Furcht und Hoffnung zu schweben. Sicher vor Menschen und
Göttern haben sie das Höchste erreicht, sie haben keine Wünsche."
Vielleicht hat die Sage den Lappen um seiner Bedürfnisslosigkeit
willen an die Götter gerückt und verklärt. Keine Spuren hat er in
den südlichem Gebieten seiner einstigen Wohnsitze zurückgelassen, als
jene reizenden Märchen, von den bald wohlthätigen, bald heimtückischen
Kauken und Alraunen, auf deren leicht bewegliche Lager und Höhlen
noch heute mannigfache Ortsnamen hinweisen. 6) Die noch jetzt bei
den Littauem und dem ostpreussischen Landvolk unvergessene Zwerg-
sage bildet sicher einen der ältesten Bestandteile der altpreussischen
Religion. Das Urbild ihrer Helden ward der kleine Lappe, des Landes
ursprünglicher Herr, nachdem er sorglos den Fuss in noch wildere
Gegenden gesetzt, um einem verwandten, aber mächtigern Stamme zu
weichen. Zu des Gothen Jomandes und des gleichzeitigen Procopius
Zeiten (ca. 550) hatten die Lappen bereits unter der Bezeichnung
Scrithifinni ihre leichten Hütten in Lappland aufgeschlagen und streiften
noch im elften Jahrhundert unter denselben Breitengraden oberhalb
Wefittlands in den Wildnissen Dalekarliens umher.7)
Hinter den leichtlebigen Lappen drängten die letzten Vertreter der
Tschuden, die düstem und ernsten Finnen her, gleichfalls Turanier,
•) Germ. 46.
«) Nilsson, Das Steinalter etc. Übers, v. Mestorf. Hamb. Metaller. 1868.
i) Tettau,
ron Adolf Rogge. 256
welche ihren Leib in südlichem Gegenden so weit gekräftigt hatten,
dass er im kalten Norden nicht mehr entartete. *) Auf ihren Nomaden-
zügen hatten sie Zeit gefanden durch Erstlingsversuche im Ackerbau
ihrem Dasein eine festere Grundlage zu geben.
Durch das sog. Schwenden, das Niederbrennen der Wälder, nutzten -
sie die Urkraft des Bodens in flüchtig bestellten Boggenfeldern aus und
hinterliessen ihren Verdrängern den gelichteten Acker. In Norwegen
erhielten sie deshalb, als sie mit den ursprünglichen Finnen, den Lappen,
zusammenstiessen, den Namen , Bugfinnen * (Boggenfinnen). Der Finne
verachtet den Lappen, der Lappe sieht in der Stammeseinheit mit seinem
Treiber die höchste Ehre. Im Trieb nach Cultur versuchte sich der
Finne, je höher er nach Norden heraufrückte, in den von ihm einge-
nommenen Gegenden zu behaupten. Allmälig musste die Scholle, die
er geschwendet, mit seinem Blut gedüngt werden, ehe er dieselbe ver-
liess. Die Trutzwaffe lieferte ihm das Sumpfeisen. Der finnische Name
desselben Bauta oder Route findet sich noch heute in der litthauischen
Sprache, in welcher Rudä das Eisenerz heisst. Die Bearbeitung des-
selben stand beim Finnen in solchem Ansehn, dass er jeden Handwerker
einen Schmied nannte. Aber auch künstliche Befestigungen ihrer Wohn-
sitze scheinen die Finnen bereits angelegt zu haben und nicht mit Unrecht
werden ihnen wahrscheinlich jene räthselhaften Erdwälle zugeschrieben,
welche sich etappenartig von Bügenwalde bis Kaiisch längs der alten
römischen Handelsstrasse hinunterziehn. •) Vielleicht bezeichnen die-
selben die Grenzmarken, an welchen die Uranier mit den Ariern zum
ersten Mal in heissem Kampf ihre Kräfte massen und waren ursprünglich
Bollwerke gegen die Aestyer, welche zu Tacitus Zeiten an der Südküste
•) Ein gemeinschaftlicher Zug dieser Urvölker, deren Ankunft in Europa jener
der Kelten um mehrere Jahrhunderte voranging! war der Mangel an jeder National-
Religion und an jeder sittlichen Grundlage ftr den Verkehr der Gesohlechter. Die
ununterbrochene Reihe von Dolmen and Steindenkmälern überhaupt, die sich an den
8üdl. Küsten des Mfttelmeeree und an den westL des atlani Oeeaas nachweisen lasst,
ist ein nicht minder schlagender Beweis für die Ebdstens eines Mischvolks von Turaniern
und Semiten, das sich in vorgeschichtlicher Zeit m Syrien bis rar Ostsee ausgedehnt
hat, als die Venrandschaft der Berber, Baskisoben und finnischen Sprache unter sich
mit der Hebräischen. (Europa 1865, No. 28, S. 877 u, 878. Eine Erloradhnng de«
todten Meeres.) •) Schmitt a. a. Ov S. 18$,
256 UrpreüsMn
des baltischen Meeres von der Weichsel bis zur Newa sassen. Die-
selben waren, nach der über ihre Sprache gemachten Andeutung des
Tacitus, ein keltischer Stamm, welcher in ähnlicher Weise wie diePeuciner,
Ambroner und Bastarner hier sitzen geblieben war, als seine Bruder-
. stamme von den Germanen weiter gegen Westen gedrängt wurden. Sie
haben den Sterndienst in diese Gegenden verpflanzt und der Ostsee, wie
demNiemen ihre alten Namen „Cronium mare" und „Chronos" gegeben.
V
Croinu, walisisch C'runu heisst noch heut in der keltischen Sprache ein
stehendes Gewässer. Obwohl die alten Aestyer sich mit tschudischen
und slayischen und gothischen Stämmen zu einem Volke vermischt,
soll noch jetzt die esthnische Sprache eine, wenn auch entfernte, so
doch unläugbare Verwandschaft mit der keltischen bezeugen. Ein kleiner
Finnenstamm, die „Krewienen" hat sich in den von den Aestyern be-
setzten Gegenden bis auf die heutige Zeit unvermischt erhalten in der
Nähe von Bauske in Semgallen, wo er seit der ersten Hälfte des 17ten
Jahrhunderts erwähnt wird. 10) Vielleicht rettete ihn die Annahme des
Crivethums vom Untergang.
Hinter den Aestyern zogen die Gothen her, mit denen Claudius
Ptolomäus (170 n. Chr.) nebst dem slavischen Stamm der Wilzen die
preussich-pommersche Küste bevölkert. ") Während die letztern, wohl
die Vorfahren der Wenden, sich in ihrer Stammesreinheit erhalten« zu
haben scheinen, drangen die Gothen über die Weichsel und mischten
sich mit dem keltischen Stamm der Aestyer. Gothische Nebenstämme
an der Weichsel waren die Holmryr (Ulmerugier), Gepiden, welche dem
Weichseldelta den Namen „Gepidojos" gaben und die später noch zu
erwähnenden Widivarier oder Withinge, welche zu den Zeiten des See-
fahrers Wulfstan den westlichen Theil der Nehrung bewohnten und um
die Mitte des 6. Jahrhunderts schon dem gothischen Geschichtsschreiber
Jordanes als Besiedler der Weichselwerder bekannt waren. ")
") Ausl. 1872, No. 19, S. 446. Ein ausgestorbenes Volk in Kurland.
") Krek, Einleitung in die slavische Literaturgeschichte und Darstellung ihrer
älteren Perioden. Bd. I. Graz, Lenschner und Lubensky 1874, S. 66. Von diesem
viel benutzten Buch citiren wir künftig nur den Namen des Verfassers.
") Jornand. 5. Ad litus Ooeani nbi tribus faucibus fluenta Vistulae flumima ebi-
Jrontur Vidioarii resident, vgl. Voigt, Gescb, I, 136.
von Adolf Bogge. 257
In der sog. Eraina (Grenzland), die wahrscheinlich durch die Flüsse
Kamionka, Dobrinka, Netze, Brahe und Küdow, an der Wasserlücke
zwischen der Kamionka und Dobrinka aber durch undurchdringliche
Wälder begrenzt wurde, wohnten die Burgundionen, welche 245 nach
Panonien abzogen und wie ein neuerer berühmter Ethnograph sicher
fälschlich meint, den Preussen ihren Namen zurückgelassen hätten
(Phrugundionen: Preussen!)13) Ihre Sitze nahmen später lechische
Stämme ein, wie die Palucken und Cujaven, denn das von xmß ge-
schilderte Völkergemisch, welches sich an der preussischen Ostseeküste
nach und nach zu einem Volke vereinigte, nahm zuletzt noch slawische
Elemente in sich auf.
Wie die neuesten sprachlichen Untersuchungen ergeben, ") erfüllte
das den Westariern angehörige Slavenvolk allmälig das europäische
Flachland zwischen dem obern Don und dem Dnejpr und über den
letztern Fluss hin gegen den Osten des baltischen Meeres und der
mittlem Weichsel, südlich wohl nicht über den Pripetfluss. Von da
aus erfolgten später Ausbreitungen nach dem Norden und Südwesten
in Zeiträumen, die kaum annähernd zu bestimmen sind. Fest steht,
dass sich die Slaven im fünften Jahrhundert vor Christo bereits von den
Litthauern getrennt hatten ") und wie diese am Niemen, so stiessen
jene an der Weichsel auf die finnisch-keltisch-gothische Bevölkerung
des Bernsteinlandes, die zuletzt noch durch eine von Norden her zurück-
schlagende Völkerwoge an der Meeresseite theilweise eingeschlossen
wurde. Die Heimath der Vidivarier, welche der Gothe Jordanis an der
Weichselmündung, der Seefahrer Wulfstan auf der Arischen Nehrung
kennt, kann ursprünglich nur Schweden gewesen sein. Das schwedische
und norwegische Grenzgebiet, die Landschaften Wermland und Nerike
waren schon nach der Inglinga-Sage der Schauplatz wilder Kämpfe ")
zwischen den Svear und Götar, jenen Begründern zweier Eisenculturen,
von denen die eine süd- die andere nordgermanischen Ursprungs war.
") Friedr. v. Hellwald in dem Aufsatz: »Der Streit über die ßa$e prussietme*,
Ausland 1873. No. 5 u. 6.
") Krek S. 36. ,5) Krek S. 39.
") Voigt I, S. 179 Anm. 2.
▲ltpr. Monfttatchri/t Bd. XIV. Hft, 8 o. t 17
258 ürpreussen
An den Ufern des Wenersees in Wermland erhoben sich die Wikinger-
sitze, und seine Wellen, Eisgefilde und Inseln, in abenteuerlichen Kämpfen
mit Heldenblut geröthet, boten dem Liede unerschöpflichen Stoff. Die
östlich daran stossende Landschaft Nerike zog sich mit ihren niedrig
gelegenen von Moor und Sumpf unterbrochenen grasreichen Wiesen
zwischen steilen Gebirgshöhen und den grossen Waldungen Tiweden
und Käglan hin. ,7) Will man noch irgend welches Gewicht auf die
uns überlieferten geographischen Bezeichnungen der Urzeit legen, so
durfte das preussische Wermland in erster Linie mit dem schwedischen
in Zusammenhang zu bringen sein, wie die früher wohlbebaute Nehrung
mit dem schwedischen Nerike (Nercia). Dass die kampfgeübten Wi-
kinger, welche sich in den eroberten Sitzen selbst gegen die andringenden
Slaven zu schützen hatten, die im Lande vorgefundene Bevölkerung zu
einigen und organisiren suchten, lag lediglich in ihrem Vortheil und
ihr moralisches und physisches Uebergewicht befähigte sie entschieden
zu einer Culturarbeit, die in ihrem ungestümen Charakter wieder ihre
Schranken fand. Während sie vielleicht den Slaven gemeinsam die
Spitze boten, verpflanzten sie die Kämpfe des Heimathlandes auch auf
den eroberten Boden. „Da ist sehr viel Krieg unter ihnen", sagt
Wulfstan, u) der erste Augenzeuge, der Preussen gegen das Ende des
neunten Jahrhunderts beschrieben, und „ auf jeder Burg ist ein König".
Das Wort Cyninge, das er für König braucht, ist ein schwedisches,
Kuningas, Konung, welches noch im litthauschen Kunig's erhalten ist,
und in der altschwedischen Sprache einen Mann von Geburt bezeichnet. ")
Das altslav. kunezi, Fürst, scheint die Uebergangsform zu bieten. Ebenso
erwähnt der alte Seefahrer die Sclaven (peöwan), welche in der alten
schwedischen Verfassung ihre eigentümliche Stelle einnahmen. ") Den
Slaven war die Leibeigenschaft unbekannt. Erst nach der Berührung
mit. den Deutschen gewöhnten sie sich daran, dass man Menschen auch
") Geyer, Gesch. Schwedens. Hamburg. Perthes 1832. I, S. 68—61 »Ueber
die Svea und Göta«. — Dr. Hans Hildebrand, »Das heidnische Zeitalter in Schweden*
übersetzt von Mestorf. Hamburg. Otto Meissner, 1873.
«) Scr. rer. Press. I, 8. 733.
'•) Geyer, I, S. 105 Anm. 4. 10) Geyer S. 106.
von Adolf Bog*«. 259
«
als Sachen ansehen könne. fl) Auch die Waldbezeichuungen Damerau
(Damor) und Dalwin oder Dalben (Dalby) sind gothischen Ursprungs. ")
Vielleicht lässt sich sogar das Truso des Wulfstau, welches Neumann
in Preuss. Mark wiedergefunden haben will, aus derselben Sprache her-
leiten. Tori, Torg heisst Marktplatz und Markina oder Marknad Jahr-
markt.ts) Ebenso deutet die Gau Verfassung, welche der Orden bei
seiner Ankunft in Preussen vorfand, auf schwedischen Ursprung hin. ")
Das slayische Element des Volkes tritt deutlich in der fast unbegreif-
lichen Verschleuderung hervor, welcher der Nachlass der Verstorbenen
unterworfen war. Dieselbe ist nur beim gänzlichen Mangel einer ge-
setzlichen Erbregulirung denkbar. Der Slave kannte kein Erbrecht,
kein Mein und Dein unter Brüdern. Die Einheit der Sippe und des
Stammes schloss jegliche Erbfolge aus. Dieser eigenthümliche Zug schied
die Slaven ebensowohl von den Germanen wie von den Romanen.")
Es ist wohl auch nicht zufällig, dass später der deutsche Orden im
Friedensvertrage vom 7. Februar 1249 zuerst das Erbrecht ordnete.
Während scandische Gothen das Witland und Wennland behaup-
teten, stürzten sich die Dänen auf die samländische Küste. So soll
nach Saxo Grammatikus der etwa in der ersten Hälfte des achten Jahr-
hunderts regierende, durch seinen sagenhaften Schwanengesang berühmte
Dänenkönig Eagnar Lodbrock von einem Sturme an die sembische Küste
getrieben, mit Hilfe der Kuren und Samländer die aufsässigen Bjarmer
an der Dwina besiegt haben. Bald schlug die Bundesgenossenschaft
in Feinschaft um. In verzweifelten Kämpfen eroberten die Dänen das
Samland. Haquin, der Sohn des Harald Blauzahn und der Gyritha,
soll beim Angriff auf Samland seine Schiffe verbrannt haben, um den
Seinen die Möglichkeit des Rückzugs abzuschneiden. Das Blut der
") Franz Palacky, Gesch. von Böhmen. Prag 1886. I, 8. 172.
") Oeijer S. 67 n. 98.
*') Ueber die Aehnlichkeit einzelner Personennamen Voigt I, S, 668 Anm, 1. —
Geijer S. 96.
*4) 1. c. S. 67—69, wo nach dem RegMrom Upaaliense venchiedene Gau-
eintheilungen angegeben sind. Die prenssiache Ganeintheiloag am aufthrlicheten
dargestellt bei Toppen, bist.- comp. Geographie S. 7—39,
") Krek S. 91t
17*
260 Urpreussen
Dänen und Semben wurde nicht nur auf dem Schlachtfelde gemischt
Nachdem die Männer getödtet waren, heiratheten die Dänen die Weiber
der Erschlagenon. „ Nicht mit Unrecht*, sagt Saxo, „leiten seitdem
die Samländer ihr Geschlecht vom dänischen Volksstamm her".")
Wenn Saxo's Bericht auf einer wirklichen Thatsache beruht, fällt
dieser dänische Einfall in den Ausgang des zehnten Jahrhunderts. Um
diese Zeit beginnen die Gaunamen dem gemeinsamen Yolksnamen zu
weichen. In den beständigen Kriegen mit den Dänen und Polen war
durch Blut und Eisen die Einheit des Volkes herbeigeführt. Als
Adalbert den preussischen Boden betritt, rufen ihm die Einwohner nach
dem Bericht seines Biographen Cauaparius entgegen: Bei uns und die-
sem ganzen Königreich, an dessen Thoren wir wohnen, herrscht einerlei
Satzung und Sitten! Der Begriff „Königreich" (regnum) ist freilich
dunkel, scheint doch aber ein grösseres Gebiet als etwa das eines
Cynings zu Wulfstans Zeit zu bezeichnen. f7) Adam von Bremen nennt
etwa siebzig Jahre später18) Samland eine den Bussen und Polen be-
nachbarte Provinz, welche die Preussen besitzen, die er auch Semben,
Samländer nennt (Sembi vel Pruzzi). Während Canaparius dieses Volk
als ein böses und habgieriges schildert, dessen Bauch sein Gott, lobt
Adam von Bremen die Preussen als äusserst menschliche Leute, welche
Schiffbrüchigen und von Seeräubern Verfolgten freudig entgegenkommen,
Geld und Gut aber gar gering achten. Sie vermittelten den Pelzhandel
mit dem Norden und verwöhnten durch ihre kostbaren Marderpelze die
Hamburger und Bremer. Ihr Hauptmarkt war Birka bei Upsala.
Der Name Preussen kommt zuerst in einem geographischen Glossar
aus dem neunten Jahrhundert vor (Bruteni, Pruzzun), danach in einer
dem Pontificat Johannes XV. (985—996) ausgestellten slavischen Ur-
kunde und in der bald nach dem Tode St. Adalberts von Canaparius
abgefessten Leidensgeschichte dieses Märtyrers (Pruzzi).
Wir glauben die Fülle ") von etymologischen Kunststücken, welche
diesem Namen ihre Entstehung verdanken, hier einfach übergehen zu
>«) Scr. rer. Press. I, S. 735. ") Ebd. S. 228. **) Ebd S. 239.
*•) Bender, Erml. Zeitschr. I, S. 384—97 referirt in möglichster Vollständigkeit
»Ämmtliche bisher aufgestellte Hypothesen; Tgl. auch Pierson, Electron 8. 96—107.
Ton Adolf Rogge. 261
sollen. Nach unserer unmassgeblichen Meinung finden wir in diesem
Namen dieselbe altslavische Wurzel 8pr" (ferire) wieder, welche dem Na-
men des National götzen Ferunu zu Grunde liegt, sich in der slavischen
Bezeichnung für das Wort „Eber" vepr und im gleichbedeutenden poln.
wieprz wiederfindet. Die Fruzzi sind danach die schon dem Tacitus
bekannten Peruns- oder Eber-Anbeter, welche von den christlich ge-
wordenen Polen nach ihrer Haupteigenthümlichkeit bezeichnet wurden.
Eine nähere Begründung dieser Ansicht werden wir in der Darstellung
des preussischen Götzendienstes geben.
Was endlich die Sprache der alten Preussen anlangt, so wird die-
selbe nebst der littbauschen und lettischen als ein Zweig des indo-
germanischen Sprachstammes betrachtet, dessen ursprüngliche Heimath
der Gebirgsrücken des Mustagh und Belurtagh nach dem Easpischen See
ist. Sie wird für weniger alterthümlich als das Litthausche gehalten,
welches noch die ursprünglichen sieben Casus, sowie den Dualis hat
und sich von den gewaltigen Lautveränderungen der Sprachen des
lettisch-slavischen Familienpaares fast gänzlich freigehalten, beim Ver-
bum dagegen die Beduplication, das Augment und die Veränderung des
Wurzellauts aufgegeben, in den Flexionsendungen manche Einbussen
erfahren, dagegen das Medium bewahrt hat. Frei von den Entstellungen
des Lettischen, ist der preussischen Sprache der Dual verloren gegangen
und die Zahl der Casus beschränkter als im Litthauschen. 30)
Zweites Kapitel.
Urglaube.
Der Erden- und Eberdienst nach Tacitus. Aus dem nordischen Alterthum herzu-
leitende Gottheiten und ihre Feste der Erde und des Himmels. Slawische Gottheiten.
Perkun und Cnrche finden sich im Eber. Kresze, Sabotuka und Mettele. Das vier-
fache Romowe. Der Crive. Kein Priesterthum. Stellung des Weibes.
Die erste Kunde von den Göttern des Preussenlandes hat der
Griffel des Tacitus auf die Nachwelt gebracht. Derselbe erzählt von
•°) Schleicher, Die Sprachen Europas in systematischer üebersicht. Bon.
Königsb. 1860. und Brockhaus, Blätter für literar. Unterhaltung. Jahrgang 1853.
II, S. 1143 u. 44,
"N
262 Urpreussen
den Aestyern : ') „Die Götterautter beten sie an. Als gotttes dienstlich es
Zeichen führen sie das Bild eines Ebers. Dieses schirmt so gut wie
Waffen nnd jede Schutzwehr den Verehrer der Göttin mitten unter
den Feinden."
Tacitus hält die Aestyer für ein Mischvolk, in Bezug auf Sitte und
Tracht den Sueven, nach der Sprache den Briten verwandt, mithin keltisch-
germanischer Abstammung. Damit sagt er auch, wo die ersten dunkeln
Spuren ihres Götzendienstes zu suchen seien, nirgend anders als bei
den Sueven und Kelten. Unter der Göttermutter können wir nach dem
Zusammenhange nur Hertha verstehen. Kurz vorher1) hat Tacitus die-
selbe als die Hauptgottheit der Sueven bezeichnet und ihren geheim-
nissvollen Gottesdienst meister- und musterhaft für alle Zeiten geschildert.
Sollte er indessen auch als Bömer reden und, wie einige Ausleger
meinen, unter der Göttermutter eine, der Eybele ähnliche, Gottheit ver-
stehen, so ändert das an der Sache gar nichts. Auch diese ist ja die
geheimnissvolle Erdgottheit, die Alles erzeugt und Leben verbreitet.
Dem Erdendienst verdankt die Beligion der Preussen jene eigentüm-
liche Färbung, die dem Auge des Dichters als „Land- und Baumpoesie*
erscheint. *) Eng mit dem Erdendienst war nach Tacitus der Eberdienst
verbunden. Nur den Verehrer der Göttermutter schützt das Eberbild.
Vielleicht haben wir hier den hervorragend keltischen Zug im preussischen
(Götzendienste gefunden, doch spielt der Eber in allen Religionen des
nordischen Alterthums eine so bedeutende Bolle, dass es schwerlich
gelingen wird seine Urheimath bei einem der europäischen Völker auf-
zufinden. In diesem erdaufwühlenden Thier mag schon das indoger-
manische Urvolk in den Hochgebirgen Mittelasiens ein Sinnbild des
Windes gesehen haben. Der Eber dient in den nordischen Religionen
zur Bezeichnung aller beweglichen Himmelskräfte, welche nach der
Meinung der Menschen die mütterliche Erde befruchten. Wodan fährt
mit dem wüthenden Heer, einer Eberheerde gleich, im Sturmgebraus
durch die Nacht dahin, er streitet aber zuweilen auch mit der Wind-
') Germ. 46. *) Genn. 40.
•) Herder, Eigne Gemälde aus der preass. Gesch. Adrastea. Werke zur Philos.
nnd Geschichte. XI. Theil. Stuttg, u, Tübing. 1829. S. 346.
▼on Adolf Kogge. 2G3
sau und aus Wind und Wetter zucken ihm die leuchtenden Hauer des
Ebers, die Blitze, entgegen.
Die Sturmwolke ist der Eber, von dem die Einheriar, die im Winde
umhersausenden Geister der gefallenen Krieger, zehren. Nach der Edda
speisen dieselben das Fleisch des unvergänglichen Ebers Saehrimnir.
Gullinbursti oder Slidhrugtores d. i. Spitzzahn, der leuchtende Eber,
jagt mit Preyr, der über dem Wetter waltet, durch Luft und Wasser,
ein Bild der lichtdurchstrahlten Wolke, welche die Sonnenstrahlen
über die Weiten des Himmels trägt. Auf den Sühneber, Sonargalti,
wurden am Julfeste den Gottheiten Freyr und Freya die Gelübde grosser
Thaten abgelegt und König Heidhreks gelobte am Julfeste ein Abenteuer,
indem er einem, von ihm selbst aufgezogenen, goldig glänzenden Eber
eine Hand aufs Haupt, die andere auf die Borsten des Bückens legte. 4)
Diese Beispiele mögen vorläufig genügen, um die Bedeutung des
Ebers ins rechte Licht zu stelleu, der im Wettergewölk und Sturm-
gebrüll einst auch über das Bernsteinland hinjagte und sich in den
weiten Ebenen der Sarmaten verlor, denn auch die Slaven haben die
Erinnerung an das goldborstige Thier vielleicht schon aus ihrer Ur-
heimath mitgebracht und demselben in ihrer Götterlehre eine Stelle an-
gewiesen. Ihnen, wie den Germanen war es ein Bild für verschieden
gestaltete Sonnenmythen, die an die dritte Avatare Wischnu's mahnen. ')
Hier stellen wir nur fest: Die Geburtsstätte der preussischen Götter-
welt ist das nordische, das keltisch-germanische Alterthum, die Aus-
gestaltung und Ausstattung derselben dagegen rührt von den Slaven
her, die bereits zu Wulfstans Zeiten ihre Bosse in den Weichselebenen
und auf der Nehrung tummelten, während skandische Withinge daselbst
als Könige sassen. Es ist nur denkbar, dass Sieger und Besiegte ihr
Theil zum spätem gemeinsamen Gottesdienste beigetragen haben, da-
4) Was wir jetzt und später über den Eber und Eberdienst beibringen» ist zwei
interessanten Abhandinngen über diesen Gegenstand entnommen: 1) Wilh. Mannhardt,
Boggenwolf und Boggensau. 2. Aufl. Danzig, Constant. Ziemssen 1866, S. 1—3.
2) Bodin, »Ein arger Wühler4 Sonntagsblatt herausgeg. v. Franz Duncker. Berlin,
Jahrg. 1876, No.6, S. 70. Vgl. auch Simrock, Edda 1851. S. 266.
») Krek S. 231 und Nork, pop. Mjthol. Stuttg. 1845. II, S. 196.
2ß4 Urpreussen
bei aber natürlich, dass die im Volke lebenden slaviscken Anschauungen
das Uebergewicht über die germanischen errangen. Da beide Völker
arischen Ursprungs waren, mussten ausserdem viele Begriffe ihnen ge-
meinsam sein, ein Erbtheil der Urzeit.
In dem langen Zeiträume von Tacitus bis Simon Grünau, man ver-
zeihe diese Zusammenstellung von lauterer, keuscher Geschichtsforschung
und bewusster Lüge voll halber Wahrheiten, hat kein Mensch mit Lust
und Liebe ins Volk hineingelauscht, kein sinniger Blick auf den, von
Jahrhundert zu Jahrhundert mehr verlöschenden, mit Feuer und Schwert
vertilgten Spuren des alten Götterglaubens geruht. Daher führen uns
die Geschichtsschreiber des Mittelalters, unter ihnen in erster Reihe Peter
Dusburg, ihre matten Götterschemen an Stelle jener Gestalten vor, die
greifbar einst vor dem kindlichen Dichterauge des Volkes standen und
die Herzen desselben bald mit Bangen und Beben, bald mit ausgelassener
Lust und Freude erfüllten. Sie kennen keine Gottheiten, sondern nur
Deutungen derselben und reden von der preussischen Götterwelt, wie
jene nachgeborenen Philosophensekten, die wir heute den Materialisten
zuzählen würden, von der griechischen und römischen.
Nicht abgezogene oder verwässerte Begriffe stehen dem Volke vor
Augen, wenn es betet. Wind und Sonnenstrahl kleidet es mit über-
wuchernder Einbildungskraft in fassbare Gestalten und, wenn es die
Sonne ein Auge nennt, so findet es auch bald den Mann, der dasselbe
im Kopfe trägt. Nicht den Donner und Blitz, sondern den Blitzwerfer
und Donnerer macht es zum Gegenstande seiner abgöttischen Verehrung.
Erst bei Culturvölkern wird Alles generalisirt und centralisirt, die Wilden
individualisiren und personificiren wie die Kinder.
Noch immer muss uns daher der alte Tacitus das Baugerüst her-
geben, wenn wir mit einiger Sicherheit den altpreussischen Götzendienst
wieder einfügen wollen in die Lücken unserer Urgeschichte, die Bau-
steine aber müssen mühsam aus wohlbeglaubigten Aufzeichnungen und
Bräuchen zusammengetragen werden, welche das Glaubensleben der
Preussen und ihrer Nachbarvölker beleuchten. Die Göttermutter und
der Eber sind nichts als Bilder für Erde und Himmel. Dass die Preussen
kein Genüge am rein landschaftlichen Beiz der weiten Schöpfung em-
von Adolf Kogge. 265
pfonden, wissen schon die Biographen des h. Adalbert. Canaparius lässt
den Märtyrer ausziehen, um die „Götter und Götterbilder00) Preussens
zu bekriegen, dessen Bewohner Brun ausdrücklich «Götzendiener117)
nennt. Dabei bemerken wir gleich vorweg, dass Canaparius auf einen
einheitlichen Götzendienst durchs ganze Land hinweist. Die Bewohner
des Landes sind dem Missionar gegenüber stolz auf einerlei Satzung
und Sitte.8) Der Krieg Aller gegen Alle, den noch Wulfstan sah,0)
war sicher der staatlichen Einigung eben so ungünstig, wie der Dogmen-
bildung. Die Verschmelzung der verschiedenen nationalen und religiösen
Elemente, welche sich auf preussischem Boden geltend gemacht, scheint
danach zwischen Wulfstan und Adalbert, mithin im zehnten Jahrhundert
vor sich gegangen zu sein. Das Verdienst dieser Einigung dürfte un-
bezweifelt dem Polenschwerte gebühren.
Die Reihe jener Schriftsteller, welche über den eigenthümlich
preussischen Götzendienst nur das Oberflächlichste wissen und doch
für uns wenigstens ziemlich viel sagen, eröffnet Canaparius. ") Seine
Worte lauten: „deren Gott der Bauch ist und die Habsucht verbunden
mit dem Tode.* Auch Lapidarstil, freilich nicht aus der Schule des
Tacitus! Würden uns nicht geschichtliche Zeugnisse anders belehren,
so könnten wir leicht in diesen Worten nichts als eine verstümmelte
Anführung einer Bibelstelle sehen, ") die möglicher Weise dem Bericht-
erstatter als angemessenster Ausdruck für seine geringe Eenntniss der
Sachlage auch vorgeschwebt hat.
Der Bauchgötze des Canaparius weist auf ein Ackerbau treibendes
Volk, das bei vollen Scheuern ein Gelage nicht verschmäht und eben
nicht sparsam ist in seinen Trankopfern für den Gott, der seiner Meinung
nach die Felder gesegnet. Derselbe Götze taucht unter dem Namen
Pilvitus, den Prätorius wohl richtig vom litth. Worte Pilwas „Bauch"
") Scr. rer. Pr. I, 228 Pruzziae deos et idola.
7) Ydolatrae, Scr. rer. Pr. I, 233.
*) Scr. r. Pr. I, 228 Communis lex imperat et nnus ordo vivendi.
•) 1. c. 733.
10) Scr. rer. Pr. I, 228 Quorum deus venter et avaritia juncta cum Morte.
») Phil. 3, 19.
266 Urpreussen
ableitet, in der Agende der preussischen Bischöfe vom Jahre 1530 wieder
; auf, und wird hier ausdrücklich, obwohl wir glauben fälschlich, mit
der Ceres verglichen. Il)
Auch Simon Grünau kennt unter den preussischen Zauberern sog.
Klwitten und lässt dieselben neben andern Schwarzkünstlern zu Zeiten
Conrads v. Jungingen mit dem Feuertode bedroht werden. ,3) Es scheint
uns wahrscheinlich, dass diese das Andenken an den alten Bauchgott
im Preussenvolke erhalten wollten, womit nicht ausgeschlossen ist, dass
dieselben auch in irgend einer Beziehung standen zu dem, von Grimm
ans Licht gezogenen, weiblichen Gespenste Pilwiz, das Haare und Bart
verwirrte nnd das Getreide zerschnitt. An mehr als einem Punkte be-
rühren sich der slavische und der germanische Götterglaube, in Preussen
konnte das am leichtesten geschehen. So erinnert Pilvitus an den alt-
slavischen Heerdengott Velestt, der ursprünglich auch Sonnengott war M)
und dessen Namen in dem für „Hexe oder Zauberer" gebrauchten
Wort „ Bellewitte* schon deutlicher zu erkennen ist. Dass man den
Heerdengott zugleich als Bauchgott und Gott des Seichthums ansehen
konnte, bedarf keiner Begründung, und dass die preussischen Bischöfe
einen Sonnengott ins System der Erdgötter brachten, kann eben bei
ihrer oberflächlichen und nebensächlichen Darstellung der Sache nicht
zu sehr auffallen. fi)
Noch dunkler sind die nächsten Worte des Canaparius, in welchen
derselbe den Preussen „die Habsucht, verbunden mit dem Tode, zu-
schreibt.* Rein begrifflich gefasst, werden dieselben bestätigt durch
Wulfstans Bericht, der das Jagen nach den Gütern der Verstorbenen
erzählt und somit die Habsucht in unmittelbare Beziehung zum Tode
") Das Material zur Bearbeitung der preussischen Götterlehre haben nach
Hartknoch und Arnoldt hauptsachlich zusammengestellt und das Bedeutendste auf
diesem Gebiet geleistet: Toppen, Gesch. des fieidenthums. N. Pr. Pr.-Bl. I, 1846
und die letzte Spur des Heidenthums Bd. II. Wir citiren künftig nur mit Namen
und Band. Bender, De Tet. Prut. Diis. Brunsbergae MDCCCLXV. und zur altpr.
Mythologie u. Sittengeschichte. Altpr. Monatsschr. II, 577—603, IV, 1—27, 97—135.
Dr. Wüliam Pierson, Electron Berlin, W. Peiser 1869.
") Jacobson, Geschichte der Quellen des katholischen Kirchenrechts S. 131.
») Krek S. 105.
I6) Vergleiche Töppens etw. abweichende Ansicht in Nf Pr. Prov.-Bl. I, S. 343.
von Adolf Bogge. 267
bringt, widerlegt dagegen durch das Zeugniss Adams von Bremen:
„Gold und Silber achten sie äusserst gering11. ")
Für uns hätten diese Worte nur Bedeutung, wenn sich nachweisen
Hesse, dass Canaparius bei denselben bestimmte Gottheiten im Sinne
gehabt, doch mögen wir uns vorläufig in unfruchtbare Yermuthungen
hierüber nicht ergehen.
Individualisirt wurde der Erdendienst in zahlreichen Theomorphosen,
welche nicht so erhaben waren, wie diejenigen, welche sich aus dem
Himmelsdienst entwickelten, dafür aber um so unmittelbarer eingriffen
in das häusliche und gewerbliche Leben des Volkes. Der Erde ent-
stiegen jene neckischen, kleinen Gottheiten, in denen wir eine Erinnerung
an die Urbewohner des Landes, die kleinen und zufriedenen Lappen
sehen. Die ältesten Götter dieser Art möchten wir in den Semepacii
oder Zemopacii finden, welche der litthauische Katechismus (1547) und
der Pole Johann Lasicz (1574) erwähnen. Schon ihr Name beglaubigt
dieselben als Erdgötter der ältesten Art.
Abarten von ihnen waren die Barstucken (Bartmännlein) oder
Markopeten, welche noch im sechszehnten Jahrhundert in Pommerellen
wie im Samland so gern gesehene Gäste und Wohlthäter in den Hütten
der Armen waren. ") Abends setzte man ihnen gedeckte und wohlbe-
setzte Tische in die Scheunen und freute sich, wenn sie am Morgen
die aufgetragenen Speisen verzehrt hatten, denn das bedeutete Glück
im Hausstande, das GegentheU Unglück.
Diese Erdmännchen standen unter dem Waldgotte Puszkaitus
(Fichtenstrahl, Fichtengeist?), der unter den für heilig gehaltenen Hol-
lunderbäumen wohnte und dort Bier und Brotopfer empfing, ") damit
seine Barstucken tieissig Getreide in die Scheunen schleppten und das-
selbe behüteten. Auch sollte er dafür auf Markopolus, den Gott der
Edelleute und Herrn einwirken, damit die Frohnen der armen Leute
gemildert würden. I9)
Wieder eine andere Klasse von Erdmännlein bilden die Coltki, kleine
") Scr. rer. Pr. I, 239.
") So erzählt Hartknoch. Das alte Prenssen S. 163 nach Muriniug.
») Waissel Pol. 20. 6. !9) Meletius, Acta Bor. II, 401—412.
268 Urpreussen
Hauskobolde in den Winkeln und unter den Holzhaufen, welche Holz-
stücke ins Haus schleppen und die Milchgelten mit Viehdünger be-
sudeln. Werfen die Hausbewohner ihre Holzhaufen nicht auseinander
und gemessen die besudelte Milch, so fühlen sich die Kobolde gemüthlich
im Hause und bleiben in demselben.20)
Derartige Sagen können in christlichen Zeiten verändert, aber
schwerlich noch erfunden werden. Um ihrer kindlichen Naivetät willen
gehen dieselben auch schwerlich verloren, sondern bleiben die Lieblinge
des Volks, der Dichter und Kinder.
Auch in der Verehrung der Thiere, Pflanzen, Gewässer und Steine
zersplitterte sich der Erdendienst und gewann einen unermesslichen
Umfang und ins Unendliche verschwimmenden Inhalt.
Unter den Gethieren der Erde wird besonders die Schlange gehegt.
Zeugnisse für den Schlangendienst bei den Esten bringt zuerst Adam
von Bremen, bei den Litthauern Aeneas Sylvius, jedoch mit sagenhaftem
Beigeschmack 21) und Johann Meletius. Nach Letzterem *') werden hinter
dem Ofen, in der Nähe der Stelle wo der Tisch steht, bei den Lit-
thauern und Zameiten Schlangen gehegt und als Gottheiten verehrt.
Einmal zu einer bestimmten Zeit im Jahre locken die Opfermänner
dieselben durch Bitten an den Tisch. Nun kriechen die Hausschlangen
über ein weisses Tischtuch auf die Platte, kosten einige Speisen und
ziehen sich wieder in ihr Loch zurück. Glücklich verzehren dann die
Menschen die von der Schlange beleckten Gerichte in freudiger Hoff-
nung auf ein gutes Jahr; traurig sind sie, wenn die Schlange nicht
hervorgekommen ist oder die Speisen verschmäht hat. Es ist somit
kein Grund an ähnlichen Bräuchen unter den Preussen zu zweifeln,
wenn dieselben auch nur durch Simon Grünau und Lucas David ver-
bürgt sind.")
Beim Mangel an näheren Nachrichten müssen wir uns in Bezug
auf den Thierdienst mit der Bemerkung Dusburgs") begnügen, die
*») ibidem. ") Scr. rer. Pr. IV, 238. ") Acta Bor. II, 407.
") TöppeD, 1. c. II, 8. 335.
") DI, 5. Scr. rer. Pr. I, 53. Dieses Kapitel erhält fast Alles über den Götzen-
dienst von Du8burg Berichtete, weshalb wir dasselbe nicht weiter anfahren.
von Adolf Kogge. 269
Preussen hätten Vögel und auch vierfüssige Thiere bis zur Kröte herab
angebetet. Wahrscheinlich beschränkte sich jedoch die Verehrung der-
selben darauf, dass sie in heiligen Wäldern und Seen nicht getödtet
werden durften.*8)
Bei allen Völkern der indogermanischen Rage gilt der Wald in
seiner charactervollen Schönheit für den erhabensten Tempel der Natur.
Götterstimmen flüstern durch das geheimnissvolle Bauschen seiner
Zweige und characteristisch ausgeprägte Baumgestalten weiht der
fromme Glaube des Volks zu Göttersitzen. Wie das Haus die Burg
der Familie, so ist der Wald das Schirmdach des ganzen Volkes, die
geheiligte Stätte seiner Opfer und Feste, bietet er zugleich gastfreund-
lich den grünen Basen für seine ernsten Berathungen und fröhlichen
Gelage und wird oft genug der blutgetränkte Boden seiner Kämpfe, für
Manchen das Grab und die Vorhalle der Ewigkeit. Noch heute kann
sich der gemeine Mann nur schwer in den Gedanken finden, dass der
Wald, den Gott in ganz besonderem Sinne wachsen lässt, nicht ge-
meinsames Eigenthum sei. „Alles", sagt Adam von Bremen,16) nach-
dem er die menschenfreundlichen, blauäugigen, rothwangigen und gold-
haarigen Semben oder Preussen geschildert, die sich so liebevoll der
schiffbrüchigen oder von Seeräubern bedrohten Fremdlinge annehmen,
„Alles mögen sie mit uns theilen, nur bis auf den heutigen Tag ist
der Zutritt zu ihren heiligen Hainen und Quellen verwehrt, für befleckt
halten sie dieselben, wenn die Füsse der Christen sie betreten, ,T) und
fast dreihundert Jahre danach sagt noch Peter Dusburg vielleicht im
Hinblick auf dieses Wort : Sie hatten auch heilige Haine, die sie nicht
zu betreten, Felder, die sie nicht zu bebauen wagten, Gewässer, in
denen sie nicht fischen durften.
Fast durch das ganze Samland zog sich ein heiliger Hain. *•) Bei
den Dörfern Piauten und Seefeld im Ermlande, bei Christburg, Schippen-
beil und an mehreren andern Orten werden heilige Wälder erwähnt. ")
") Hartlmoch I, 164. **) Scr. rer. Prf I, 239.
%r) Accessu christianoram.
■•) Voigt, Gesch. I, 506, 597, 640. cfr. Toppen, Geographie 24,
*•) Voigt, Gesch. I, 697.
270 tfrprenssen
Der Baumdienst war bei den Slaven in hohem Grade ausgebildet.
Aus der Baumhöhle blickte nach ihrer Ansicht entweder das Käuzchen,
oder die Eule oder der Teufel heraus.80) Auch bei den Preussen
scheinen die Bäume die Sitze der Dämonen, wie der Genien gewesen
zu sein. Wie bei den Kelten und Germanen nahm die Eiche den
höchsten Bang ein. Der Baum des Wodan war auch der Baum des
Perkunos. Weiber zogen in den Höhlungen der Eiche Schlangen auf
und erflehten von denselben zu bestimmten Zeiten Kraft und Frucht-
barkeit für ihre Männer. ai) Ausser der heiligen Eiche zu Romowe
werden derartige Bäume bei Heiligenbeil, Oppen, vorzüglich aber in
Litthauen erwähnt. '*) Auch die nächst der Eiche in Sang und Dich-
tung wohl am meisten gefeierte Linde fand hie und da ihre Verehrer.
Nach Hennenberger M) war zu seiner Zeit eine solche in Schakuniken
am Russfluss noch ein beliebtes Wallfahrtsziel.
Den Hollunderbaum erwähnten wir schon als Sitz des Puszkaitus. ")
Es fehlte auch nicht an heiligen Feldern, Seeen, Flüssen und
Steinen. Letztere trugen, zumal wenn sie als Grenzmarken benutzt
wurden, wohl auch besondere Namen. Ein heiliger Stein am frischen
Haff wurde zum Gotte Curche in Beziehung gesetzt.
Deutlicher als der Hertha* oder Erden-Dienst ist der Eber- oder
Himmels-Dienst in den uns erhaltenen Ueberlieferungen ausgeprägt.
Drittehalb Jahrhunderte müssen wir warten, bis uns eins jener
Idole; von denen Canaparius und Brun redeten, endlich gezeigt wird.
In dem Friedensvertrage vom 7. Februar 1249 versprachen die Pome-
sanier, Ermländer und Natanger dem Götzenbilde, welches dieselben
einmal im Jahre aus gesammelten Früchten zusammen zu stellen und
wie einen Gott zu ehren pflegten unter dem Namen Curche, sowie
andern Göttern, welche nicht Himmel und Erde gemacht, dieselben
mögen heissen wie sie wollen, keine Trankopfer mehr darzubringen. *)
>•) Krek S. 285.
") Lac. David I, 150. Grünau, hrsg. t. Perlbach S. 89. Toppen i. c. II, 335.
") Hartknoch I, 117 ff. Toppen 1. c. H, 341 ff.
") Alt. Preussen Fol. 12, 2.
") Voigt, Gesch. I, 597. In Mittelfranken heilt der Hollander die Gicht.
») Mon. Warm. I, 32.
tob Adolf Rogge. 271
Fassen wir zuerst den Namen des Götzen ins Auge, so klang
derselbe im Volksmunde, welcher die lebendige Ueberlieferung desselben
bis ins sechszehnte Jahrhundert vermittelte, anders als in der Urkunde.
Simon Grünau schreibt Curcho, 3G) ausserdem finden sich die Formen
Kurko, 37) Gurcho 3g) und Gorcho. M) Obschon Simon Grünau mit grosser
Sicherheit behauptet, die Preussen hätten diesen Gott von den Masuren
genommen, so scheint uns doch schon, der Name einen andern Ursprung
anzudeuten. Die Wurzel desselben ist offenbar in der ersten Sylbe
„Cur" oder »Gor* zu suchen. Nun war nachweislich schon im sechsten
Jahrhundert die gothische Bezeichnung für den Eber „ibrs", althoch-
deutsch „eparg, in die Form „Jörn" (altnord. biörn) übergegangen. So
heisst der bekannte Gothenschriftsteller Jornandes, eigentlich Eparnand,
Jornans d.h. Eberkühn.'0) DieEndsylbe mögen die Slaven dem Worte
angehängt haben, wenn dieselbe nicht vielleicht eine Diminutivform be-
zeichnen soll. Dasselbe Wort mit einer andern Endsylbe findet sich
noch heute bei den Slovenen. Suetikurent, d. h. die h. Kurent, nennen
dieselben noch jetzt die Fastnacht, nach dem Götzen Kurent, einem
dämonischen Wesen und lustigen Gesellen, der niemals ohne Geige
(gusle) und Flöte (pisäla), jedes lebende Wesen zum Tanze hinreisst.
Reich an losen Schwänken ist seine Erdenwanderung, aber auch reich
an Wohlthaten und Liebesbeweisen gegen die Armen. Er ist der Gott
harmloser Freude, Frohsinn, Herzensgüte, und Segen heften sich an
seine Fersen. *!)
Schon der blosse Klang des preussischen Götzennamens erinnert
an die Stimme des Ebers, der freilich seit Tacitus mancherlei Wand-
lungen erfahren haben mag. Curche war der freundliche Geber der
Nahrung, der Gott der Speise, derselbe, welchen uns Canaparius als
Bauchgott, die preussischen Bischöfe aber unter dem Namen Pilyitus
vorstellen, kurz der Gott der Freude und des Genusses. Wenn der Eber
") Ausg. f. Perlbach S. 96.
") Lac. David I, 82. Voigt, Gesch. I, 688 Anm. 2.
") Schütz. **) Hennenborger. — Bezzenberger stellt den Namen Curche mit
Ibaric, Iberico zusammen. Altpr. Monateschr. XIII, 434.
40) Gebr. Grimm, Deutsches Wörterbuch. Leipzig 1862. III, Spalte 17.
4i) ,Die Slowenen« von Dr. Klan, Ausland 1879* No, 20. S. 470 ff,
272 ürprensseti
nach germanischer Anschauung vielfach schreckenerregende Himmels-
erscheinungen, wie Donner und Blitz oder den Sturmwind darstellt, so
liegt darin nichts unserer Auffassung Widersprechendes. Donner und
Blitze zählten die Slaven zu den heitern Gottheiten. Dieselben befreiten
die Sonne aus den Banden dunkler Gewölke, indem sie diesen den be-
fruchtenden Regen entrissen. ") So konnte sich das Sinnbild des Donners
und Blitzes umwandeln in ein Zeichen der Freude.
Mag der Curchedienst immerhin im Laufe der Jahrhunderte abge-
schwächt, hie und da in christliche Formen gekleidet und seiner ur-
sprünglichen Bedeutung nach, dem Yolksbewusstsein abhanden gekommen
sein, die Ueberlieferungen späterer Zeiten, ja die heutige germanische
und slavische Sitte werfen noch genug Streiflichter über denselben hin,
um seinen Ursprung erkennen zu lassen. Zwar in knappen Worten,
aber deutlich genug, lässt die Urkunde von 1249 das Curchefest als
ein Erntefest erscheinen. Bei den Erntefesten des Volks pflegt die
letzte Garbe, die eingebracht wird, von besonderer Bedeutung zu sein.
Schon vor der Ernte beobachtet der Landmann eifrig die wallenden
Aehren. „Der Eber geht im Korn", sagt er dann; in der Wetterau
und in Schwaben warnt er die Kinder vor der „wilden Windsau" im
Korn. Ja, der Wirbelwind ist ihm sogar zum Teufel in Ebergestalt
geworden, dem er ein ander Mal wieder nur den Schweineschwanz an-
heftet und diesen zum Sinnbild des Wirbelwindes macht, „der Sau-
schwanz, Süstert oder Sauwedel fahrt!" Der Eber hat seine eigentliche
Wohnung im Korn. In der letzten Garbe wird man seiner theilhaftig.
Darum sucht jeder schwäbische Schnitter sich derselben zu versichern
und sobald es ihm gelingt, sehreien die jubelnden Mitarbeiter: „Du
hast die Kornsau!" In Baiern wird dieselbe erst beim letzten Schlag
auf die Tenne gepackt; wer denselben thut, hat den Saufud oder die
Lös, d. h. das Mutterschwein. Ihm steht es zu, die Lös zu vertragen,
d. h. das Bild in Gestalt eines Schweines aus Stroh geflochten unter
dem Jubel der Jugend durchs Dorf zu führen und schliesslich den
Dreschern des Nachbardorfs in die Scheune zu werfen.43)
") Krek S. 100. ") Nach Bodin.
von Adolf Rogge* 273
Wir erwähnen dieser Gebräuche, welche so deutlich an den Eber
des Tacitus erinnern und sich im Preussenvolke sicher eben so wie im
Deutschen erhalten hatten. Das, wenn auch schon sehr abgeblasste
Bild, welches Meletius und andere Schriftsteller des 16. Jahrhunderts
von den preussischen Erntegebräuchen entworfen, lässt noch immer ver-
wandte Züge erkennen. Die Saaten sind reif, die Landleute eilen zu
den Feldern. Ein Opfer wird dargebracht, das Zaczinek, welches Wort
der russischen Sprache angehören soll und Ernteanfang bedeutet. Dann
haut ein hiezu erwählter Schnitter das Feld an und trägt die erste
Garbe heim. Nun beginnt die fröhliche Erntearbeit.
Leef sind die Felder und wiederum eilt man zum Opfer. Uczinek
d. h. „Ende der Ernte* wird dasselbe genannt. Das Volk sammelt
sich in der Scheune. Ein Tisch mit Heu und Brot belegt, an jedem
Ende mit einer Schale Bier besetzt, wird in die Mitte gestellt. Bei
den Sudauern wird ein Bock herangebracht, bei andern Stämmen führt
der Wurskaite, das Opferpriesterlein, wie ihn Meletius nennt, verschiedene
Thiere beiderlei Geschlechts in den Baum, voran den Eber mit der Sau,
dann Schafe, Ziegen, Kälber, Hühner und Gänse beiderlei Geschlechts.
Ueber das Opfervieh spricht der Opfermann ein Gebet. Dem Bock
werden, ähnlich wie dem Sühneber im Norden, die Hände aufgelegt, bei
den Sudauern unter Anrufung verschiedener Götter. Dem Vieh, das
geopfert werden soll, wird nun der Eopf abgeschlagen. Hie und da
thut der Opfermann auch noch einige Schläge auf Füsse und Glieder,
das Volk aber läuft herzu, schlägt das getödtete Vieh von allen Seiten
und ruft dabei: «Dieses opfern wir dir, o Gott Ziemiennik und sagen
dir Dank, dass du uns dieses verwichene Jahr gesund erhalten und
Alles reichlich gegeben, wir bitten dich, dass du auch hinfttro dieses
thun mögest.
Der russische Gott Ziemiennik, zu deutsch Erdengott oder Gott
der Landleute, ist der alte Bauchgott, der Curche, Pilvitus, und taucht
wohl in neuer Gestalt auf im litthauischen Pergubrins, dem Gott des
Frühlings, bei dem man ursprünglich an den befruchtenden Frühlings-
wind gedacht haben mag. Der Hymnus, der dem Ziemiennik gesungen
wird, ist wahrscheinlich ein ähnlicher wie der, welchen Meletius an-
A-ltpr. MonatMehrift Bd. XIV. Hft. 3 u. 4. 18
274 Urpreuisen
stimmen lässt, nur wird bei diesem der getödtete Bock nicht geschlagen,
sondern von allen Versammelten in die Höhe gehoben. Vom Opfer
des Ziemiennik schnitt der Priester einige Stückchen ab und warf sie
in die Winkel des Hauses mit den Worten: „Nimm o Ziemiennik dies
Opfer wohl auf und iss dasselbe mit Freuden.11 Der Opfermann des
Meletius hält noch eine erbauliche Anrede an das Volk und ermahnt
dasselbe, das von den Vorfahren überkommene Opfer ehrerbietig zu
begehen und auf die Nachkommen zu vererben. Das Opferblut fängt
er in einer Schale auf und spritzt es umher, das Fleisch übergiebt er
den Weibern zum Braten. Während dieses über dem Feuer ist, machen
die Frauen Kuchen aus Weizenmehl. Diese werden nicht im Ofen ge-
backen, sondern die Männer werfen dieselben unablässig durchs Feuer,
bis dieselben gar sind. Dann folgt ein wildes Gelage, am andern
Morgen aber vergräbt man die Speisereste ausserhalb des Dorfes, um
dieselben nicht zur Beute der Thiere werden zu lassen.
Wir bemerken, dass sich die Bocksopfer aus der nordischen Thor-
mythe erklären, aus der vielleicht einzelne Züge, mit der Ebersage ver-
schmolzen, im Perkunsdienst ihre weitere Ausbildung fanden. Auf diesen
mag sich auch das eigenthümliche Kosten der Kuchen beziehen, denn
bei den Slaven war das Heerdfeuer nichts als eine Darstellung des '
himmlischen Feuers.44)
Auf den Götzen Gurche, der nach Simon Grünau auch als Opfer-
stätte einen Stein im Hockerlande am Haff gehabt haben soll, auf dem
jeder Fischer den ersten in seinem Garne gefangenen Fisch verbrannte,
weisen noch heute die Namen zahlreicher Ortschaften hin,45) unter
denen bisher merkwürdiger Weise Jurkendorf bei Heiligenbeil übersehen
ist, obwohl Simon Grünau48) und Lucas. David47) den Gurchedienst in
diese Gegend verlegen. Jedenfalls scheint das, in der Urkunde von 1249
dargestellte, Götzenbild mehr für den Hausgottesdienst, als für die
öffentliche Verehrung eingerichtet gewesen zu sein.
Hatte sich eine ideale Gestalt dieses Götzen in der Phantasie des
") Simrocks Edda 256. Krek 197.
46) Voigt, Gesch. I, 590, Anm. 2.
") 8. 96. 47) I, 8. 83. Hartknoch I, 8. 189.
von Adolf Rogge. 275
Volkes ausgebildet, so ist dieselbe, unserer unmassgeblichen Meinung
nach, in dem gleichfalls urkundlich bezeugten, 1418 Natrimpe, 1551
Antrimpos, gewöhnlich nach Grünau Potrimpos genannten, Götzen zu
finden. Er wird der Gott der Flüsse und Quellen, in der Form Antrimpos,
auch der Gott des Meeres genannt, vielleicht um der schon erwähnten
Fischopfer willen. Indessen schon die, ihm von Lucas David gegebene,
Ausstattung steht im Widerspruch zu seinem Berufe als Wassergott,
den ihm zuerst Caspar Schütz *•) aus Sehnsucht nach einem preussischen
Neptun gegeben. Was soll der Wassergott mit den Sangein? Wozu
die Opfer von Weihrauch und Wachs ? Potrimpos scheint ganz andere
Feuchtigkeiten als das klare Element des Wassers geliebt zu haben.
„Trimpus war der heidnischen Letten Bacchus oder Saufgott* 49) und
Potrimpos wird schwerlich eine andere Kolle bei den alten Preussen
gespielt haben.
Sollte irgend welches Gewicht auf die sonst unverfängliche Aeusse-
rung Grünaus zu legen sein: „ dieser (Potrimpos) war ein Gott des
gluckis in streiten und sust in andern Sachen* 80) so sähen wir in
Potrimpos die von Tacitus hervorgehobene Schutz- und Trutzmacht
des Ebers verkörpert und die ihm heilige Schlange könnte neben
dem Sinnbild der Fruchtbarkeit ein Bild des züngelnden Blitzes be-
deuten. An Wahrscheinlichkeit würde diese Auffassung gewinnen, wenn
man ihm thatsächlich Kinderopfer dargebracht hätte.
Es ist um so weniger anzunehmen, dass Potrimpos der Gott der
Gewässer gewesen, als, wenn auch erst in der Agende der preussischen
Bischöfe und bei Joh. Meletius, ein besonderer Schiffergott genannt
wird. Die erste Quelle nennt denselben Bardoaits, die spätere Gardoetes.
Der Name ist zuletzt von Aeta, schimmernd, und garda, d. i. aedificatio,
aedes, castrum,61) abgeleitet worden. Der Götze würde danach eine
") Fol 2, 6.
") So Stander, lettische Grammatik. Mietau 1783. Aufl. 2. S. 260. In Betreff
der Ableitung von Uehrums »Feld* und pnsz »halb* theilen wir Töppens gerechte
Bedenken (N. Pr. Prov.-Bl. II. 1846. S. 472), doch dürfte, wie ea wohl öfter vor-
kommt, die falsche Ableitung einer wahren Thatsache, der sie sich anpassen wollte,
ihre Entstehung verdanken. 60) S. 95.
") Bezzenberger, Altpr. Mtsschr. XIII, S. 412 n. 415 b.
18*
276 Urpreussen
Personification des leuchtenden Himmelzelts sein, dessen Gestirne die
Fahrt des Schiffers bestimmen, ziemlich gleichbedeutend mit dem später
zu erwähnenden Swarogu. Dieselbe Bedeutung würde indessen der
Götze auch nach einer andern Ableitung seines Namens haben die wir,
weil sie uns naturgemäss erscheint, der Prüfung nicht vorenthalten mögen.
Im deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm ") wird im Artikel
„Eber" u. a. Folgendes gesagt: „Voc. Theut. 1482 f. 5b erklärt: eber,
ein Herr unter den Schweinen, aper, verres. Wir ziehen eber wesent-
lich auf das Wildschwein und haben für verres ein anderes Wort bßr,
angelsächsisch bar, engl, boar, dem goth. bais gleichstehen würde,
doch vertreten sich beide Ausdrücke und die Adjectiva zahm oder wild
gereichen zu näherer Bestimmung."
Im Lande des Eberdienstes dürfte man berechtigt sein, für die
Ableitung der Namen Bardoaits oder Gardoetes eine dieser Formen
heranzuziehen. Das Wort würde dann etwa die Bedeutung haben
„der leuchtende Eber", der im Sternenglanze dem Schiffer den Weg weist,
Curche als Schiffergott.
Die bisher genannten Götter scheinen uns solche zu sein, welche
im nordischen Alterthum ihre Wiege haben, aber von den Slaven gross-
gezogen sind. Stellen wir dieselben noch einmal kurz ihrem Wesen
nach zusammen, so erkennen wir als Erdgottheiten: Puscaetus, den
Waldgott, wohl im Gegensatz zu Marccopolus, dem Gott der Magnaten
und Edelleute, also des angebauten Landes und befestigten Besitzes.
Die Gegensätze von Natur und Gultur scheinen in diesen Gottheiten
verkörpert zu sein; ferner die Barstuken, die Meletius Erdmännlein
nennt und die man sich wie die Zwerge in deutschen Sagen mit langem
Bart dachte, die Markopeten und Kobolde, kurz die kleinen Götter des
kleinen Mannes.
Als Himmelsgottheiten : Curche, den Korneber, die Darstellung des
befruchtenden Windes, dessen .schöpferische Kraft im Frühlingsgott
Pergubrios sich malt, dessen Erfolge in der Gestalt des Potrimpos an
den Tag kommen, in dem Curche gewissermassen seine Verklärung feiert,
") Bd. III, Sp. 17.
von Adolf Rogge. 277
um dann wieder bei den Erntefesten herabzusinken zum Bauchgötzen
Pilvitus, der zugleich als Heerdengott für die nöthige Nahrung sorgt.
Als solchem war ihm wahrscheinlich der Bock geheiligt, eben so wie
Donar, dem Gott des Donners und Blitzes wie der Heerden und des
Heerdes, der Fleisch und Korn gab, die rothe Farbe und der Ziegen-
bock geweiht war, welche später der Teufel von ihm geerbt hat.*3)
In Bardoaits steigt der Eber, wie sein Ahn Gullinbursti, an den Himmel
und erhellt dem Schiffer mit seinem leuchtenden Fell die Nacht
Ehe wir von dieser Göttergruppe Abschied nehmen, müssen wir
noch des Opfermannes gedenken, der sich bei den Erntefesten so thätig
in ihrem Dienste erwies. Meletius nennt denselben Vurschaite. Der
Name scheint uns aus dem Slavischen erklärbar. In diesem schlug das
römische p und deutsche b in v um. Der Eber heisst in slavischer
Sprache vepr, poln. wieprz, daraus scheint das preussische „vurs* ent-
standen zu sein. Vurskaite wird also nichts anderes bezeichnen, als
Einen, der Eberopfer darbringt. Ursprünglich mag das Wort, lediglich
eine andere Form für Bardoaits, Eberstrahl bedeuten und auf den Blitz
gegangen sein, den man mit dem leuchtenden Eberzahn verglich. Hat
es einen Gott dieses Namens gegeben, wie Grünau, der noch die mehr
ans Altgermanische anklingende Form Borsskayto kennt, behauptet, so
war dieser Niemand anders als Curche, ähnlich wie Pilvitus als Heerden-
gott gedacht.
Alle Götternamen deuten somit auf eine Ureinheit hin, die wir im
Eber des Tacitus finden. Dass Vurskaito der vergötterte Bruteno und
„sein Bruder* M) Szwaybrotto der zu den Göttern erhobene Witowuto
gewesen, halten wir für eine Grunausche Erfindung, von der man seit
Hartknoch nicht mehr hätte reden sollen, um die Geschichte endlich
von diesem Ballast zu befreien.
Wir haben jetzt die Gottheiten zu betrachten, deren Ursprung wir
im slavischen Alterthume zu finden glauben.
Wenn Bertha, die riesengrosse altgermanische Göttin auf dem
•*) Felix Dahns Vortrag über altgermanisches Heidenthum in der christlichen
Teufelssage am 28. Febr. 1876 nach dem Referat der Ostpreussischen Zeitung.
") So übersetzt Mannhardt Szwaybrotto. Sim. Grünau hrsg. v. Perlbach S. 79.
278 Urpreossen
sandigen Boden der Mark, wo Germanen- und Wendenthum sich be-
gegneten, mit ihrer Wildschweinheerde an den Jägern vorübersaust wie
der Wind, treibt sie dieselbe mit Eichbäumen an und lockt sie mit
dem Rufe: Pickel! Pickel! So sieht Wuotan aus im slavischen Rock,
der wilde Jäger, der alles Leben vernichtet. Wir haben hier offenbar
den preussischen Teufel Pikuls vor uns, der als Götze Pacullus (1418)
Patollo bei Simon Grünau, Pecols und Pocols (1530) Poclus und Pa-
collus (1551) heisst. Man hält ihn für den Gott des Todes, der Hölle
und Finsterniss. Ob er, ehe man ihn zum Teufel in Ermangelung einer
bessern Bezeichnung ernannte, wirklich als Person gedacht sei, dafür
fehlen streng geschichtliche Beweise. Bei den Slaven der Urzeit ist
der Gott Picollos nicht nachzuweisen, desto deutlicher aber der Ort,
wo er herstammen müsste. „Piklü* ist in den Gewitterwolken die Stätte
des himmlischen Feuers und der Aufenthalt der Ausgestossenen. ")
Wie der Apostel Paulus 6Ö) dachten sich auch die Slaven die bösen
Geister zwischen Himmel und Erde. Dass man bei den Preussen an
das Vorhandensein der Letztern glaubte, geht entschieden aus den alt-
preussischen Begräbnissgebräuchen hervor, in denen der eigentliche
Cultus des Todtengottes nur bestanden haben kann, weshalb hier der
Ort ist, den religiösen Hintergrund derselben zu enthüllen.
Die Preussen hatten jenen rohen Unsterblichkeitsglauben, den wir
bei allen wilden Völkern finden und der, wenn auch nicht besonders
hervorgehoben, doch schon deutlich genug in den von Wulfstan berichteten
Leichenfeierlichkeiten zu erkennen ist. Die besondere Färbung des-
selben erklärt sich aus dem slavischen Alterthum. Thietmar von Merse-
burg ist übel berichtet, wenn er die Behauptung aufstellt, nach dem
Gflauben der Slaven sei alles Lebens Ende mit dem Tode gekommen. 57)
Nach einer Ansicht der Urslaven kann die Seele (Dusa, litt, duszia)
zur Zeit des Schlafes den Körper verlassen und verschiedene Gestalten«
annehmen. Bleibend vom Körper getrennt, irrt sie lange umher und
kehrt auch wieder heim, daher werden Speisen für dieselbe zwischen
5S) Krek 120.
bfy) Eph. 6, 12. 7i(tbs tu nyevpauxcc xt\g novrjQiccs, iv tolg STiovqavioig.
S7) Chron. I, 7 Slavis, qui com morte temporali omnia putant fioiri
von Adolf Rogge. 279
die Fenster gestellt. Auch die Leichname im Grabe hatten bis zur
völligen Zerstörung eine Art von Leben und erhielten Speise mit.88)
Vincentius Kadlubeck (f 1223) behauptet sogar, dass alle Gethen eine
Seelenwanderung aus dem Menschenleib in Thierkörper angenommen
hätten.69) Andere Vorstellungen lassen die Seelen, ehe der Leib ver-
brannt ist, auf Bäumen herumflattern. Ergreifenden Ausdruck findet
diese Ansicht im Eöniginhofer Liederbuch, 60) das den Tod eines Helden
also schildert:
„Roth entquillt das Blut dem starken Vlaslaw
Strömt durchs grüne Gras hin an die durstge Erde
Stöhnend aus dem Munde fahrt die Seel ihm,
Fliegt auf einen Baum und auf d$n Bäumen
Hin und her, bis dass verbrannt der Leichnam/
Schliesslich gelangt die Seele in die Wohnung der Schatten voll
grünender Felder und Wälder „navi* auch „raj* genannt. Dieselbe
liegt hinter dem Luftmeer auch inmitten desselben auf einer Insel. Hier
wohnen auch die Seelen der noch nicht Gebornen. Nach Andern ist
dieser gluckselige Ort an einem hohen Glasberg gelegen, ewig grün.
Jeder blieb dort in seinem Stande, auch der Sklave. . Die navi war vom
Wohnort der Lebenden durch ein grosses Wasser geschieden. 6i) Man
musste den Lichtstrom durchschiffen, oder eine Brücke, die Milchstrasse
oder den Eegenbogen überschreiten, um dahin zu gelangen.62)
Jener rohen Leichenfeier, die der Angelsachse bei den Esten sah, 63)
ist offenbar der Stempel des Slaventhums aufgedrückt und der religiöse
Hintergrund, den spätere Berichte an den Tag bringen, ist in ihr un-
verkennbar. Durch künstlich bereitetes Eis sucht man den Todten, je
vornehmer er ist, desto länger über der Erde zu erhalten, mitunter ein
halbes Jahr. Während dieser Zeit betrachtet man ihn offenbar als einen
Lebenden. Täglich sind bis zu seiner Bestattung Trink- und Spiel-
Gelage in seinem Hause. Strawa nannte der Slave den wilden Leichenr
schmaus 8l) und der Litthauer bezeichnet mit dem Ausdruck Strowa noch
58) Krek 117. 59) Scr. rer. Pr. I, 755. 60) Krek 118, Anm. 2. fll) Krek 121.
62) Krek 119 u. Ose. Schwebel »Der Tod«. Berl. Weide 1876. S. 63.
•3) Scr. rer. Pr. I, 732f ") Krek 91.
230 Urpreussen
heut eine Kostung. Kurz vor der Bestattung wird der etwa noch vor-
handene Besitz des Todten in fünf bis sechs ungleiche Theile getheilt.
Ungefähr eine Meile vom Dorfe legt man den grossesten hin, die
übrigen, je nach dem minderen Werthe, in nähere Abstände vom todten
Manne. Nun beginnt etwa aus einer Entfernung von fünf bis sechs
Meilen ein rasendes Wettrennen nach den Habseligkeiten des Verstor-
benen, an dem sich die Besitzer der schnellsten Pferde im Lande be-
theiligen. Jeder behält, was er ergriffen. Lediglich um dieser Sitte
willen haben gute Pferde einen sehr hohen Preis. Der Leichenbrand
ist Gesetz. Kein Gebein darf bei demselben unzerstört bleiben. Wird
ein solches unverbrannt gefunden, so muss eine bedeutende Sühne vor-
genommen werden. Jedenfalls dachte man sich in diesem Falle den
Auferstehungskörper verstümmelt. Noch näher heran an diese Feier-
lichkeiten fuhrt uns die Urkunde von 1249. Die Preussen versprachen
nach derselben femer nicht mehr die Tulissones und Ligaschones unter
sich zu dulden, welche die Todten um ihrer Diebereien und Bäubereien
und anderer Dinge willen lobten, die man vom christlichen Standpunkt
aus als schwere Sünden verdammen musste. Diese Lob- und Klage-
männer, die mit den Priestern der Heiden nur verglichen werden, woraus
uns hervorzugehen scheint, dass man ihnen einen wirklich priester-
lichen Character nicht beigelegt,85) umschwärmten die Leiche mit
erhobenen Fackeln und versicherten, sie sähen den Entschlafenen zu
Pferde am Himmel hin in die Ewigkeit jagen, geschmückt mit leuch-
tenden Waffen, den Falken auf der Faust, begleitet von grossem Gefolge.
Vorher, gleich nach dem Tode, hatte schon Crive, der Oberpriester des
Volkes, den Verstorbenen gesehn, derselbe musste sich also am Götter-
sitze melden. Wenn nämlich die Aeltern des Abgeschiedenen den Crive
fragten, ob am verflossenen Tage oder bei Nacht Jemand an seinem
Hause vorübergegangen, so beschrieb er den Todten sofort nach Kleidung,
Waffen, Pferden und Begleitung, wies auch zur grössern Sicherheit auf
eine Kerbe, die der Entschlafene mit der Lanze oder einem andern
scharfen Werkzeug in die Thürschwelle geritzt. M)
") >quasi< gentilium sacerdotes, •*) Dusburg,
von Adolf Rogge. 281
Bis in das sechszehnte Jahrhundert erhielten sich, soweit die Kirche
es verstattete, die Leichengebräuche in ziemlicher Reinheit, zuweilen
unter halb christlicher Hülle verborgen und sind hie und da beim Land-
volk bis auf den heutigen Tag noch vorhanden.
An die Stelle der Tulissonen und Ligaschonen traten berittene
Blutsverwandte des Todten, welche den Leichenwagen begleiteten. Statt
der Fackeln brauchte man Schwerter und scheuchte mit ihnen die
Teufel von der Seele hinweg mit dem Rufe: Geygeythe, begoythe,
Pekelle, d. h. Lauft ihr Teufel in die Hölle.
Der Wettritt nach dem Besitz des Verstorbenen wird auf das Er-
haschen einer Silbermünze eingeschränkt, welche auf einem, vor dem
Dorfe eingeschlagenen Pfahl lag. Da man an dem Todten Bäubereien
und kriegerische Thaten nicht mehr zu loben hatte, so feierte man sein
Andenken durch ein einfaches Klagelied, in welchem man seine lebenden
und todten Besitzthümer aufreihte und an jedes die Frage knüpfte:
Warum bist du gestorben. 67)
Dass übrigens bei den Preussen, wie bei den Slaven der Leichen-
brand neben der Beerdigung herging, beweisen, die in neuerer Zeit auf-
gedeckten, Leichenfelder, 68) welche auch ganze Pferdegerippe enthalten.
Die Todtenurne des Slaven nahm die Mogyla auf,69) so nennt noch
heute das preussische Volk seine Grabstätten.
Die Ausrüstung des Todten für die Beise ins Jenseits mit Geld,
Schmucksachen, Waffen u. d. gl. beweist der Inhalt zahlreicher Leichen-
urnen, in denen man altrömische und arabische Münzen gefunden. Noch
im 16. Jahrhundert legte man Geld in die Gräber. In derselben Zeit
fanden nach Joh. Meletius noch am dritten, sechsten, neunten und
vierzigsten Tage Leichenmahle statt, zu denen man die Seele des Ge-
storbenen durch vor der Thür abgehaltene Gebete lud. Dreissig Tage
jammerte das Weib bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang am Grabe
des Mannes, obwohl dieser „Bitus des Schreckens* durch den Bischof
i7) Nach Joh. Meletius und Waissel.
6I) z. B. in Löbertehof, Kreis Labiau, durch Cand. med. Hennig. Sitzung 3er
Prussia vom 20. October 1876.
••) Krek 772.
282 Urpreuaeen
Michael von Samland (1421—45) bei Geisselung und 3 Mark Busse
ausdrücklich verboten war. Da das Kreuz durch denselben entweiht
wurde, sollte es an Preussengräbern überhaupt nicht aufgerichtet werden.
Man verstattete diese kirchliche Ehrenbezeugung nur den Deutschen,
welchen man keinen Bückfall ins Heidenthum mehr zutraute. 70)
Bei allen Leichenmahlen vermeidet man den Gebrauch der Messer
und wirft von jeder Speise etwas unter den Tisch für die Seele des
Verstorbenen, der man auch Trankopfer ausgiesst. Zufällig herunter
gefallene Brocken gehören den Seelen derer, die keine Verwandten
haben. Beim letzten Todtenmahle kehrt der Opfermann die Brocken
aus, räuchert die Seelen aus wie Flöhe und ruft: Ihr habt gegessen
und getrunken geliebte Seelen, jetzt hinaus, hinaus! So Job. Meletius.
Nirgend tritt bei diesen Leichenfeierlichkeiten der Gott Pikollos
in den Vordergrund, kein Opfer wird ihm dargebracht, kein Gebet ver-
söhnt ihn. Die Urkunde von 1418, 7>) die seiner als des ersten Gottes
gedenkt, wie es schon der Bischof Christian in seinem mehr als zweifel-
haften Buche gethan haben soll, stammt schon aus den Zeiten des
christlichen Teufels. Jedenfalls ist Pikollos eine dunkle Persönlichkeit
unter den preussischen Göttern, so dunkel wie der Tod immer. 72) Lucas
David73) weist ihm als Attribute drei Todtenköpfe zu, des Menschen,
des Pferdes und der Kuh. Brachte man ihm die Häupter derselben
als Opfer dar?74) Oder — ritten schon damals die Todten schnell und
stand die Kuh zu ihm in ähnlicher Beziehung wie zu Wodan, jene Kuh,
die das Sprichwort: „Er versteht so viel wie die Kuh vom Mittwoch
(Wodanstag)Ä verherrlicht? Die Ortschaften, in welchen man den Namen
des Pikollos wieder finden will, ") können das Dasein desselben nicht
70) Siehe Toppen a. a. 0. I, 350. So möchten wir dieses dunkle Gesetz er-
klären. Das Kreuz mag auch sonst Öfter von den Prenssen geschändet sein. Merk-
würdig ist z. B. der Aussprach des von Toppen a. a. 0. II, 343 erwähnten Litthauers
vom Verehren der Bäume and des Kreuzes, insofern man ihnen »nichts Leides thäte.*
71) Voigt, Gesch. I, 587, Anm. 4.
n) Scharfsinnig entwickelt Toppen a. a. 0. 1, 310 ff die Grunde, nach welchen
Pikollos in dem fragl. Buche Christians der Oberste der Götter genannt sein soll.
") I, 29. 7<) Toppen a. a. 0. I, 313 u. Ose. Schwebel »Der Tod« S. 65,
7i) Voigt» Gesch. I, 568, Anm. 5.
von Adolf Kogge* 283
bezeugen. Möglicher Weise enthalten diese Namen nichts als den Be-
griff der Hölle (piklu), der auch im Deutschen als Ortsbezeichnung hie
und da vorkommt. ™)
Obwohl von keinem altern Schriftsteller und in keiner Urkunde
bezeugt, ist Perkunos sicher der Hauptgott des Volkes gewesen, der
einzige Qötze, den noch bis auf den heutigen Tag die Lieder der
Litthauer besingen, ") vielleicht der einzige bildlich dargestellte National-
gott. „Sie lebten im Walde und beteten das Bad (die Sonne) an,* sagt
ein uraltes Sprichwort von den Slaven. 78) Wir dürfeu darum dieses
Mal schon Simon Grünau glauben, wenn er erzählt: .Etliche sein, und
sie so balde im morgen die Sonne sehen, sie beten sie an, wenn sie
macht gut getreide und ist dem menschen sehr liplich und andir dingk
me.Ä 79) Doch schon in der Urzeit zeigen sich Spuren, dass die Slaven
über die Sonne hinausdachten. Dieselben verehrten einen höchsten
Gott (deus deorum) den Schöpfer Himmels und der Erde, des Lichts
und Gewitters. Diesem waren die andern Götter unterthan. Derselbe
hiess Swarogu, der sich bewegende Himmel, der Wolkenhimmel, in
welchem Indra wie der Donnerer Perun herrscht, für den Swarogu
nur ein anderer Name ist. Dem Perun, als chtonischem Wesen, steht
die Erde (mater deum ?) entgegen. Söhne Swarogs sind Sonne und Feuer.
Die Südslaven reihen noch als dritten Bruder den Mond an, als Schwester
den Morgenstern. 80) Es wäre geradezu ein Wunder gewesen, wenn die
Preussen sich dem Perkunsdienste hätten entziehen können, der selbst
den flüchtenden Pinnen von ihren Verfolgern in die Verbannung mit-
gegeben wurde. Der Peru und Perkell derselben ist nachweisbar von
den Slaven entlehnt.81)
Perunu, litt. Perkunas, altpr. Perkunos, russ. Piorun und Perum,
böhm. Peron, ist die ur- und naturwüchsige Gottheit der Litoslaven.
7C) So z. B. bei Diewens, Kirchspiel Pobethen und bei Heiligenbeil.
77) Nesselmann, litt. Volkslieder. Berl. 1853, S. 1 u. 2. ßhesa Dainos S. 92
bis 95 und 316.
'•) Krek S. 285. 7U) S. 89. i0) Krek 98-103.
") Castraens, Vorlesungen über finnische Mythologie mit Anmerkungen von
Schiefner. Petersbg. 1853, p. HO. Krek 202. Perkell üebergangsform zu Pikollos?
234 Urpre aasen
Bis in die Steinzeit reichen ihre Spuren. In Kiew unterhielt man dem
Gotte Pidrun zu Ehren ein ewiges Feuer. Er wurde dort mit einem
Blitzsteine in der Hand dargestellt und anderwärts war dem Bilde des
Donnergotts ein Kieselstein auf dem Kopf eingefugt. 82) Später scheint
ein hölzernes Bild mit silbernem Kopf und goldenem Schnurrbart in
Kiew auf dem Hügel von Wladimirs Hofe aufgestellt zu sein. •*) In
Nowgorod ward an der Stätte, wo das Kloster Perunski steht, einst
der Götze „Perum" verehrt, ein Bild in Menschengestalt mit dem
Feuerstein in der Hand, denn Perum bedeutet in der Euthenensprache
den Blitz. Beständig brannte dem Götzen zu Ehren ein Feuer aus
Eichenholz. Liessen die Diener, welchen die Unterhaltung desselben
anvertraut war, dasselbe verlöschen, so büssten sie es mit dem Haupte. ")
In Bussland machte Grossfürst Wladimir dem Peruncultus ein Ende,
indem er das Bild des Donnerers, bei dessen Namen noch Oleg ge-
schworen, in den Dniepr stürzte. M) In Litthauen fand aber noch Hiero-
nymus von Prag die Spuren desselben, als er beim Beginn der hussitischen
Bewegungen mit Empfehlungen von Jagal sich dorthin begab und unter
Witows Zustimmung das Evangelium predigte. Da war ein Volk,
welches dem ewigen Feuer einen besondern Tempel gewidmet hatte.
Den Priestern, welche dasselbe unterhielten, schrieb man auch die Gabe
der Weissagung in Krankheitsfällen zu. In der Nacht erschien ihnen
der Schatten des Kranken im flackernden Lichte der ewigen Flamme.
Je nachdem sie das Gesicht oder den Rücken desselben geschaut, ver-
kündeten sie am Morgen Genesung oder Tod. Noch im 16ten Jahr-
hundert kannte Joh. Meletius einen Berg an der Nawese, auf dessen
Gipfel einst ein Priester das ewige Feuer geschürt zu Ehren des Pargnus,
der da mächtig sein sollte des Donners und Wetters.
Aber auch nach der böhmischen Sage86) fuhr Drahomira (c. 950)
•*) Dr. R. Hassenkamp, Die Spuren der Steinzeit bei den Aeg., Semit., Indo-
germ., vgl. auch Ausland 1872, No. 16, S. 363 b.
,J) Voigt, Gesch. I, 587, Anm. 3.
") So Strykovuski in Sarmat. Europ. bei Hartknoch I, S. 132 a.
M) Pierson, Electr. S. 88.
*6) Ich finde dieselbe unter meinen Notizen, kann aber augenblicklich die Quelle
nicht angeben, %
▼on Adolf Rogge. 285
nach dem Berge Petrzin zum Donnerer Peron und wurde zu Pohorzeletz
am Hradschin von der Erde verschlungen.
Schliesslich erwähnen wir noch einer sinnigen litthauischen Sage,
nach welcher Perkunatele (Abend- und Morgenröthe?), die Mutter des
Donners und Blitzes, die müde und staubbedeckte Sonne zum Bade auf-
nimmt und am andern Morgen rein und leuchtend wieder herausfuhrt. ,7)
Die Serben haben dem gewaltigen Gott die Schwertlilie geweiht und
nach ihm Perunika benannt. ")
Hienach halten wir diesen preussischen Götzen für vollkommen er-
wiesen. Dass er gerade in älteren Zeiten weder urkundlich, noch in den
Ordenschroniken erwähnt wird, liegt wohl daran, dass man seinen Namen
vor den Feinden des Landes verschwieg. Ueber die Bedeutung dieses
Namens gehen die Meinungen weit auseinander. Man hat Perun mit
dem indischen Götzen Parganja zusammengebracht. Wenn diese Zu-
sammenstellung einerseits alg den Lautgesetzen widersprechend zurück-
gewiesen wird,19) so sucht man andrerseits dieselbe aus dem Wesen
der beiden Götter zu rechtfertigen. Parganja ist nämlich kein Regen-
gott, wie man lange geglaubt, sondern ein Donnergott. °°) Die Wurzel
des Worts soll im slavischen Verbo kona, (kon perficere) zu suchen
sein,91) doch scheint uns dieses, wenn es sich sprachlich rechtfertigen
sollte, nicht zur Geschichte des Götzen zu stimmen, der nicht auf
preussischem Boden entstanden ist, weshalb man bei Erklärung seines
Namens auch die preussische Form nicht zu Grunde legen darf. Auf
den richtigen Weg dürfte allein die von andern Sprachforschern ange-
nommene Ableitung aus der slavischen Wurzel ,pr* (ferire, hauen)92)
führen, an welche wir eine Ansicht knüpfen möchten, die, falls sie Be-
stätigung findet, ein überraschendes Licht auf das preussische Götter-
thum werfen dürfte. Die eben erwähnte Wurzel ,pr" ist offenbar auch
die des slavischen Wortes vepr d. i. Eber. Ber und Perun, Bjiörn und
Piorun! Klingen diese Worte so fremdartig und gehört besonderer
•7) Krek S. 202. ") Krek S. 50.
") Bezzenberger, Altpr. Mtsachr. XIII, 1876, S. 424 b. Anm. 195.
w) Krek 102, Anm. ") Bezzenberger a. a. 0. S. 429 u. 424, Anm. 195.
**) Krek 101, Anm. 2, der noch das griechische «epwor heranzieht.
286 Urpreussen
philologischer Scharfblick dazu, dieselben unter einen Hut oder ein
Haupt zu bringen, den Eberkopf? Wischnu hiess als Eber „Varaha*.
So stehen auf der alten Völkerscheide im Preussenlande Curche
und Perkunos neben einander und bezeichnen deutlich den Boden, auf
dem sich nach langen blutigen Kämpfen Germanen- und Slaventhum
die Hände gereicht, die einst in grauer Urzeit schon im Stammlande
beider Völkerstämme verschlungen waren. Beide, offenbar ursprünglich
Monotheisten, haben den Gottesbegriff zunächst zersetzt in den von
Himmel und Erde und dadurch die Stätten für unendlich viele Götter-
gestalten geschaffen, aus denen uns die Kräfte der Natur im engen
Bahmen menschlicher Beschränktheit, oft menschlicher Verkommenheit,
entgegen leuchten. Oftmals schaut der ursprüngliche Monotheismus
noch durch dieselben hindurch.
So ist Occopirmus, den Meietius den Gott des Himmels und der
Erde nennt, wie schon Ostermeyer 03) richtig erkannt hat, nichts als die
Sonne, das leuchtende Auge des Perun. Denselben Götzen finden wir
im Suaixtix, dem Leuchtenden, wieder, den man sich auch als weib-
liche Gottheit unter dem Namen Suaixdunke dachte.94) Schon durch
den Namen erinnert Suaixtix an den mit Perun gleichbedeutenden
Suarogü der Slaven, w) und wenn der Name Perun von Osten ins Volk
drang, so mag der Name Suaxitix von Westen her zur Bezeichnung des-
selben Wesens gekommen sein. Zuarisici, Zuarozizi, SuaroziSti (Sohn
des Svarogu) war der oberste Götze im Heiligthum zu Riedegost, ••) in
welchem man ebenso die Sonne, wie das irdische Feuer versinnbildlichte.
Der 1530 Auschauts, 1551 Auscantus genannte und mit Aesculap
verglichene Götze dürfte wohl nur eine andere Form für Suaixtix dar-
stellen und ist vielleicht aus Auschwaixs verderbt. 97)
Der Perkunsdienst der alten Preussen ist noch deutlich zu erkennen
93) Krit. Beitr. zur altpreuss. Reiigionsgesch. & 10«
94) Toppen a. a. 0. I, S. 300 nach Prätorius.
•*) Krek S. 103.
••) Thietmar, Chron. VI, 17. Der Name ist nicht ans Suetovit, »der Theomor-
phose der reinen heitern Luft* verdorben, der bei den Polaben Orakelgott war und
vierkOpfig dargestellt wurde. Krek S. 106 Anm. 3.
•7) So Bender 1. c.
von Adolf Boggfc 287
in zwei urkundlich bezeugten Festen, deren Bedeutung man bisher nicht
enträthseln konnte, weil sich dieselben hinter christlichen Formen ver-
steckten. Das Christenthum vertilgte die Götzen, konnte aber lange
die' heidnische Lust an denselben nicht ausrotten, zumal wenn Feuer
und Schwert seine Apostel gewesen waren, wie in Preussen.
Hier ist der Reformation erst gelungen, was die Mission hätte
vollbringen sollen. Die christlichen Feste und Heiligentage konnten um
so eher Schanzen werden, hinter welchen sich das Heidenthum verbarg,
als die Kirche ursprünglich heidnische Feste dadurch mit christlichem
Inhalt zu erfüllen suchte, dass sie denselben eine Beziehung auf den
Erlöser oder christliche Heilige gab. An die Stelle der Wintersonnen-
wende trat das Weihnachtsfest, das Frühlingsfest fiel auf den St. Georgs-
tag und Johannes, der Vorläufer des christlichen Glaubenslichtes, sollte
mit seinem Namen der Sommersonnenwende eine höhere Bedeutung
verleihen. Alle diese Feste wurden bei Germanen und Slaven durch
Freudenfeuer gefeiert, die, weil sie heidnischen Ursprungs waren, den
christlich gewordenen Völkern durch mannigfache Kirchengesetze ver-
boten wurden. Wie überall, geschah dieses auch in Preussen. Neben-
einander werden die beiden Sonnenwendefeste in den Frauenburger
Beschlüssen vom Jahre 1445 gestellt, nach welchen, wie man bisher
gelesen, die Preussen „alle unordentliche Getränke, die Keyse und
Mettele genannt, auf dem Samland* ablegen sollen. Das erste Wort,
welches an einer andern Stelle ebenso falsch »Keesze* genannt ist, ••)
ist nichts Anderes, als das vom samländischen Bischof Michael verbotene
»Kresze* "). Das Kresze ist nach den ermländischen Synodalstatuten
von Heinrich IIL 10°) aber wieder nichts anderes, als *das Sabbat, das
gemeinhin Heilfeier genannt wird, wie es nach Eingebung des Teufels und
Erfindung der Landleute von gewissen Leuten gefeiert zu werden pflegt. ■
Kres (litt, kruwä), der Scheiterhaufen, ist bei den Slovenen bis
auf den heutigen Tag die Bezeichnung der Sonnenwende und galt bei
") s. Tcppen, a. a. 0. I, S. 349. ") ebendaselbst
10°) 1373—1401. Siehe die Aasgabe von A. Thiel im Index lect Lyc Hosian.
Bransb. vom Winter 1861 p. 9 §. 22 und bei Bender im Anfeati Altpr. Monats-
schrift IV, S. 1-24.
288 Uipreasien
einigen Slaven für das Bild der Sonne, der man im Feuerkultus hul-
digte.IOi) «War doch schon Kersna eine Avatara des Wischnn (Sol in
eclipsi). Sonst aber hiess das Sommersonnenwendefest bei den Slaven
kq,prlo, jarilo (beide Bezeichnungen bedeuten offenbar Ä Eberfest") und
Sabotuka. ,01) Der letzte Ausdruck ist in unsere Urkunde aufgenommen.
Die Mettele kann nichts Anderes bedeuten, als die Christmette, in der
man doppelsinnig den dies natalis solis invicti feierte, den Tag der
Wintersonnenwende, für welche die Slaven die Ausdrücke koleda,
osvenu kracun und badejuk haben. Dieselbe gilt für den Geburtstag
der Sonne.103) Ein serbisches Sprichwort sagt: »Man fragte den Wolf,
wenn die grosseste Kälte sei, und er erwiderte : Zur Zeit, wo die Sonne
geboren wird. * l04)
Die Koleda war noch im Anfange dieses Jahrhunderts den Littauern
bekannt. ,05) Sie ist heute noch die Bezeichnung für das Weihnachtsfest
in Weiss- und Klein-Kussland, für die Sonnenwende bei den Uskoken. I06)
Der Typus des Festes ist bei Bussen, Serben, Polen, Tschechen,
Slovenen noch immer der gleiche.107) Da die Koleda in die Zeit der
Saturnalien, im Mittelalter der festa calendarum (24. Dec. bis 6. Jan.)
der sogen. Zwölften fiel, hat man im Worte eine Verstümmelung von
calendae gesucht.108) Andere denken an „kolo", Kreis, Bad,109) oder
an die altslovenische Frühlingsgöttin Koleda.110)
Die Opfer, welche man den Göttern darbrachte, haben wir zum
Theil schon kennen gelernt. Eine Bulle des Papstes Honorius III. von
1218 in) sagt den Preussen nach, dass sie ihre Gefangenen den Göttern
10t) »Die Slovenen« von Dr. Klon. IV. Ausland 1872. No. 20 S. 470.
,0*) Krek 8. 116. — An einigen Orten des Quberniums Pskow heißst Weihnachten
Sabbotni. IUostr. Frauenztg. Verl. F. Lipperheide, Berlin. 11. Jahrg. 1875. No. 10
S. 79 Sp. 3.
><") Krek S. 200. 10i) ebenda S. 285.
io*) Ueber ihre Feier: Bogge, Gesch. des Kreises n. d. Diöcese Darkemen S, 164.
,oe) Illustr. Frauenztg. a. a. 0.
I§9 Dr. Klun a. a. 0.
IM) Krek S. 312.
I0») IUostr. Frauenztg. a. a. 0.
no) Dr. Klun a. a. 0.
"9 Voigt, Cod. dipl. Pruss. I, 13.
von Adolf Rogge. 289
geopfert und in das Blut derselben ihre Lanzen getaucht, um sich glück-
lichen Erfolg für neue Kämpfe zu sichern. Sitte scheinen derartige
Opfer nicht gewesen zu sein. Die Friedensurkunde von 1249 erwähnt
derselben gar nicht und trotz der furchtbaren Erbitterung, welche gegen
den deutschen Orden herrschte, wussten Dusburg und Jeroschin nur
zu erzählen, dass 1261 der Bürger Hirzhalz, 1320 der samländische
Voigt Gerhard Bude auf ihren Bossen, der letztere in dreifacher Büstung,
zu Ehren der Götter verbrannt seien?118) Nach jedem Siege soll der
dritte Theil der Beute vom Crive den Göttern dargebracht sein. Die
Pferde ritt man vorher so müde, dass sie nicht mehr stehen konnten.
Ob die Götter nur in der Phantasie des Volkes bestimmte Ge-
stalten angenommen, oder jene bildlichen Darstellungen erfahren, von
denen Simon Grünau und Lucas David erzählen, ist nicht zu erweisen,
aber kaum wahrscheinlich, da die Preussen nicht einmal irgend eine
Art phonetischer Schrift, viel weniger also wohl die Künste der Hellenen
kannten.
Der Sitz der Götterverehrung, das Nationalheiligthum Bomowe, war
möglicher Weise wie bei andern slavischen Völkern mit einer rohen
Bildsäule des Curche oder Perkunos geschmückt, dem die Eiche ge-
heiligt war. Bis auf den heutigen Tag ist es übrigens noch nicht ge-
lungen, dieses verlorene Paradies des preussischen Heidenthums zu ent-
decken. Das Wort Bomowe halten wir für ein Urwort, dessen Bedeu-
tung noch nicht gefunden. Beiläufig möchten wir darauf hinweisen,
dass die im Shähnäme des Firdusi (c. 1000) zuerst erwähnten Zigeuner
sich das Romvolk, ihre Sprache aber Bomanisal nennen.113) Werner
Munzinger erzählt uns aus dem Munde der heutigen Abyssinier, dass
sie ein riesenmässiges , übermenschliches Geschlecht der Vorzeit, die
„Rom" genannt, für ihre Ahnen halten und noch jetzt in ihren Liedern
besingen. Der letzte dieser Born sei mit Gott verfeindet gewesen und
habe darum seine Lanze gen Himmel geschleudert,114) eine Handlung,
»*) Ser. rer. Pr. I, 101, 185, 593. Die Eiche liefert dem Eber die Mast
11 3) Wir können die verschiedenen guten Quellen entnommene Beminiscenz
nicht gleich belegen. — Romaburg, das Heiligthum Donars im Teutoburger Wald.
"<) Europa red. v. Dr. Herrn. KLeinsteuber. Jahrg. 1876. No. 80 Sp. 1140.
Altpr. Monatttchrift Bd. XIV. Hft. 3 u. 4. 19
290 Urprensaen
die bei den Urvölkern übrigens keine Feindschaft wider Gott, sondern
einen Gottesdienst andeutet115)
Unserer unmassgeblichen Meinung nach ist der heilige Wald an
vier Orten zu suchen, an denen er im Laufe der Zeit auf seiner Wan-
derung Station gemacht Im Vertrauen auf Dusburgs sicher hinge-
stellte Angabe: «Mitten in diesem verkehrten Volke, nämlich in Na-
drauen, war ein Ort Bomowe nach Born genannt, in welchem Jemand
wohnte, den man Grive nannte * u. s. w. hat man Bomowe nach Na-
dräuen und zwar, wie uns dünkt mit Glück, nach dem Gute Bomanuppen,
Kirchspiels Norkitten, an der Auxinne, verlegt.116) Wie Dusburg in-
dessen sehr wenig über die preussischen Götzen wusste, so scheint er
auch nur die oberflächlichsten Erkundigungen über das preussische
Nationalheiligthum eingezogen und von seinem kirchlichen Standpunkte
aus dargestellt zu haben. Er redet jedenfalls von der Mitte, die er
seiner Zeit übersehen konnte, und wir sehen keinen Grund, dem Grive,
der als ein ziemlich grober Betrüger und schon zum Gaukler herab-
gesunkener Priester erscheint, alle litthauischen Völkerschaften zuzu-
theilen, um die Dusburgsche Mitte zu retten. Es ist schwer anzunehmen,
dass man ursprünglich von der cubmschen Grenze in die Wehlauer
Gegend gezogen sei, um den Beuteantheil dort abzuliefern, oder seinen
Todten nachzufragen. Schon dieser letzte Theil des Cultus deutet
kleinliche Verhältnisse an. Dusburg redet vom Bomowe seiner Zeit.
Das älteste Bomowe können wir dieses Mal getrost bei Simon
Grünau suchen, wenn wir auch die Schilderung, welche er von dem
geheimnissvollen Ort entwirft, vorläufig durchaus noch nicht zu unter-
schreiben geneigt sind. Grünau erzählt,117) und zwar nach Miechow,
dem polnische Quellen zu Gebote standen, wenn auch in seiner Weise
"*) Wir können ans hier nicht versagen, ein Wort ans C. Adler, Studien zur
CnJtnigescbichte Polens, I« Berlin, Mittier u. Sohn 1865, anzuführen. Nach dem
Magazin des Auslandes sagt er von den Slaren: »Von den Gothen recipirten sie
Badegast d. i. Odin oder Donar, Roraowe d. i. Balder u. s. w.c Er muss den Wald
vor Blumen nicht gesehen haben, wenn sein Recensent ihn richtig eititi hat.
"') Friedend, »Ueber die Lage RoraowV u.s. w. Altpr. Mtsschr. XIII, 227 ff.
Ueber Kreiwutschen: Hoppe, Ortsnamen des Beg.-Bez, Gumbinnen. S. 6.
I1T) S. 80.
▼on Adolf £ogge. J§|
ungenau, dass Boleslaus Chrobri „mit heereskrafft quam von Gnesna in
Preussen und irslugk alles, was im entgegen quam in krieges weise,
und nam ein das gantze landt. Er zog gen Rickoyott addir Bomowo
und die wonungk des kirwaiden mit allen waidlotten do yorbrandte,
die bilde der abgöttir Patollo, Patrimpo und Perkuno ins feuer warff
und zogk so wegk." Miechow lässt Bomowe und Balga zerstören und
nennt nicht die Götternamen.11*) Es ist natürlich, dass man dabei von
Balga ausgeht um Bomowe zu suchen, welches Boleslaus, wenn wir
auf die Reihenfolge der Worte etwas geben, auf seinem Marsche zu-
erst berührt haben muss. Man hat zunächst Anstoss genommen am
Namen Eikoyto, denselben von rikis, Herr, abgeleitet119) und für Grünaus
Erfindung erklärt.120) Die Ableitung mag schon richtig sein, darum
hat man noch nicht nöthig, Grünau, den man höchstens als Sprach-
verderber kennt, zum Sprachkünstler zu machen. Uns scheint es, dass
er die Ortsbezeichnung im Volke gehört und wir meinen die durch
dieselbe angedeutete Gegend noch heute nachweisen zu können.
Im Jahre 1262 stellte der Landmeister Helmerich eine vielfach
besprochene und nach manchen Seiten hin interessante Handfeste für
den Preussen Tropo aus1*1) über eine Beihe von Gütern, welche sich
später im Besitz der Familien v. Eppingen und Portugal befanden, deren
Kern das adl. Gut Keimkallen bildete. Die in der betreffenden Ur-
kunde genannten Ortschaften waren: Plotemeiten, später Wangenyskaym,
jetzt Wangnicken genannt.1*8) Dicht dabei lag Stirweisten, welches
noch 1494 mit Wangenyskeim zusammen erwähnt und Weysen genannt
wird. "3) In dieser Begüterung sind auch die Ortschaften Lauxeinen
und Hewksene aufgegangen, die sich heute nicht mehr nachweisen
'") So Perlbach S. 80 Anm. 1.
"°) Ne88elmann, thesaur. linguae Pr.
*°) Perlbach S. G2 Anm. 2.
12 *) Dieselbe ist falsch abgedruckt in: Kreuzfeld, Vom Adel der alten Preussen
S. 30. Ebenfalls nicht ganz richtig nach dem schwanen Hansbuch in meiner Ab-
handlung: »Das Amt Balga« Altpr. Mtsschr. V, S. 127. Richtig giebt Voigt, Gesch.
I1IT S. 212 Anm. 2 die Ortschaften nach der im geh. Archiv Schiebl XXVI. No. 1
befindlichen Urkunde. Falsch gedeutet ist dieselbe Scr. rer. Pr. I, 260.
llf) Plut und Wange Waldbeseichnungen,
"') Altpr. Mtsschr. Vi, S. 498 Urk. No. 129.
19*
292 Urpreufsen
lassen,"4) dagegen ist das danach genannte Bej Otiten das heutige
Bomansgut, welches 1492 „Romans oder Boitten", in einem Balgaschen
Visitationsrezess vom 11. Mai 1575 Begitten genannt wird. ,M)' Im
16. Jahrhundert führten die Besitzer dieses Gutes den Namen Eoman,
im löten Romohn, der sehr wohl vom Gute herstammen konnte, in
welchem man noch im vorigen Jahrhundert eine heilige Eiche zeigte.
Bei Bomansgut und Newecken lag auch der Werzowald, ein Wort, das
sich möglicher Weise durch Eberwald übersetzen lässt. Wenn wir hier
auch nicht das Heiligthum selbst suchen, so glauben wir einen zu dem-
selben gehörigen Ort gefunden zu haben. Gehen wir auf der den Kreis
durchschneidenden Chaussee nach Süden herunter, so stossen wir an
der Ereisgrenze auf Begitten bei Braunsberg, ziehen wir nach Norden
hinauf, so kommen wir in der Nähe des Haffs an die Ortschaft Bejoten.
Der vorspringende Theil der Haffküste wird von einer durch diese Ort-
schaften gedachten Linie vom übrigen Theil des Heiligenbeiler Kreises
gewissermassen abgeschnitten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieses
Landgebiet in uralten Zeiten zum Samlande gehört hat und erst durch
Küstenveränderungen im frischen Haff von demselben getrennt wurde.
Bestätigt scheint diese Vermuthung dadurch zu werden, dass die
nächste Besitzung, welche Tropo erhielt, Keimal, das heutige Gut
Keimkallen, nach der Urkunde in einem Ländchen Namens Meindenowe,
Medenau, liegt, das Dorf Beynis aber, Beinschhof, an der Haffküste gar
im Samland. In diesem Gebiete wohnte auch der bekannte Preusse
Gedun, welcher dem Könige Ottokar über Samland Auskunft gab und
dafür die Dörfer Thomasdorf und Schirten erhielt, von denen das erste
im Mittelalter den Namen „ Bischofen Thomasdorf ■ führte. Auf dem
Gebiet dieses Gutes, auf dem Felde, an welchem Jarft und Bahnau
zusammenstossen, vermuthet man den heiligen Wald und Thomasdorf
mag seinen Beinamen erhalten haben zum Andenken an den Bischof
Anselm, der nach der Sage die Curche- Eiche gefällt haben soll. ,2e)
'") Wenn nicht Hewksene der Hof Benoskaym ist, der von dem auf Weysen
sitzenden Matthis Polbitt 1498 erkauft wurde; a. a. 0. S. 502 Urk. No. 142.
"*) Das Nähere in meiner Abh dl.: Das Amt Balga a. a. 0. VI, S. 135 Anm. 45.
we) Ebd. S, 128. An Jurken, jetit Jürkendorf, erinnerten wir schon S. 274.
ron Adolf Rogge. 293
Von vorn herein beabsichtigte hier der Orden die Anlage einer Stadt,
wie aus der Verschreibung für Gedun hervorgeht,127) und wird der-
selben schwerlich zufällig den Namen Heiligenbeil, d. i. heilige . Stadt,
gegeben haben. Wohl fand er hier nicht mehr das Landesheiligthum
vor, aber die besondere Verehrung des Curche in dieser Gegend war
noch eine Erinnerung an dasselbe. Dieses Gebiet, das wirklich eine
Landesmitte bildete, mag daher schon Rikoyott oder Begitten, Herrn-
land genannt sein. Die Gegend um Heiligenbeil war noch im vorigen
Jahrhundert der Ort der Hexensabbate, 128) denn das Volk hat ein treu
Gedächtniss für seine Götzen.
Nachdem das Nationalheiligthum zu Heiligenbeil zerstört war,
fluchtete Curche mit seinem Oberpriester nach.Samland. Die nüchternste
Untersuchung wird nicht leugnen können, dass keine der für den hei-
ligen Wald überlieferten Bezeichnungen so nahe an den Namen Bomowe
anstreift, wie (die noch 1325) für das kölmische Gut Bomehnen, Kirch-
spiels Thierenberg, im Samlande gebräuchliche Bumonove (1325), Bo-
mayn (1335), Bumbow (1349). ,29) Hieher weisen auch die Worte der
Jüngern Hochmeisterchronik „ende die paeus woende altyt in Samelant
in en dorp, dat Borna ve heit\ Mag diese Chronik immerhin der Kritik
zu mancherlei Ausstellungen Veranlassung geben, eine derartige Ab-
weichung von Dusburg konnte sich der, mit amtlichem Material ver-
sehene, Verfasser unmöglich ohne zwingende Gründe erlauben.
Von Samland eilten die Götter nach Nadrauen, nachdem Ottokars
Schwert sich schärfer erwiesen, als der Blitzstrahl des Ferkunos, und
127) Das Amt Balga a. a. 0. VI, S. 131.
"*) Siehe meine »Beitrage zur Geschichte des Heiligenbeiler Kreises* Altpr.
Mtsschr. X, S. 556.
»•) Voigt, Gesch. I, S. 640—44, 159—63. Vgl. Toppen, Geographie S. 24, 25.
Mögen die Voraussetzungen, von denen Voigt ausgeht, ebenso unrichtig sein, wie
die Schlüsse, zu denen er gelangt, wenn er Baunonia und Bomowe zusammenstellt.
Das von ihm angezogene urkundliche Material scheint uns doch sehr schwer ins Ge-
wicht zu fallen. Die vielen heiligen Wälder in Samland dürften die besten Zeug-
nisse für den allerheiligsten sein, den man so unnahbar wie möglich machen wollte.
Wir stehen hier vor einem der wenigen Fälle, in. denen uns selbst Töppens scharf-
sinnige Beweisführung nicht überzeugen kann. Es ist kaum denkbar, dass man mit
dem Namen Bomowe so leichtsinnig umgegangen sein sollte, ihn Orten zuzuweisen,
die mit dem Heiligthum in gar keiner Verbindung standen«
Jg4 Urpreussen
sind zuletzt nach Romeyn an der Nawese verzogen und allda am Ende
des 13. Jahrhunderts dem Schwerte Ludwigs von Libenzell erlegen. 13°)
Per letzte Schriftsteller, der des Heiligthums erwähnt, Joh. Meletius,
kennt daselbst nur den Perkunsdienst. Mit dem Jahr 1300 gab es in
Preussen nur noch Götter in der Phantasie des Volkes.
Dunkel wie der Wald, in dem er gewohnt haben soll, ist auch
die Gestalt des preussischen Oberpriesters, den nach Dusburgs Bericht
die Preussen als Papst verehrten, „der obirste E warte* (also mehr ein
Gesetzes- als ein Glaubensmann), wie ihn Jeroschin nennt. Für seinen
Namen „Crive* giebt es keine sichere Erklärung. Das an den Quellen
des Dniepr, der Dana und Wolga hausende Volk der Crivizzen, m) die
finnischen Krewinen, "*) die vielleicht durch Annahme slavischer Satzung
ihre Existenz gerettet, scheinen das Dasein verschiedener Crivevölker
zu bezeugen. Sicher hat Dusburg der Macht des einzelnen Crive zu
weite Grenzen angewiesen. Im Vernichtungskampfe des deutschen Or-
dens gegen die Preussen war es ihm nicht ein Mal gelungen das Volk zu
einen. Der Einblick, den Dusburg in seine Amtsthätigkeit gewährt, zeigt
ihn in recht erbärmlichem Lichte und beweist namentlich in der Todten-
frage, dass er, wie heute ein sog. kluger Mann oder eine kluge Frau,
so nennt das Volk Zauberer und Hexen, von einem fein ausgebildeten
Spürsystem lebte, das sich aber nur auf sehr beschränkten Gebieten
aufrecht erhalten lässt. Ein Mensch, der solche Kunststücke, wie der
Dusburgsche Crive macht, kann nicht mehr an sich selbst, viel weniger
an die Götter geglaubt haben. Hätte er einen Amtsgenossen besessen,
so hätte er denselben offenbar angelacht, wie ein römischer Augur den
andern. Dusburg hat nur etwas vom verfallenen Heidenthum gehört,
dabei mögen sich in die Kunde, die er erhielt, Erinnerungen aus früherer
besserer Zeit gemischt haben.
Ein Abglanz von der Würde des Crive soll auch auf sein Ge-
schlecht, ja auch auf seine Diener gefallen sein. Wenn dieselben mit
130) D^b. 111, 2B9. Scr. rer. Pruss, I, 159. Toppen, Geogr. S. 40 Anm. 197.
Acta Bonus. II, 406.
"») Krek S. 76.
"') Siehe Kapitel 1 Anm. 10.
tod Adolf Rogge. 295
dem Krummstabe (Kriwul), 13°) durch dessen Umhersendung noch heute
die Ortsschulzen Dorfsversammlungen berufen, oder mit einem andern
bekannten Zeichen erschienen, so genossen sie bei Allen, vom Fürsten,
d. h. dem kleinen Eunings, bis zum gemeinen Mann die höchste Ehre.
Nirgend wird gesagt, dass er sich der Priester zu seinen Zwecken be-
dient. Den meisten Slaven fehlte ein besonderer Priesterstand, obwohl
derselbe bei den Polaben und einigen baltischen Slaven vorkommt.134)
Sippen und Stammesälteste, Fürsten und Hausherrn verwalteten im All-
gemeinen auch das Priesteramt in ihren Kreisen.135) Jeder Hausvater
war ein Priester, jeder Heerd ein Altar. Nach seiner priesterlichen
Würde hiess darum das Familienhaupt „ognis caninü", Heger des heiligen
Feuers. 136) In Folge dessen mögen sich die Boten des Crive mit jeder
Kunde aus dem heiligen Haine an die Könige und Edelleute (reges et
nobiles) gewandt haben.137) Die in späterer Zeit bei den Litthauern
genannten Priesterordnungen, wie die Waidelotten des Simon Grünau,
waren wahrscheinlich nichts als Zauberer, die Epigonen des Heiden-
thums, die sich unter allen Völkern finden nnd nach dem Sturz der
Götter ein kläglich Dasein unter dem Landvolk fristen. Waissel1")
hat die Signoten als besondere Priesterkaste eingeführt, doch der Mann,
der den Evarto-Krible aus Jeroschin entnommen, hat mit den Signoten
wahrscheinlich dem Peter Dusburg eine Huldigung dargebracht, der
Criwes Boten „cum signo noto* ausgehn lässt Auf Priesterinnen hat
man aus der Sage von der galindischen Prophetin (prophetissa) 13W) ge-
schlossen, welche ihr Geschlecht an den Männern des Galinderstammes
so furchtbar gerächt haben soll. Um Uebervölkerung zu vermeiden,
schnitten die Galinder ihren Frauen die Brüste ab. Empört wandten
sich diese an eine Herrin (domina), welche nach Landesbrauch heilig
und für eine Prophetin gehalten % wurde, nach deren Befehl die Geschicke
des Landes gelenkt wurden. Diese befahl nun den Männern ohne Wehr
,3a) cum baculo suo vel alio signo noto.
13') Krek S. 114. I35) Ebd. 8. 113. ,M) Ebd. S. 203.
t37) Dusb. m, 5. Scr. rer. Pr. I, 53.
,38) Fol. 21 b.
»■) Dusb. IH, 4. Scr. rer. Pr. I, 52.
296 Urpreussen von Adolf Rogge.
und Waffen einen Raubzug nach Masuren, der natürlich einen ver-
derblichen Ausgang nehmen musste. Alle Männer wurden niederge-
hauen. Sollte das wirklich keine Fabel sein?
Im Allgemeinen war die Stellung der Frau bei den Preussen schon
wegen der Vielweiberei sicher nicht beneidenswerth. Manche litthauische
Daina lässt noch in späterer Zeit die Mädchen mit Schrecken an den
Ehestand denken. Nach der oft erwähnten Urkunde von 1249 herrschte
die Vielweiberei. Die Frauen, welche gekauft wurden, ,4°) konnten vom
Vater auf den Sohn vererbt werden, auch scheute man sich nicht die
Schwiegermutter zur Gattin zu nehmen. Das Weib leistete Magdsdienste.
Der düsterste Schatten, welchen das Heidenthum auf das häusliche Leben
warf, trat im häufigen Eindermorde hervor.
Die Hochzeitsgebräuche, die erst in spätem Quellen geschildert
werden, waren theils sinnig, theils roh. Prügel mahnten die Braut an
ihre traurige Zukunft und für eine rechtmässige Ehefrau sah man die-
selbe erst an, wenn sie den ersten Sohn geboren. 1U) Hier, wie überall
besass das Heidenthum nicht die Kraft bildend und veredelnd auf die
Sitte des Hauses einzuwirken und musste darum früher oder später an
den sittlichen Schäden, die es erzeugte, zu Grunde gehen.
Lange widerstand der Eber dem Schwerte, dem Kreuze war er
nicht gewachsen. Nichts als zwei Buchstaben im Namen eines mäch-
tigen Volkes erinnern heute an den Eber, das Symbol des leuchtenden
Himmels, das Bildniss und Gleichniss, das unsere Vorfahren einst, da
sie es anbeteten und ihm dienten, vom Gottesdienst zum Sterndienst,
vom Sterndienst zum Thierdienst getrieben.
"°) Dußburg. "') Joh. Meletius.
Der 24. Januar 1813 in Königsberg.
Nach den Papieren des Ministers Theodor v. Schön und dem Tagebuch
des Landhofmeisters v. Auerswald.
Am 22. Januar 1813 gegen Abend traf Stein begleitet von
E. M. Arndt in Königsberg ein, um dort die Erhebimg der Provinz
Preussen wider französische Zwingherrschaft in Gang zu bringen.
Arndt giebt den 21. Januar als den Tag der Ankunft an, aber diese
Angabe muss auf einem Irrthum beruhen, denn das oben angegebene
Datum ist urkundlich zu sicher beglaubigt. Der Bericht des Landhof-
meisters v. Auerswald an Hardenberg vom 23. Januar, der jüngst aus
den Akten des geheimen Staatsarchivs mitgetheilt worden ist, lässt
darüber keinen Zweifel, dass Pertz in seiner Lebensgeschichte Stein's
das Datum richtig angegeben hat. Arndt erzählt ferner, dass Stein in
Gutoibinnen bei Schön zwei Tage verweilt habe, und auch diese Zeit-
bestimmung muss für unrichtig erklärt werden, denn Stein ist am
20. Januar in der Nacht in Gumbinnen angekommen, hat am 21ten mit
Schön angelegentlich und ausführlieh verhandelt und ist am 22ten früh
schon nach Königsberg weiter geeilt.
üeber die Verhandlungen Stein's mit Schön in Gumbinnen weiss
Arndt nichts Näheres zu berichten. Auch das hat einen natürlichen
Grund. Stein hielt ihn überhaupt, wie Schön bei anderer Gelegenheit
ausdrücklich zu erwähnen Gelegenheit hat, in einer etwas untergeordneten
Stellung und von sich entfernt. Er vergass, bei aller Freundschaft für
den Mann und bei allem Vertrauen zu ihm, nicht leicht den Minister
und Reichsfreiherrn, und hat ihn niemals zu den entscheidenden politi-
schen Verhandlungen und Erwägungen zugezogen. Daher kommt es,
dass Arndt über die inneren Vorgänge jener verhängnissvollen Tage,
298 D« 24. Januar 1813 in Königsberg.
welche zugleich in dem Urtheil Schön's über Stein jenen Umschwung
zu Wege brachten, welchen die Kritiker Schön's mit Unrecht in eine
spätere Zeit verlegen, mit noch grösserem Unrecht einer neidischen ver-
bitterten Stimmung des alternden Staatsmannes zuschreiben, wenig zu
berichten weiss. Arndt selbst gesteht dies an mehreren Stellen seiner
anziehenden und lehrreichen Erzählung von den Wanderungen mit dem
Freiherrn v. Stein unumwunden ein. Ergänzt wird dies für den spe-
ciellen vorliegenden Fall aus den Erinnerungen des noch lebenden
ältesten Sohnes Schön's, der damals zehn Jabre alt war, und der noch
genau weiss, dass während Stein und Schön in des letzteren Zimmer
mit einander Abrede nahmen, und ihre Unterhaltung zuerst in ruhigem
gemessenem Tone geführt wurde, dann aber vehement sich steigerte,
um wieder in Ruhe zu enden, Arndt sich mit den Kindern Schön's im
Nebenzimmer beschäftigte, dessen Thure zwar offen stand, so dass er
das Gespräch der beiden wohl hören, aber ihm nicht folgen konnte.
(Band IV, S. 155, Z. 6 v. o.) Es erklärt sich daraus, dass Arndt weder
über die zwischen Stein und Schön erörterten Differenzpunkte und ihre
Erledigung, noch über die gleich darauf in Königsberg zu Tage ge-
tretenen Verschiedenheiten der Ansichten und Standpunkte näher unter-
richtet war, nur den äusseren Verlauf beobachten konnte.
Was bisher darüber bekannt geworden war, beruhte mehr oder
weniger auf den Aeusserungen Schön's in dem an Schlosser gerichteten
Briefe vom 3. März 1849 und auf den Mittheilungen, welche Pertz in
seinem Leben Stein's jedenfalls nach Aufzeichnungen des letzteren ge-
macht hat. Jetzt erst sind ausführlichere Darstellungen Schön's zu-
gänglich geworden und Urkunden zu Tage gekommen, welche gestatten,
jene entscheidenden Vorgänge in neuem und richtigerem Lichte darzu-
stellen. Da der Herausgeber der Papiere Schön's uns bereitwillig Ein-
sicht in die in seinem Besitze befindlichen Materialien gestattet hat,
so sind wir in der Lage, darüber volle Klarheit zu schaffen. Sehen
wir zunächst zu, wie man bisher diese Ereignisse betrachtet und zu
motiviren versucht hat.
Thatsächlich fest steht und stand schon seit langer Zeit fest, dass
Stein gleich nach seiner Ankunft in Königsberg von dem Landhofmeister
Der 24. Januar 1813 in Königsberg. 299
v. Auerswald, der als Oberpräsident zugleich als Commissarius regius
in ständischen Angelegenheiten fungirte, die sofortige Berufung eines
Landtages gefordert hatte, dass ferner Auerswald zuerst diesem Ver-
langen bereitwillig und ungesäumt nachgekommen war, dann aber das
Bedenken geäussert hatte, dass ein ordentlicher Landtag nur auf Befehl
des Königs einberufen werden dürfe, und daher das schon erlassene
Ausschreiben abschwächend dahin abgeändert hatte, dass nicht ein Land-
tag, sondern nur eine
„Versammlung von Deputirten der Stände stattfinden würde,
9 um die Eröffnungen zu vernehmen, und darüber zu berathen,
«welche der Bevollmächtigte Sr. Majestät des Kaisers von Russ-
„land, Herr Staatsminister v. Stein Excellenz machen werde.*
Die conventionelle Geschichtschreibung, welche das mot d'ordre
empfangen hatte, dass Stein die Vorgänge in Preussen, welche zu der
glorreichen Erhebung der Provinz führten, allein hervorgerufen und ge-
leitet habe, hat sich in verschiedener Weise bemüht, diese Unbotmässigkeit
Auerswald's zu erklären. Von ihrem Standpunkte aus musste sie zu-
gleich dieselbe als ein Hemmniss für Stein's Wirksamkeit erklären,
welches ohne die Energie und Selbstverleugnung des Helden sehr wohl
das Scheitern der ganzen Bewegung hätte herbeifuhren können. Da nun
die Theorie zugleich voraussetzte, dass der Unentschlossenheit des
Königs nur durch die heroische That Stein's, der die Preussen zu-
letzt doch in die ihnen von ihm vorgezeichnete Bahn zwang, ein Ende
gemacht, und er durch dieselbe zu seinem eigenen und seines Landes
Heile fortgerissen werden musste, so erschien die schwächliche Bedenk-
lichkeit Auerswald's eigentlich als ein Verbrechen, und da Auerswald
als ein viel zu guter Mensch und ein zu warmer, selbstloser Anhänger
Stein's angesehen wurde, als dass man ihm eine Unthat zutrauen durfte,
so wurde nach einem Anstifter gesucht, derselbe auch bald in Schön
gefanden. Man gewann damit zugleich den ferneren Vortheil, dass man
Schön und Stein einander gegenüberstellen, den letzteren als den mann-
haften Vertreter des höheren göttlichen Rechtes in ein um so glän-
zenderes Licht stellen, Schön als den engherzigen Verfechter formell
juristischer Bedenken gebührend herabsetzen konnte. Dieser Standpunkt
300 Der 24« J*ou«r 1813 in Königsberg«
gestattete dann auch Schön's eigene Erklärungen und Erzählungen für
später ausgesonnene Lügen zu erklären. Indem man so die Kette der
Schlussfolgerungen schloss, erreichte man ein allseitig befriedigendes
Resultat, man konnte Fehler, die Stein begangen hatte, verwischen, ihm
Vollkommenheiten andichten, die er nicht besass, seine staatsmännische
Grösse deutlich nachweisen, an der Kleinheit und Engherzigkeit der
Gegner noch greller hervorheben, und selbst seine Ausschreitungen, so
weit sie sich nicht ableugnen Hessen, mit dem höheren moralischen
Rechte entschuldigen. Diese Taschenspielerei ist mit grosser Kunst in
der bisherigen Geschichtschreibung durchgeführt und ausgebildet wor-
den, aber sie hat im Laufe der Zeit einige Wandlungen erfahren.
Friedrich Förster, ein Schriftsteller, „ dessen kritische Ader sonst
nicht besonders stark schlug *, wie uns Max Lehmann belehrt, hatte
etwas davon gehört , dass die Regierung zu Marienwerder sich der An-
ordnung Stein's widersetzt habe, und er war in seiner burschikosen Art
schnell fertig mit dem Wort. Er macht kurzweg die Präsidenten
Wissmann und Schön für Auerswald's Bedenken verantwortlich. Sie
machten „den Oberängstlichen bänglich *, sie haben es dahin gebracht,
„dass der gerade feurige Stein durch solche klug ausgesonnene Auskunfts-
mittelchen gereizt und besorgt gemacht, unangenehm geworden sei.*
Daher der Zank. Er weiss auch, dass die Präsidenten und die sonstigen
höheren Civil- und Militärbeamten noch ängstlicher geworden seien, als
in Königsberg die „berlinischen Nachrichten* vom 19. Januar mit der
öffentlichen Bekanntmachung von York's Entsetzung eintrafen. Dies
geschah gerade am 24. Januar. Nach Förster ist nur York selbst fest
geblieben. Dieser musste freilich aus der Affaire gezogen werden.
Pertz in seinem Leben Stein's, dem die jedenfalls sehr genauen
Notizen Stein's vorlagen, fasst die heikle Sache wie gewöhnlich mit
grosser Vorsicht an. Dass Auerswald, zuerst ohne alles Bedenken auf
Stein's Forderung eingehend, noch am 23. Januar einen ordentlichen
Landtag berief, und die Convocationsschreiben zunächst an seine Land-
räthe erliess, übergeht er mit Stillschweigen, er schiebt ihm in die
Schuhe, „dass er sich sofort gesträubt habe, eine solche Massregel ohne
Auftrag des Königs zu wagen*. Er habe es aber eben so wenig ge-
Der 24. Januar 1813 in Königsberg. 301
wagt, „unter dem Befehl des russischen Heeres" sich den Anordnungen
Stein's zu entziehen. Er gab also dem Zwange nach. „Um das An-
sehen des Königs zu schonen", sei dann „der Landtag für eine Ver-
sammlung ständischer Abgeordneten erklärt8 worden. Dies habe nirgend
Anstoss erregt, nur die westpreussische Regierung habe Bedenken ge-
habt, „die jedoch durch den aas Königsberg zurückkehrenden Präsidenten
erledigt wurden". So ist Alles glatt und friedlich abgelaufen. Da Pertz
gute Informationen hatte, so hütete er sich der Wahrheit zu nahe zu
treten, und liess lieber Schön und Wissmann weg, erwähnte den Streit
gar nicht, und verzichtete darauf zu erörtern, wie Stein den ihm ent-
gegentretenden Widerstand beseitigt habe, letzteres aus dem einfachen
Grunde, weil er recht gut wusste, dass Stein nicht durchdrang, sondern
sehr entschieden zurückgedrängt wurde. Da dies nicht geeignet ist,
den Buhm des Helden zu erhöhen, so wird lieber still geschwiegen.
Etwas skeptischer verfuhr Droysen, der in seinem Leben York's
diese Klippe nicht umgehen konnte. In das Geheimniss der Schwäche
Stein's nicht eingeweiht, hatte er keinen Grund die Frage mit Still-
schweigen zu übergehen. Er kannte ferner, und glaubte an Schön's
Erzählung, er hatte Auerswald's Tagebuch vor sich. Aber das letztere
hat er nicht zu benutzen verstanden; er konstatirt daher nur, .dass
Tork über die Erlebnisse dieser Tage keine Aeusserungen hinterlassen
hat. . Er zerbricht sich auch darüber den Kopf, und erklärt schliesslich
den Zusammenhang so, dass durch die am 24. Januar in Königsberg
angelangte öffentliche Bekanntmachung der gegen Tork ergriffenen
ostensiblen Massregeln die bis dahin festgehaltene Fiction unhaltbar
geworden sei. Man habe bis dahin annehmen dürfen, dass der König
sich noch in der Gewalt der Franzosen befinde, und nicht frei sei, dass
man also seine Autorität durch die Autorität des Kaisers von Bussland,
der das Land militärisch occupirt habe, ersetzen dürfe. Von diesem
Augenblicke an aber habe man sich auf dasjenige beschränken müssen,
was sich durch den militärischen Zwang rechtfertigen liess. Deshalb
habe man einen „mittleren Weg11 eingeschlagen, der geeignet gewesen
wäre, „die Prärogative der Krone zu schonen* und „das Gewissen derer,
welche dem Könige, auch wenn sie seine Wege beklagen mussten, treu
302 Der **• Janaar 1813 in Kftnigsberg.
gewärtig zu sein für ihre erste Pflicht hielten, zu beruhigen4. Er be-
schuldigt demgemäss Schön und Wissmann, Auerswald's Schwenkung
veranlasst zu haben.
Die letzten Aufklärungen hat nun Max Lehmann gebracht, dem
das ganze geheime Staatsarchiv kraft seiner amtlichen Stellung offen
steht, und der daher in der Lage sein könnte, authentische Auskunft
zu ertheilen. In ihrer masslosen Uebertreibung haben sie Bemedur für
den bisher mit der Gonjecturalgeschichtschreibung getriebenen Missbrauch
gegeben. Es ist daher an der Zeit, die Conjecturen dieses Kritikers
zu beleuchten und damit zugleich Schön's Andenken wiederherzustellen.
Stein hatte gleich nach seiner Ankunft in Königsberg noch am
22. Januar ein Schreiben an Auerswald gerichtet, in welchem er ihn
aufforderte,
„ einen General-Landtag auf den 5. Februar auszuschreiben,
„um mit denen ostpreussischen , litthauischen und diesseits
„der Weichsel belegenen Herren Ständen über die Errichtung
„eines Landsturms und einer Landwehr zu beratschlagen und
„einen Entschluss zu fassen.*
In welcher stürmischen Eile und Aufregung Stein diese wichtige,
folgenschwere Requisition niedergeschrieben hat, ergiebt sich aus dem
Wortlaute. Sonst drückt er sich nicht so uncorrect aus, dass er die
Herren Stände diesseits der Weichsel belegen sein lässt. Er vergisst
ganz, dass auch die ostpreussischen und litthauischen Herren Stände
diesseits der Weichsel belegen sind, dass er ihnen also die west-
preussischen Stände, welche in den diesseits der Weichsel belegenen
Kreisen ansässig sind, hinzufugen musste. Er vergisst, dass ein ordent-
licher General-Landtag nur die ostpreussischen und litthauischen Stände
umfassen konnte, die westpreussischen also in ausserordentlicher Weise
hinzuberufen werden mussten. Er vergisst insbesondere, dass er in
Oumbinnen soeben mit Schön berathen und verabredet hatte, nur eine
zwangslose „Versammlung der Landstände von Ost- und eines Theils
von Westpreussen* und zwar „in Beziehung auf die militärische Be-
setzung des Landes von russischer Seite* zu fordern, „alsdann die im
Lande herrschende Sichtung laut werden musste.* So präcisirt Schön
Der 24. Janaar 1813 in Königsberg. 303
die genommenen Abreden in dem an Schlosser gerichteten Briefe. In
seinen Memoiren drückt er sich darüber also ans: „wir verabredeten,
dass er nur als russischer Armeekommissarius auftreten, und als solcher
mit Abgeordneten des Landes verhandeln sollte. Entwickelte sich aus
dieser Versammlung eine Volksstimme zur Bewaffnung unter dem Vor-
behalte der Genehmigung des Königs, so würde diese Stimme
sich selbständig und offen und ohne russischen Einfluss stellen.0
Hier war also nicht von einem Landtage, sondern nur von einer
in den Formen eines Landtages zusammenberufenen und berathenden,
gewissermassen constituir enden Versammlung die Rede gewesen, welche
unter den drängenden Umständen constitutionellen Bedenken nicht
unterliegen mochte. Nicht entfernt aber war man der Meinung,
von der Fiction auszugehen, wie Droysen meint, dass der König nicht
frei sei, und man seine Autorität durch die Autorität des Kaisers
von Sussland ersetzen, oder gar sich mit militärischem Zwange werde
entschuldigen können. Fühlte der berühmte Geschichtschreiber nicht,
indem er diese Gonjectur aufstellte, dass er Schön, Auerswald und gar
seinem Helden York eine staatsrechtliche Ungereimtheit unterschob?
Ein preussischer General, der den Befehl seines Königs durch die eigene
Initiative ersetzte, war damals schon eine zweifelhafte Erscheinung. Der
General, der den fehlenden Befehl des Königs durch den Befehl des
Kaisers von Bussland ersetzen liess, und sich damit in die Botmässigkeit
des letzteren begab, verdiente die Kugel, und der Begierungspräsident,
der sich dazu hergab, die Cassation und Festungshaft. Dagegen mit
Abgeordneten des Landes über militärische Angelegenheiten der russi-
schen Armee zu berathen, konnte, wie die Regierung zu Marienwerder
später richtig erläuterte, »des Herren Ministers Freiherren v. Stein Ex-
cellenz, Beauftragten Sr. Majestät des Kaisers von Russland * nicht ver-
sagt werden. Ob nun Stein, indem er das von den Behörden zu be-
achtende und zu schützende staatsrechtliche Fundament umwarf, in
blosser Uebereilung gehandelt hat, oder ob er die Absicht hatte, mit
seiner eigenen Autorität und der Vollmacht des Kaisers schneller und
sicherer zum Ziele zu gelangen, mag dahin gestellt bleiben. Gewiss
ist, dass er damit den Widerstand der preussischen Behörden heraus-
304 Der 24« Januar 1813 in Königsberg.
forderte, wie Schön in Gumbinnen vorausgesagt hatte, und dass dies
ein Fehler war, der zunächst, wenn auch nur mit grosser Mühe wieder
gut gemacht werden musste. Zunächst lief die Sache noch glücklich ab.
Auerswald erhielt dies Schreiben Stein's am 23. Januar früh, und
brach sofort den Bericht an den Staatskanzler v. Hardenberg, den er
eben unter der Feder hatte, ab, wie dieser Bericht selbst ergiebt, in
welchem er bereits die Anzeige niedergeschrieben hatte:
„Der Minister v. Stein ist gestern hier eingetroffen, und hat,
„wie die mir vorgezeigte Vollmacht des Kaisers Alexander
„besagt, den Auftrag von demselben, so lange, bis eine offizielle
„ Erklärung unseres Hofes erfolgt sein wird, die Mittel zur Fort-
setzung des Krieges in der hiesigen Provinz diesseits der
„Weichsel vorzubereiten, ohne jedoch die preussische
„Behörde in ihrer Administration zu stören.*
Aus diesem Wortlaut des dienstlichen Berichts folgt unzweifelhaft,
dass Auerswald Stein schon am Abende vorher gesprochen, dass dieser
ihm seine russische Vollmacht gezeigt, dieselbe aber nicht, wie die
Vollmacht besagte, und er in Gumbinnen versucht hatte, amtlich
geltend machte, um sich über die preussische Administration zu stellen,
sondern sich auf die mit Schön verabredete Stellung beschränkte. Dabei
hatte Auerswald sich beruhigt, und hatte Hardenberg zunächst den
weitergehenden Inhalt der Vollmacht verschwiegen, gerade so, wie Schön
dies acht Tage später in seinem Berichte vom 30. Januar an Harden-
berg that.
Man ignorirte einfach die weitergehenden, das Ansehen des Königs
schwer verletzenden Bestimmungen der Vollmacht, so lange Stein
selbst sie nicht geltend machte. Aber von einer Fiction, dass
man die Autorität des unfreien Königs durch die Autorität des Kaisers
von Sussland ersetzen könne und wolle, dass man sich in preussischen
Verwaltungs-Angelegenheiten, die gerade nicht gestört werden sollten,
militärischem Zwange fugte, ist gar keine Bede.
Auerswald unterbrach die begonnene Berichterstattung, und war im
Vertrauen auf Stein's loyale Erklärungen so arglos, dass er ohne An-
stand zunächst als Oberpräsident die drei Regierungen zu Königsberg,
Der 24. Januar 1813 in Königsberg. 305
Gumbinnen und Marienwerder zum Erlass der Convocationsschreiben
für einen Landtag aufforderte. Die Landräthe des Königsberger Bezirks
wurden in Folge dessen von Seiten des Regierungspräsidiums mit der
gewöhnlichen Anweisung versehen, auch das ständische Comitä zu Königs-
berg benachrichtigt. Diese Schreiben gingen an die Landräthe per
Estafette ab, das ständische Comitä hat die Benachrichtigung nach dem
in den Landtagsakten enthaltenen Fräsentationsvermerk am 24. erhalten.
Nun hatte aber Schön, wie er in mehreren Aufzeichnungen aus-
drucklich hervorhebt, die Vorsicht gebraucht, nach der Abreise Stein's
von Gumbinnen den General York, den Grafen Alexander zu Dohna und
namentlich auch seinen Schwiegervater, den Landhofmeister v. Auers-
wald, über die Abreden, welche er mit Stein getroffen, in Eenntniss
zu setzen. Da er Stein's Temperament kannte, seine falschen staats-
rechtlichen Auffassungen, seine Unkenntniss der Lage der Dinge und
der Stimmung des Volkes kennen gelernt hatte, die eben die Ursache
eines sich ändernden ürtheils über Stein's staatsmännische Befähigung
wurde, so war diese Vorsicht von seiner Seite geboten. Er machte zu-
gleich seinem Schwiegervater die Mittheilung, dass er selbst am 24ten
Januar in Königsberg eintreffen werde. Diese Mittheilung erhielt Auers-
wald am 24. Januar, nachdem er die Requisition an die Regierung zu
Marienwerder unterzeichnet und abgesendet hatte. Dieselbe ist vom
24. datirt, und war auf Zusammenberufung eines ordentlichen Land-
tages gerichtet, wie das Convocationsschreiben an die Landräthe von
Ostpreussen. Dies ergiebt sich aus dem von Lehmann mitgetheilten
remonstrirenden Bericht des Begierungpräsidiums von Marienwerder vom
25. Januar. Das letztere hielt die Berufung eines Landtages für un-
constitutionell. Er hat aber jene Mittheilung Schön's erhalten, bevor
er seinen am vorigen Tage abgebrochenen Bericht an Hardenberg fort-
setzte, denn in diesem schreibt er ausdrücklich, dass „bloss eine Ver-
sammlung von Deputaten* zusammentreten werde. Die Wandlung ist
also erfolgt in der Zwischenzeit zwischen der Absendung beider Schrift-
stücke. Zugleich schreibt Auerswald: „Der Regierungspräsident Wiss-
mann ist gestern hierher berufen worden. Der Geheime Staatsrath
v. Schön wird schon heute ankommen.* Also Wissmanü war erst be-
▲ltpr. Monttiiohrlft Bd. XIV. Hft. 3 u. 4* 20
306 Der 2i- Januar 1818 in Königsberg.
rufen, wusste von der Einberufung des Landtages noch nichts, und Schön
war auch noch nicht da, als Auerswald das staatsrechtliche Fundament
des von Stein verlangten Landtages änderte. Die Berufung Wissmann's
war auf Stein's Verlangen erfolgt, Schön war nicht besonders berufen,
er kam von selbst, wie Arndt erzählt, schon in Gumbinnen „von Stein
geladen und befohlen, baldigst nachzukommen/ Auerswald erfuhr durch
diese Mittheilung den Termin seiner Ankunft, und konnte ihn so dem
Staatskanzler bestimmt melden.
Da Schön an diesem Tage noch keine Ahnung von dem haben
konnte, was Auerswald und Stein am 22. und 23. bereits gethan hatten,
so kann weder er noch Wissmann persönlich einen Einfluss auf die
Aenderung der Anschauungen Auerswalds ausgeübt haben. Es ist eine
leichtfertige Behauptung, dass beide „den Oberängstlichen bänglich ge-
macht * haben. Auerswald erkannte vielmehr von selbst aus den Mit-
theilungen Schön's über seine Abreden mit Stein, dass von den An-
schauungen und Tendenzen des letzteren grosse Gefahr drohe und dass
vor allen Dingen an der staatsrechtlichen Basis festgehalten werden
müsse: kein Landtag, sondern nur eine Versammlung von Deputirten,
mit denen über russische Kriegs- und Armeeverhältnisse berathen werden,
aus deren Mitte der Buf nach Bewaffnung des Landes sich entwickeln
solle ; für diese letztere That aber Vorbehalt der Genehmigung des Königs,
Es gereicht dem Landhofmeister v. Auerswald zur Ehre, dass es
nur der Kenntnissnahme von diesen Abreden bedurfte, um ihm sofort
klar zu machen, welchen Standpunkt er gegenüber den Forderungen
Stein's einzunehmen habe. Bevor noch Schön am Abende des 24ten
Januar ankam, hatte er seine Position genommen, eines Zuredens, gar
des Bangemachens hat es gar nicht bedurft. Der von Schön fixirte,
von Stein nur halb begriffene, widerwillig acceptirte und sofort wieder
verlassene staatsrechtliche Grundsatz war der allein richtige, der allein
zum Ziele führen konnte. Das sahen auch York und Dohna ohne
Weiteres ein, und sie haben denselben gleichfalls unerschütterlich fest-
gehalten, ohne sich an Stein's Toben und Drängen zu kehren. Noch
im letzten Augenblicke verlangte York, die Landesversammlung müsse
den Buf nach Bewaffnung erheben, und erst als dies geschehen war,
Der 24. Januar 1813 in Königsberg, 307
trat er hinzu. Hätte man anders verfahren wollen, liess man die Autorität
des Königs durch die Autorität des Kaisers von Bussland ersetzen, liess
man gar russische Aufforderung, russischen militärischen Zwang auch
nur die kleinste Rolle spielen, so war mit Sicherheit zu erwarten, dass
die Landesyersammlung in Parteien auseinander trat, und Hader und
Zwietracht sich entspann. Wir werden das gleich an dem Beispiele
des Präsidenten Wissmann sehen, wenn wir die weiteren Ereignisse des
24. Januar erörtert haben werden.
Auerswald musste natürlich die nöthigen Eröffnungen an Stein ge-
langen lassen. Ob dies mündlich oder schriftlich geschehen ist, wissen
wir nicht. Aber er hat ihm die erforderlichen Erklärungen abgegeben.
Das war es, was Arndt erzählt: „ Stein fand nun den Oberpräsidenten
nicht so geschwind und entschlossen, wie er selbst war, er schalt ihn
eine alte Schlafmütze ohne Muth und Feuer, wo doch jedes deutsche
Herz brennen, und jeder Nerv zucken müsse, als sei jede Fiber ein
Schwert.* Er mag schön getobt haben, als er Auerswald's Bedenken
erfuhr. Und in der Aufregung des Augenblicks, und da Schön noch
nicht da war, der Einzige, der ihn zu beruhigen, zu bändigen und be-
sonders auch zu überzeugen verstand, beging er den grössten Fehler,
der unter diesen Umständen begangen werden konnte, der alle seine
weitere Wirksamseit vernichtete, alle Befürchtungen und Besorgnisse
preussischer Patrioten auf die Spitze treiben musste. Er griff dem
Könige an die Krone. Stein holte seine Vollmacht hervor, machte
sie im vollen Umfange geltend, stellte sich hin an des Königs Statt
auf Grund der Autorität des Kaisers von Bussland, und verfugte an
Auerswald, dass er die Autorisation zur Abhaltung eines ordentlichen
Landtages gebe, und dass er hiermit jede dienstliche Ver-
bindung mit Berlin verbiete. Dies Attentat auf die preussische
Krone, diese Besitznahme der Provinz unter der Autorität des russischen
Kaisers, wenn sie auch nur provisorisch erfolgen sollte, musste die
ganze Bewegung im Keime ersticken, und Schön hatte es, wie der
Schlosser'sche Brief ergiebt, Stein vorausgesagt, dass wenn er diese
Vollmacht bekannt werden lasse, jede preussische Autorität dann feind-
lich gegen ihn auftreten musste. Nun war der Conflict da.
20*
308 Der ^ Janaar 1813 in Königsberg.
Die Thatsache selbst hat Droysen schon gelegentlich erwähnt, und
die neueste Kritik hat herausgefunden, dass dies auf Erzählungen der
Söhne Auerswald's beruhe. Wenn Max Lehmann darum diese Angabe
für unglaubwürdig erklärt, so befindet er sich in einem starken Irrthum.
Die Erklärung, welche die beiden Söhne Auerswald's schon im Jahre
1838 im Elbinger Anzeiger zur Rechtfertigung ihres Vaters erbessen,
und welche dann Pertz wohl auf Wunsch der Excellenzen in seinem
Leben Gneisenau's nochmals publizirte, enthält nichts davon. Droysen
schöpfte unmittelbar aus dem Tagebuche des Landhofmeisters. Wenn
nun Lehmann diese Angabe für „mehr als unwahrscheinlich * erklärt,
weil er Stein so thörichter unpolitischer Ueberhebung nicht für fähig
hält, und in Abrede stellt, dass er überhaupt in Königsberg gewaltsam
aufgetreten ist, so mögen hier Auerswald's kurze Aufzeichnungen wört-
lich folgen:
„23. Januar. Stein lässt sich Kassenabschlüsse, Lazareth-
„ nach Weisungen etc. geben. Bestimmt einen Generallandtag
„für den 5. Februar, verlangt einen Landsturm.*
Inzwischen erfolgt die Umwandlung der Landtagsberufung, dann heisst
es weiter:
„24. Januar. Stein giebt Autorisation zum Landtage. Befiehlt,
„dass die Dienstverbindung mit Berlin aufhören solL*
Was „mehr als unwahrscheinlich * sein soll, ist dennoch geschehen.
Man hat sich bisher immer mit der Angabe begnügen müssen, dass
Stein auf Auerswald erbittert gewesen sei, weil dieser sich nicht habe
bereit finden lassen, mit demjenigen Feuer vorzugehen, welches Stein
erwartete und verlangte. Aber man wird nunmehr, wie überhaupt
manches gebräuchliche Urtheil modifiziren, so insbesondere in diesem
Falle zugeben, dass Auerswald's Pflicht als Königlicher „Diener*, wie
man damals sagte, ihm positiv verbot, Stein auf diesem revolutionären
Wege zu folgen. Wenn man sich nun die Frage vorlegt, welchen Ein-
druck Stein's Forderung auf Auerswald gemacht hat, so ergiebt zunächst
das vorliegende Tagebuch, dass er es für bemerkenswerth gefunden hat,
einen persönlichen Besuch Stein's zu notiren. Den Gommentar dazu
liefern folgende Umstände. Stein selbst hat dem früheren Präsidenten
Der 24* Januar 1813 in Königsberg. 309
der Kriegs- und Domänen-Kammer zu Bialystock v. Knobloch, mit dem
er am 10. Februar 1813 in Plock zusammentraf, wie der alte Herr
später in der Vossischen Zeitung (Jahrgang 1838 am 4. April) erklärt
hat, auseinandergesetzt, dass die Erhebung und Bewaffnung der Provinz
Preussen die unerlässliche Vorbedingung für das Vorgehen der russischen
Heere über die Weichsel gewesen sei. Begreiflich ist es also, dass er
darauf mit aller Macht zu dringen sich für verpflichtet hielt, aber keine
Entschuldigung dafür, dass er sich vermass, die Autorität des Königs
in dieser Provinz zu suspendiren. Er hat sich dann darüber beklagt,
dass der Präsident Auerswald seiner Forderung entgegen trat. »Dieser
Mann nämlich kann sich nicht von der Meinung losmachen, dass vor
Eingang eines königlichen Befehls (es hiess aber nur: unter Vorbehalt
der Genehmigung des Königs) er für die Volksbewaffnung und die Ver-
treibung der Franzosen nicht mitwirken dürfe. Selbst meine Hinweisung
auf die unglücklichen Folgen einer Verweigerung meines Verlangens,
nämlich auf die Gefahr Preussens, durch Waffengewalt für
Russland thätig werden zu müssen, und darüber den Werth und
das Verdienst heldenmüthigen Handelns verloren gehen zu lassen, konnte
den Präsidenten v. Auerswald nicht von seiner Meinung zurückbringen.11
So lautete nach dem Zeugniss eines achtungswerthen alten preussischen
Präsidenten das eigene Geständniss Stein's am 10. Februar 1813. Es
ist wahr, er hat am 23. Januar von Auerswald nicht nur die Berufung
eines Landtages, sondern auch die Aufstellung eines Landsturms, also
die regellose Insurrection des Landes, verlangt, und als Auerswald das
erstere bereitwillig besorgte, dann aber auf die staatsrechtlich gebotene
Einschränkung zurückführte, und die zweite Forderung ablehnte, nahm
er sich heraus, die Krone Preussen zu suspendiren, und in einem Augen-
blicke, in welchem kaum ein Aufgebot des Landes wider die Bussen
verhütet, und York fast in die Lage versetzt war, die Feindseligkeiten
wieder aufnehmen zu müssen, verlor er alle Besonnenheit so sehr, dass
er mit Waffengewalt zu drohen wagte. Wer mag sich jetzt noch
darüber wundern, dass er mit Auerswald, York und Dohna in unheil-
bare Zerwürfhisse gerieth?
Der Besuch Stein's bei Auerswald am 24. Januar 1813, den letzterer
310 Der 24. Januar 1813 in Königsberg.
in seinem Tagebuche zu notiren für nöthig fand, mag einen sonderbaren
Verlauf gehabt haben. E. M. Arndt, der bei dieser Gelegenheit Auers-
wald's Partei nimmt, so weit sein unbegrenzter Respect vor Stein
dies gestattet, der deshalb der Erzählung von Stein's Toben und Schelten
sofort die Bemerkung hinzufügt: „Auerswald war aber keine Mütze,
sondern ein gescheiter tüchtiger treuer Mann — genug er zauderte vor
Stein's kühnem Ungestüm, und wollte sich im Steinschen Sinn, der
seinerseits von Alexanders Redlichkeit und Grossherzigkeit hinsichtlich
Preussens und Deutschlands die ehrlichste vollste Ueberzeugung in sich
trug, nicht fortreissen lassen, er wollte seinem gewaltigen Ungestüm nicht
sogleich mit alexandrischem Glauben folgen*. Dies letztere um so
weniger, weil das Wort: „ Landes verrath" bereits und zwar amtlich bereits
gefallen war. Es war der Präsident Wissmann in Marienwerder gewesen,
der, wie Auerswald in seinem überaus wichtigen Tagebuche unter dem
21. Januar schon vor Stein's Ankunft in Königsberg notirt hat, den Ober-
präsidenten auf „Landes verrätherei des ostpreussischen Adels*
aufmerksam gemacht hatte, und deshalb nach Königsberg zur Erörte-
rung berufen worden war. Wir behalten uns vor, den Verlauf dieser
Angelegenheit ein anderes Mal näher darzulegen, und kehren hier zu
den Ereignissen zurück, welche sich in Königsberg abspielten.
Obgleich Stein dies Alles wusste, denn auf seine Veranlassung war
Wissmann nach Königsberg berufen worden, obgleich er gerade auf
diesen staatsrechtlichen Standpunkt in Gumbinnen verwiesen worden
war, muthete er dem Oberpräsidenten zu, Handlungen zu begehen, sich
Anordnungen zu unterwerfen, welche gerade jenen Vorwurf gerecht-
fertigt haben würden. Alle diese Thatsachen sind, wie wir glauben,
entscheidende Bestätigungen für das, was Schön berichtet hat mit grosser
Zurückhaltung für Stein, nicht zu seiner Verkleinerung. Wenn wir nun
durch diese Auseinandersetzung, und Alles dasjenige, was später nach-
folgte, uns zu ungetheilter Bewunderung für den Scharfblick Schön's ver-
anlasst fühlen, der gleich bei der Gumbinner Unterredung den Kernpunkt
der Lage herausfand, und als Basis des Verfahrens hinstellte, so dürfen
wir auch der Festigkeit und Sicherheit York's, Auerswald's und Dohna's
die Anerkennung nicht versagen. Auerswald, der den ersten Sturm aus-
Der 21 Janaar 1813 in Königsberg, 3X1
zuhalten hatte, liess Steins Befehle und Drohungen vollständig unbeachtet,
und er wird ihm nicht verhehlt haben, dass er dies thun werde. Er setzte
sich hin und berichtete an Hardenberg, als wäre nichts vorgefallen.
Es fiel ihm gar nicht ein, die „dienstliche Verbindung mit Berlin" ab-
zubrechen, die Bechte der Krone preiszugeben. In seinem Berichte
ist nur von einer „Versammlung von Deputirten aus den Gutsbesitzern
und Städten" die Rede, welche „auf ausdruckliches Verlangen des Be-
vollmächtigten des Kaisers von Bussland * zusammentreten sollten. Aber
wohin Stein's stürmische Ungeduld geführt hätte, in welche Lage die
russischen Generale, York, Auerswald u. s. w. gekommen wären, ist
gar nicht abzusehen, wäre nicht Schön, Stein's guter Geist, am Abende
angekommen. Max Lehmann macht ihm ein Verbrechen daraus, dass
er diese seine Beise nach Königsberg „ verschwiegen * habe. Tatsäch-
lich ist an dieser Beschuldigung nur so viel wahr, dass er sie in dem
Briefe an Schlosser nicht erwähnt hat. In seiner zweiten 1844 ge-
schriebenen Selbstbiographie, bevor die Bücher von Pertz, Droysen,
Förster erschienen waren, schreibt er ganz unbefangen: „ich traf später
an eben dem Tage in Königsberg ein, wo die Berliner Zeitung die Ab-
setzung von York und dessen eingeleitete Bestrafung verkündete \
Aber er erzählt weder in dieser noch in einer anderen Aufzeichnung
etwas Näheres über den zwischen Auerswald und Stein eingetretenen
Conflict, sondern nur, dass York nicht über die ihm längst bekannt
gewesene Verleugnung, sondern über die Veröffentlichung derselben
höchst besorgt gewesen sei, weil er „den Eindruck fürchtete, den der
Zeitungsartikel auf die Truppen machen würde*. Dagegen meldet
E. M. Arndt, der diesen Conflict ohne nähere Angabe der Veranlassung
und des Verlaufs erwähnt, ausdrücklich, dass derselbe „durch die mehr
vertrauten Männer und Freunde, durch den edlen tapfern Grafen Minister
Alexander Dohna und durch Schön vermittelt * wurde. Diese Vermitte-
lung bestand einfach darin, dass man Stein auf die in den Gumbinner
Abreden festgestellte staatsrechtliche Basis zurückführte, und dass seine
Verfügungen als nicht vorhanden von allen Seiten betrachtet wurden.
Daraus folgte, dass man den Conflict selbst ignorirte, und alle die
Männer, welche dabei betheiligt waren, haben Stillschweigen darüber
312 Der 2** Januar 1813 in Königsberg*
beobachtet. Ohne die Notizen, welche Auerswald in seinem Tagebuch/3
hinterlassen hat, wäre kaum eine genauere Kunde von Stein's Ueber-
eilung auf uns gekommen.
Auerswald erliess nunmehr am 25. Januar die bekannte abgeänderte
Verfügung an die Landräthe. Die dem ständischen Comitä zugefertigte
Abschrift derselben ist, wie die Landtagsakten ergeben, noch an dem-
selben Tage dort eingegangen. Der Präsident Wissmann aber, der nach
Auerswald's Tagebuche am 26. Januar in Königsberg eintraf, hat wahr-
scheinlich von der Sache nichts erfahren, er fand die Bedenken der
Regierung zu Marienwerder bereits erledigt. Was weiter mit ihm zu
verhandeln war, über „die Landesverrätherei des ostpreussischen Adels8
werden wir bei anderer Gelegenheit sehen.
An demselben verhängnissvollen Tage, an welchem, wie wir oben
dargelegt haben, der berühmte Conflict zwischen Auerswald und Stein
sich entwickelte, trafen die Berliner Zeitungen vom 19. Januar ein, in
denen die Verwerfung der Convention von Tauroggen und die Ent-
setzung des Generals v. York öffentlich verkündet wurde. Wir haben
jetzt in Folge der archivalischen Forschungen Mai Dunckers erfahren,
dass diese Publication nur zu dem Zwecke erfolgte, um die am Tage
vorher fest beschlossene Abreise des Königs von Potsdam nach Breslau
in den Augen der Franzosen nicht als einen Bruch des Bündnisses er-
scheinen zu lassen. Damit der Eclat, welcher durch die Publication
der wider den General ergriffenen ostensibeln Massregeln nothwendig
hervorgerufen werden musste, in Königsberg nicht Verwirrung und
Schwanken erregen sollte, wurde am 20. Januar Major v. Thile nach
Königsberg abgesendet. „Indem ihm vorgeschrieben wurde," sagt Max
Duncker in seiner für die Kunde der Vorgänge des Jahres 1813 bahn-
brechenden Abhandlung : Preussen während der französischen Occupation,
„das 8 er sich bei York zu melden habe, indem ihm Dienstpapiere für
York übergeben, und Thile aufgetragen wurde, York zu benachrichtigen,
dass der König im Begriffe sei, nach Breslau abzureisen, konnte jener
Zeitungsartikel bei York keinen Zweifel darüber aufkommen lassen,
dass man ihn höchsten Orts in Berlin als commandirenden General des
Corps und Generalgouvemeur der Provinz zu betrachten nicht aufge-
Der 24. Januar 1813 in Königsberg« 3X3
hört habe, und die entsprechenden Funktionen von ihm erwarte." Der
Fehler war nur der, dass jener Zeitungsartikel zwei Tage früher ankam,
als der Major v. Thile. Nichts destoweniger ist weder der General,
noch sind die Civilbehörden in Zweifel gewesen oder gar ins Schwanken
gerathen, und Alles, was die Geschichtschreiber von den Zweifels-
qualen, welche den unglücklichen York geplagt haben sollen, zu erzählen
wissen, und was namentlich Droysen bis zum Graulichmachen in seiner
phantastisch ausgeschmückten Biographie Yorks darüber sagt, ist nichts
als Fabel. Ueber die Sache selbst konnte York gar nicht in Zweifel sein,
er hätte sonst gar nicht wagen dürfen, sobald er die Sendung des Majors
v. Natzmer erfahren hatte, das Coipmando weiter zu fuhren. Ueber
diese Sendung Natzmer's und ihren ostensiblen Zweck war er aber durch
den am 11. Januar bei ihm angelangten Capitän v. Schack unterrichtet,
der wenige Stunden vor Natzmer von Berlin mit der Weisung abge-
fertigt, sich zu seinem Corps zurückzubegeben, mit Natzmer zusammen
in einem Schlitten gefahren war, und sich in Marienwerder von diesem,
der nach Elbing zu Murat ging, getrennt hatte. Da man in Berlin
wusste, und beabsichtigte, dass Natzner nicht nach Königsberg gelangen
sollte, so sendete man eben Schack dahin ab, damit York Kenntniss
erhalte von dem, was vorging. Wir haben aber erst in neuester Zeit
durch die Erinnerungen des in Königsberg noch wohl bekannten Generals
v. Natzmer erfahren, dass Schack mündlich den Auftrag erhalten hatte,
„den General York von der Ankunft Natzmer's zu avertiren, und ihm
die richtige Ansicht zu geben, worauf er und Massenbach einstweilen
bei den Russen Schutz suchen sollten.0 Nach diesen Eröffnungen konnten
also weder York noch Kleist über den Sinn der Massregel im Zweifel
sein, und sind nicht darüber in Zweifel gewesen. Da Natzmer nicht
nach Königsberg kam, vielmehr im Hauptquartier Wittgenstein^ in
Guttstadt verschwand, so erklärt es sich, wie York, von welchem Auers-
wald am 10. Januar in sein Tagebuch notirt: „York ignorirt die Berliner
Befehle/ dazu kam, sich so zu verhalten. Nun kam aber am 24ten
Januar die amtliche Bekanntmachung an, dass der König die Convention
nicht genehmigt, und York seines Commandos entsetzt habe.
Max Lehmann belehrt uns, dass diese Nachricht Angst und Be-
314 Der 2* Januar 1813 in Königsberg.
stürzung unter den Königsberger Notabilitäten verbreitet, und die Wider-
setzlichkeit der ängstlichen Civilb eh Orden, die sich stets nach den von
Berlin kommenden Nachrichten gerichtet hätten, wider Stein, der allein
wie ein Fels im Meere aufrecht gestanden, verschuldet habe. Diese
windige Conjectur ist ganz unbegründet. Ernst Moritz Arndt, der von
dem heftigen Streit zwischen Auerswald und Stein berichtet, und trotz
allem Respekte vor seinem Reichsfreiherren hier kräftig für Auerswald
Partei nimmt, weiss nichts weder von Auerswald's Aengstlichkeit und
Schwanken, noch überhaupt von Schwankungen der öffentlichen Meinung
in Königsberg zu berichten. Auerswald selbst, der doch zunächst, wenn
er irgend etwas von Zaghaftigkeit in sich verspürte, dies irgend wie
in seinem Tagebuche kenntlich gemacht hätte, weiss darüber nur
Folgendes in demselben zu sagen: „Die Berliner Zeitungen enthalten
eine offizielle Missbilligung der York'schen Convention. Allgemeines
Missvergnügen darüber/ Man war nicht eingeschüchtert worden,
sondern ergrimmt, und es war ein Glück, dass damals nichts davon
im Publikum verlautete, dass Stein dem Landhofmeister an diesem Tage
und jedenfalls in Folge dieser Nachricht zugemuthet hatte, ihn selbst
nunmehr als Vicekönig kraft seiner russischen Vollmacht anzuerkennen,
und die dienstliche Verbindung mit Berlin abzubrechen. Ein verein-
zeltes stürmisches Losbrechen der Hitzköpfe, die man eben nur durch
die Verhaftung des Herrn v. Gröben-Plensen und die Berufung der
Stände beruhigt hatte, wäre die unausbleibliche Folge, und die Parteiung
des Landes wäre dann unvermeidlich gewesen.
Am Abend des 24. Januar kam Schön in Königsberg an. Wie
er zunächst Stein auf den richtigen Standpunkt zurückdrängte, so war
er auch bemüht, den General York wieder zu beruhigen. Denn es ist
richtig, und Schön bekundet dies ausdrücklich in seinen Memoiren, dass
der General bei dieser Gelegenheit vollständig die Haltung verloren
habe. Nicht wegen der Sache selbst, deren Sinn und Zweck ihm seit
vierzehn Tagen bekannt war, sondern nur deshalb, weil er sich durch
die öffentliche Publication der Sache „vor der Welt und, was ihm be-
sonders empfindlich war, vor den Truppen, welche er commandirte,
preisgegeben sah," Er fürchtete, dass man ihm den Gehorsam versagen
Dw 24. Januar 1818 m Königsberg. 3X5
werde, und eine Prostituirung in einer Zeitung musste ihn nach da-
maligen Begriffen tiefer verwunden, als sonst eine strenge MassregeL
„In einer Conferenz", so erzählt Schön in seinen Memoiren, „welche
York, der General v. Kleist und ich über diesen Zeitungsartikel hatten,
erklärte sich York für verloren. Kleist und ich demonstrirten ihm da-
gegen, dass ein Zeitungsschreiber einem General ein Gommando weder
geben noch nehmen könne. * Bei dieser Gelegenheit, nicht, wie Droysen
in Unkenntniss von Schack's Aufträgen erzählt, am 10. Januar, trug
sich jene berühmte Scene zwischen York und Kleist zu. „York fürchtete
den Eindruck, welchen der Zeitungsartikel auf die Truppen machen
würde, und verlangte von Kleist, dass er das Commando übernehme.
Er (York) wolle dies den Truppen heute bekannt machen/ Hiernach
hat diese Erörterung also am 25. Januar vor der Parole stattgefunden.
Die Antwort auf den Zeitungsartikel wurde sofort von Schön aufgesetzt,
und schon Nachmittags hatte alle Unsicherheit, so weit sie überhaupt
Platz gegriffen, ein Ende.
Der Major v. Seidlitz berichtet in seinem bekannten Tagebuche
des York'schen Armeecorps: „am 25. Januar kam der Rittmeister
v. Auer vom General Bülow aus Neustettin zurück, und überbrachte
zugleich die Nachricht, dass der König am 22ten von Potsdam nach
Schlesien habe reisen wollen.* Dass diese Nachricht alle Zweifel, welche
etwa aufgestiegen sein mochten, beseitigt, alle Sorgen zerstreut haben
muss, ist klar. Weil aber diese von Seidlitz bekundete Notiz den Ro-
man von den Zweifelsqualen, die York ertragen musste, vernichtete, so
hat die Romanschriftstellerei, der sich die Biographen jetzt hinzugeben
pflegen, diese Nachricht ignorirt und bezweifelt. Sie ist aber trotzdem
wahr, und man sollte sich daran ein Beispiel nehmen, und die Berichte
von Augenzeugen nicht durch willkürliche Anwendung einer unberech-
tigten Kritik ferner ohne Grund herabsetzen. Auch Auerswald war
schon am 25. Januar davon unterrichtet, dass „der König und die Kö-
nigliche Familie nach Schlesien gehen". Er wusste sogar schon, dass
„in Berlin Regierungscommission* eingesetzt werde. Die Nachricht war
nach Königsberg auf zwei Wegen gekommen.
Einmal durch Auer, der sie mündlich noch von seinem Schwager
316 Der 24. Januar 1813 in Königsberg.
Bfilow auf den Weg erhielt. Dann aber noch durch einen besonderen
Courier. Natzmer nämlich war in der Nacht vom 19. zum 20. Januar
von seiner Mission an den Kaiser Alexander zunickgekehrt, und nun-
mehr bestimmte der König seine schon beschlossene Abreise nach
Schlesien auf den 22ten, und zugleich die Einsetzung einer Ober-
Regierungscommission in Berlin. Hiervon wurden die Provinzialbehörden
sofort verständigt. So erfuhr Bülow diese Massregel noch am 22ten,
vielleicht mit dem Auftrage, York vertraulich davon zu verständigen.
Ebenso wurde ein Courier mit diesen Nachrichten an den in Königs-
berg weilenden Geheimen Secretär Bother, den nachherigen Minister,
abgefertigt. Derselbe nahm auch Depeschen unzweifelhaft von gleichem
Inhalt an Stein mit, dessen Ankunft in Königsberg man in Berlin noch
nicht wissen, aber als bevorstehend vermuthen konnte. Bother aber
war gerade am 25. Januar früh von Königsberg nach Berlin abgereist
und zwar im Auftrage Auerswald's, um dem Staatskanzler Hardenberg
die Berichte Auerswald's vom 23. und 24. Januar zu überbringen, welche
Max Lehmann kurzlich aus dem Geheimen Staatsarchive publizirt hat.
Unterwegs erhielt Bother die an ihn gerichteten Depeschen, und kehrte
auf der Stelle um, so dass er noch am 25ten wieder in Königsberg
eintraf, seine Aufträge auszurichten. Man sieht daraus, wie wichtig
jene Nachrichten für die Situation in Preussen waren, und man erklärt
sich nun leicht, wie Stein dazu kam, trotz des Sturmes, der am Tage
vorher in Folge seiner Anmassung der Bechte der Krone getobt hatte,
in den nächsten Tagen so zahm aufzutreten, warum von seinem Ver-
bote, mit den Berliner Behörden weiter zu verkehren, auch von seiner
Seite gar nicht mehr die Bede war. Der Krieg gegen Frankreich war
eben für jeden Preussen durch den Schritt des Königs unzweifelhaft
geworden.
Nun spukt aber immer noch die Sage herum, dass York sich drei
Tage lang mit der Ungewissheit herumgequält habe, welchen Entschluss
er fassen solle, erst am 27ten habe er sich entschlossen, die bekannte
Gegenerklärung in der Königsberger Hartungschen Zeitung erscheinen
zu lassen, nachdem am 26. spät Major Thile angekommen, und ihm
die erforderliche Beruhigung gebracht hatte. Wir bitten unsere Leser,
Der 24. Januar 1813 in Königsberg. 3J7
die nunmehr authentisch erfahren haben, worüber der General eigent-
lich allein sich beunruhigt fühlte, dass er 36 Stunden vor Thile's An-
kunft schon über die Thatsachen aufgeklärt war, und dass Major Thile
eben nur, wie Auerswald sich in seinem Tagebuche ausdrückt, natürlich
cum grano salis und nur dem Sinne nach: „die Genehmigung des Kö-
nigs zu Allem, was Tork gethan, und hier geschehen" brachte, das
von Droysen entworfene Schauergemälde von jenen qualvollen Tagen
damit, die Bomanschriftstellerei mit der nüchternen Geschichte zu ver-
gleichen. Dass der General bis zum 27ten mit der Veröffentlichung
seiner Gegenerklärung zögerte, war nicht Folge oder Symptom er-
schütternder Gewissenszweifel, sondern hatte einen fast zu prosaischen
Grund. Die Königsberger Hartungsche Zeitung erschien damals, und
viele Königsberger werden sich noch aus den dreissiger Jahren jener
seligen Zeit der Buhe erinnern, nur dreimal wöchentlich: Montag,
Donnerstag und Sonnabend. Als die Berliner Zeitung am 24. Januar
(einem Sonntag) ankam, war die Montags-Nummer vom 25. Januar be-
reits gedruckt. Die nächste Nummer erschien Donnerstag den 28sten,
und brachte die vom 27sten datirte Erklärung Yorks, und hatte sie
nicht früher bringen können. In Königsberg aber hatte man drei Tage
lang Zeit gehabt, sich über die Geschichte zu ärgern: „allgemeines
Miss vergnügen" meldet Auerswald's Tagebuch, bis die Erklärung des
Generals den Aerger beruhigte.
Urkunden zur Geschichte
der ständischen Versammlungen zn Königsberg
im Januar und Februar 1813
betreffend
die Errichtung der Landwehr.
Nach den Akten der Ostpreussischen General-Landschaft und des Oberpräsidiums
der Provinz Preussen
her&uftgegeben von
»ob. Muller.
(Fortsetzung.)
Acta
Her Ostprtisx. Geaeral Laidsehafts Dirwtitft
Die Landwehr von Prensiea item Landsturm betr.
1813 [Sign] C. 5. 21.
[Befindet sich unter reponirten Akten der Ostpreussischen General-Feuer-Societ&t
Enthält 46 Fol. Die meisten der Aktenstücke betreffen Verwaltungsangelegenheiten,
die historisch nicht weiter interessant sind: nur die folgenden Urkunden machen
hievon eine Ausnahme.]
Fol. 4.
ihr. Excellenz der Königl. Generallieutenant und General-Gouverneur
Herr v. Torck hat Namens Sr. Königlichen Majestät, unsers allergnä-
digsten Herrn, den alliier versammelt gewesenen Ständen der Provinzen
Litthauen, Ostpreuszen und Westpreuszen auf dem rechten Weichsel-
Ufer zu erkennen gegeben, wie die unabwendbarste Notwendigkeit es
dringend erheische, sofort mit der Errichtung einer Landwehr thätigst
vorzugehen.
Nachdem der Herr General-Gouverneur v. Torck das Gutachten
der Stände über den Plan zur Ausführung dieser, Namens Sr. Majestät
Urkunden cor Ge«efctoht* der stfad. Versammlungen in Königsberg; 319
als unabwendbar und dringend nothwendig angeordneten, Maaszregei
vernommen hat, sind von vorgedachtem Herrn General-Gouverneur die
Festsetzungen, betreffend die Landwehr in den Provinzen Litthauen,
Ostpreuszen und Westpreuszen auf dem rechten Weichsel-Ufer erfolgt,
wovon sie anbei .... Exemplare erhalten.
Da der Augenblick sehr dringend ist, so hat der Herr General-
Gouverneur ferner Namens Sr. Königlichen Majestät festgesetzt, dasz
mit der Ausfahrung der Landwehr sofort thätigst so weit vorgegangen
werden soll, dasz es nur der Zusammenberufung derselben nach dem
Eingang der speciellen Genehmigung Sr. Königlichen Majestät hedürfen
wird. Es ist an dieser speciellen Allerhöchsten Genehmigung um so
weniger zu zweifeln, da im Allgemeinen die Grundsätze wegen Formirung
der Landwehr früherhin für den eintretenden Fall Allerhöchsten Orts
für unbedingt nothwendig und zweckmässig erachtet worden sind.
Die höchst unglückliche Lage, in welcher sich vorzüglich die Pro-
vinz Preuszen befindet, ist in Erwägung der Festsetzungen, betreffend
die Landwehr in Litthauen, Ostpreuszen und Westpreuszen auf dem
Weichsel-Ufer, allerdings berücksichtigt; auch sind dabei die höchst
merkwürdigen Erfahrungen anderer zum Thal noch unglücklicherer
Länder benutzt worden. UeberalL, wo solches nur irgend die Natur der
Sache gestattete, hat man sich bemühet, die mildernsten Modificationen
statt finden zu lassen und endlich hat man durch die möglichst gröszte
Theilnahme der Nation an der Leitung dieser hochwichtigen Angelegen-
heit geglaubt, am sichersten Miszbräuchen vorzubeugen, und dem edlen
Eifer für die Beförderung dieser zur Behauptung der vaterländischen
Ehre und Selbständigkeit und zur festesten Begründung der davon un-
zertrennlichen Wohlfahrt des Ganzen und jedes Einzelnen, unumgänglich
nöthigen Maaszregei den schönsten Wirkungskreis zu eröffnen.
Durch die treue und schleunige Ausführung desjenigen, was der
Stellvertreter unsers Monarchen in militärischen Angelegenheiten, der
General-Gouverneur von Preuszen Namens Sr. Königlichen Majestät
als unabwendbar notwendige und dringende Maaszregei in Beziehung
auf die sofort zu bewirkende Einrichtung der Landwehr festgesetzt hat,
erfüllen die Einwohner Prenszens die edelste beiligste Pftieht gegen
320 Urkunden zur Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
ihren Landesherrn; sie handeln im Geist ihrer Vorfahren und recht-
fertigen das Vertrauen, welches man auf ihre Liebe zum Vaterlande
und ihren Abscheu gegen die Rückkehr ausländischer Usurpatoren ge-
setzt hat; sie geben dadurch ein groszes Beispiel den übrigen Provinzen
der Monarchie, ein Beispiel, welches in seinen Folgen die beglückendsten
Bückwirkungen für dieses Land nach sich ziehn musz.
Nachdem wir die wahrhafte Lage der Sache Ihnen solchergestalt
bekannt gemacht haben, können wir mit vollem und herzlichem Ver-
trauen von Ihnen erwarten, dasz Sie alles aufbieten werden, um für
die Ausführung der Landwehr so thätig und so nützlich als möglich
zu wirken.
Wir fordern Sie für jetzt insbesondere auf, zunächst folgende Punkte
zur Ausführung zu bringen:
1) Das gegenwärtige Schreiben, wovon wir .... Exemplare beifügen,
nebst dessen Beilage Angesichts dieses und aufs eiligste ganz all-
gemein bekannt zu machen.
2) Sie haben aus der letzten historischen Tabelle einen vollständigen
Extract betreffend die Menschenzahl einer jeden einzelnen Commune
oder eines jeden Dominii, Domainen- Amtes oder Intendantur an
den bis zum zu übersenden.
3) Sämmtliche Dominien, Domainen-Aemter und Intendanturen Ihres
Kreises haben Sie aufzufordern, auf schleunigste vollkommen ge-
naue Listen von allen Personen männlichen Geschlechts ohne irgend
eine Ausnahme des Standes oder Glaubens vom 18ten bis zum
vollendeten 45sten Jahre anzufertigen, und, wie es sich ganz von
selbst versteht, darin auch die bereits vom Militair verabschiedeten
Personen, welche sich in dem vorgedachten Alter befinden, des-
gleichen die Erümper, welche nicht wirklich in Reihe und Glied
stehn, mit zu übernehmen. Von den krüppelhaften und mit un-
heilbaren Krankheiten behafteten Personen, desgleichen von den
Mennoniten sind zwei besondere Colonnen zu formiren.
Da die Geistlichen und in öffentlichen Lehrämtern angestellten
Personen von der Pflichtigkeit zur Landwehr ausgenommen sind, so
brauehen selbige auch nicht in jene Listen aufgenommen zu werden.
▼on Bob. Müller. 321
Sie werden dafür sorgen, dasz diese Listen unfehlbar am . . . bei-
sammen sind, und ganz sicher dem ... zu ... eingehändigt werden.
Das ganze hochwichtige Geschäft der Errichtung der Landwehr
wird mit dem jenem groszen Gegenstande und dem Drange der Zeit-
umstände angemessenen Ernst und mit der gröszten Oeffentlichkeit
betrieben werden. Wir brauchen daher nicht erst darauf aufmerk-
sam zu machen, welche höchst unglücklichen Folgen für diejenigen
Personen entstehen müssen, welche durch Nachläszigkeit die Listen
nicht durchaus der Wahrheit gemäsz angefertigt haben, oder sonst
irgend etwas zur Beförderung der Sache unterlassen sollten.
4) Aus unsern Separat- Verfügungen über diesen Gegenstand werden Sie
ersehen haben, dasz sofort eine Versammlung der Kreisstände, Be-
hufs der Wahl von Deputirten, welche die im §. 6. der Festsetzungen
bestimmten Special-Commissionen erwählen sollen, und dasz dem-
nächst die Wahl und Introduction dieser Special-Commissionen statt
finden soll. In der Woche vom 14ten bis 21sten März c. dürfte die
im §. 2. bestimmte Verloosung erfolgen, worüber jedoch noch zu
seiner Zeit besondere Verfügungen der Special-Commissionen ergehen
werden. In der Frist vom 24sten März bis 31sten wird die complette
Gestellung der Landwehrmänner ganz vollständig mit den im §. 4.
vorgeschriebenen Ausrüstungsstücken bewirkt werden müssen.
Die Modelle zu den Mänteln, welche ganz vollkommen von der-
selben Beschaffenheit seyn müssen, als die jetzt bei unserer Armee
üblichen Soldaten-Mäntel, desgleichen die Modelle zu den Patron-
taschen und zu den Koch- und Trinkgeschirren werden vom lsten
März ab zu .in Augenschein genommen werden können.
Vom Tage des Eingangs dieser Verfügung, bis zum Tage, an
welchem, wie so eben erwähnt, die complette Gestellung der Land-
wehrmänner mit vollständiger Ausrüstung wohl unfehlbar statt finden
dürfte, sind mehr als drei Wochen. Dieser Zeitraum wird hinreichend
seyn, um die Ausrüstung der Landwehrmänner zu bewirken, wenn
nur Angesichts dieses auf thätigste damit vorgegangen wird, wofür
zu sorgen wir hierdurch Ihnen und jedem braven Preuszen zur an-
gelegentlichsten Pflicht machen.
Altpr. Moiutatebrift Bd. XIV. Hft. So.4, 21
322 Urkunden sar Geschichte der stand, Versammlungen in Königsberg
Es ist nicht nöthig, die durchs Verloosen sich erst bestimmenden
Individuen, welche in die Landwehr treten, zu kennen; sondern es ist,
um die Besorgung der Ausrüstungsstücke zu bewirken, hinreichend,
zu wissen, dasz nach dem §. 3. der Festsetzungen ic. die Stärke
der Landwehr fiir Litthauen, Ost- und Westpreuszen auf dem rechten
Weichsel-Ufer nur 20,000 Mann beträgt und dasz mithin nur der
fiinf und vierzigste oder fünfzigste Theil von der Totalität zum
Landwehr-Dienst gebraucht werden wird.
Um den doppelten sehr wohlthätigen Zweck zu erreichen, den
Obrigkeiten die Befiignisz zu lassen, die unentbehrlichem Individuen,
welche das Loos zur Landwehr trift, zurück zu behalten und in die
Beserve stellen zu können, und um den Abzug der seit dem 25sten
Dezember v. J. zu den Linien-Truppen gestellten Bekruten gleichfalls
den Obrigkeiten gestatten zu können, wird die General-Commission
sich allerdings auf den Grund des §. 2. der Festsetzungen ic. ge-
nöthigt sehn, die Zahl mehrfach gröszer, als der effective Bedarf der
Landwehr ist, zu repartiren. Indessen hat solches keinen Einfiusz
auf die Anfertigung der Ausrüstungsstücke für die Landwehrmänner,
weil das letzte Endresultat kein anderes seyn kann, als dasz, wie oben
erwähnt ist, der fünf und vierzigste oder fünfzigste Theil von der
Totalität aller Einwohner zum Landwehrdienst gebraucht werden wird.
5) Da es wichtig ist, eine richtige Ansicht von dem Wesen und Zweck
der Landwehr zu verbreiten, so übermachen wir Ihnen . . . Exemplare
von der Schrift: Was bedeutet Landsturm und Landwehr? mit dem
Auftrage, diese Schrift zur möglichst allgemeinen Eenntnisz der
dortigen Einwohner unverzüglich gelangen zu lassen.
Königsberg, den 19ten Februar 1813.
Die General-Commission für die Landwehr von Preuszen.
An
sämmtliche Herren Landräthe und
Magisträte in den Provinzen Lit-
thauen, Ostpreuszen und Westpreuszen
auf dem rechten Weichsel-Ufer.
Gedruckt als Circular für den Gebrauch der Behörden. [112*
von Bob Maller. §23
Fol. 5-8.
Festsetzungen,
betreffend:
die Landwehr
in
den Provinzen Litthauen, Ostpreussen, und Westpreussen
auf dem rechten Weichsel-Ufer.
Einleitung.
Die Erfahrung letzterer Zeiten hat auf die auffallendste Weise unwider-
sprechlich dargethan, dasz die Freiheit und Selbstständigkeit der Staaten
nur vorzüglich mit dadurch behauptet werden kann, wenn möglichst
zahlreiche und vortreffliche stehende Heere von einer ausserordentlichen
Landesbewaffnung unterstützt werden.
Die ausserordentliche Landesbewaffnung bestehet:
I. In der Landwehr,
IL Im Landsturm.
Die Aushebungen für das stehende Heer und die Bildung möglichst
zahlreicher Bekruten-Depots, zu dessen schleunigsten und kräftigsten
Verstärkung, sind nicht als ein Theil der ausserordentlichen Landes-
bewaflfhung anzusehen. Diese Operationen gehen den gewöhnlichen bis-
herigen Gang und die nachstehenden Bestimmungen haben auf die-
selben keinen Bezug.
I. Von der Landwehr.
§. 1.
Bestimmung der Landwehr.
Die Bestimmung der Landwehr ist:
1) die Armee in dem Augenblick, wo sie sich zurückziehen musz, wieder
zu verstärken und so die Verteidigung der Provinz möglich zu machen.
2) In dem unerwarteten Falle, wenn der Feind die Provinz von der
Seite oder dem Bücken anfallen sollte, während die stehende Armee
entfernt ist, die Vertheidigung der Provinz* zu bewirken, wobei sie
Unterstützung von Kavallerie und Artillerie von Seiten der stehenden
Armee erhält.
21*
324 Urkunden inr Geschichte der stand. Versammlangen in Königsberg
In Hinsicht auf den Verlust von mehr als einer halben Million
Menschen, welche die ohnehin menschenarme Provinz Preussen auf
dem rechten Weichsel-Ufer durch den frühem und gegenwärtigen
Krieg erlitten hat, soll die aus der Bevölkerung dieser Provinz zu
bildende Landwehr nicht auf dem linken Weichsel-Ufer gebraucht
werden.
Die Landwehr unterscheidet sich:
a) von dem Landsturm, dadurch, dasz sie eine vollkommnere mili-
tairische Organisation erhält, damit sie im Stande ist, mit den regel-
mäszigen Truppen fechten zu können,
b) von der stehenden Armee, dadurch, dasz sie nur zusammen
gezogen wird, wenn der Feind über die Grenzen vordringt, dasz sie
bis dahin nur so oft zusammen kommt, als zur notwendigsten Uebung
erforderlich ist, dasz sie nur während des Krieges dient, dasz Uniform
und Exercitium bei ihr einfacher und weniger genau sind, als beim
stehenden Militair, dasz die Verpflichtung zum Dienste bei ihr aus-
gedehnter ist, als beim stehenden Heere, mithin auch auf schon ver-
abschiedete Miütair-Personen geht, und dasz sie, so lange als sie
nicht wirklich gegen den Feind dient, keinen Sold erhält. In dieser
letzten Beziehung kann die Ausnahme statt finden, dasz, wenn Per-
sonen, welche nicht Guts-Eigenthümer oder angesehene Bürger sind,
zu Offizierstellen erwählt werden, diesen der halbe militärische Sold
gereicht wird, da ihnen sonst die Mittel zu ihrer Subsistenz entgehen
würden. Von dem Augenblicke an, wo die Landwehr wirklich gegen
den Feind auftritt, geht sie in die Besoldung und Verpflegung von
Seiten des Staats über.
§• 2.
Verpflichtung zum Dienste bei der Landwehr.
Verpflichtet sind zum Dienste bei der Landwehr, alle männliche
Einwohner der oben genannten Provinzen von 18 bis 45 Jahren, ohne
Unterschied der Religion und des Glaubens, mit Ausnahme der wirklich
Gebrechlichen, Krüppelhaften und unheilbar Kranken, so wie der Geist-
lichen und derer, welche ein Lehramt im Staate bekleiden, ohne Unter-
schied des Grades derselben.
von Bob. Müller. 325
Es ist einem jeden erlaubt, einen Stellvertreter für sich zu gestellen,
welcher jedoch die völlige Qualifikation eines Landwehrmannes haben
musz. Wenn dieser Stellvertreter in Jahresfrist mit Ausnahme des
Todes oder einer im Dienste sich zugezogenen Dienstunfähigkeit ab-
gehet, so musz der eigentliche Landwehrmann einen neuen stellen oder
selbst eintreten.
Sollte der Fall eintreten, dasz eine Behörde aufs gründlichste nach-
zuweisen vermöchte, dasz ein Officiant dergestalt arm und hülflos ist,
dasz es demselben absolut unmöglich wird, sich durch einen Stellver-
treter ersetzen zu lassen, desgleichen, dasz ein dergleichen Officiant von
so seltener Qualification ist, dasz derselbe durchaus von keinem andern,
auch bei der höchsten Anstrengung, übertragen [sie] werden kann; in
einem solchen Falle musz beides durch ein pflichtmäsziges Attest seines
1 Chefs nachgewiesen werden.
Um genau zu erfahren, wer nach der obenstehenden Bestimmung
zur Landwehr verpflichtet sey, und wie die Subrepartition auf die ein-
zelnen Dominien oder Communen geschehen müsse, ist es nöthig,
dasz die angesetzten Behörden die vollständigsten Listen über die
männlichen nicht ausgenommenen Einwohner der Provinz von 18 bis
45 Jahren haben, aus deren Totalität die Landwehr in folgender Art
entnommen wird.
Wenn die Landwehr auch nur auf zwanzigtausend Mann gebracht
werden soll, so wird sie doch bei der Anlage zur Subrepartition auf
30,000 Mann aus den unten anzugebenden Gründen angesetzt, wodurch
es natürlich möglich wird, 10,000 Mann in die Reserve zu stellen.
Da auch in neueren Zeiten und namentlich vom 25sten December
1812. ab, bedeutende Bekruten-Aushebungen geschehen sind, und bis
zur Zeit der Gestellung der Landwehr noch geschehen sollen, dadurch
aber einzelne Dominien oder Communen vor andern leiden, so ist es
billig, auch dies bei der Anlage zur Subrepartition, der Ausgleichung
wegen, in Anregung zu bringen. Die General-Commission hat zur Be-
förderung dieses Zwecks die dienlichsten Maaszregeln zu ergreifen. Da
jeder Mann von Ehre an dieser Landwehr Antheil nehmen und sich
nicht gerne ausschlieszen lassen wird, so wird zuvörderst jedem frei
326 Urkunden rar Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
gestellt, sich bei dem Dominio oder der Commune freiwillig zu dieser
Landwehr zu bestimmen. Die Freiwilligen, deren öffentlich eine ehren-
volle Erwähnung geschiehet, werden von der Summe der noch zu be-
schaffenden Mannschaft abgezogen, und der Best durch Verloosung
ausgemittelt. Aus diesen Ausgelooseten nimmt man dasjenige, was
ausser den Freiwilligen an den noch zu stellenden Landwehrmännern
fehlt. Um nun den Gutsbesitzern und Magisträten möglichst Erleichte-
rung zu verschaffen, wird diesen überlassen, mit Anführung der Gründe,
den unten näher zu bezeichnenden Special-Gommissionen vorzuschlagen,
welche Personen sie in die Reserve gesetzt zu sehen wünschen, wobei
vorzüglich darauf gesehen wird, dasz die weniger entbehrlichen Leute
am längsten zurückgelassen werden. Die Special-Commissionen werden
jeden billigen Antrag dieser Art bestätigen.
§. 3.
Stärke der Landwehr.
Was die Stärke der Landwehr betrifft, so wird in Erwägung der
oben erwähnten besonders unglücklichen Verhältnisse Preussens, von den
Provinzen Litthauen, Ostpreussen, und Westpreussen auf dem rechten
Weichsel-Ufer, zusammen eine Landwehr von 20,000 Mann gestellt
werden.
§• 4.
Bewaffnung, Bekleidung, äussere Auszeichnung.
Die Landwehr wird ganz mit Gewehren bewaffnet; äuszersten Falls
kann nur ein kleiner Theil mit gerade gemachten Sensen versehen seyn.
Ohne Ausnahme gehört zur Ausrüstung eines jeden Landwehr-Mannes,
ein tüchtiges Beil, ein Bänzel, eine Patronentasche, ein Koch- und.
Trink-Geschirr.
Die Kleidung der Land wehr- Männer kann die gewöhnliche seyn,
vorausgesetzt, dasz sie .anständig und warm ist, weshalb auch Stiefeln
und Winter-Handschuhe dahin gehören. Auszerdem musz der Landwehr-
mann mit einem tüchtigen Mantel und einer Mütze oder Huth versehen
seyn. Die Mäntel eines jeden Bataillons müssen eine Farbe haben,
die Hüthe oder Mützen mit einem passenden Abzeichen und der Nazional-
Oocarde versehen seyn.
▼on Rob. Möller. 327
Die Officiere tragen die Feldzeichen wie die Officiere der stehenden
Armee, und werden denselben überall gleich geachtet.
§.5.
Organisation.
Die Landwehr bestehet ans Fuszvolk, zu welchem, wenn es die
Umstände erfordern, die nöthige Artillerie und Kavallerie von dem
stehenden Heere gegeben wird.
Die Bataillons bestehen jedes aus 1000 Mann, und bilden 4 Linien-
und eine Jäger-Compagnie, zu welcher letzteren vorzugsweise die Mit-
glieder der Schützen-Gilde kommen. Die Formation ist so militärisch
als möglich.
Vier Bataillons bilden eine Brigade, die Brigaden bestehen nur
bis zu dem Augenblick, wo die Landwehr gegen den Feind gebraucht
werden soll, als eine Art von Inspection.
Vereinigt sich die Landwehr mit der Armee, so wird einem jeden
Infanterie - Regiment ein Bataillon Landwehr zugegeben, welches den
Feldzug bei dem Regiments mitmacht.
Auf den Fall, dasz die Landwehr gegen einen Feind gebraucht
wird, welcher die Provinz von der Seite bedroht, während die stehende
Armee noch vorne ist, so können die Brigaden, dann auch als eine
Organisation gegen den Feind benutzt werden.
§. 6.
Vollziehung der Organisation.
Für die Provinzen Litthauen, Ostpreussen, und Westpreussen auf
dem rechten Weichsel-Ufer, wird eine General-Commission, als oberste
Behörde, für alle, auf die Landwehr Bezug habende Gegenstände er-
wählt, welche mit Einschlusz des Präsidenten aus sieben Mitgliedern
besteht. Das erste Mahl erwählt die Versammlung der Stände den
Präsidenten und die übrigen Mitglieder, jedoch so, dasz für die letztern
mehrere Subjecte vorgeschlagen werden, und dem General-Gouverneur
die Wahl aus diesen zustehet. In der Folge geschiehet die Wahl und
der Vorschlag durch die General-Commission. Vier dieser Mitglieder
incl. des Präsidenten, sind aus dem Stande der adlichen Gutsbesitzer,
von denen wenigstens zwey im Militair gedient haben müssen. Eins
328 Urkunden zur Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
vom Stande der Cöllmer, Eins aus dem Stande der groszen, und Eins
aus dem Stande der kleinen Städte.
Auszer diesen Mitgliedern werden drey Substituten gewählt, welche
theils dazu dienen, im Falle der Verhinderung eines Mitgliedes, nach
der Wahl des Präsidenten in die Commission zu treten, theils alsdann
zur Versammlung zu erscheinen, wenn der Präsident es für gut findet,
sie zusammen zu berufen, in welchem Falle sie, gleich den Mitgliedern
volle Stimmen haben. Auch stehet ihnen frei, vor ihrer Einberufung
in die Commission an den Sizzungen, jedoch ohne Stimme Theil zu
nehmen, und sich so Eenntnisz von der Lage der Sache zu schaffen.
Der Commission wird fortwährend ein activer Staabs-Officier von Sr.
Königl. Majestät oder dessen Stellvertreter als Commissarius des Gou-
vernements zugeordnet, welcher vorzüglich die Leitung der rein- mili-
tärischen Gegenstände besorgt, und welchem in allen Angelegenheiten
eine volle Stimme zustehet, wenn gleich er das, was die Administration
und die Ausgleichung unter den einzelnen Communen betritt, mehr den
übrigen Mitgliedern der Commission überläszt. Im Fall eines nicht
bestehenden Einverständnisses zwischen diesem Staabs-Officier und der
Commission, entscheidet der jedesmalige General-Gouverneur der Pro-
vinz die Sache.
Die General-Commission hat zu Königsberg ihren Sitz, und hat
die Bestimmung, dafür zu sorgen, dasz die Landwehr nach den dieser-
halb zu gebenden Festsezzungen aufs Vollständigste und Zweckmäszigste,
in der möglichst kürzesten Frist formirt und während der Dauer des
Krieges stets zum augenblicklichen Gebrauch in Bereitschaft gehalten
werde. Diejenigen Mitglieder der General-Commission, welche früher
im Militair gedient haben, sind als die unmittelbaren Vorgesetzten der
Brigadiers zu betrachten und sind verpflichtet, durch öftere Revisionen,
denen der obenerwähnte, der General-Commission zugeordnete Staabs-
Officier, — behufs der Berichterstattung an den General-Gouverneur,
so oft seine übrigen Geschäfte es verstatten, beiwohnt, und so dann ab-
hält, [sie] sich von den Fortschritten der Organisation zu überzeugen
und zur Stelle die nöthigen Anordnungen zur schnellen und kräftigsten
Beförderung der Sache zu treffen.
von Bob. Möller. 329
Die General-Commission ist befugt, unmittelbar oder durch Re-
quisitionen der Landes- Collegien, Verfügungen an jeden Beamten in den
Provinzen zu erlassen, welche Verfügungen pünktlichst und schleunigst
befolgt werden müssen; indem nur allein durch die äuszerste Anstren-
gung aller Kräfte und durch die vollkommenste Einheit in diesen An-
strengungen, in einem so menschenarmen und durch die Begebenheiten
des letzten Jahres sehr unglücklichen Lande wie Preussen, die auszer-
ordentliche Maaszregel der Landwehr mit Erfolg ausgeführt werden kann.
Die 6eneral-Commis8ion ist ferner ermächtiget, jeden Verwaltungs-
Officianten, welcher ihren Verfügungen nicht schleunigst und vollständig
Folge leistet, sofort durch einen anderen auf seine Kosten in dem ihm
aufgetragenen Geschäfte ersezzen zu lassen und ihn zur Untersuchung
und Bestrafung der vorgesetzten Landesbehörde anzuzeigen.
Die Mitglieder der General-Commission erhalten keine Remuneration,
haben keine Kasse und bedienen sich des Subalternen-Personals und des
Locals des Ständischen Committöe. Nur die Mitglieder, welche die Briga-
den bereisen, erhalten freies Quartier und Vorspann behufs dieser Reisen.
Unter dieser General-Commission stehen Special-Commissionen und
zwar für jede Brigade eine, weshalb die General-Commission das Nä-
here festsezzen wird. Jede Special-Commission bestehet aus vier Mit-
gliedern, nämlich : einem von den adlichen, einem von den köllmischen
Gutsbesitzern, einem von den Städten, und dem Brigadier. Sie werden
sämtlich, mit Ausnahme des Brigadiers, von den Ständen des Bezirks,
welcher der Special-Commission zugewiesen ist, gewählt und von der
General-Commission, insofern dabei kein Bedenken obwaltet, bestätiget.
Eben so wählen die Special-Commissionen ihren Präsidenten selbst,
wozu die Genehmigung der General-Commission tritt. Durch diese
Special-Commissionen geschiehet die Errichtung der Bataillons sowohl,
als die Aushebung der Mannschaften, deren Bewaffnung, Bekleidung :c.
Diese Special-Commissionen sind ermächtiget, in Angelegenheiten ihres
Ressorts sich der bestehenden Obrigkeiten zu bedienen.
Die Mitglieder der Special-Commissionen erhalten keine Remune-
ration, wohl aber bei Dienstreisen Vorspann und freies Quartier. Die
Kosten des Locals und Subalternen-Personals übernimmt der Bezirk.
330 rhrknnden *ur Geschichte der stand. Versammlungen in Königsberg
§• 7.
Ernennung der Officiere.
Zu Brigadiers und Bataillons-Chefs können nur Grund-Eigenthümer,
zu den übrigen Officier-Stellen Eingeborne, aus den oben näher be-
zeichneten Provinzen, Grund-Eigenthümer oder solche Personen, welche
bereits seit drey Jahren in den Provinzen gewohnt haben, gewählt werden.
Die Brigadiers werden von der General-Gommission dem Landes-
herrn oder dessen Stellvertreter vorgeschlagen und dann von diesem
ernannt, wobei es der General-Commission überlassen bleibt, zu jeder
Stelle ein oder mehrere Subjecte, bis zur Zahl drei vorzuschlagen. Die
Verwerfung der Vorgeschlagenen kann geschehen, ohne dasz es der
Angabe specieller Gründe bedarf.
Die Bataillons-Chefs und andere Officiere werden in der Art er-
nannt, dasz die Special-Commissionen zu jeder Stelle drei Subjecte vor-
schlagen und die General-Commission einen von diesen zu der Stelle
bestimmt. Finden sich Stande, welche die Kosten der Ausrüstung
eines ganzen Bataillons übernehmen wollen, so haben sie die Verge-
bung sämtlicher Officier-Stellen des ganzen Bataillons.
Zu Unterofficieren werden, wo möglich ehemalige Soldaten ge-
nommen, sie werden von dem Hauptmann der Compagnie ernannt.
§. 8.
Kosten der Errichtung.
Die Gewehre giebt der Staat, so wie auch die nöthige Munition,
selbst zu dem Scheiben-Schieszen und anderen Uebungen. Die gewöhn-
liche Bekleidung besorgt ein jeder sich selbst, mit Ausnahme der Armen,
für welche diese von den Dominien oder Communen angeschafft wird.
Mäntel und Eopfbedekkung, so wie die im §. 4. vorgeschriebenen
Rüstungsstükke, werden den Landwehr-Männern, in sofern sie solche
nicht selbst freiwillig anschaffen wollen, geliefert. Die dazu nöthigen
Kosten bringt jedes Dominium oder jede Commune auf die ihm am
zweckmäszigst scheinende Art auf. Die General-Kosten welche durch
die Formation der Brigaden und Bataillons der Landwehr unumgänglich
nöthig werden mögten, bringt verhältniszmäszig derjenige Theil des
Landes auf, zu welchem diese Abtheilungen der Landwehr gehören.
von Bob. Müller. 331
§. 9.
Uebung.
Die Landwehr versammelt sich wöchentlich zweimal zu ihren
Uebungen in den Zügen der Compagnie dergestalt, dasz die Compagnie
aus vier Zügen bestehet, sich auf vier Punkten versammelt und übt,
und jeder Uebung ein Officier vorstehet. Der Hauptmann inspicirt diese
vier Officiere. Die Gewehre befinden sich daher in der Wohnung der
Officiere, die an dem Orte sich aufhalten, an welchem die zu ihrem
Zuge gehörige Mannschaft sich am fuglichsten versammeln kann.
Die Landwehr wird geübt:
a) in der Aufstellung zu drei Gliedern, im Vormarsch, Rück-
marsch und Seitenmarsch. Der Seitenmarsch geschiebet nur
Rottenweise und Sectionsweise, wodurch das Schwenken un-
nöthig wird«
b) dem Schieszen nach der Scheibe, wobei sich die Behandlung
des Gewehrs von selbst lernt.
Nach vierzehn Tagen werden die Compagnien zusammen gezogen,
nach andern vierzehn Tagen die Bataillons. Nach achtwöchentlicher
Uebung kommt die Landwehr nur einen Tag in der Woche zusammen.
Die Hauptleute, Bataillons - Chefs und Brigadiers sind in gleichem
Maasze verantwortlich für die Ausführung dieser Uebungen.
Die Brigadiers stehen, wie bereits §. 6. erwähnt ist, unmittelbar
unter der General-Commission und speciell unter den daselbst erwähnten
Mitgliedern derselben. Die Bataillons-Chefs stehen unter dem Befehl
der Special-Commissionen und der damit verbundenen Brigadiers.
§. 10.
Verpflegung und Besoldung.
Die Landwehr-Männer werden nur vom Staate besoldet, und auf
Kosten der ganzen Provinz verpflegt, wenn sie bleibend versammelt
sind, bis dahin erhält die Landwehr weder Verpflegung noch Sold, mit
Ausnahme des §.1. bemerkten Falles. Zu den Uebungen, welche nur
einige Tage dauern, nimmt ein jeder sich den nöthigen Mundvorrath
mit, indem nur dem Armen derselbe vom Gutsbesitzer oder dem Ma-
gistrat gereicht wird.
332 Urkunden zur Geschichte der stund. Versammlungen in Königsberg
Bei Uebungen, welche länger dauern, geschieht die Verpflegung
nach Anordnung der Special-Commissionen, mit möglichster Vermeidung
der Verpflegung aus Magazinen.
Abdruck bei Gerwien S. 73—76, »Zu Sehnt« und Trutz am Grabe Sehens.*
Berlin 1876. S. 581—593. — Die hier bei den Akten als Anlage zu [112*
befindlichen »Festsetzungen* sind ebenfalls ein zum Zweck der Bekanntmachung
gedrucktes Exemplar; ein zweites habe ich lose bei den Papieren der General-
Commission gefunden. Es sind diese »Festeezzungen* der Organisationsplan
der Landwehr, nach dem bis zum Eintreffen der Königlichen Verordnung vom
17. März ([109) verfahren wurde. Max Lehmann (S. 228 Anm. 2) lässt es un-
entschieden, ob der Text bei Gerwien die Variata oder Invariata sei. Ich halte
diese »Festsezzungen*, wie schon Bd. XIII. S. 614 al. 3 bemerkt, für die — Variata.
Auch Gerwien S. 19b, ebenso Droysen II, S. HO, und nach ihm Witt (Baumer,
Hist. Taschenbuch. 1857. S. 598) scheinen derselben Ansicht zu sein. Vgl.
[51 a. E., [112*, dazu die beiden Schreiben Yorks an den König vom 12. und
13. Februar, die Gerwien S. 17*— 19» und S. 20, Droysen im II. Bande,
S. 110—117 abdruckt, wie auch Dr. II, S. 317 Yorks Schreiben an die General-
Commission vom 16. Februar. In den vorliegenden »Festsezzungen* halte ich eben
al. 3 von §. 2 (»Sollte der Fall eintreten .... Chefe nachgewiesen werden.*)
und al. 5 von §. 6 (»Die General-Commission ist ferner ermächtiget
Landesbehörde anzuzeigen/) für die Punkte, die in Folge der Anträge Auen-
walds in dem ursprünglich zwischen York und den Ständen vereinbarten Organi-
sationsplan nachträglich so abgeändert sind, wie sie jetzt hier vorliegen: al. 3
von §. 2 gestattet allerdings einige Befreiungen von der principiell festgehaltenen
Landwehrpflicht der Beamten, aber — dass diese Ausnahmen der Königlichen Be-
stätigung bedürfen, wie dies York in dem Schreiben vom 12. Februar (Dr. II,
S. 113 a. E., Gerwien S. 18b a. A.) ausspricht, davon steht hier kein Wort;
auch scheint mir die in al. 5 von §. 6 ausgesprochene Befugniss der General-
Commission, einen ungehorsamen Beamten »durch einen anderen auf seine
Kosten in dem ihm aufgetragenen Geschäfte ersezzen zu lassen und
ihn zur Untersuchung und Bestrafung der vorgesetzten Landesbehörde
anzuzeigen* doch noch ganz etwas anderes zu sein, als die Macht derselben,
jeden Verwaltungsbeamten, der ihre Verfügungen nicht pünktlichst und
schleunigst befolgt, ohne weiteres selbst von dem Dienst zu suspendiren
(Droysen II, S. 114 al. 1, Gerwien S. 18b al. 2). [112b
Fol. 9. Vermerk
Es sind 5 Special-Commissiones errichtet
1. in Tilsit fär den Insterburgschen Kreis
2. — Rhein für die Kreise Sehesten
Oletzko
Neidenburg
3. — Koenigsberg Brandenburg
Schaaken
Tapiau
von Hob. Müller. 333
4. in Heilsberg für die Kreise Barten
Heilsberg
Braunsberg
5. — Mohrungen — — — Mohrungen
Marienwerder
Marienburg
Ungedruekt, Ist von Scheltz auf der zweiten Bogenhälfte des Circulars [112*
notirt. * [llgc
Fol. 10—17.
Was bedeutet Landsturm und Landwehr?
Es ist dies die bekannte Fingschrift ?on Ernst Moritz Arndt.
Fol. 24-31.
Diese 8 Blätter sind ein zweites Exemplar jenes Circulars von 4 Druckbogen,
dessen Inhalt wir als Urkunden [107— [109k gegeben haben. Vgl. [107 Anna.
Ich fuge hier als [113 — [115 drei Schriftstücke nach Gerwien und
Voigt hinzu, die dieselben von Seiten der Grafen Dohna zur Veröffent-
lichung erhalten haben.
Gerwien schreibt:
Ueber den eigentlichen Ursprung und Inhalt dieser ersten Vor-
schläge zur Errichtung der Landwehr und des Landsturms in den öst-
lichen Provinzen ist das nachstehende anzuführen.
Zunächst hat Sr Exzellenz der jetzige kommandirende General
Graf zu Dohna gestattet, das Folgende hierüber mitzutheilen.
„Während der Anwesenheit des Ministers v. Stein in Königsberg
waren auch der (zugleich englische und russische) General v. Dörn-
berg, der Oberstlieutenant Karl v. Clausewitz (damals in russischen
Diensten, und zwar im Generalstabe des Wittgensteinschen Korps),
und der Major Graf zu Dohna (damals in russischen Diensten, jetzt
kommandirender General des diesseitigen 1. Armee-Korps) eine längere
oder geringere Zeit in Königsberg anwesend. Die beiden erstgenannten
Offiziere waren mit dem Hauptquartier des General Grafen v. Wittgen-
stein nach Königsberg gekommen, der letztgenannte Offizier war von
334 Urkunden zur Geschichte der stand. Versamminngen in Königsberg
dem Marchese Paulucci, General-Gouverneur von Liefland und Kurland,
von Riga aus zum General Grafen v. Wittgenstein gesandt worden.
Der Minister v. Stein, nachdem er seine Kaiserliche Vollmacht
bei dem Präsidenten v. Auerswald geltend gemacht, und dieser in
Folge der erhaltenen Aufforderung eine ständische Versammlung be-
rufen hatte, war von dem Wunsche beseelt zur Beschleunigung der
Organisation einer Landwehr in der Provinz Preuszen mitzuwirken,
so weit es seine Stellung gestattete. Zu diesem Behuf forderte er
den Oberstlieutenant v. Clausewitz und auch den General v. Dörnberg
auf, dem Minister Grafen zu Dohna durch ihre Einsicht und durch
ihre im letzten Feldzuge gemachten Erfahrungen bei dem Entwurf zu
der beabsichtigten Organisation einer Landwehr je. zu unterstützen.
Dieser Aufforderung zu Folge schrieb Oberstlieutenant v. Clause-
witz seine Ansichten über Organisation eines Landsturms und einer
Landwehr oder Miliz nieder, und theilte gleich damals diesen eigen-
händig und nur flüchtig niedergeschriebenen Entwurf dem Major
Grafen zu Dohna (jetzigen kommandirenden General) mit, welcher
denselben noch jetzt besitzt, und genehmigt hat, eine Abschrift
[hier als [115 abgedrückt] davon zu nehmen/
Gedr. bei Gerwien S. 11. [U3
Gerwien fahrt dann weiter fort:
Die vorstehenden schätzenswerthen Mittheilungen werden von dem
Inhalt eines abschriftlich vorliegenden, und bereits anderweitig abge-
druckten Schreibens*) des Minister Grafen zu Dohna vom 28sten Februar
1820 in der folgenden Art bestätigt und vermehrt.
:c. „Unter meinen Papieren über Landwehrsachen befindet sich
nur der, nach gemeinschaftlicher Bücksprache mit meinen Brüdern
Ludwig und Fritz, vom General Clausewitz niedergeschriebene erste
militairische Entwurf zur Bildung der Preuszischen Landwehr, und
der von mir darnach gemachte erste Entwurf zu einer Verordnung
über diesen Gegenstand mit Korrekturen von der Hand v. Stein.
Ueber diesen Entwurf ward mit Tork und den Ständen konferirt; in
*) Dae Leben 4ee Königlich Preuuischen StaaUmtmetere etc. Grafen *u Dohna BehUMttm ic.
9. J. Voigt, Seite 97,
von Rob. Müller. 335
Folge dieser Konferenzen ward manches modifizirt; mit dem modi-
fizirten Plane ging mein seeliger Bruder nach Breslau, und dort ent-
schlosz man sich zur Bildung der Landwehr.
In jenen verhängniszvollen Tagen gab mir zwar auch York einen
Entwurf zur Landesbewaffnung, welchen ich noch besitze. Derselbe
aber taugt nicht viel, und hat R p *) zum Verfasser."
Joch. Voigt hat yod dieser schriftlichen Erklärung Dohnas noch drei Sätze
mehr abgedruckt. Es lautet das Schreiben bei ihm:
«In den Akten des ständischen Comitee befindet sich durchaus
kein schriftlicher Plan zur Landesbewaffnung von Scharnhorst. Ich be-
zweifele sogar, ob ein dergleichen Plan jemals schriftlich vorhanden
gewesen ist. Mehrmals habe ich mit dem seligen Scharnhorst über
den Gegenstand gesprochen; es ist mir aber nicht erinnerlich, dasz ich
einen schriftlichen Plan darüber in Händen gehabt. Unter meinen
Papieren über Landwehrsachen befindet sich u. s. w
aber taugt nicht viel und hat B . . . !) zum Verfasser. *
Gedr. bei Gerwien S. llb, Voigt S. 27. Vgl. dazu: »Zu Schutz und Trutz*
S. 554 f. ') ßibbentrop. [114
I. Das Wesentlichste
in der Organisation eines Landsturms und einer Miliz.
Vom Obristlitutenant Carl v. Claus ewiU.
1. Landsturm.
Zweck. Der Landsturm ist bestimmt, dem Feinde wenn er in
die Provinz vordringt, den Besitz aller der Gegenden streitig zu machen,
wo er gar keine Truppen oder nur schwache Detachements hat. Die
Natur des Krieges und die Geschichte des letzten Feldzuges zeigen uns
im gleichen Maasze die Wichtigkeit dieses Zweckes.
Mittel. Der Landsturm besteht aus allen Einwohnern, die im
Stande sind die Waffen zu tragen. Dadurch wird er im Stande auf
allen Punkten, ohne eine umständliche Organisation zu haben, und ohne
weitläuftige Vorkehrungen, in zahlreichen Haufen sich zu versammeln,
um über die feindlichen Detachements und Traineurs mit Ueberlegenheit
herzufallen, welches sein einziger Zweck ist.
Jeder Einwohner von 18—60 Jahren ist also verpflichtet, dem
Landsturm beizutreten.
336 Urkunden inr Geschichte der stund, Versammlungen in Königsberg
Waffen und Büstung. Sie bestehen aus Piken, besonders gerade-
gemachten Sensen, Aexten, Jagdflinten, Säbel u. s. w., kurz jedem
tödtlichen Instrument.
Da Viele Wenige erschlagen sollen, ist jedes Instrument hinreichend ;
ein Strohkranz im Hut oder der Mütze, sichert den Eopf gegen den
Hieb, und ein Ränzel dient zur Aufbewahrung der Lebensmittel.
Organisation. Der Landsturm, am weitesten von dem Wesen
stehender Heere entfernt, kann von einer militairischen Organisation
nur wenige groben Umrisse haben. Kreise und Städte bilden Land-
sturmhaufen, denen ein Hauptmann vorgesetzt ist. Mehrere Land-
sturmhaufen bilden den Landsturm einer Provinz — von Ermeland —
Samland :c. Diesen einzelnen Landstürmen ist ein Oberster vorgesetzt,
und alle zusammen stehen unter einem Landeshauptmann.
Der Landeshauptmann, die Landsturm -Obersten und Hauptleute
werden von dem Landesherm oder seinem Stellvertreter bestimmt, die
anderen Anfuhrer von den Gemeinen gewählt, so dasz jedes Dorf, grosz
oder klein, seinen Anführer hat, den sie aber nicht ohne Genehmigung
des nächsten Obern absetzen können.
Verfahren des Landsturms. Sobald der Feind sich der Pro-
vinz nähert, worin der Landsturm eingerichtet ist, werden durch den
Landeshauptmann diejenigen Kreise aufgeboten, welche sich zunächst
auf beiden Seiten der Straszen befinden, auf welchen der Feind vorgeht.
Da wo der Feind mit Macht ist, verhalten sich die Einwohner
entweder ruhig, oder sie wandern aus nach den nächsten Kreisen und
Provinzen.
Da wo der Feind nicht mit Macht ist, werden zwei Maaszregeln
den Zweck des Landsturms erfüllen, die erste ist, dasz in jedem Dorf
an allen Ausgängen ein Paar Mann Wache halten, um, sobald sich
etwas vom Feinde zeigt, im Dorfe Lärm zu machen; die zweite, dasz
der Landsturm-Hauptmann einen Haufen, von ein oder mehreren Hun-
derten nach der Volkszahl seines Kreises sogleich versammelt, um damit
entweder selbst Streiche auszufuhren gegen die feindlichen Fourageure,
Marodeure und Transporte, oder zu seinem Landsturm-Obersten zu
ptoszen, wenn ihn dieser auffordert.
▼on Rob. Maller. 337
Die Landsturm-Hauptleute versammeln ihren Landsturm auf einen
Punkt nur dann, wenn sie eine bestimmte Unternehmung gegen einen
bedeutendem Haufen der feindlichen Armee beabsichtigen.
Verpflegung des Landsturms. Die Natur der Unternehmungen,
welche dem Landsturm aufgegeben sind, erfordert keine dauernden
Operationen. Ein Tag oder ein Paar werden gewöhnlich zur Erreichung
des Zwecks hinreichen. Auf diese führt ein jeder Einzelne die Lebens-
mittel mit sich. In Fällen, wo der Landsturm sich auf andere Kreise
in entlegene Wälder zurückziehen wollte, und also mehrere Tage zu-
sammen bliebe, lebt derselbe mit den Einwohnern, wie das bei marschi-
renden Soldaten so häufig, fast immer, der Fall ist.
IL Die Landwehr oder Miliz.
Der Landsturm soll, wenn der Feind in die Provinz vordringt,
dazu dienen, ihn auf einen schmalen Strich Landes einzuschränken, der
ihm zur Kommunikation mit seinen zurückgelegenen Provinzen dient.
Welche Vortheiie daraus flieszen, haben wir in Ruszland gesehen.
Die Land-Miliz soll dazu dienen, unsere Armee in dem Augen-
blick, wo sie sich zurückziehen musz, und durch diesen Bückzug wie
immer geschieht, sehr geschwächt wird, wieder zu verstärken, und da-
durch die Vertheidigung der Provinz möglich zu machen. Durch diese
Verstärkungen auf dem Sückzuge wird eine Armee bald die Ueberlegen-
heit über die ihr folgende feindliche gewinnen. Wenn also beide, Land-
sturm und Landwehr, zur Vertheidigung der Provinz dienen, so unter-
scheidet sich doch die letztere eben des näher bestimmten Zweckes
wegen dadurch, dasz sie eine vollkommenere militairische Organisation
erhält, damit sie im Stande sei, mit den übrigen Truppen gemeinschaft-
lich zu fechten.
Sie unterscheidet sich von dem stehenden Heere dadurch, dasz
sie nur zusammengezogen wird, wenn der Feind über die Grenzen vor-
dringt, dasz sie bis dahin nur so oft zusammen kommt, als zur not-
wendigsten Uebung erforderlich ist, dasz sie so lange nicht bezahlt
wird, dasz sie nur während des Krieges dient, endlich vielleicht, dasz
Uniform und Exerzizium bei ihr einfacher und weniger genau sind, als
beim stehenden Militair.
▲ltpr. MooftttMhrift Bd. XIV. Hft. 3a.i -22
338 Urkunden zur Geschichte der stand* Versammlungen in Königsberg
Mittel, Menschen. Die jüngste Mannschaft des ganzen Landes,
ohne Unterschied des Ranges, gehört zur Miliz. Je nachdem man
dieselbe stark oder schwach haben will, wird man vom 18ten bis zum
40sten Jahre mehr oder weniger Männer ausheben ; man wählt vorzugs-
weise solche, die schon Soldat gewesen sind.
Wenn man von 50 Menschen einen aushebt, so wird man von
1 Million 20000, und von 4 Millionen 80000 Mann Miliz bilden können,
welches von der einen Seite eine grosze Maaszregcl ist, wodurch man
grosze Wirkungen hervorbringen kann, von der anderen Seite keine
Ueberspannung der Kräfte ist. Die Offiziere sind Individuen aus der
Masse der Milizen selbst, soviel als möglich solche, die schon gedient
haben, Edelleute und andere gebildete Einwohner des Kreises, der
Provinz je. Ueber ihre Ernennung unten.
Waffen und Rüstung. Die Miliz musz wo möglich ganz mit
Gewehren bewaffnet sein, ein kleiner Theil allenfalls mit Piken.
Ein Ränzel, eine Patrontasche und eine Axt sind die unentbehrlich-
sten Stücke der Ausrüstung. Ein Mantel, ein Hut oder Mütze, 1 Paar
Stiefeln und Handschuh die unentbehrlichsten Stücke der Kleidung.
Uebereinstimmung in der Kleidung eines Bataillons und Zeichen,
woran man sogleich das Korps erkennt, in welchem jeder dient, sind
sehr wesentliche Stücke.
Organisation. Man bildet Bataillone zu 1000 Mann in 4 Kom-
panien getheilt, im übrigen der Formation stehender Truppen so ähn-
lich als möglich.
3 oder 4 Bataillone bilden eine Brigade; die Abtheilung in Regi-
mentern ist hier unnöthig, die Brigaden bestehen nur bis zu dem
Augenblick wo die Miliz gegen den Feind gebraucht werden soll, als
eine Art von Inspection.
Vereinigt sich die Miliz mit der Armee, so wird einem jeden
Infanterie-Regiment ein Bataillon Miliz zugegeben, welches den Feld-
zug bei dem Regimente mitmacht. Diese Einrichtung hat sich bei der
Wittgensteinschen Armee bewährt.
Die starken Bataillone sind gut, weil es ohnehin an Offizieren fehlt,
und eine starke Formation das Kriegswesen vereinfacht.
von Bob. Müller. 339
Vollziehung der Organisation. Der Landesherr oder sein
Stellvertreter bestimmen eine aus 3 oder 4 Personen bestehende Militair-
Commission, in welcher ein angesehener tüchtiger Militair und ein ge-
scheuter, vornehmer Landeseinwohner sich befinden.
In den verschiedenen Gouvernements-Bezirken werden etwa für jede
lOOOOO Seelen Spezial-Kommissarien ernannt, die aus einem tüchtigen
Militair in oder auszer Dienst und 3 oder 4 Eingebornen bestehen.
Die Glieder dieser Kommission werden von den Ständen gewählt, und
der Haupt-Kommission vorgeschlagen. Durch die Spezial-Kommissarien
geschieht die Errichtung der Bataillone.
Verpflegung. Die Miliz wird nur bezahlt und verpflegt, wenn
sie sich bleibend versammelt hat, um zu den übrigen Truppen zu stoszen.
Alsdann geschieht die Verpflegung durch die Provinz.
Frei-Bataillone und Frei-Korps. Die Errichtung anderer
Milizen als Infanterie, ist durchaus zu widerrathen; die Kavallerie
würde immer unbrauchbar bleiben, durch die Errichtung besonderer
Korps aus Freiwilligen würden die Kräfte des Landes zersplittert werden ;
es würden die besten und willigsten Soldaten und Offiziere den Milizen
entzogen, und es ist ziemlich durch die Erfahrung erwiesen, dasz der-
gleichen Korps von der anderen Seite in Spielereien ausarten, und dasz
sie weniger nützlich sind, als alle übrigen. —
(Königsberg im Anfang des Jahres 1813 geschrieben.)
Gedr. bei Gerwien als Beilage 3a S. 70»— 71b, ,Zu Schatz und Trutz*
S. 581-593. [115
(Fortsetzung folgt.)
22*
Kritiken und Referate.
Schultz, Dr. Franz, Geschichte der Stadt und des Kreises
Kulm. Erster Theil bis zum Jahre 1479. Lieferung I.
Danzig, A. W. Kafemann. 1876.*)
Der Verfasser, der hier mit dem Anfang einer grösseren Arbeit
vor die Oeifentlichkeit tritt, sowie der Gegenstand, den er sich auser-
sehen, sind dem Leserkreise dieser Zeitschrift nicht mehr unbekannt.
In den letzten drei Jahrgängen hat die Altpreussische Monatsschrift
mehrfach Aufsätze zur Geschichte und Topographie der Stadt Kulm
zur Ordenszeit aus der Feder des Herrn Dr. Schultz gebracht, die alle
ein reges Interesse für den behandelten Stoff, Kenntniss der localen
Verhältnisse, aber auch die Neigung zu gewagten Combinationen und
Überschätzung der eigenen Entdeckungen bekundeten. In unerfreulichem
Andenken bei allen preussischen Historikern steht der Autor gegen-
wärtiger Schrift durch seine Polemik gegen Toppen in Sachen Conrad
Bitschins in den beiden letzten Jahrgängen dieser Zeitschrift, woselbst
er die von den Herausgebern der Scriptores rerum Prussicarum ge-
wonnenen Notizen über den Kulmer Stadt- und Vielschreiber verwerthend,
ein breiteres aber nicht tieferes Bild zeichnet, als Toppen, und, ohne
mehr als sein Vorgänger zu geben, jenem den Vorwurf der Dürftigkeit
macht. Handelte es sich im vorigen Jahr um die bessere Würdigung
einer bisher verkannten Persönlichkeit, so soll jetzt »nur ein seit langen
Jahren rückständiger Zoll der einst so berühmten, später bis zur Un-
gebühr unterschätzten Stadt und dem dazu gehörigen Kreise abgetragen
werden.* Dass eine Geschichte des Kulmer Kreises, besonders wenn
sie zu einer Geschichte des Kühner Landes erweitert wird, eine ebenso
*) Vgl. Jenaer Literaturf eitung 1876. No. 44. S. 584.
Dr. Frans Schultz, Geschichte der Stadt und des Kreises Kulm« 341
nothwendige Arbeit für die Provinzialgeschichte, als eine dankbare Auf-
gabe für einen Localhistoriker ist, wird Niemand leugnen. Leicht ist
sie aber nicht: denn es handelt sich um die Geschichte eines Landes,
um das von Alters her zwei Nationen gestritten haben, der Geschichts-
schreiber hat also zwei Literaturen zu beherrschen, wenn er Herr seines
Stoifes werden will; er hat, wie bei jeder Geschichte von Orten, die
keine politische Rolle gespielt haben, sich vor der Ueberschätzung seines
Gegenstandes zu hüten und den Hauptaccent auf die Geschichte der
Verfassung, sowie die Topographie zu legen, die politische Geschichte
des Landes im Ganzen als bekannt vorauszusetzen und nur den An-
theil, den der betreffende Ort an den einzelnen Entwickelungsmomenten
gehabt, den Einfluss, den die wechselnden Geschicke des Landes auf
die Stadt ausgeübt, hervorzuheben.
Der erste Theil, den Dr. Schultz vorlegt, umfasst die politische
Geschichte Kulms bis zum Ende des vierzehnten, die innere Entwickelungs-
geschichte der Stadt bis zum Ende des dreizehnten Jahrhunderts; er
gliedert sich in drei Abschnitte und den Anfang des vierten, das
Kulmerland vor der Ordensherrschaft (S. 1—28), Geschichte der Stadt
und des Kreises Kulm während ihres Aufblühens unter der Ordens-
herrschaft (1230— 1300) (S. 29—92), die innere Entwickelung der Stadt
und des Kreises Kulm während dieser Zeit (S. 93—143) und die Blütbe-
zeit der Stadt und des Kreises Kulm unter dem deutschen Orden
(1300—1479) (S. 144—160). Die Quellen, die dem Verfasser für diese
beiden Jahrhunderte zu Gebote standen, waren ausser den allgemeinen
preussischen Geschichtsquellen, die in den Scriptores rerum Prussicarum
und den Urkundensammlungen veröffentlicht sind, die Urkunden und
Stadtbücher des städtischen Archivs in Kulm und die Schätze des
Staatsarchivs in Königsberg. Da nicht jedem preussischen Historiker die
Vergünstigung, die im Königsberger Staatsarchiv lagernden Materialien
in dem gewünschten Umfange benutzen zu dürfen, zu Theil geworden ist,
so ist man berechtigt ganz besondere Erwartungen an das vorliegende
Buch zu knüpfen: Dr. Schultz selbst hat S. 344 des vorigen Jahrganges
der Altpreussischen Monatsschrift besonders auf seine Beziehungen zum
Königsberger Archiv aufmerksam gemacht.
342 Kritiken und Referate.
Wichtiger aber für eine Geschichte des Kulmerlandes als Kulm
und Königsberg ist augenblicklich Prauenburg. Referent ist wahrlich
kein Freund von jahrelangem Verschleppen längst verheissener Publica-
tionen, wie sie bei uns in Preussen Regel ist, aber für die Geschichte
des Kreises Kulm wäre es doch erspriesslicher gewesen, das in naher
Aussicht stehende Erscheinen des von bewährter Hand vorbereiteten
Codex diplomaticus Culmensis abzuwarten oder, wenn Dr. Schultz schon
jetzt mit seinem Werke hervortreten musste, warum klopfte er nicht
auch in der ermländischen Domcurie an? Noch kein wissensdurstiger
Historiker ist von dort ungelabt fortgegangen, denn in dem Wohnort
cjes Copernicus verstattet man Jedem sein Lichtchen an der eigenen
Leuchte anzuzünden und fürchtet nicht, dass der eigene Schein dadurch
vermindert werde. Manch schwerer Irrthum wäre dem vorliegenden
Buche durch eine Verbindung seines Autors mit. Herrn Domvicar Wölky
erspart geblieben.
Denn an Irrthümern, grossen und kleinen, ist die Kulmer Kreis-
geschichte, wie der folgende Nachweis zeigen soll, leider überreich.
Schon der erste Abschnitt, die Geschichte des Landes vor der Ordens-
zeit, zeigt eine bedenkliche Hinneigung zu längst beseitigten Theorien.
So kann Dr. S. sich S. 12 nicht entschliessen, die Sage von Waidewut
und seinen eilf Söhnen als spätere gelehrte Erfindung, wofür sie doch
erkannt ist, fallen zu lassen ; S. 21 tritt er der Gothenhypothese Voigts
völlig bei und leitet Kulm aus der indogermanischen Ursprache her.
Ueber die älteste Gestalt des Namens Kulm ist er sich nicht klar ge-
worden : er übersieht, dass die älteste. Form dieses Namens in der
Urkunde vom 23. April 1228 Chelmen lautet, dass alle früheren Er-
wähnungen desselben in der latinisirten Form der Ueberlieferung nach
jünger sind (so Culmen in der falschen Urkunde von 1065, Culmensis
bei Boguchwal zu 1139 und Colinen im Transsumpt des Lonyzer Ver-
trages von 1235 und 1264). Wir müssen also einräumen, dass uns
der Name Kulm zuerst im polnischen Gewände entgegentritt. Indem
Dr. Schultz alle diese Urkunden nur nach den schlechten Abdrücken
Watterichs aus dem Manuscript des Lucas David benutzt, ist er freilich
nicht in der Lage auf kritische Genauigkeit in einzelnen Sprachformen
Dr. Frans Schnitt, Geschichte der Stadt und des Kreises Kulm. 34.3
und die Frage der Ueberlieferung überhaupt einzugehen. Schief, wie
die Urgeschichte des Landes, beurtheilt er auch die Anfange der Stadt:
sagt er doch S. 19, dass „das in dem Visitations-Protokoll [von 1680]
angegebene Gründungsjahr 577 der Wahrheit ziemlich nahe kommt",
und ebendaselbst: „namhafte Schriftsteller, wie Kaspar Schütz, wissen
zu erzählen, dass Kulm von den heidnischen Preussen gegründet sei
Die zuverlässigsten Nachrichten, sowie die an Ort und Stelle aufge-
fundenen Münzen weisen auf das achte Jahrhundert zurück." Die
Jahreszahl 577 stammt nur aus Grunau's Chronik, der ins Jahr 573
die Theilung Widewuts setzt (Tract. II. Cap. IV. §. 1. S. 68). Mit
Bestimmtheit lässt sich nur sagen, dass Kulm im zwölften Jahrhundert
Sitz eines polnischen Kastellans war, um die Burg hatte sich wahr-
scheinlich ein offener Marktflecken angesiedelt; von städtischem Leben
kann keine Bede sein, jedenfalls fegte der Preussensturm der Jahre
1216 ff. alles hinweg. Von den Zuständen des Kulmerlandes in polni-
scher Zeit weiss Schultz mehr als seine Vorgänger: wo kommen z. B.
die S. 6 erwähnten polnischen Lasten im Kulmerlande vor? Keine
klare Vorstellung macht er sich von dem Wirken Bischof Christians,
des preussischen Missionärs. Er nennt ihn nach alter Schablone Christian
von Oliva, ohne den Nachweis des Beferenten zu entkräften, dass diese
Bezeichnung nur auf einer fehlerhaften Lesart der erst ein Jahrhundert
nach. des Bischofs Tode abgefassten Chronik von Oliva beruht (Altpr.
Monatsschrift IX, 628). Von neuem sucht S. die nicht polnische Ab-
stammung Christians zu verwerthen, während alle Anzeichen dafür
sprechen, dass er ein polnischer Cistercienser war. Die beiden Urkunden
von 1212 verlegt er nach Watterichs Vorgang S. 22 andauernd ins
Jahr 1213, S. 23 weiss er von Widerwillen des Bischofs gegen Heinrich
den Bärtigen zu erzählen, S. 24 deducirt er aus einer in Camin von
Christian bezeugten Urkunde für Dargun dessen Anwesenheit in diesem
Kloster ; S. 26 fragt sich der Leser vergebens, warum 1222 innerhalb
der alten Stadtbefestigung Kulms schon ein Dominicaner- und ein
Cistercienserkloster bestanden haben müssen, da dem Bischof nur frei-
gestellt wird sich ein beliebiges Kloster (conventum qualem voluerit)
anzulegen. Von kleineren Versehen in diesem Abschnitt erwähnen wir
344 Kritiken und Referate.
S. 5 den Marder- und Dachsfang in der Eulmer Handfeste §. 4 (castores
= Biber), den Ortsnamen Nauschutten (bona Nauschutten), den Einfall
der Preussen von Westen in das Kulmer Land, S. 14, 15 die Benutzung
des Dlugosz für das zwölfte Jahrhundert; gern würde Referent auch
das S. 27 n. 3 für das Misslingen der Mission Christians citirte Chron.
Germ, näher kennen lernen: ein Druckort ist leider nicht angegeben.
Der zweite Abschnitt steht dem ersten an Fehlern nicht nach.
Dass sich Schultz aus dem Widerstreit der Meinungen über die Ur-
kunden von 1228 bis 1231, durch die der deutsche Orden nach dem
Kulmerlande und Preussen gerufen wurde, nicht herauswinden kann, ist
ihm nicht zu verargen: nur unter steter Berücksichtigung der polnischen
politischen Verhältnisse und bei genauem Achten auf die Ueberlieferung
jedes einzelnen Stückes ist es möglich, die zahlreichen, sich zum Theil
widersprechenden Urkunden in Einklang zu bringen. Den Zustand des
Eulmerlandes und der Burg Eulm stellt sich jedoch Schultz ganz falsch
vor, indem er glaubt, dass die Reste der altpolnischen Stadt und die vom
Orden wieder hergestellte Burg die Hauptstadt des Bischofs Christian
von Preussen gewesen seien: seinen Irrthum veranlasst die Benutzung
Watterichs, der im Abdruck der bekannten Klageschrift des Bischofs
gegen den Orden in der Bulle vom 11. April 1240 an der entscheidenden
Stelle: ecclesiam episcopalem et totam terram episcopatus, civitatem et
castrum Sanctir, das wichtigste Wort Sanctir ausgelassen hat. Nicht
Kulm, wie Schultz meint, war der Sitz des Bisthums, sondern Zantir;
in Kulm hatte der Bischof nach dem Vertrage von 1222 nur eine Curie
und ein Kloster zu errichten, aber keine Domkirche; von dem bischöf-
lichen Hof in Kulm wissen wir gar nichts, in dem Kloster vermuthet
Schultz ein Cistercienserkloster, dem Heidenreich, der spätere erste Bi-
schof von Kulm, vorgestanden haben soll; ich möchte eher an das
Cistercienserinnenkloster denken, das sich wirklich in Kulm nachweisen
lässt. Das Missverstehen der Bulle vom 11. April 1240 verleitet Schultz
zu einer ganzen Kette falscher Schlüsse ; seine Deduction von den Resten
der slavischen Bevölkerung, der Ansiedelung der Neugetauften, dem
Unterschied von Ober- und Unterstadt ist völlig hinfällig. Wir wissen
weiter nichts, als dass 1232 der deutsche Orden auf der Stelle der
Dr. Franc Schulte, Geschichte der Stadt und des Kreises Kulm. 345
polnischen Burg Chelmno eine Burg und neben derselben eine Stadt
anlegte, die er mit deutschen Kolonisten besetzte und denen er am
28. Dec. 1233 in der Kulmer Handfeste sehr ausgedehnte Privilegien
gab. Von kleineren Verstössen, die sich in den zweiten Abschnitt seines
Buches eingeschlichen haben, notiren wir S. 39 die Benutzung des
Lucas David als Quelle für das dreizehnte Jahrhundert, S. 41 hält er
sanctimoniales für einen besonderen Orden [„das Jungfrauenkloster der
Sanktimonialien (Benedictinerinnen)', wir kommen darauf noch in an-
derem Zusammenhange zurück], ein „heimliches Gemach* für einen
unterirdischen Gang; S. 58 heisst der Kulmer Pfarrer im Text Johannes,
in der Note Henricus, S. 59 ist die Treue Macko's (nach Luc. Dav. III, 17)
als müssige Combination Grunau's zu streichen, S. 67 wird als Datum
der Theilungsurkunde der preussischen Bisthümer der 4. Juli statt des
28. Juli angegeben, S. 68 u. 69 ist die chronologische Reihenfolge der
Begebenheiten verkehrt, S. 83 wird Jacob von Lüttich auch die Friedens-
vermittelung von 1253 zugeschrieben, während sie in Wahrheit Opizo
vonMezanum besorgte oder eigentlich nur den Frieden zwischen Swan-
topolk und dem Orden bestätigte; S. 88 wird noch einmal die längst
widerlegte Fabel von der Preussenfahrt Rudolphe von Habsburg (der
den »Kaiserthron* bestieg) aufgewärmt, S. 91 wird die Burg Plowenz
zu einem Lehnsmann; eine ganze Reihe falscher Jahreszahlen wollen
wir nur als Druckfehler ansehen.
Schlimmer, als die beiden ersten Abschnitte, ist der dritte ausge-
fallen, in welchem Schultz die innere Entwickelung der Stadt Kulm
von 1230 bis 1300 darstellt. Für diesen Abschnitt bringt er auch
Material aus dem Königsberger Staatsarchiv bei, zwei Urkunden aus
einem Copialbuch, das ihm also nicht, wie anderen Benutzern, vorent-
halten werden konnte, vermutlich weil er im Auftrage der Kreisstände
und unter Verwendung des Landrathsamtes schreibt. Schade nur, dass
Schultz mit Urkunden nicht recht umzugehen versteht, da er, wie wir
gleich sehen werden, die seltsamsten Dinge herausliest und hinein-
interpretirt. Von den beiden Urkunden, die Schultz aus dem Fol. A. 78
(früher betitelt „Culmisehe Privilegien von Gewichtten, Ellen- und Huben-
maass" etc.) S. 104 u. 107 abgedruckt hat, waren beide übrigens längst
346 Kritiken und Referate.
bekannt, wenn auch der Text der ersteren von 1244 jetzt zum ersten
Mal vorliegt. Schultz hat ihn, wie er angiebt, nicht ganz entziffern
können, jedenfalls hat er an einigen Stellen falsch gelesen, S. 104
Z. 11 v. n. lies vestra statt nostra (Noverit universitas vestra), Z. 8
ponendo statt pronendo, und Z. 2 v.u. nostri statt jure (nostri con-
ventus sigilli munivimus appensione). Mit welchem Recht Schultz frei-
lich in dieser Urkunde, der Vertauschung eines dem Dominicanerkloster
gehörigen Krautgartens gegen eine Ziegelscheune, eine hochwichtige
politische Maassregel gegen die polnische Altstadt sieht, vermögen wir
nicht zu verstehen. Die zweite S. 107 ff. mitgetheilte und besprochene
Urkunde von 1267 ist längst bekannt, schon im Jahre 1836 hat sie
Jacobson in Ledebur's „Neues Archiv für die Geschichtskunde des
preussischen Staates * Bd. II, 38.39 abdrucken lassen, ohne soviel Lese-
fehler zu begehen, wie der neueste Herausgeber. Bei letztcrem ist zu
verbessern: S. 107 Z. 15 v. u. Priederici Ludwici in fratris Ludwici,
Z. 13 ergänze hinter Sanctimoniales — ordinis Cisterciensium, Z. 12 hinter
conditione — interposita, für Papovo lies Papow, Z. 10 statt plantas
1. planeas (ebenso Z. 8), Z. 6 1. struxerimus statt instruxerimus , Z. 1
1. dictum statt datum, S. 108 Z. 5 1. redierint st. redierunt, hinter dem
Datum a. D. 1267 fehlt mense Marcii. Durch diese Lesefehler gelangt
Schultz nicht zum richtigen Verständniss der höchst einfachen Ur-
kunde. Es handelt sich um eine zeitweilige Verlegung des Nonnen-
klosters in die Stadt selbst; den Nonnen werden gegen die Verpflich-
tung, einen Weg an den Planken frei zu lassen und einen Wächter zu
halten, vier Hofstätten überlassen; ziehen sie in friedlicheren Tagen
(es war die Zeit der Einfälle Mestwins von Pommern in Pomesanien
und das Kulmerland) wieder vor die Stadt, so sollen sie die vier Hof-
stätten nur an Weltliche verkaufen, sind aber all ihrer Verpflichtungen
ledig. „ Höchst merkwürdig" findet Dr. Schultz diesen Vertrag, weil er
nämlich statt plancae — plantae liest, und da er doch „ Pflanzen14
schlechtweg nicht sagen kann, „Buschwerk* übersetzt. Seine Inter-
pretation wird demgemäss so wunderbar, dass .wir sie ganz hierhersetzen
wollen. S. 107: „Die Sanktimonialen hatten 4 Hofstätten am Abhänge
des Berges gekauft, von denen man noch nicht recht wusste, ob
Dr. Frans 8chullz, Geschichte der Stadt und des Kreises Kulm« 347
sie zur Stadt oder zur Vorstadt zu rechnen seien. Diese
Baustellen waren von Buschwerk umgeben. Sie hatten sich zu
denselben einen Durchgang vorbehalten; die Stadt aber gab nur unter
folgenden für jene Zeit höchst bemerkenswerten Bedingungen ihre Zu-
stimmung zu dem Kaufe: 1. der Weg zwischen dem Buschwerk und
den Baustellen solle frei bleiben; 2. von den 4 Baustellen sollten sie
verpflichtet sein, einen Wächter für die Stadt zu unterhalten; 3. wenn
die Stadtmauer beendet sein würde, so sollten sie von diesen 4 Hof-
stätten zum Bau der Mauer beisteuern gleich den übrigen Bürgern der
Stadt; ö.(!) wenn nach mehren Friedensjahren die Nonnen sich veranlasst
fühlen sollten, ausserhalb der Stadt etwa auf einer anderen Stelle zu
bauen, dann sollten sie jene Hofstätten an weltliche Personen verkaufen,
welche demnächst zur Ausübung und Erfüllung des vollständigen
Weichbildrechtes befugt und verpflichtet sein sollten.*
Zu berichtigen ist ferner in diesem dritten Abschnitt S. 101 die
Erwähnung einer Ordenschronik der Cistercienserinnen; wie sich aus
N. 2 ergiebt, sind die Annalen von Oliva gemeint. S. 104 versteigt
sich S. sogar zu der Behauptung, die erste Kulmer Handfeste sei doch
„in erster Reihe* „für die nicht deutschen Elemente ausgestellt*,
S. 1 10 verwechselt er die beiden Bettelorden mit einander, die schwarzen
Mönche sind die Dominicaner, die grauen die Franziskaner, S. 113/4
wirft er den Pfarrer von Kulm mit dem Kulmer Domprobst zusammen,
S. 117 behauptet er, die Kulmer Dominicaner seien in der Mitte des
13. Jahrhunderts die magdeburgischen Predigermönche genannt, auf
Grund einer Bulle, welche eben an diese letzteren gerichtet ist, mit
den Kulmern aber nichts zu thun hat; ebendaselbst spricht er von
einem „Abt* der Predigerbrüder (statt Prior); S. 118 wird wieder ein-
mal (aus Hennenberger) eine Grünaus che „Sage* aufgetischt. Von
S. 118—126 schaltet er eine Geschichte des Bisthums Kulm ein, von
dem er meint, es sei „mit der Stadt Kulm und deren Gebiet seit den
ältesten Zeiten auf das Engste verwebt*, eine irrige Ansicht, die wir
schon oben widerlegt haben. Der episcopatus Culmensis nahm seinen
Namen von der Landschaft, mit der Stadt hatte er nichts zu schaffen.
Dass Gregor IX. dem „Abt* des Dominicanerklosters zu Kulm bischöf-
\
34g Kritiken und Referate.
liehe Functionen übertragen, erweist die dafür angefahrte Urkunde in
Voigts Cod. dipl. Pruss. I, S. 42 durchaus nicht; sie ist gar nicht an
die Kulmer Predigermönche gerichtet. S. 123 meint Schultz: Bischof
Friedrich von Hausen habe in Kulm „residirt* („zu Kulm ansässig*
nennt er denselben S. 45 n. 1), weil von den acht Zeugnissen, die wir
über den Aufenthalt des Bischofs haben, S. gerade nur dasjenige kennt,
welches ihn in Kulm zeigt, die S. 107/8 abgedruckte Urkunde; S. 124
nennt er den polnischen Chronisten Dlugosz „gut unterrichtet" über
den Eintritt des Kulmer Domcapitels in den deutschen Orden, S. 125
Anm. 1 giebt er eine Uebersicht über die Kulmer Bischöfe des drei-
zehnten Jahrhunderts, .nennt Friedrich einen Hessen (Grünau IX. A.
Cap. IV. S. 293) und berichtet von Heinrich, dessen urkundlich beglau-
bigten Beinamen Pincerna er nicht kennt, das Geschichtchen, welches
Grünau 1. c. 294 nachweislich von Wicbold auf diesen übertragen hat.
Die S. 138 — 140 gegebene Uebersicht der im dreizehnten Jahrhundert
ausgegebenen Güter im Kulmer Kreise lässt sich, wie uns von befreun-
deter competenter Seite versichert wird, aus dem Königsberger Archiv
und den Grundbüchern bedeutend vermehren.
Der letzte Abschnitt entbehrt auch nicht der bisher wahrgenom-
menen Eigentümlichkeiten. Anstatt für die Erwerbung Pommerellens,
die auf drei Seiten darzustellen für eine Kreisgeschichte Kulms kein
Bedürfhiss vorlag, Caro und Voigt zu verwerthen, citirt er Dlugosz;
S. 154 übersetzt er zwei Notare durch „den Staatssecretair und dessen
Stellvertreter g; S. 159 muss wieder Lucas David für die Gründung des
Nonnenklosters im Löbenicht herhalten.
Zum Schluss stellen wir die Druckfehler, an denen das 10 Bogen
starke Heft sehr reich ist, zusammen:
S. 1 n. 1 lies cap. 27 statt ep. 27; S. 2 n. 3 1. locum st. lacum;
S. 3 1. Lonyzer st. Lowiczer (und so immer) ; S. 4 1. verändern st. Ver-
anden; S. 15 il 1 1. praeda st. paeda; S. 20 1. Metamorphose st. Mata-
morphose; S. 21 n. 2 1. Schmeller st. Schneller; S. 23 n. 1 L diplomaticus
st. deplomaticus ; S. 29 n. 3 1. 1222 st. 1232 ; S, 32 n. 5 1. nostrae st. noetrae ;
S. 33 1. gereicht st. gerieht; S. 38 n. 1. Anhang st. Anfang; S. 39 1. 1276
st. 1273; S. 40 1. Potterberges st. Potterberger; S. 43 n. 1 1. fewres noet
A. Keusch, Wilhelm Gnapheus, der erste Bector des Elbinger Gymn. 349
st. fewres uont; S. 46 1. Vogt (advocatos) st. Voigt; S. 54 n. 2 1. Pruteni
st. Pruteri; S.57 L 1237 st. 1236; S. 59 1. 3) st. 4); Jahrzehend st.
Jahrzend; S. 66 1. 600 (oder 200) Hufen st. 500 Hufen; S. 67 1. 1243
.st. 1245; S. 84 1. 1260 st. 1261; S. 88 1. Nineric st. Niverik; S. 92
1. 1294 st. 1292; S. 93 1. 11. April st. 10. April; S. 95 n. 3 1. 1249
st. 1246; Lüttich (Leodiensis) st. Leyden; S. 112 n. 1 1. Ss. r. Pr. EL
st. V.; S. 114 1. 1. Oct. st. 30. Sept.; n. 4 1. reverendus st. referendus;
S. 115 n. 1. sui quondam notarii st. seu q. n.; S. 121 n. 1. 11. Apr. 1240
st. 16. Apr.; 28. Juli st. 4. Juli; 16. Sept. st. 13. Sept.; S. 122 n. 3
1. 18. März st. 18. April; S. 124 1. 1279 10. Aug. st. 1274; S. 130 n.2
1. Dogiel st. Dogiol; S. 136 n. 2 1. Vislae st. Vissae; S. 142 1. 17. Nov.
st. 16. Nov. ; S. 148 1. die Stadt — es ; S. 157 1. Pourageure st. Porogeure ;
S. 159 1. Budau 1370 st. Buda 1380; S. 160 1. 1241 st. 1210. —
Ein Gesammturtheil über diese neueste Bereicherung unserer Pro-
vinzialgeschichte abzugeben, erscheint nach dem Beigebrachten über-
flüssig. Selten hat wohl Ueberhebung gegen eine anerkannte Autorität
mit eigenen wenig hervorragenden Leistungen so genau Schritt gehalten,
wie in diesem Fall.
Greifswald, September 1876. K *"**"*•
Wilhelm Gnapheus, der erste Bector des Elbinger Gymnasiums.
IL Theil. Von Prof. A. Bens eh. (Progr. des Elbing. Gymn.)*)
Den Schluss der Monographie über den ersten Bector des Elbinger
Gymnasiums bringt das diesjährige Osterprogramm der nämlichen An-
stalt. Wilhelm Gnapheus (der Walker de Volder oder von dem Walker-
graben van de Voldersgraft) ist nicht der kraftvolle, stürmende An-
hänger der lutherischen Reformation, er tritt nicht streitlustig gegen
die alte Lehre und ihre Vertheidiger auf den offenen Kampfplatz. Einem
Luther ahnt er sehr wenig. Und doch gehört er zu den Verbreitem
der neuen Lehre, nicht in der Auffassung Luthers, sondern über ihn
hinausgehend hält er sich zur freieren Auffassung der Abendmahlslehre,
*) Theil I. erschien gleichfalls als Gymn.-Progr. 1868. Vgl. Altpr. Mtsschr. VI,
8. 260—261.
350 Kritiken und Referate«
wie sie auch die Schweizer hatten. Eine auffallende Aehnlichkeit des
Rectors Wilhelm mit Desiderius Erasmus kanu nicht unbemerkt bleiben.
Humanist und Lehrer wie dieser hat Gnapheus auch die feine satirische
Ader. Ebenso zeigte Erasmus keine Streitlust trotz seiner der Reforma-
tion günstigen Gesinnung. Gnapheus legte wie Erasmus das Haupt-
gewicht auf gelehrtes Studium der Alten und freie durch keine hierar-
chische Schranken eingeengte Lehre. Er bedurfte zur Erreichung dieser
Ziele eine Stätte der Ruhe und Sicherheit. Deshalb vermied er jede
Herausforderung. Er verbirgt sich hinter Anonymität in dem über
apologeticus, um seine in der Nachbarschaft Elbings vom Herzog Albrecht
angesiedelten sacramentirerischen Holländer Freunde zu vertheidigen.
Er verwahrt sich im Morosophus den gelehrten Ganonicus Kopernicus
in Frauenburg anzugreifen, und dennoch erwehrt sich der Leser kaum
der Annahme des Gegentheils, wenn er die wunderlichen Gerüchte über
das Thun und Treiben des esoterischen Naturforschers aus Thorn in
Betracht zieht. Streben nach Ruhe für sein gelehrtes Wirken und
Sicherheit für seine äussere Stellung ohne seine religiöse Ueberzeugung
verleugnen zu dürfen, bringen ihn in Verbindung mit dem Hüter der
alten Lehre, dem Bischof von Ermland, Dantiscus. Der war ja auch
humanistischen Studien ergeben, er war gekrönter Poet, er hatte der
kirchlichen Vermittlungspartei, so lang es ging, angehört. Mit ihm
stand Gnapheus in literarischem Verkehr, bis auch Dantiscus der hierar-
chischen Strömung folgend ein Werkzeug der reagierenden Kirchenherr-
schaft wurde. Die weltliche Macht am polnischen Königshofe, zu
kräftigem Einschreiten aufgestachelt, erzwang dann endlich die Ent-
fernung des Gnapheus. Der bedeutende Gelehrte und einflussreiche
Lehrer, dem eben die Hoffnung winkte in Elbing eine Hochschule er-
richtet zu sehen und an ihr zu wirken, konnte nicht seiner religiösen
Ueberzeugung untreu gemacht werden. Keine Ausschreitungen in Leben
und Lehre greifbarer Art konnte man ihm zum Vorwurf machen. Denn
bei dem Strudel der Meinungen hüben und drüben war der objective
Massstab, was dogmatisch gestattet, was nicht, noch keineswegs ge-
funden. Da kamen der altkirchlichen Partei die Privatverhältnisse des
Gnapheus zu Hilfe. Es wurde bekannt, dass er in Holland die Weihen
A. Keusch, Wilhelm Gnapheus, der erste Reetor des Elbinger Gymn. 351
erhalten. In Elbing hatte er sich vermählt, das wurde der Anlass zn
seiner Vertreibung im Sommer 1541.
Sieht man von der eingehenden und sorgfältigen Behandlung der
literarischen Erzeugnisse des Gnapheus und von der Analyse seiner
Hauptwerke ab, so ergiebt die Monographie zwei Haupttheile. Diese
sind durch den verschiedenen Aufenthaltsort des Bectors in Elbing und
Königsberg bestimmt. Der Zustand des Herzogthums und die Lage
des polnischen Preussens bieten sich von selbst zur Vergleichung dar.
Auf kirchlichem und politischem Gebiet finden wir in beiden Landes-
theilen Rührigkeit. Im Herzogthum tritt der Erfolg hervor, im polnischen
Preussen erlahmt die Kraft im vergeblichen Bingen. Im Herzogthum
ist die in einer Hand liegende Macht wirksam, im polnischen Preussen
sind es nur die grossen Städte und, sieht man näher zu, nur Danzig
und Elbing, welche auf unfruchtbaren Landestagen Anstrengungen ver-
suchen und sich bescheiden müssen, wenn nicht fürs ganze Land, so
wenigstens für ihre selbständigen Landbezirke einige Vortheile zu retten.
Der Adel und die Geistlichkeit war in Gefolgschaft der Krone Polen,
diese wieder den Einwirkungen der päbstlichen Curie hingegeben. Kraft-
volles Leben und Schaffen im Herzogthum, im polnischen Preussen
ausser in den grossen Städten Trägheit und Widerwille gegen den Fort-
schritt. Die Keformation fasste im Herzogthum in kurzer Zeit festen
Fuss, in Elbing dauerte es gegen ein halbes Jahrhundert, bis die Stadt
ihre religiöse Freiheit erkämpfte. Zu einer und derselben Zeit strengten
sich beide Landestheile an eine Hochschule zu gründen. In Königs-
berg gelang es, im polnischen Preussen konnte weder Gulm noch Elbing
das Ziel erreichen. Die Verbindung des Gnapheus mit Holländer Freunden
in Elbings Nachbarschaft und Königsberg führt zur wohlgelungenen
Schilderung der Beziehungen, in denen der Elbinger Humanist zu Felix
König (Polyphem), zum Kanzler Hans von Kreutz, zur Heideck'schen
Partei und zu seinem Gegner Georg Beich (Plutus, Philoplutus) steht.
Die Darstellung der Königsberger Verhältnisse schafft den Boden für
das Auftreten des Buhe suchenden Gelehrten im Herzogthum. Erst wird
derselbe nach begründeter Annahme des Verfassers Bath des Herzogs,
bis ihm 1544 die geeignetere Stelle eines Bectors am Pädagogium und
352 Kritiken und Referate.
Lectors an der Universität sich darbietet. Des Verfassers Absicht ist
es nicht des ehemaligen Elbinger Rectors Schicksalen in Königsberg
weiter nachzugehen. Er hat es aber nicht über sich vermocht dem
Leser die erwachende Hoffnung zu lassen, dass Gnapheus dort die er-
sehnte Ruhestätte gefunden. Es wird noch mitgetheilt, dass am 9ten
Juni 1547 die Excommunication des Gnapheus an die Thür der Dom-
kirche angeheftet und das Abreissen vom Gegner desselben, dem Caplan
Reich verhindert worden.
Dies in allgemeinen Zügen der Inhalt der gediegenen und für die
Provincialgeschichte bedeutenden Abhandlung.
Gegen den Schluss werden aus Gnapheus Schriften siebenzehn Schüler
namhaft gemacht, von denen fünf mit ausreichenden Personal-Notizen
versehen werden konnten. Aus andern Nachrichten werden noch fünf
Schüler nachgewiesen.
Hinter der Abhandlung folgen 40 Distichen das Lob Elbings aus
der neueren Mercursrede in deutscher metrischer Uebersetzung, auf die
des Gnapheus Worte vom Gebäude des Gymnasiums (v. 4.) passen:
«Kunstvoll trefflich gebaut/
Ortsnamen des Regierungsbezirks Gumbinnen (Deutsche, Polnische,
Litauische). Meistenteils auf Grund urkundlichen Materials
erklärt von Ferdinand Hoppe, Gymnasial-Oberlehrer, Gum-
binnen. C. Sterzeis Buchhandlung (Richard Rose) 1877. 4° 16 S.
In dieser kleinen, dem Gymnasial-Director Prof. Dr. J. Arnoldt zu
Gumbinnen gewidmeten Schrift steckt eine grosse Fülle gewissenhafter
Forschung und tüchtiger Arbeit.
Aeusserst geschickt hat der Verfasser derselben einen überaus
reichen Inhalt in die knappste Form gepresst. Wie leicht eine falsche
Erklärung von Ortsnamen den Geschichts- wie den Sprach-Forscher auf
wunderliche Abwege leiten kann, dafür liefert gerade die Specialgeschichte
unserer Provinz mancherlei Beispiele. Es ist durchaus nicht nöthig bei
jedem Ortsnamen, in welchen sich der Stamm „Rom" findet, an ein
Bomowe zu denken oder in jedem Ereiwütschen oder Ereiwöhnen einen
F. Hoppe, Ortsnamen des Regierungsbezirks Gumbinnen. 353
Kriwe zu suchen. Um derartigen, oft recht verhängnissvollen Irrthümern
vorzubeugen, hat sich der Verfasser mit grosser Mühe die verschieden-
artigsten Quellen zu erschliessen gewusst. Indem uns derselbe durch
alle sechszehn Kreise des Regierungs-Bezirks Gumbinnen fuhrt, stützt
sich seine Erklärung der Ortsnamen auf die Kenntniss der ursprüng-
lichen, wie die Vergleichung der Grund- abgeleiteten und zusammen-
gesetzten Wortformen. Dabei forscht er eingehend nach Land und
Leuten, den Namen der Ansiedler, ja er geht selbst auf die ursprüng-
liche Heimath derselben zurück und dringt, mit reichem urkundlichem
Material ausgerüstet, zuweilen tief in die Geschichte einzelner Orte ein.
So werden seine kurzen Andeutungen für den Geschichtskundigen zu
Bildern, welche uns einzelne Gegenden unseres engern Vaterlandes in
einem ganz neuen Lichte zeigen und, einer Zauberlaterne gleich, fuhrt
das Schriftchen bald ein Stück Natur, bald ein Stück Geschichte in
überraschender Reihenfolge an unserm geistigen Auge vorüber. Irr-
thümer haben wir auf Gebieten, wo uns eine Controle möglich war,
nicht bemerkt, Ergänzungen, die wir hie und da beibringen könnten,
stellen wir lieber dem Verfasser zu, der sich hoffentlich auf dem von
ihm betretenen Gebiete mit dieser Probe seiner Gelehrsamkeit nicht
begnügen wird. Druck und Ausstattung sind vorzüglich. Durch Ver-
fügung der Königl. Regierung zu Gumbinnen vom 23. December 1876
ist auf Grund eines Ministerialerlasses den Volksschul-Lehrern von neuem
die Abfassung von Schulchroniken ans Herz gelegt. Da diese Schrift
bei derselben bedeutende Fingerzeige geben kann, so wäre die An-
schaffung derselben aus den, meistens sehr vermögenden, Kirchspiels-
Schulkassen für Jede Schule des Gumbinner Regierungsbezirks in hohem
Grade wünschenswerth. Unsere noch immer schwer vernachlässigte
Heimathskunde kann auch von Oben herab nicht genug mit Wort und
Werk gefördert werden. Dieselbe erweckt die Liebe zu dem Boden,
der uns nährt und trägt. Dass dieselbe in vielen Herzen zum Schaden
des Landes zu erkalten beginnt, beweist unter andern die Auswanderungs-
lust, welche sich seit einiger Zeit ganz besonders auf dem in dieser
Schrift geschilderten Gebiete regt. j^y Roue
Altpr. Monatsschrift Bd. XIV. Hft. 3 u. 4, 23
354 Kritiken and Beferate.
Quellenbeiträge zur Geschichte der Kreuzzüge herausgegeben von
Dr. Hans Prutz. Erstes Heft. Danzig, A. W. Kafemann. 1876.*)
Der Geschichtschreiber Heinrich des Löwen und Friedrich I. hat
neuerdings seine Studien den Kreuzzügen zugewandt, nachdem er auf
einer mit Professor Sepp in München unternommenen Reise nach Syrien
sich mit der Kenntniss des heiligen Landes selbst ausgerüstet hatte.
Das vorliegende Unternehmen bezweckt, kleinere Quellenschriften zur
Geschichte der Ereuzzüge, die bisher nur in den schlechten Texten der
älteren Sammlungen zugänglich waren und vorläufig in dem grossen
französischen ßecueil des historiens des croisades noch keine Stelle ge-
funden haben, in correcten, nach den Handschriften revidirten Abdrücken
vorzulegen. In diesem ersten Hefte giebt Prutz eine Quelle zur Ge-
schichte Antiochia's von 1114—1119, die Bella Antiochena des Kanzlers
Gautier und das bisher dem Kadulf von Coggeshale zugeschriebene
Chronicon terrae Sanctae, welches die Schlacht bei Hittin, den Fall
Jerusalems und den Anfang des dritten Ereuzzuges behandelt. Für die
erste Schrift, die seit Bongars noch nicht wieder herausgegeben war,
sind für die neue Ausgabe zwei Pariser und eine Berner Handschrift
benutzt, für die zweite stand Prutz dagegen nur derselbe Pariser Cod.
von S. Victor 476 (Paris, Bibl. Nation.) zu Gebote, den auch Martene
und Durand im Beginn des vorigen Jahrhunderts ihrer Ausgabe zu
Grunde legten, zwei englische Handschriften (Ms. Norfolk XI, College
of arms und Ms. Cotton. Cleopatra B. 1. vgl. Scriptores rerum B ritt an.
med. aevi Vol. 38. p. LV. LVII) sind für diese neue Edition nicht be-
nutzt. Ob für diese letztere ein Bedürfhiss vorlag, erscheint vielleicht
fraglich, da erst im vorigen Jahre Stevenson im 66. Bd. S. 209—262
der Scriptores rer. Brittan. den libellus de expugnatione terrae Sanctae
nach den genannten drei Handschriften edirt hat. Auch die von Prutz
in der Einleitung über die Entstehung des Libellus geäusserten An-
sichten sind grösstenteils (wie er selbst S. XXII angiebt) schon von
Stubbs in seiner Ausgabe des Itinerarium regis Ricardi (Ss. rer. Brit.
Vol. 38 p. LV— LVTI) vorgebracht und werden auch von dem neuesten
*) Vgl. in »Mittheilungen aus der historischen Literatur* Jahrg. IV. 1877. Hft. 1
die Anzeige von L. Streit.
Völkel and Thomas, Taschenwörterbuch. $55
englischen Herausgeber (L c. 66 p. XVIII— XIX) wiederholt. Einen
weiteren Beleg für seine Meinung, dass der eigentliche Libellus nur
bis Cap. XXII. incl. (S. 93 seiner Ausgabe) reicht, die letzten sechs Ab«
schnitte ein von anderer Hand zugefügter Auszug aus dem Itinerarium
regis Bicardi sind, hätte Frutz die Einsicht der Oxforder Handschrift
geliefert, welche an dieser Stelle auf fol. 17 (p. XIX der englischen
Einleitung vgl. mit S. 251 n. 1) eine halbverlöschte Bandbemerkung ent-
hält, von der Stevenson noch Bicard' explicit entziffern konnte.
Ein Vergleich beider Ausgaben lallt hinsichtlich der Textrevision zu
Gunsten der englischen aus, auch fehlen bei Prutz die Capitelüber-
schriften, dagegen hat er die Capitelzählung beibehalten und sachliche
Erläuterungen beigegeben. Dem Libellus folgen in beiden Ausgaben
zwei Briefe Kaiser Friedrichs und Saladins, von denen Prutz den ersten
für eine müssige Stilübung, den anderen dagegen für eine Uebersetzung
aus dem arabischen Original hält: das letzte ihm unverständliche Wort
des zweiten: Myomus Baeni, liest Stevenson: Mirmuraeni. Ein Index
Nominum schliesst das erste Heft der Quellenbeiträge ab. Die Aue*
stattung durch die Verlagshandlung ist nur zu rühmen, wie ja über-
haupt die Eafemannsche Buchhandlung in Danzig die einzige in der
Provinz Preussen ist, welche auf den Namen einer Verlagshandlung
Anspruch machen kann. jg pt/ftadL
Greifswald, September 1876.
Taschenwörterbuch der Auesprache geographischer und histo-
rischer Namen für das allgemeine Bildungsbedürfnis zusammen-
gestellt von Maxim. J. A. Völkel und Alfred Thomas,
Oberlehrern an der Realschule 1. Ordnung zu Tilsit. Heidel-
berg, Carl Winters Universitäts-Buchhandlung. 1876.
Unstreitig ist die Herausgabe eines Wörterbuchs der Aussprache
in dem Umfange des vorliegenden und für den von den Verfassern ins
Auge gefassten Leserkreis ein glücklicher Griff zu nennen, und wir
zweifeln nicht, dass die dargebotene Gabe von dem Publikum, für
welches sie zunächst bestimmt ist, mit Lust und Eifer als eine höchst
23*
356 Kritiken und Referate.
willkommene begrüsst werden wird, weil eben das Bedürfniss, welches
durch dieselbe befriedigt werden soll, ein allgemein fühlbares und all-
gemein gefühltes ist, und zwar nicht ausschliesslich in dem Kreise der
sogenannten allgemeinen Bildung, sondern auch mancher Gelehrte wird
mit Vergnügen zu einem Büchlein greifen, welches ihm in zweifelhaften
Fällen — (und für wen gäbe es deren nicht?) — das Zurückgehen auf
die primären Quellen, die ihm nicht einmal jederzeit augenblicklich zur
Hand sind, in liebenswürdiger Weise erspart. Ein Haupterforderniss
aber, um einem solchen Buche seine volle Berechtigung zu sichern, ist
die Zuverlässigkeit jedes seiner Artikel. Wir verkennen nicht die
Schwierigkeit, dieser Forderung in ihrem ganzen Umfange zu genügen,
da es sich um ein Material handelt, welches auf die Kenntniss fast
aller Sprachen der gebildeten Welt basirt ist. Mit besonderer Befriedigung
haben wir wahrgenommen, dass die geehrten Verfasser mit einer ge-
wissen Vorliebe solche Sprachen und die Gesetze ihrer Aussprache be-
rücksichtigt haben, welche im allgemeinen den Kreisen unseres gebildeten
Publicums weniger nahe zu treten pflegen, z. B. die sehr eigenthüm-
liche und im übrigen Europa so wenig gekannte Sprache der Ungarn.
Dagegen können wir nicht umhin zu bedauern, dass selbst in den Kreisen
der mehr allgemein zugänglichen Sprachen das Taschenwörterbuch An-
weisungen enthält, die sich schwer oder gar nicht rechtfertigen lassen.
Bei der oben ausgesprochenen Anerkennung, welche wir dem Unter-
nehmen in hohem Grade zollen, möchten wir nicht gern an demselben
zum Splitterrichter werden, aber es kommen auch Dinge darin vor, über
welche nicht zu schweigen für uns Gewissenssache ist. Wir zweifeln
nicht und wünschen sogar lebhaft, dass der von den Verfassern so
glücklich angeregte Gedanke sie selbst oder Andere zur Weiterführung
desselben Themas veranlassen werde. Mögen diesen künftigen Bebauern
des fruchtbaren Feldes, soweit es mit ihrer eignen Ueberzeugung sich
verträgt, unsere unmassgeblichen Bemerkungen als Fragezeichen und
als wohlgemeinte Fingerzeige oder sonst als schätzenswerthes Material
zur Verfügung gestellt sein und zu Gute kommen. Aus einer wohl-
gemeinten und wohlaufgenommenen Kritik geht bekanntlich immer das
Publicum als der gewinnende Theil hervor. — Nach dieser Einleitung
Volke] und Thomas, Taschenwörterbuch, 357
schreiten wir zur Sache, indem wir ganz kurz diejenigen Namen der
Reihe nach herausheben, deren Aussprache wir nach unserer Ueber-
zeugung verbessert wünschen. Abd-er-Rhaman, richtiger geschrieben
und gesprochen Abd-ur-Rahman (mit consonantisch hörbarem h).
Abulfeda oder Abulfadä. Agen (aäahng'). Ahriman (ahrimahn, mit
consonantisch hörbarem h in der ersten Sylbe). Eerman, besser ge-
schrieben und gesprochen Kliman (kirmahn), Provinz in Persien, das
alte Caramania. Chandernagor, Chandernagore, richtig geschrieben und
gesprochen Chandra - nagara (tschandra - nagara) d. i. Mondstadt. China
sprich (tschina), dagegen Chimborazo (schimboraßo). Klytämnestra wird
wohl jetzt, nachdem von Dr. Schliemann Agamemnon in Person auf-
gefunden worden ist, diesem als Gemahlin wieder zugestellt werden
müssen, zumal Menelaus nie Ansprüche auf ihren Besitz erhoben hat.
Konija, sprich (konija), Stadt in Kleinasien. Koreischiten , sprich
(koraischiten oder kuraischiten, viersylbig), arabische Familie in Mecka,
welcher Muhammed angehörte. Krotoschin, geschrieben Krotoszin, ge-
sprochen Krotoschin. Curzola (Curzola). Cyaxares (Küaxares). Cynos-
cephalae (Künoskeflfalä). Czartoryski (tschartoriski), polnische Fürsten-
familie. Ladik-Ladikijeh-Lattakijeh türkisch, die Stadt Laodicea in
Syrien. Mansura, Stadt in Aegypten, sprich Manflura. Marakesch ist
eben der arabische von den Türken beibehaltene Name der Stadt Marokko
selbst. Modlin (modlin), Stadt in Polen. Napier, englischer General,
sprich Näpper, Nepper. Narbada = Narbuda = Nerbuda (narbadda, nar-,
nerbudda). Newcastle, englischer Stadtname (njukässl). Newgate (njugeht),
Stadttheil von London. New-Market, Ort in England (nju- market).
Newport, Ort in England (nju-port). Nisibin (nihflibihn). Noli, Stadt
in Italien (noli, nicht noli). Nowaja Semlja (nowaja §emlja, nicht
flemlja). Obeid (durchaus obeid, obaid, nicht obe-id). Pamplona-
Pampluna, Stadt in Spanien. Parias, sachlich, nicht eine Kaste bei den
Indern, sondern die von den Hindus als unreine angesehenen Urbewohner
des Landes, die ausserhalb jedes Kastenverbandes stehen. Pataliputra,
Stadt in Bengalen, heute Pälibotra. Pelopidas als spartanischer Feld-
herr eine historische Novität. Pescha-wer = Pischa-wer. Pichincha
(pischinscha), Vulkan in Ecuador. Puerto Cabello (puerto kaweljo),
358 Kritiken and Referate.
Stadt in Venezuela. Rabelais (rabelft), franz. Schriftsteller. Rhone
(rohn), Fluss in Frankreich, durchaus als Masc. zu gebrauchen, vgl.
Salanse u. a. Artikel.« Rousseau (rufio), franz. Schriftsteller. .Sachalin
(Aachaljan)* offenbar druckfehlerhaft und unklar. Sahara (nur flahara),
die grosse lybische Wüste. Saladin, genauer* Saläh - eddin (flaladihn,
Balähedditan). Tabris = Tebriz (tabrihs, tebrihs), Stadt in Persien, das
alte Tauris im Kaukasus. Tiberis, Tiber, Fluss in Italien, durchaus Masc
Ud8chaln = Udien (in beiden Formen zweisylbig), Stadt in Vorder-
indien! deren alter einheimischer Name istUdiäjini. Varinas (wahrinas),
Stadt in Südamerica. Varzin (warsin), Gut in Pommern, Kreises Schlawe.
Viscount (wiskaunt), englischer Adelstitel. Voltaire (woltäbr), französ.
Schriftsteller. Warakadu, soll wohl heissen Wärakratu, Beiname des
indischen Gottes Indras. Wieliczka (wjelitschka) Stadt in Galizien.
Zigmund (sigmund), polnisch = Sigismund. Almaden, Orte in Spanien,
arabisch = Bergwerk. Almamum ist unrichtig geschrieben und unrichtig
betont. Der bekannte Chalif hiess Al-mamuhn. Baalbek (nicht -beck)
sprich (ba-albek); ebenso das S. 18 noch einmal aufgeführte gleichbe-
deutende Balbek. Bajazed und Bajasid ist ein und derselbe Name und
lautet (bajasihd). Baktschiseraj (baktschihfleraj). Balfrusch, sprich
(bahl- fem lisch). Bassora; hier ist das 0 missbräuchlich eingeschoben;
die Stadt heisst arabisch Bassra, Basra. Beauregard, Beaurevoir, bei
diesen und ähnlich gebildeten Namen wurde einem französischen Ohre
die im Wörterbuch angegebene Aussprache bohr-gahr, bohr-woahr sehr
befremdlich klingen. In solchen zusammengesetzten Namen, deren
zweiter Theil regard, revoir ein selbstständiges Wort ist, behauptet das
sogenannte stumme e seine sylbenbildende Kraft ebenso, wie es dieselbe
in der Poesie und im solennen Redevortrage durchaus überall behauptet
hat, und der Franzose theilt in der Aussprache nicht ab Beaure-gard,
Beaure-voir, sondern Beau-regard, Beau-revoir. Eine ähnliche stief-
mütterliche Behandlung haben die Verfasser dem e in noch vielen andern
Namen zu Theil werden lassen; z. B. Namen wie Genappe, Geneve,
Genivre spricht kein gebildeter Franzose einsylbig, sondern durchaus
zweisylbig, wenn auch immerhin mit sehr kurzer und flüchtiger erster
Sylbe, aus. Belisar lautet Belisar. Belsazar sprich Belsazar. Benjamin
Völkel und Thomas, Taschenwörterbuch. 359
sprich Benjamihn. Brahmaputra (brahmaputra mit hörbarem h in erster
Sylbe), Fluss in Asien. Die Brahminen, alte, jetzt kaum mehr vor-
kommende Verstümmelung hätten neben der richtigen Benennung Brah-
manen wegbleiben können. Zu merken ist aber, dass in letzterem Namen
das h hörbar sein muss. Bucharest, sprich bukarescht. Bughdad, ver-
stümmelte Schreibeweise für Baghdad (bagdahd). Dehli, zprich dehli
mit hörbarem h. Dhawalagiri, Dholagir (ersteres alte, letzteres moderne
Namenform der höchsten Spitze des Himalaja (zu deutsch: „Der weisse
Berg") sprich dawalagiri, dolagir (nicht -dziri, -diir). Djingis-khan,
sprich Diingihs-khähn; ebenso lautet Gingis Chan. Don Quichote de
la Mancha (de la Manscha, nicht de la Mantscha), überhaupt hat im
Spanischen ch immer den Laut des deutschen seh, nie tsch. Firdusi,
sprich (firdüfli oder firdöfli) persischer Dichter. Ghasnawiden ist der
Name nicht einer arabischen, sondern einer turkomanischen Herrscher-
familie im Gebiete des heutigen Afghanistan, vom zehnten bis zum
zwölften Jahrhundert. Havanna, sprich hawanja oder awanja. „Hydaspes
(hüdaspehs) griechisch, =Dschelamil. Dieser Artikel ist uns räthsel-
haft, unverständlich. Ivanhoe wird unseres Erachtens aiwänhu ge-
sprochen. Iokaste, sprich I-okaste (viersylbig). Juliacum ist nicht
Lüttich, sondern Jülich; ersteres heisst lateinisch Leodicum. «Kairo,
Stadt in Aegypten" ist ziemlich allgemein gebräuchliche europäische
Verstümmelung. Der Name der Stadt lautet durchaus, wie er auch
einige Zeilen vorher richtig geschrieben dasteht, kahira. „Kairwan,
Stadt in Tunis" ist zu schreiben und zu sprechen Kairuwan (dreisylbig).
Catoche, sprich Catosche. Cambodja, sprich kambodscha, Fluss und
Landschaft in Hinterindien.
Im Anhange S. 171 flgg. Bahrein, sprich (bahrein) mit conso-
nentisch hörbarem h. „Derby (dabe)B wohl irrthümlich. Geslin, auf
welches Sprachgesetz sich die Aussprache (zläng') stützen solle, ist
uns unersichtlich.
Einen ganz besondern Dank haben die Herren Verfasser noch zu
erwarten von den Besitzern unvollständiger lateinischer Wörterbücher,
denen ihr Werkchen Gelegenheit bietet, in den bezeichneten Wörter-
büchern folgende darin fehlende Artikel nachzutragen : Alexandria, Amisia,
I
360 Kritiken und Referate.
Ancyra, Arabia, Aramaea, Arelas, Arelate, Argaeus, Arraenia, Athalia,
Athenae, Athesis, Babylonia, Baptista, Berytus, Borysthenes, Bosporus,
Byzantiumt Danapris, Deraokritus, Dio Kassius, Dyrrhachium, Calaguris,
Chersonesus, Maeotis Palus, Neapolis, Olisippo, Paropamisus, Tarabulus,
Thermopylae, Thesalonika u. a. mehr. *
Jahresbericht des Vereins für die Geschichte der Provinz Preussen
für das Vereinsjahr
von Ostern 1876 bis Ostern 1877.
Auch in dem verflossenen Jahre, dem vierten seines Bestehens,
ist unser Verein redlich bemüht gewesen, die ihm vorgezeichnete Auf-
gabe der wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte unserer Provinz
zu fördern. Die mit einigen sachliche^ Schwierigkeiten verknüpften
Verhandlungen mit dem Herausgeber der Stände-Akten, Herrn Director
Dr. Toppen, über die Fortführung dieses Werkes, haben einen all-
seitig befriedigenden Abschluss gefunden und steht zu hoffen, dass in
Bälde den Vereinsmitgliedern ein neuer Band der Stände-Akten, die
Zeit von 1421—1440 umfassend, vorgelegt werden wird. Auch an der
Herausgabe der Chronik des Simon Grünau, einer Publication, die sich
auch ausserhalb unserer Provinz vielfacher Theilnahme erfreut, ist
fortgearbeitet und die Vollendung derselben sicher gestellt worden. —
Leider haben unvorhergesehene widrige Umstände, vor Allem die Ueber-
siedelung des Herrn Dr. Perlbach nach Greifswald, dann der Brand
der Hartung'schen Druckerei, eine vom Vorstande nicht verschuldete,
aber lebhaft bedauerte Veröffentlichung der diesjährigen Lieferung dieser
Vereinsschrift zur Folge gehabt. Der Vorstand wird dafür Sorge
tragen, dass die im Drucke fast vollendete rückständige neue Lieferung
des Simon Grünau in kürzester Frist in die Hände der Mitglieder
gelange.
Wenn der Vorstand des Vereins aus der letzten Generalversamm-
lung im April 1876 durch die Wiederwahl der damals statutengemäss
austretenden Mitglieder, der Herren: Archivrath Dr. Meckelburg,
Oberlehrer Dr. Kr os ta und Dr. Perl b ach — unverändert hervorging,
Jahresbericht des Vereins für die Geschichte der Provins Preassen. 361
so hat er im Laufe des Jahres den Verlust zweier seiner Mitglieder
zu beklagen gehabt. Im August 1876 ging Herr Dr. Perlbach, der
sich der Secretariatsgeschäfte des Vereins mit Eifer angenommen, nach
Greifswald an die dortige Königl. Bibliothek. Es gelang an seiner
statt die bewährte Kraft des Herrn Archiv-Vorstands Dr. Philippi,
dem der Verein schon vorher für seine bereitswillige Unterstützung mit
Rath und That zu grossem Danke verpflichtet gewesen, zum Eintritt
in den Vereins- Vorstand zu bewegen. Kurz vor dem Jahresschlüsse
schied, einem Rufe an die Universität zu Bonn folgend, der bisherige
Vorsitzende des Vereins, Herr Prof. Dr. Maurenbrecher aus dem
Vorstande. Der Verein, um dessen Begründung und Gedeihen derselbe
hervorragende Verdienste gehabt, hat ihm für die bereitwillige Ueber-
nahme des Vorsitzes, für die umsichtige und geschickte Leitung der
Geschäfte und für das lebhafte Interesse, das er stets den Vereins-
Angelegenheiten entgegengebracht, mit dem Ausdrucke lebhaften Be-
dauerns über seinen Abgang, an dieser Stelle ganz besonders zu danken.
Oeffentliche Sitzungen fanden im verflossenen Jahre nur zwei statt,
am 28. April 1876 und am 30. Januar 1877. In ersterer hielten Vor-
träge: Prof. Lohmeyer über „ Polen -Littauen und der Ordensstaat
in Preussen* ; Candidat BobertMüller über „Preussens Kriegslasten
1807 bis 1813". In der zweiten Sitzung sprach Archiv-Secretair
Dr. Sattler über „Preussen und die Hansa bis 1370*.
Die Zahl der Korporationen, welche Mitglieder geworden oder dem
Vereine Unterstützungen gewähren, ist die nämliche wie im vergangenen
Jahre geblieben. Der Provinzial-Landtag hat in dankbarst anzuer-
kennender Munificenz die im Jahre 1875 ausgefallene Subvention von
600 Mark nachträglich noch für dieses gedachte Jahr und dieselbe
Jahressumme auch für die Zeit vom I.Januar 1876 bis 1. April 1878
dem Vereine bewilligt. Die Königl. Staatsregierung ist für das Jahr 1876
um die früher gütigst geleistete Subvention von 600 Mark nicht an-
gangen worden.
Die Zahl der Mitglieder beträgt gegenwärtig 199, von denen in
Königsberg 108, in Danzig 24, in den übrigen Theilen der Provinz
Preussen 46, und ausserhalb der Provinz 21 wohnen.
362 Kritiken und Heferate.
Die Einnahmen betrugen für das Vereinsjahr 1876/77:
1. Bestand aus dem Vorjahre Mk. 1998,55
2. Restbeträge aus dem Vorjahre „ 630
3. Zinsen belegter Bestände , 103,17
4. Beiträge von 197 Mitgliedern (zwei sind in Rest) „ 1182
5. Beiträge von 10 Städten und 10 Kreisen (eine
Stadt in Rest) ...... 1395
6. Aus dem buchhändlerischen Vertrieb der Vereins-
Publicationen . „ 138,60
Summa der Einnahmen Mk. 5447,32
Davon wurden verausgabt:
1. Für wissenschaftliche Arbeiten Mk. 163
2. Kosten der Sitzungen „ 99,85
3. Verwaltungskosten „ 49,30
4. Nebenkosten der zinsbaren Belegung — Agio
und Stückzinsen . . . » 17,17
Summa der Ausgaben Mk. 329,32
Die Geringfügigkeit der Ausgaben für die wissenschaftlichen Ar-
beiten erklärt sich daraus, dass die im Drucke und in der Vorarbeit
befindlichen Werke bis zum Schlüsse des Rechnungsjahres nicht fertig
gestellt sind. Die Kosten für Druck und Honorar der diesjährigen
Publication werden also dem künftigen Jahre mit zur Last fallen.
Das gegenwärtige Vermögen des Vereins beträgt somit Mk. 5118,
welche vorhanden sind in:
1. 3 Stück 4ya% Ostpr. Pfandbriefen k 600 M. = Mk. 1800
2. 1 „ 5 °/0 Central-Boden-Credit-Pfandbrief a , 600
3. Guthaben bei der städtischen Sparkasse zu Kö-
nigsberg „ 2219,17
4. baarer Bestand . , 498,83
Summa wie oben Mk. 5118.
Die durch die Mitgliederbeiträge sowie die Subventionen der Kor-
porationen und der Provinz gesicherte laufende Jahres -Einnahme des
Vereins kann auf 2500 Mark veranschlagt werden.
Aiterthumsgesellschaft In Elbing. 363
Aiterthumsgesellschaft in Elbing.
Sitzung den II. Januar 1877. Professor Keusch halt einen Vortrag über Comenius.
Zu den bekannten Nachrichten von dessen Leben fügt derselbe noch einige speziellere
Angaben über Comenius' Beschäftigung am Elbinger Gymnasium nach hiesigen Archiv-
stücken bei und spricht die Vermuthung aus, dass die Wahl Elbings zum Aufent-
haltsort im Jahre 1642 vielleicht dadurch zu erklären sei, dass sich hier (nach dem
Leichenfunde vom Januar 1858) Mitglieder der Familie seines früheren Beschützers
v. Zerotin aufgehalten haben. — Nach dem Vortrage werden verschiedene Sachen
gezeigt: 1. Gesangbuchdeckel — galvanoplastische Arbeit — darstellend die Anbetung
des Christuskindes durch die drei Könige des Morgenlandes (Silber mit Vergoldung);
2. Deckel einer Dose — Silberprägung mit etwas Ciselirung — Jagdsccnen; 3. sil-
berne Dose mit getriebener Arbeit; 4. achteckige Dose mit Zeichnung auf dem Deckel,
vielleicht Tula- Arbeit; 5. Mehrere Siegelringe und Petschafte; 6. Eine Preismedaille
von der Londoner Ausstellung 1851; 7. Zwei russische Kupfermünzen aus dem vorig.
Jahrhundert, mehrere Kopeken an Werth. Sämmtliche Sachen sind Eigenthum des
Lieutenant Krumbügel hierselbst. Ferner wurden noch zwei Silber-Halb-Kubelstücke
aus dem vorig. Jahrhundert gezeigt, Frl. Plaumann gehörig. — Der Vorsitzende referirte
darauf noch über den Stand der neuesten craniologischen Forschungen, speziell über
die Finnenfrage, über Virchow's Untersuchungen der Friesenschädel (chamaecephal)
und über die Ergebnisse der statistischen Erhebungen in den Schulen, die Farbe des
Haares, der Augeu und der Haut der Schüler betreffend.
[Elb. Post 1877. No. 13.]
Sitzung den I. Februar 1877. Mittheilung des Vorsitzenden, dass er sich
behufs Aufnahme der Sammlung des Vereins in das städtische Museum an den Ma-
gistrat gewandt habe. Vorzeigung restaurirter Sachen: 1. Visirhelm mit
Spuren ehemaliger Vergoldung. 1625—49. 2. Metallhandschuh zum Vorigen gehörig.
3. Burgunderhelm (franz. bourguignot, engl, burgonet) 1550— 1600 mit stellbarem
Nasenbügel. 4. ßappior, Ende des 17. Jahrh., giebt die Form, welche dem heutigen
Offizier-Degen unmittelbar vorangegangen ist. 5. Dreischneidiger Stichdegen mit ein-
facher Parirstange ohne Handbügel mit Jahreszahl 1642. 6. Ritterschwert mit spanischer
Klinge, Ende des 16. Jahrhunderts, das eiserne Gefäss stark mit Silber plattirt und im
Feuer vergoldet. 7. Offizierdegen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrh., das eiserne
Gefäss mit Spuren ehemaliger leichter Vergoldung. Die vorgenannten Gegenstände
stammen aus der hiesigen Marienkirche. 8. Perswert, auch Pörswert genannt, 1350
bis 1400 zum Stichkampf und Jagdgebrauch, Geschenk des Gerichterath Kaninski,
gefunden im Wildsee bei Allenstein. 9.— 11. Drei silberne Armringe aus einzelnen
Bruchstücken wieder zusammengesetzt. 12. Ziemlich vollständiger gothischer Frauen-
kamm aus Elchgeweih mit Verzierungen aus vielen kleinen Bruchstücken zusammen-
gefügt. 13. Fragment eines unverzierten gothischen Frauenkamms. 14. Eine flache
364 Kritiken und Referate«
Bernsteinkoralle, Halsschmuck. 15. Silbernes Armband von scUangenlinienförmig ge-
bogenem Silberdraht 16. Hellgrüne Glaskugel aus einem gothischen Frauenhals-
schmuck. Die Gegenstände 9 — 15 stammen wahrscheinlich sämmtlich von den Gothen ;
die Zeit 200—458 nach Chr. ist durch Münzfunde genau für dieselben nachweisbar.
17. Meisselförmige Axtklinge aus Bronce, Form sehr ursprünglich, Broncemischung
stark kupferhaltig. 18. Oelt aus Bronce in der letzten Entwickclung der bronoenen
Axtklingen, daher auch noch im altern Eisenalter aus Eisen dargestellt vorkommend«
Es fehlt hier das Oehr und befindet ßich statt dessen ein Loch zum Befestigen des
hakenförmigen Schafts mittelst eines Stifts. 19. Kleiner spitzkegelförmiger Gegen-
stand aus Bronce mit Querband Über der offenen Grundfläche, vermuthlich Besatz-
stück eines Gürtels. Derartig geformte Nieten zum Befestigen von Theilen broncener
Gefässe, Helme, Schilde u. s. w. heissen tutuli und finden sich hauptsächlich bei
Etruskern und Gelten. Die Gegenstände von 9—19 rühren meist von Ausgrabungen
in der hiesigen Umgegend her. Gezeigt wird ferner eine höchst geschickte Nach-
bildung des Kammes (No. 12) nebst den Werkzeugen zur Anfertigung derselben.
Referate. A. Lieutenant von Schack über die persische Samaniden-Dyuastie, von
welcher häufig Münzen in Preussen gefunden werden. Dieselbe gehört nicht wie
früher gelegentlich gesagt worden zu den »Khalifen* (es werden alle Dynastien nam-
haft gemacht, welche die Geschichte mit letztern Namen bezeichnet), sondern ist eine
der vielen kleinen persischen Dynastien, welche beim Verfall des Abbassidischen
Khalifats successive entstanden und untergingen. Ihr Ahnherr Saman behauptete
von den Sassaniden abzustammen, wodurch sein Geschlecht zu besonderm Ansehn in
Femen kam. Die Samaniden regierten 874 — 999, verdrängten die Soffariden, be-
kämpften die Dilemiten oder Buiden und fanden durch die Ghaznaviden ihren Unter-
gang. B. Gerichtsrath Kaninski über Niello-Arbeit. Das Nielliren ist seit alten
Zeiten eine allgemein verbreitete Kunst gewesen und wurde nicht ausschliesslich in
Tula geübt. Besonders erwähnt werden niellirte Portraitmedaillen, welche als Aus-
zeichnung am Hut oder um den Hals im 16. Jahrhundert getragen wurden (Gnaden-
pfennige), sowie als Hauptkunstwerk der Niello-Arbeit der portative Altar romanischen
Styls im Domschatz zu Paderborn. Der bedeutendste Niello-Künstler war Thomas
Finiguerra. G. Der Vorsitzende über einen bei Mohilew 1873 gefundenen von Dr.
Wankel untersuchten und von Dr. Alois Müller in Ollmütz entzifferten phönicischen
Stein, welcher den Beweis eines Handelsweges vom schwarzen Meer nach der Ostsee
liefert, was bisher nur vermuthet wurde. Der Text lautet: Denkstein des Baal, hier
haben wir es eingemeisselt D. Derselbe über Höhlenuntersuchungen. Die franzö-
sischen Nachforschungen haben zwar mannigfaltigeres Resultat in Bezug auf Ver-
schiedenartigkeit der Funde ergeben als die deutschen, doch seien die daran ge-
knüpften Schlüsse mit grosser Vorsicht aufzunehmen. Thierzeichnungen auf Knochen-
stücken, welche man für antik hielt, sind nach einem illustrirten Werk von Spamer
von spekulativen Personen angefertigt worden, Das Resultat der deutschen Nach-
AlterthumsgeselUchaft Prussia. 3g 5
forschnng habe im Allgemeinen ergeben: Obere Schicht: Knochensplitter, Feuerstein -
stücke, Bronce- und Eisensachen, keine Beste vorweltlicher Thiere; Zwischenschicht
aus Diluvial-Lehmboden bestehend; untere Schicht: Feuersteine und andere bear-
beitete Steine, Knochenfragmente vorweltlicher Thiere, keine Metallsachen.
[Ebd. 32.]
Sitzung den I. März. Mittheilung. Der Vorsitzende theilt mit, dass vom
Magistrat ein Antwortschreiben eingegangen ist, welches die Aufbewahrung der Samm-
lung des A.-V. im städtischen Museum genehmigt. Referate. A. Lieut. v. Schack
ober Philarete Chasles' l'antiquite nach einem Aufsatz im Magazin f. Lit. d. Aus-
landes. B. Der Vorsitzende über die Ausgrabungen in Olympia 1875/76 nach den
Berichten von Curtius u. Adler. Photographien der gefundenen Kunstgegenstände
liegen zur Ansicht aus. Hr. Borishoff zeigt eine Menge von Gold- u. Silbermünzen,
darunter Bracteaten u. Ordensmünzen, deren genaue Beschreibung noch vorbehalten
bleibt. Zum Schluss macht Lieutenant Schack noch auf die im Bericht Über die
Forschungen des Dr. Bujack in der Bastenburger Gegend erwähnten Balten oder
Baitschen aufmerksam, welches Wort eine Art von Grenzwachthaus an einem Strassen-
eingange in das Land gelegen bezeichnen soll. Es sei in Folge dessen die Ver-
muthung nahe, dass diese Grenzwachthauser überall da gestanden haben, wo ein
Ortsname heute noch mit dem Ausdruck »Balten, Baitschen* oder mit ähnlich
klingenden Worten zusammengesetzt sei. Der Name »Peitschendorf* kommt häufiger
in der Provinz vor. [Elbinger Post 54.]
Alterthuiisgegellschaft Prnssia.
Sitzung den 19. Januar 1877. Archivrath Dr. Meckelburg las über »Hexen-
glauben und Hexenprozesse in Altpreussen*. In der Absicht, der Versammlung die
so interessanten als für die einschlägigen historischen Thatsachen belehrenden Akten
eines noch unbekannten Hexenprozesses mitzutheilen, welcher im Jahre 1G92 vor
dem Stadtgericht zu Fischhausen geführt .worden ist, griff er die psychologischen
Momente voraus, welche die Erscheinung erklären und theilte aus der Geschichte der
Hexenprozesse so viel mit, als zum Verständniss der sonderbaren, heute vergessenen
Motive gehört die in solchen Prozessen auftraten. Die Akten, welche das Verbrechen,
das eine kopflose Justiz in der Verurtheilung der unglücklichen Clara Klein beging,
der Nachwelt aufbehielten, boten zum Theil ungewöhnliche Details über die Ver-
führung der Hexen durch den Teufel, über die Art des Teufelsbündnisses und die
Wirksamkeit desselben dar, lauter Wahngebilde des rohesten Aberglaubens, den die
armen Opfer schliesslich selbst bekannten, um der Pein zu entrinnen, zu der er sie
verdammte und den die Justiz durch eine schmachvolle Sentenz zum Glauben erhob.
Der Vortrag hob hervor, dass die Richter, ganz in der Weise der Inquisitoren, das
blosse Bekenn tniss vorgeblicher Unthaten als Grund des Verdammungsurthefls ein-
366 Kritiken und Referate«
treten Hessen und wiess auf Thomasius' Einfluss hin, der nach den Worten Friedrichs
des Grossen es gewesen ist, welcher den alten Frauen die Wohlthat erwirkte, in
Ruhe sterben zu können.
Darauf folgte ein Vortrag des Director Friederici »Archäologische Wahr-
nehmungen auf einer Reise in Neu-Vorpommern im Sommer 1876*. In dem ersten
Theile schilderte der Vortragende die Architektur Stralsunds und zwar den Stadt-
theil an der Seeseite, die Nicolai- und Marienkirche und das Rathhaus. Zu den
Museen übergehend, verweilte er länger bei dem Stadtmuseum. Die Sammlung Ton
Thongefässen aus heidnischer Zeit ist im Vergleich mit denen Altpreussens eine ge-
ringe, ebenso auch die der durchlochten Steingeräthe. Letzteres hat aber seinen
natürlichen Grund, weil das vorwaltende Material dort nicht Geschiebe sind, sondern
der Feuerstein, den man nicht durchlochte. Einen seltenen Schmuck besitzt das
Stadtmuseum, der an den Reichthum des Kopenhagener Nordischen Museums erinnert.
Es ist ein Halsschmuck von Gold, dessen Metallwerth allein 900 Thaler beträgt, aus
einer Maximalplatte, 5 mittleren und mehreren kleineren Platten gebildet, die zum
Theil mit Vogelköpfen geschmückt sind, welche der Vortragende für Sperber- oder
Rabenköpfe hält. Der kostbare Schmuck ist erst nach der grossen Sturmfluth im
Jahre 1873 auf der Insel Niddensee bei der Stadt Stralsund in einzelnen Theilen
gefunden worden. — Aus seinen Anschauungen von der Insel Rügen berichtet der
Vortragende nur von denjenigen, welche er auf der Halbinsel Jasmund gehabt, näm-
lich von dem sogen. Hertha-See mit der sogen. Hertha-Burg, von den geöffneten
Kistengräbern, die den preussischen ganz ähnlich sind, und von einem ächten Opfer-
stein, der auf der Feldmarke des Gutes Quolitz liegt, 8— lOFuss lang, 6Fuss breit
ist, 6 Fuss aus dem Roden hervorragt und neben anderen Verzierungen auch eine
einfache Rinne zeigt, nämlich nach der Morgenseite zu zwei neben einander liegende
ringartige Vertiefungen. — Endlich gab der Vortragende noch das Bild eines Grabes,
das sich auf der Feldmark des Guts Müggenholl in der Nähe von Franzburg, südlich
von Stralsund befindet. Dasselbe erinnert an das Aeussere der dänischen Gräber,
indem aus einem Kreise dichtgepflasterter kleiner Steinblöcke vier mächtig aufrecht-
stehende Granitblöcke säulenartig 10—15 Fuss emporragen und schief gestellt, sich
gegenseitig unterstützen.
Zum Schluss legt der Vorsitzende Dr. Bujack einige werthvolle Geschenke
und mehrere angekaufte kostbare Alterthümer vor. Besonders wurde durch Kau/ die
Sammlung von Steingeräthen bereichert, von denen die Prussia schon im April v.J.
215 Nummern besass. Die 13 angekauften Stücke sind sämmtlich geschliffen, zwei
davon nicht einheimische, nämlich ein 18,a ctm. langer Keil aus Kieselschiefer aus
Eger in Böhmen und ein kleiner Keil aus Feuerstein aus Rügen. Von den drei
übrigen Keilen sind zwei als altpreussische und mit keinem genaueren Fundort be-
zeichnet, nämlich ein breiter Keil und ein schmaler Meissel, beide aus Feuerstein«
Der dritte bei Beuschwerder Kr« Neidenburg ausgepflügte Keil aus Feuerstein ist
Altertimmsgesellschaft Prussia. ggf
7,3 ctm. lang. Die übrigen zehn Geräthe (Beile) sind sämmtlich durchlocht, fünf
derselben sind wieder nur als altprenssische bezeichnet. Aach ihr Gestein ist wegen
einer starken Verwitterungsschicht nicht genaner zu bestimmen, eines hat die ele-
ganteste Form der in Altproussen gefundenen Steinger&the mit einem Bahnende in
Form eines Knaufs und mit einer bandartigen Uraschleifung des oberen Bandes des
Bohrlochs, welche halbkreisförmig ist und nach der Seite des Bahnendes liegt. Die
zweite Ait hat dieselbe bandartige Verzierung am Bohrlochrande! aber ein abge-
rundetes Bahnende und eine nicht geradlinige Schneide, sondern in concavom Bogen.
Bei der dritten Axt ist die Verengung des Bohrlochs in der Mitte interessant; auch
Hegt das Bohrloch zwischen Bahnende und Schneide fast in der Mitte. Die vierte
Axt aus Diorit-Schiefer (?) in Form eines Possekels hat ein sehr interessantes Bohr-
loch, dasselbe ist conisch, ausserdem findet sich in der Mitte der Bohrlochwandung
eine ringförmige Vertiefung. Das fünfte Beil ist aus Porphyr (?), ist wahrscheinlich
ein Doppelbeil gewesen, aber nicht sicher zu bestimmen, da das Ende der einen
Hälfte beschädigt ist. Die anderen fünf durchlochten Beile sind: 1) aus Basalt (?),
gefunden bei Warniken, Er. Fischhausen, Bahnende rechteckig, aber mit abgerundeten
Kanten; 2) aus Porphyr (?), gefunden bei Starkenberg bei Lindenau, Kr. Wehlau;
3) aus Diorit-Porphyr mit Hornblende, gefunden bei Wehlau; 4) aus Syenit, gefunden
bei Arys, Kr. Johannisburg, Bohrloch konisch; 5) aus Diorit-Porphyr mit Albit, ge-
funden bei Arys, Kr. Johannisburg. — Geschenkt: von Realschullehrer Berent in
Tilsit eine durchlochte Axt aus Diorit mit einer abgeschlagenen Schneide, gefunden
bei Kaukehmen, Kr. Niederung.
Zur Sammlung von Bronzen schenkte cand. med. Hennig zwei Ringe, wahr-
scheinlich für den Enkel oder für den Oberarm, gefunden in einer Urne zu Alknicken
bei Pobethen, Kr. Fischhausen. Es sind bronzene Hohlringe, die einen lichten Kreis
umschliessen, dessen Durchmesser 9 ctm. betragt. Sie sind als Halbringe gegossen,
deren hohler Baum eine Tiefe von 1,6 cmt. hat, und deren Gussstärke 4 mm., mit
Ausschluss der beiden Enden, welche 1,6 cmt Länge haben, beträgt. In der ge-
nannten Länge von 1,5 cmt. können die Enden der Halbringe zusammengeschoben
werden; indem der eine an der äusseren Wandung, der andere an der inneren Wan-
dung 2 mm. verliert. In diese über einander zu schiebenden Enden ist aber noch
zum Durchziehen eines Stiftes ein 2 mm. starkes kreisförmig Loch hergestellt,
damit ein durchgezogener Stift die beiden Halbringe sicher zusammenhält. — Ge-
schenkt von Lieutenant Dreyer ein bronzener Fingerreif, gefunden von dem Geber
selbst in einer Urne auf dem Wege zwischen Neukuhren und Tikrehnen. — Gekauft
wurde ein bronzener Halsring, gef. am Spirdingsee; er hat die Form eines offenen
Ringes mit sich verjüngenden Enden; ferner als auf der kurischen Nehrung gefunden
folgende bronzene Alterthümer: 4 hufeisenförmige und ein kreisförmiger Gewandhalter,
4 Fingerringe aus Bronzedraht in Spiralform, eine kl. rom. Haarnadel, 1 Schnalle, ein
Haken zur Haltung eines Amulettes, wie z, B. eines Eberzahns, 1 bronzener Sporn.
368 Kritiken und Referate.
Zur Sammlung von Waffen neuerer Zeit wurde geschenkt von Uhrmacher
Wiehert ein schön erhaltener Radsporn mit sehr langem Halse und hohem Hacken -
stück aus Eisen ans dem 15. Jahrhundert, gefunden an einem Skelett in einem Hole-
sarge auf dem hiesigen Domplatz heim Auigraben der Rohren. — Ferner geschenkt
von Kaufmann Liedemann eine Hellebardenspitze aus dem 17. Jahrhundert, im
Pregel ausgebaggert. — Gekauft wurde ein Visier eines Helms aus dem 16. Jahrb.,
gef. bei Bartenstein, ein Danziger Haken, 1 Sponton des Regiments v. Finkenstein.
Zur Sammlung von Geräthen neuerer Zeit schenkte Kaufmann Liedemann
einen Medizin-Löffel ans Knochen. Auf der äusseren Seite der Laffe ist eine Frau
mit einer Medizinflasche und einem Medizinglas auf einem Teller dargestellt.
Darunter liest man:
Gott lieben mach't selig und das Wein trinken macht freiig.
In der Höhlung der Laffe steht:
Was ich lieb, das lieb ich treu,
nicht mit falschheit und schmeichlere) .
Zur Münzsammlung schenkten Rittergutsbesitzer Döhring in Rohden einen
Elbinger und Thorner Bracteat, Gymnasiast Wolf heim eine Denkmünze auf August
den Starken als Vikariüs des Deutschen Reichs im Jahre 1711. — Gekauft wurden
eine Denkmünze auf die Huldigung in Preussen im Jahre 1663, auf die Erbauung
der Französischen Kirche in Königsberg i. J. 1733, auf die Huldigung in Warschau
i. J. 1796 und den Einzug in Paris vom 30. Mai 1814.
Zur Sammlung von Urkunden schenkte stud. jur. Troje folgende Ordensurkunden
auf Pergament mit Siegel: die Verschreibung 1) für fünf Stammpreussen über zwei
Haken zu Wodunythen, dat. 1537; 2) über eine halbe Hufe Uebermaass an Stintel
Wodunjthen, dat. 1418 Sonntag Judica; 3) über eine halbe Hufe Uebermaass an
Wayke in Wodunythen, dat. 1413; 4) über den Krug und 11 Hufen zu Condein,
dat. Königsberg, d. 20. Okt. 1570.
Als neues Mitglied trat dem Verein bei: Buchdrukereibesitzer Krauseneck in
Gumbinnen. [Ostpr. Ztg. 1877. No. 45. (Beil.)]
Sitzung den 23. Februar 1877. Den Vortrag »Die Unterwerfung des Bartener
Gaues* hielt Dr. Bujack.
An des Chronisten Peter Dusburg (ca. 1326) Bemerkung anknüpfend, dass der
Bartener Gau in heidnischer Zeit 2000 Reiter und viele Tausend Krieger ins Feld
stellen konnte, beginnt der Vortragende mit der Erörterung, welche Bestimmungen
über das Bartener Land erhalten sind. Es zerfiel in Gross- und Klein- oder Plika*
Barten. Dieses ist das vom Orden früher eroberte, zwischen Bischo&tein und Heils-
berg um Bleichbart gelegene Gebiet, jenes, ca. 40 Quadratmeilen umfassend, ein
Landstrich, in dem die Städte Bartenstein, Schippenbeil, Gerdauen, Barten, Drengfurt,
Bastenburg, Rössel und der für die Landwirthschaft ergiebigste Boden Ostpreussens
sich befindet. Der Umstand, dass um das Jahr 1326 der Ordensmarschall in der
AltertbumsgeseÜschaft Prnasia. 369
Commende Königsberg, der Comthur von Brandenburg und dei Comthur von B&lga
die Grenzen für ibre Amtsbezirke urkundlich in dem Haupttbeil des Gr. Bartener
Landes feststellen, nachdem zum Bisthum Ermland schon 1243 der südöstlichste
Strich des Bartener Landes abgenommen war, hat eine Orientirung über das Gebiet
von Gr. Barten möglich gemacht. Es ist der Kreis Bastenburg ganz, die Kreise
Friedland und Gerdauen zum grösseren Theil und Kreis Rössel zu einem Theil im
Gr. Bartener Lande enthalten, während Plika oder Kl. Barten einen Theil des Kreises
Heilsberg erfüllt. Die historischen Nachrichten, wie die noch vorhandenen Heiden-
schanzen und Heideng raber stellen es ausser Frage, dass dieser Gau ein reich be-
völkerter gewesen ist. Freilich machte ihn der Orden nach der zweiten Unterwerfung
zu einem verödeten Gebiet und hatte ihn durch deutsche Ansiedler wieder bevölkern
lassen. Vor Balga kämpften die Bartener von 1239 — 1241, als dort die Ordens-
ritter sich festgesetzt hatten, mit anderen preussischen Stämmen vereint und hatten
nach ihrer Unterwerfung und Taufe ein erträgliches Schicksal. Drei Burgen aus
Erdwällen mit Pallisaden wurden im Gr. Bartener Lande von den Bittern hergestellt,
im Westen in Bartenstein, in der Mitte in Wiesenburg oder Walewona an der Guber
(bei Unter-Plehnen) und im Südosten in Bössei. Bei der grossen Empörung im
Jahre 1260 stehen die Bartener in der grossen Mehrzahl gegen den Orden auf, so
kämpfen sie für das Heidenthum und die Befreiung mit in der Schlacht bei Pokarben
in Natangen 1261, von den treu gebliebenen Bartenern macht der Ordenschronist
besonders Girdaw (von ihm Gerdauen) namhaft, der seine Heimath verlassen muss
und nach Königsberg entflieht. Auch eine Ordensbesatzung in Weistotepil an der
Guber (vielleicht auf dem Wallberg bei Prandtlack) verbrennt die Burg, nachdem
sie einen Tag gegen die heidnischen Preussen behauptet war und sucht in der Flucht
ihr Heil. Ein Gleiches thut die Ordensmannschaft in Bössei nach längerem Wider-
stand und rettet sich auf dem Wege durch die Wildniss nach Masovien. Denselben
suchen auch die Ordensritter mit ihren Mannschaften auf, welche sich drei Jahre,
von 1260 bis 1263, in Walewona oder Wiesenburg (Unter-Plehnen) hinter den Ton
der Guber gefüllten Graben vertheidigt hatten und schlagen sich auch noch glücklich
durch, wenn ihnen auch der Bartener Heerführer Diwan, seinen Mannschaften vor-
auseilend, mit 13 schnellen Reitern noch bis in die Wildniss nachsetzt. Am längsten
wehrte sich die Besatzung in Bartenstein, nämlich bis iqs Jahr 1264. Die Details
der Belagerung, wie die List, mit der die Ordensmannschaften entweichen, wurden
ausführlich gegeben, die Zweikämpfe, die Hinrichtung der preussischen Geiseln, die
Erbeutung eines heidnischen Weihkessels und die Theilung der Christen in zwei
Heerschaaren, von denen die eine glücklich nach Königsberg, die andere nach Elbing
entkommt, weil ein in Bartenstein zurückgelassener alter Ordensbruder zu den Gebet-
zeiten die Betglocke zieht und sich die Heiden dadurch tauschen lassen. Barten
war von der Ordensherrschaft befreit und jetzt macht sich dieser Stamm unter Diwans
Führung nach den westlichen Gauen auf, wo es noch Ordensschlösser giebt Nach
Altpr. Monatsschrift Bd. XIV. Hft. 3 u. 4. 24
370 Kritiken und Referate.
Pogesanien und nach dem Colmer Lande dringen die Bartener tot, bis vor Kowalewo
(Schönsee), wo ein Gescho38, von einer Bailiste geworfen, Diwan tödtlich verwundet.
Mit dem Tode dieses Stammgenossen, der den ehrenden Beinamen des Baren trog,
hört denn auch Bartens Freiheit auf, 1273 unterwirft sich der Gau und mit grosser
Härte straft der Orden, die Bartener werden zum grOssten Thcil nach Pogesanien
verpflanzt. Aber auch hier hält die männliche Bevölkerung der mit Gewalt fortge-
führten nicht Buhe, sie entfliehen nach Litthauen, in die Gegend von Grodno. Als
aber von dem Orden 1284 in dies Gebiet ein Einfall gemacht wird, treten die bisher
dem Orden feindlichen Bartener zu ihrem alten Gegner über und leisten ihm Bei-
stand gegen die Litthauer, da sie zu ihren Familien nach Pogesanien zurückkehren
wollen und Straflosigkeit für ihre Hilfe zugesichert erhalten. Aber zum zweiten
Male in Pogesanien angesiedelt, sinnen sie schon 1286 wieder auf Verrath, indem
sie einem Fürsten aus Rügen die Herrschaft in Preussen verschaffen wollen. Doch
dieser Verrath wird bei Erbauung von Ragnit von den Ordensrittern erkundet und
hat nur für die Verschworenen schlimme Folgen. Der Vortragende behandelt dann
die verschiedene Behandlung, welche die Ordensritter den im Jahre 1241 und 1273
unterworfenen Preussen zu Theil werden lassen und geht zur Vertheilung des Ge-
biets von Gross Barten in die vorher angegebenen Gomthnrei- und Bisthumsbezirke
über, um die einzelnen Ordensburgen näher zu beschreiben, von denen deutsches
Wesen und deutsche Kultur gepflegt und später gegen die Einfälle der Litthauer
geschützt wurde. Sämmtliche Bauten stammen erst aus dem 14. Jahrhundert. Von
der Pflege Gerdauen im Marschallsamt Königsberg sind heute keine Schlossräame
mehr vorhanden, in der Komthurei Brandenburg erinnert nur noch der wüste Schloss-
berg neben der Stadt Bartenstein an die Stätte der einstigen Ordensburg, desgleichen
in Leunenburg, nicht so in Barten, wo der Ostliche Flügel in den Kellerräumen und
im Erdgeschoes noch die alten Gewölbe bat, sonst aber die Umschliessungsmanern
mit Ausnahme der Südseite noch vorhanden sind. Weil dies Schloss bisher noch
nicht beschrieben war, verweilte der Vortragende bei demselben ausführlich und be-
sprach an demselben die Einrichtung der Ordensschlosser. Aus der Komthurei Balg»
erfolgte eine Beschreibung der Ordensschlösser Rastenburg und Bäslack, welches
letztere in eine Kirche umgewandelt ist; aus dem Bisthum Ermland gab der Vor-
tragende die Schilderung .des Schlosses von Rössel theils nach eigener Anschauung,
theilß nach v. Quast's Arbeiten in den preussischen Provinzialblättern und den »Denk-
malen der Baukunst in Preussen*.
Von eingegangenen Geschenken wurden vorgelegt: Von Inspector Rosse zn
Laxdoyen, Kr. Rastenburg: Eine Bronze-Münze der römischen Kaiserin Faustina senior,
der Gemahlin des Kaisers Antoninus pius, gefunden am oben angegebenen Orte;
ferner von Pfarrer Stoboy in Kreuzburg: zwei preußische solidi aus dem 17. Jahr-
hundert und wahrscheinlich ein jeton, gefunden vor mehreren Jahren bei dem Bau
des Pfarrhauses daselbst, ferner eine Venchreibung über einen Krug und zwei Haken
Alterthumsgesellsehaft Prussia. Sil
in Lipenick v. Jahre 1480 und eine Verschreibnng über drei Haken zu Lipenick vom
Jahre 1551, 20. August; von Bentier Scharlok in Graudenz: zwei Modelle zu einer
»Bandweb* und einer »Strangdreh*, angefertigt von D. Baum zu Pastwicko bei
Graudenz. Zu der ausführlichen Beschreibung, die das Geschenk begleitete, wird
hinzugefügt, dass genannte Gerathe in Hinter- Pommern und Westpreussen vor
mehreren Jahrzehnten fast in jedem Haushalt zu finden waren. »Die Bandweb* ist
auch in Ostpreussen bekannt, nicht aber das letzte Geräth.
Als durch Tausch eingegangene Hefte wurden die neuesten Nummern der
»Magdeburger Geschichtsblätter* und des »Lausitzer Magazins* vorgelegt, auch die
letzten neun Jahresberichte des Peabody-Museums in Cambridge in den vereinigten
Staaten, welche der amerikanische Archäolog und Ethnolog Putnam zum Austausch
gegen die Prussia-Publikation »die Preussischen Steingeräthe* eingesandt hatte.
Femer machte der Vorsitzende noch Mittheilung von einem Funde von vierzehn
antiken silbernen Münzen bei Graudenz, welche von Professor Nesselmann in
folgender Weise bestimmt sind: eine wahrscheinlich aus Byzantium mit quadratum
incusum, sechs aus der Zeit der römischen Bepublik: 1) Q. Lutatius Cerco, Questor
um 254 v. Chr., 2) Gens Cornelia aus SulLi's Zeit, von Faustus, zu Ehren des
Pompejus geschlagen, 3) M. Antonius Triumvir, 4) derselbe, anderes Gepräge, 5) Sextus
Pompejus. S. Faustulus, 37 v. Chr., 6) eine vorläufig noch nicht bestimmbare Kon-
snlarmünze. Dann sieben Denare aus der römischen Kaiserzeit: l)Trajanus, 2)Sabina,
die Gemahlin des Kaisers Hadrian, 3) Antoninus pius, 4) Faustina, die Gemahlin
des Antoninus pius, 5) Aurelius Caesar, cL L M. Aurelius vor seiner Thronbesteigung,
6) Caracalla (unter dem Namen Antoninus pius), 7) Gratianus, Bev. Virtus Romanorum,
Die 15. silberne Münze ist keine antike und hat ein unbekanntes Gepräge.
Die neu angemeldeten Mitglieder sind: Graf zu Dohna-Schlodien, Buchhändler
Hausbrand, Begierungsgeometer Haupt, Dr. phiL Jentzsch, Provinzialschulrath
Kruse, Professor Kupffer, Major Schröder, Bittergutsbesitzer Tischler auf
Losgehnen, Rittmeister von Uslar und Bittergutsbesitzer Werner auf Wangotten.
[Ebd. No.63 (Beil.)]
24*
Mittheilniigen und Anhang.
den prenssischei Geschichtsschreiber Lucas David
betreffende Briefe.
Mitgetheilt von Prof. Carl Lohmeyer.
Als ich für die von der Münchener historischen Kommission herausgegebene
»Allgemeine Deutsche Biographie* die Lebensbeschreibung des Lucas David abzu-
fassen hatte, theilte mir Herr Domvikar Dr. Wölky aus dem bischoflichen Archiv zu
Frauenburg die nachstehenden zwei Briefe mit, die bisher nicht weiter bekannt waren
als durch die kurze Notiz, welche Toppen in dem Programm des Gymnasiums zu
Hohenstein vom Jahre 1865 S. 22 von ihnen giebt. Dieselben befinden sich, wie
Herr Dr. Wölky schreibt, abschriftlich »in einem Convolut Brunsbergensia , das ur-
sprünglich im Stadtarchiv zu Braunsberg gelegen hat und durch einen, wer weiss
welchen, Zufall nach Frauenburg gekommen ist.*
Zur sachlichen Erklärung diene Folgendes. Die beiden in den Briefen erwähnten
und noch heute bei der leipziger Universität bestehenden Stipendien für Studierende
aus der Provinz Preussen sind gestiftet: das eine im Jahre 1498 von dem aus
Braunsberg stammenden Magister und ermländischen Domherrn Thomas Werner,
das andere wenige Jahre später von einem Allensteiner Namens Knolleisen, einem
Doctor theologiae, der sich gleichfalls zu Leipzig seine akademische Würde erworben
hatte. Schon zwischen 1520 und 1530 hatte der leipziger Bath den braunsberger
gebeten den beiden Aliensteinern Lucas David und Johann Hauenschilt das erstere
Stipendium zuzuweisen. ') Vielleicht war es eine, wenn auch verspätete, Folge
dieser Verwendung, dass Lucas David, wie aus seinem eigenen Schreiben hervorgeht,
wenigstens im Jahre 1532 den Genuss des Wernerschen Stipendiums gehabt hat.
Ob die neue Fürsprache von Rektor und Koncil der leipziger Universität beim erm-
ländischen Bischof Moritz Ferber um Verlängerung der Unterstützung Erfolg gehabt
') Siehe Lilienthal in Prv Prov.-ßl. 1842» I, S. 520.
Zwei den preuss. Geschichtsschreiber Lucas David betreff. Briefe. 373
hat, lässt sieb nicht sagen. Wenn aber später Lucas David selbst von dem Ver-
mögen, welches er durch seine Frau, eine reiche Wittwe aus Leipzig, erheiratet
hatte, ein nicht unbedeutendes Stipendium an der dortigen Universität für studierende
Landsleute stiftete, so dürfen wir vielleicht diese Handlung als einen Ausfluss seiner
Dankbarkeit für den Genuss ähnlicher Wolthaten betrachten. — Von L. Davids
Zögling, dem gleichnamigen Bruderssohne des oben genannten Bischofs, dessen er
in seinem eigenen Briefe gedenkt, schreibt mir Herr Dr. Wölky: ,Er wurde später
Domherr in Frauenburg und starb sehr jung, 30 Jahre alt. Der ehedem in unserem
Dome vorhandene, nunmehr daraus entfernte Leichenstein hatte nach meiner Copie die
Inschrift: Obdormivit in Christo venera(bilis) d(ominus) Mavricivs Ferber cano(nicus)
Warmien(sis) anno M. D. XL VI die XIII April. Aetatis suae XXX. € Der, wie es
scheint, nicht zu besonderen Hoffnungen berechtigende junge Mann war also, als er
sich mit Lucas David in Leipzig befand, 17 Jahre alt.
Da die Briefe nur in Abschrift vorhanden sind, so habe ich mich umsomehr
für befugt gebalten wenigstens die Anfangsbuchstaben der Worte und die Inter-
punktion unserer heutigen Schreibweise entsprechend anzusetzen. Ohne Aenderung
der Satzzeichen würde vollends L. Davids eigener Brief, der schon ganz denselben
erschrecklichen Stil zeigt, wie er aus dem Deutsch seiner Preußischen Chronik be-
kannt genug ist, fast unverständlich bleiben.
werendissimo in Christo patri ac domino domino Mauricio Warmiensis
ecclesie Episcopo etc. domino suo clementissimo.
S. D. Nisi jamdudum nobis Amplitudo tua, Amplissime Pater, multo*nm tum
literis tum sermonibns innotuisset, vereremur ne non iis nostris literis quibus Am-
plitudini tue alios commendare paramus turpiter daremus, idque non immerito, vt
qui sanetissimarum tuarum oecupacionum non habentes racionem ocium tuum sacris
studiis dicatum intempestiue interturbamus. Sed quia ea tua est humanitas, vt vel
parum in tempore facta equi bonique consulas, ea paciencia vt tolleres, is denique
candor vt in optimam partem aeeipias ac interpreteris: ideoque facile feeimus vt
Lucas Dauid et Joannes Hauenschilt, alter bonarum arcium magister, alter earundem
studiosus literas ad tuam Ampi, commendaticias, quas hac sola condicione si meriti
essent exoptarunt, a nobis cum gracia impetrarent et obtinerent. Vtrumque itaque
A. t., Reuerende Presull, in hoc commendamus, vt Ampi, tue opera, ope ac studio
Stipendium Braunszbergense, quo iam annum communiter vtuntur fruunturque, dein-
ceps porrogetur (sie!). Honestum hoc erit cumprimis et tua A. maxime dignum,
vt qui hie Episcopi munere vere fungaris, vtile quoque vt qui sie doctos homines,
tue aliquando reipublice futuros vsui, ad te pelliceres, ad hec et facile vt qui
Braunszbergensibus vt tuo jurisdiccioni subiectos (!) imperare quo faciant possis,
Vterque vel in longissimum tempus stipendrjs ali est dignus : Lucas sie satis feliciter
374 Mittheilungen und Anhang,
iam aliquot annis in hoc gymnasio bonis literis ac philosophie studijs dedit operara
promotusque, vt per laudatissimum arcium professorum ordinem bonarum arciura
magister publice declarari raeruerit, in qua professione sie versatur hactenus, vt
senes oinnes valde ament, iuvenes tum obseruent tum venerentur; Joannes p reter-
quam quod impense literas et diligit et colit, ea est morum facilitate, vt nulli cum
os (ncl) facile ledat, sed benefaciat et obsequatur omnibus, ad hec fide et tacitur-
nitate sit speetabilia, nulli non sit charus, bineque est quod omnes omnium ordinum
primi, vt sunt optimi maximique, huius ministerio certatim vti gaudent. Velit ergo
Ampi, tua, Amplissime Pater, quod in presencia eciam atque eciam rogamus, non
tarn nostris preeibus quam horum juuenum studio ac virtutibus tribuere. Quodsi
factura est Amplitudo tua, vti nos bona habet spes, futurum est vt premium ex
deo, ab hominibus laudem sperare queas, nos vero vna cum juuenibus tametsi iam
ante Amplitudini tue deiunetos (!) ita hoc beneficio obstringes, vt taam auetoritatem
nulla in re sine feda fame nostre ac nominis nota subterfugere queamus. Bene
valeat Amplitudo tua.
Lypsie die Veneris post Jubilate Anno M. D. rrriij [9. Mai 1533].
A. T.
Rector et Concilium Vniversitatis Lypsick.
.everendissimo in Christo patri ac domino domino Maaricio Vuarmiensis
ecclesie Episcopo, domino ac patrono mihi colendissimo,
Quamquam existimaram, Reuerende in Christo Pater, non esse cur vererer, vt,
quoniam ita forte cecidit, vt tua Celsitudo nos studiaque nostra facile juuare possit,
id ne, si a tua prestancia literis impetrare contendissem, aut nature mee malignitati
atque impudencie tribueretur, aut nullum apud tuam humanitatem supplici preeibus-
que meis locum esse relictum putarem, committere tarnen nolui, vt vel cupide
quiequam, vel temere a me factum esse quisquam reprehendere possit. Nam vt de
tua humanitate tuaque voluntate non dubitarem omniaque mihi meliora pollicerer,
facit excellens tuum ingenium summaque ac prestans erudicio, que, si verum est
quod vbique fere tradidit Cicero, eos inquam si inter se qui ijsdem tenentur studijs
ita conciliat, vt absentes eciam et quos nunquam viderimus amemus atque adeo
mortuos propter virtutem admiremur atque suspiciamus: ego de eius animo quid
sentirem, qui, amplissimi collegii voluntatem ac in nie adiuuando et ornando liberali-
tatem secutus, charissimum sibi ex fratre nepotem mihi fideique mee commisit?
Atque his ego omnibus adduci tarnen non potui, vt tue Celsitudini supplicacione
aliqua molestus essem. Sed cum mihi tue paternitatis nomine Mauricius sex aureos
Rhenanos dono obtulisset, sensi eo in statu res meas esse, vt sine nephario scelere
tacere non possem, ac nisi per literas tue liberalitati gracias egissem, in grauissimam
apud tuam Celsitudinem ingratitudinis suspicionem venturum. Quare ego quam*
Zwei den preuss. Geschichtsschreiber Lucas David betreff. Briefe« 375
maiimas eiimie tue in me liberalitati, Presul Religiöse, pro isto sex aureorum dono
gracias ago. Sed cum stulti sit plane sibimetipsi deesse ac, commode suis racionibus
eum preesse possit, occasionem datam et oblatam nolle agnoscere, malui haue in
partem peccare atque vereeundiam breui nocituram deponere quam frustra de hinc
amissam querere. Ac quidem ingenua cum sit hominis ei cai multam debeas plura
debere velle, tua me, Pater Venerande, liberaliias (vt redeam quo primo intenderam),
tua inquam humanitas facit, vt, cnm vita, mee raciones meaque studia, fortona res-
que familiaris tennior eo redegerit, meam apnd tnam humanitatem inopiam ac mi-
8eriam deplorare ac, com facilem me adiuuandi viam videam, eam tue hunianitati,
nisi magnnm studiorum atque salutis discrimen subiro velim, indicare audeam.
Braunszbergenses, Presul Beatissime, id ex testamento D. Vuerneri sunt consecuti,
vt senatus Lypsensis vni, quem Braunszbergenses excolendi jngenij gracia huc ab-
legauerint, annis singulis triginta florenos vel, si duos illi mieerint, in vnumquemque
fl. 15 numerare cogatur. In id cum biennium nemo a discessu Bartholomei Danck-
warts successisset, impetratum est tan dem per Ambrosium scribam eorum, vt id
mihi vna cum Johanne Hauenschilth ad iliud Allensteniense accederet. Verum illi
in vnius tantum anni spacium id nobis adiecerunt neque, diueius vt frueremur, se
decernere posse aiebant, quod breui sperarent fore vt sue ciuitatis aliquis existeret,
qui id beneficii in se conferre velit. Sed tarnen illi, cum iam a Michaelis vsque
vacet, miserant neminem neque missuros quemquam opinor. Quare ego tuam pater-
nitatem eciam atque eciam rogo, vt eo se demittere velit atque cum Braunszbergen*
sibus agere, vt nobis Stipendium illud decernatur, quo commodius in studia ineum-
bere possumus. Ego certe quod ad me attinet curabo sodulo, ne tuam Celsitudinem
beneuolencie atque beneficii peniteat, Joannes quoque (vt spero) suo funeturus est
officio. Sed ego anxie nimis ac pluribus quam constitueram hanc apud tuam Celsi-
tudinem causam ago, quod profecto non dubito, quin tua paternitas necessitati, que
aliquando eciam mutos loqui coegit, tribuet. De Mauricio autem video nimis quam
vellem id quod tua prestancia scripsit verum esse, illum in grammaticis parum vel
nihil institotum esse. Deinde oro, eum vt hortetur tua Celsitudo ad studia gnauiter
capessenda atque eciam obiurget, nonnihil vt arcius ac diligencius ad hoc studiorum
fundamenta ineumbat et nature ac ingenij tarditatem summa diligencia superare
studeat. Nam ego meo nunquam deero officio. Tuam vero excellentem atque
prestantem humanitatem deus optimus maximusque diu conseruet incolumem, Data
Sexto Id. Mai [10. Mai] Anno 15. 3. 3.
Heueren de tue paternitati
deditissimus Lucas Dauid M.
376 Mittheilungen und Annang.
Naolirloliten. *)
Elbing, 24. Juli 1876. Unser städt. Museum hat in kurzer Zeit recht werth-
vollen Zuwachs erhalten. In dem altertümlichen Bollwerkskruge der Elhingmündung
wurden durch einen Kunstfreund zwei Gemälde entdeckt, welche Original stücke aus
der Schule Lucas Cranachs sind und die Jahreszahl 1596 tragen. Es sind zwei
Frauengestalten auf Holz gemalt. Beide Gegenstände wurden dem Eigenthümer ab-
gekauft, neu restaurirt und dem städtischen Museum einverleibt. Ebenso sind auch
9 andere Bilder nunmehr restaurirt und als historische Denkmale in den Bäumen
des Bathhauses zur Aufstellung gekommen. Die Gemälde stellen die polnischen
Könige von Wladislaw IV. (1633) bis Stanislaw Poniatowski (1772) in Lebensgröss« dar.
Neue Westpr. Mitthlgn. v. 26. Juli 1876. Nr. 87.
Elbing, 16. Nov. 1876. Elbinger Chronik von Christ. Faleonins. Be-
kanntlich ist kürzlich die einzig vorhandene, oft citirte Chronik der Stadt Elbing
von Chr. Falk (Falconius) in der Uphagen'schen Bibliothek in Danzig vorgefunden
worden, ebenso der Lobspruch desselben Verfassers auf die Stadt Elbing und dessen
»Fragmente.* Die Schriften stammen aus dem 16. Jahrhundert und hat Herr Gym-
nasial-Director Toppen in Marienwerder die Herausgabe derselben übernommen, so-
bald die Druckkosten durch Subscription oder auf andere Weise gedeckt erscheinen.
Es hat sich nun allerdings der hiesige Alterthums- Verein bereit erklärt, eine Bei-
hilfe zu den erforderlichen Kosten, welche die Summe von 900 Mark nicht weit über-
steigen dürften, zu geben, auch sind bereits 152 Subscribenten in einer von Dr.
Anger in Circulation gesetzten Liste verzeichnet, doch reicht dies zusammen noch
nicht aus, die Herausgabe des für Elbing's Vorgeschichte so bedeutsamen Werkes
zu ermöglichen. Wir machen daher unsere Leser gerne darauf aufmerksam, dass
alle diejenigen, denen die erwähnte Subscriptionsliste nicht zugehen sollte, bei Herrn
Dr. Anger, wohnhaft im Neumann-Hartmann'schen Hause am alten Markte, das Werk
bestellen können. Gleichzeitig bemerken wir, dass seiner Zeit bei der Subscription
auf »Fuchs Geschichte von Elbing 420 Subscribenten sich gefunden hatten, von
welchen einzelne mehrere Exemplare bestellten. [Altpr. Ztg. 1876, No. 268.]
Periodische Literatur 1876/77.
Dr. Kolberg, Wulfstans Seekurs für d. Fahrten von Schleswig nach Truso. [Zeitschr.
f. d. Gesch. u. Altthskde. Ermlds. Jahrg. 1875 u. 76. Bd. 6. Hft. 1/2. S. 1—75.]
Der«. Nachtrag üb. die Damerauen. [Ebd. S. 7o— 80J
Friederici, Archäolog. Wahrnehmgn. auf e. Reise in Neu-Vorpomra. im Somm. 1876.
[Ostpr. Z. 1877. Beil. zu 43. 44.]
Toppen, Mitthlgn. üb. einige alte Burgwälle in d. Umggd. v. Mewe. (Schlossberge
bei Liebenau, Garz, Schwedenschanzen bei Stocksmühle, Borkau). [Neue Westpr.
Mitthlgn. 1877. 77 (Beil.) 81. 84 (Beil.)]
Gesichtsurne von Dirschau. Abbildg. [Schlesiens Vorzeit in Bildu. Schrift. 18751 S.50J
R. Bauer, Deich-Inspector, Zantir. [Werder Ztg. 1877. 14—17.]
M. Perlbach, Deutsch-Ordens Necrologe. [Forscbgn. z. dtsch. Gesch. 17. Bd. 2. Hft.
S. 357-371.]
Dr. Franz Schultz, socialist. Bestrebungen in Preussen währd. d. 14. Jahrh. [Danz.
Ztg. 1877. 10159.]
Zur neuest. Lit. Llv- u. Estlands. [Magaz. f. d. Lit. d. Auslands. 1877. 13]
N— 8. Aus d. Prov. Preussen. Wahlbeweguug, Theater. [Im neu. Reich. 1876. 41.]
Nothstand. Theater [1877. s>.l Wahlen. Theite. [8.] JoLJacoby; Phillips f [16.]
A. Hamoch, Pfarr. in Osterode beabs. e. Statistik der Kirche v. Ost- u. Westpreussen
hrszugeb., die zugl. e. Stück preuss. Eirchengesch. wd. soll. Zu dies. Zweck
hat er Fragebogen zur Ausfüllung den Geistlichen zugeh. lass. etc. [Evang.
Gemdebl. 1877. 12.]
*) Wegen Mangel an geeignetem Baume bisher zurückgelegt.
Periodische Literatur 1876/77. 377
Die Kasernirgsfrage in d. Prov. Preuss. [Kbg. Hartg. Ztg. 1877. 124 (M.) 125 (M.)]
Bericht üb. d. seither. Tbätigkeit des Fischerei-Vereins f. d. Prev. Preussefl auf d.
Gebiete d. künstl. Fischzucht (vom Secret. d. Vereins Reg.-Assess. Schulze
erstatt. in d. Generalvsmlg. v. 20. Dec. 1876. [Land- u. forstw. Z. 1877. 16.]
Fr. Kauer (Marienburg), Beitrag z. Taubstumm.-Bildgswes. in d. Prov. Preuss. [Danz.
Ztg. 1877. 10223.]
Vgl. Ueb. d. topogr* Karte y. Preusaen hrsg. v. d. Kartogr. Abtheil. d. Königl. Pr.
Landesaufnahme. [Peterroann's Mittblgn. 23. Bd. IV. Hft S. 162.]
Die Neubauten d. Egl. Ostbahn. (Fertigstellg. der Linie Wangerin-Konitz.) [Ostpr.
Z. 1877. 63. Danz. Z. 10245. (Insterb.-Prosken) [Danz. Z. 10289.]
R. Bauer, Nachrichten üb. Deichbruche (chron. zsgestellt.) [Werder-Z. 1877. 1 1—13.1
K. Die Eisgangsgefahren d. unt. Weichsel-Niederungen. [Danz. Z. 10305. 10307.]
Die unteren Weichsel-Niederungen (m. Karte.) [Deutsche geogr. Blätter hrsg.
v. d. geogr. Ges. in Bremen 1877. S. 38—42.] Fritz Wernick, Die üeber-
schwemmgn. in den Weichsel-Niederungen. [Daheim 1877. 21.Y — t — Zur
Weichsel-Nogat-Begulirg. [Danz. Z. 10345] Hausbarg, Das Weichsel-Delta
u. d. Nogat-Uebschwmingn Vortr. [Elb. Post 1877. 71—73.] Die Nogat u.
ihre Gesch. Elbing im Febr. 1877. [Kbg. Hartg. Z. 43 (M.) 44 (M.)] Kr.
Ein Nogat-Durchbruch i. Frühj. 1839 (V.-Z.) [Altpr. Z. 1877. 30.] Die Ver-
machungsarbeit. b. d. Dammdurchbruch b. Fischerskampe (m. Zeichg.) [Ebd. 30.]
Zwei Prologe. Prol. z. d. AuffÜhrg. f. d. Uebschwemmt. am 3. Febr. 1877 ged.
v. H. Nttschmann. — Zu Gunst, d. Weichs.- u Nogat-Uebschwemmt. (gesproch.
z. Leipz. u. Osterode) Felix Dann. [Ebd. 33.] R. Die Ursachen d. Darara-
dehbrehs. b. Fischerskampe u. deren Abstellg. [Danz. Z. 10163.]
Zur Theilung d. Prov. Preuss. [Danz. Z. 1877. 10183.] Die Grenze zwisch. d. neu.
Ost- u. Westpr. (Von e. Ostpr.) [10195.] Der Gestzentwurf betr. d. Theilg.
d. Prov. Pr. [10196.] D. Die Theilg. d. Prov. Preuss. I— DI. [10204—6.1
Die Theilgsfrage. [Kbg. Hartg. Z. 32 (M.)] Die Theilg. d. Provinzialkirche d.
Prov. Pr. [Ev. Gmdbl. 1877. 79.]
0. S(chade) Ostpreussisch p«de gotisch paida [Wissenschftl. Mon.-Blätt. 1877. Nr. 4.
S. 56—64.]
Die Landescultur in Westpr. i. J. 1876. I— HI. [Danz. Z. 1877. 10323. 25. 27.]
B. S. Bestrebungen auf dem Gebiete d. Alterthskde d. Prov. Westpr. [Ebd. 10163.]
Hugo Weber (Weimar) reo. Adalb. Bezzenberger, lltau. u. lett. Drucke d. 16. Jahrh.
II— IV. Gott. 1875. [Jen. Lit.-Z. 1877. Nr. 10. S. 158—160.]
Prof. Dr. Fr. Hipler, Christi. Lehre u. Erziehg. im Ermld. u. im preuss. Ordensstaate
währd. d. Mittelalt. [Ztschr. f. d. Gesch. u. Alttfaskde Ermlds. Jahrg. 1875
u. 76. Bd. VI. Hft. 1/2. S. 81—183.] Generalvikar Dr. A. Thiel, Wehrvfassg.
u. Wehrvhltnisse d. alt. Ermld. Musterungs-Ordnung u, Musterzettel desselb.
v. J. 1587. [Ebd. 184-227.]
Fr. Sch(ultz) Althausen. [Danz. Z. 1876. Nr. 9653.1
Bartenstein. Unsere Stadtordnung von 1634. [Königsb. Communalbl. 1877. 18.] Hoch-
zeits-Ordnung v. J. 1634. [Ebd. 41 (Beil.)]
Vor 250 Jahren. (Aus den »Acta senatoria praetorii civitatis Braunsberg* des städt.
Archivs z. Braunsberg wörtl. mitgeth. v. F. B. »Actum 6. Juli anno 1626.*
[Braunsb. Kreisbl. 1876. 81.]
Das Seebad Cranz. [Ostpr. Z. 1876. 81—83.]
M. Perlbach rec. Frz. Schultz, Gesch. d. Stadt u. d. Kreises Kulm. Lfg. 1. Danz,
[Jen. L.-Z. 1876. 44.] Zum lOOj. Jubiläum d. Kgl. Kadettenhauses zu Culm
1. Juni 1876. [Dtsch. Rchs.-Anz. 1876. 130.1 Das lOQj. Jubelfest d. Kgl.
Kadettenanstalt (Jubelschr.: »Das K, Kadettenhaus zu Culm 1776 — 1876 vom
Prof. Dr. Theod. Breysig. Culm 1876. Verl. v. Carl Brandt. [Danz. Z. 1876. 9766.]
C. Lohmeyer, üb. d. Namen der Stadt Danzig. [Wissensch. Monats-Blätt. 1877. Nr. 4.
S. 55-56.]
B. S(chfick). Zur Gesch. d. Danziger Postwesens. I. Urspr. Danz. Botenordg. [Danz.
Ztg. 1*78. 9967.] II. Weitere Entwickl. d. Botenwes. Conflicte m. Kurbrandenbg.
[9975.1 III. Fortgang d. Vwaltg. d. Danz. Postwes. v. d. erst Thlg. Polens.
[9989.J IV. Danz. Posten u. d. Kgl. pr. Ober-Postamt in Stolzenberg. [9999.1
Schluss. (d. 2. Thlg. Pol. D. französ, Occupation u. deren Folgen.) [10033.J
378 Mittheilungen und Anhang.
Danzigs Postvbdgn. yor 200 J. (nach e. 1H66 in Danz. ersch. Kalend. »Neu.
u. Alt. Scbreib-Calender Aufls Jahr . . . M.DC.LXVI. Auff den Dantziger u.
umbliegender Oerter Horizont mit Fleiss gestellet von M. Friderico Büthnero,
Matheseos Professore und Bectore zu S. Johann. . . . Danzig gedruckt durch
Dav. Fried. Bheten, In Verleg. Christian Manszklap.«) [Archiv f. Post u. Telegr.
1876. 5.] Aus den Anfang, d. pr. Landespost. Ein Ber. üb. d. Danz. Postwes.
v. J. 1661. [Ebd. 6.] Ein Post-Edict v. J. 1677. (24.Ndv. Dantzig. Joanne«
Bex. »Macht u. Gewalt dem Edlen General-Postmeister in Preussen Cotfverte
u. Paquete zu erbrechen« in e. Msc.-Bde d. Danz. Stdtbibl. [Danz. Ztg. 1876.
9889.] B. S. Auf einem Danziger Friedhofe. Noch eine Immortelle zum
Luisen- Gedenktage. (2 Töcht. d. Prinz. Wilh. Carl u. der Prinzessin Marianne
v. Preussen ruh. auf d. Friedhof z. heil. Leichnam.) [Ebd. 9649.] R. B(ergau).
Correspondenz aus Danzig im Nov. 1876. [Beibl. z. Ztschr. f. bild. Kunst.
XII. Jahrg. No. 18. Sp. 285—87.] H. F. Die Danziger in Berlin. (Verein der
Danziger.) [Danz. Ztg. 1877. 10303.] Ein Gang üb. d. Ksl. Marinewerft in
Danzig. [Ebd. 10157.1 Lievln, d. Sterblichk. in Danz. vor u. seit d. J. 1872.
[Ebd. 1876. 10059.] Ders., d.Sterblk. in Danz. i. J. 1876. [Ebd. 1877. 10213.]
Danziger Architecten- Verein. Sitzg. 20. Mai 76. Kunath, üb. d. übl. Vfahr.
bei Reparatur v. Brüchen d. Zuleitgsrohrs unsr. Wasserleitg. mittelst sogen.
Ueberschieber etc. [9751.] Denkschrift d. Vorsteh.-Amts d. Danz. Kfmsch.
feg. die Merchant-Shipping Act 1876. [9847.] Naturf. Ges. 27. Sept. Ib76.
>t. Conwantz, demonstrat. Vortr. üb. d. vstein. Holz. d. norddeutsch. Ebene,
bes. üb. d. in d. Sammign. d. Ges. befindl. — Vorlege, v. Geschenken durch
Dir. Prof, Ball. — Dr. Liasauer, Notiz üb. Vfälschg. d. Bothweins dch. Fuchsin
u. d. Wirkg. dieses Anilinpräparats. [9979.] 17. Jan. 1877. Stadtrath Helm,
üb. einige v. ihm ausgef. auf d. Danz. Wasserleitgs.- u. Canalisationsanlagen
bezügl. ehem. Analysen. — Bealschull. Schulze, Mitth. nebst Demonstrat. üb.
Würmer. [10177.] 28. März. Dr. Conwentz, Vortr. üb. Wege u. Mittel zur
Vbreitg. d. Pflanz. [10284.] 8ter Ber. d. Danz. Bezirksvereins d. dtsch. Ges.
z. Bettg. Schiffbrüchiger f. d. Ostseeküste Leba u. Pülau bis ult. März 1876.
Neb. d. regelm. allj. stattfind. Inspectionen dch. d. Ges.-Insp. Caut. Conrad
aus Bremen hab. häufigere Inspectionen u. Uebgn. m. d. MannschAn. dch. d.
Bez.-lnsp. Capt. Borschke stattgefd. Den lokal. Küsten-Vhltniss. entspr. ist
e. Bettgvboot f. d. Station Heia gebaut word., das sich als tüchtig bewährt.
Ein ähnl. construirt. u. ausgerüst. Bettgsboot ist für d. Stat. Neufanr gebaut,
wofür d. Kost. e. patriot. Landsmann, Charles Semon in Bradford. erstatt. u.
w. nach ihm benannt ist. Ebenso ist mit e. ebenso constr. Bettgsboot d.
Stat. Koppelin ausgerüst., in Stelle des nach Stat. Poel in Mecklbg. üb wies,
eis. Francisboot »Auguste Werner*. Für d. lOte Stat. Pasewark hab. wir e.
Bettgsboot nach d. Modell Neufähr u. m. ders. Ausrüstung bauen lassen, um
z. Ausstellung nach Brüssel gesdt. z. wd.; kost. 1721 M. — D. Jahres-Einn.
f. 1874/75 betrug 6485 M. 31 $., d. Ausg. 4789 M. 42 c).y Kassenbestand ult
März 1875: 1695 M. 89^.— Einn. f. 1875/76 : 5242 M.78^., Ausg. 4684 M. 23^.,
Kassenbestd. ult. März 1876: 548 M. 55$. — Uns. Bezirk v. Leba bis Pillau
ist im Vlauf d. letzt. Jahre v. gross. Schiffbruch, verschont geblieb.: 16 Mschleb.
sind bei 4 Seeunfall, gerett, u. ist d. Rettgsmannsch. prämiirt word. — An
Stelle d. Capit. Broschke ist Capit. Nöblssen als Stations-lnsp. gewählt word.
Danzig 13. Mai 1876. Brinckmann, Vorsitzdr., Ehlers, Schriftführ. [Ebd. 9755.]
Vsmlg. 25. Mai 1877. Consul Brinckmann (Vorsitz.) legt Jahresrechnung für
1876/77 vor. Einn.: 4327 M. 82 £, Ausg.: 3903 M. 6 c*., Bestand: 424 M. 76 £
Auf Einrichte, d. neuen Bootstation in Pasewark wd. 3366 M. 70 #. verwandt.
Gerett. wd. d. Besatzgn. v. 4 Schiff. [1877. 10360.] Danziger Zweig- Verein
d. Schillerstiftg. [1876. 10040.1
Die geistl. Brüderschaften in Elbing. [Elb. Post. 1877. 2.] St. Der Brand d. Glocken-
turms zu St Nicolai u. d. Bathhauses zu Elbing (am 26. Apr. 1777.) [Altpr.
Ztg. 1877. 95.] Zur Gesch. d. Elbing. Kriegsschuld. [Ebd. 46 (Beil.) 49 (B.)
52 (B.) 56. 57.] E.H. Elbings Armenpflege im Laufe dies. Jahrh. [Ebd. 1876.
Beil. zu 181 u. 187.] Kunstgewerbe-Ausstellg. in Elbing Dec. 1876. [Danz.
Ztg. 1876. 10116.] Das Elbinger Theater. [Elb. Post. 1877. 23.]
Periodische Literatur 1876/77. 379
Zum 5Qjähr. Bestehen d. Graudenzer Blattes »Der Gesellige*, (vgl.: Der Gesellige.
Jubiläums-Nr. Sonuabd. 8. Juli 187«. 2 Bl. fol.) [Danz. Z. 1876. 9823.]
0. 8t. Das Seebad Kahlberg. [Altpr. Z. 1876. 149.]
Die Chorographie des Joachim Eheticus. Aus d. Autograph, d. Verf. (auf d. Egl.
Bibl. zu Königsberg in e. Sammelbde unt. d. Mss. sub no. 390) m. e. Einleitg,
hrsg. v. Prof. Dr. F. flipler in Braunsberg. [Ztschr. f. Mathem. n. Phys.
21. Jahrg. 5. Hft. Hist.-lk Abth. S.12V-150.J Franz Liszt, Ehrendoct. d.
philos. Facult. d. Universität zu Egsbg. Miscelle v. E. Lehre. [Wissenschaft!.
Monats-Blätt. hrsg. v. Schade. 1876. 11.] Eriegsgefangen in Königsb. Nach
d. Buche v. Rambaud »six moix de captavite*.' (Aus e. Vortr., geh. v. Pfarrer
Ebel-Graudenz.) [ Wochenbl. d. Johanniter Ord.-Balley Brandeubg. 17. Jahrg.
Iö76. No.49-öl.J K(ahie)-Löb. Ueb. d. lOOj. Jubelfeier d. löbonichts eh. Kirche
zu Kgsbg. ;j. Dec. 1876. (2 Nachtrage z. »Denkschrift« betr. 2 wert h volle m.
Silber beschlag. Bücher u. e. aus d. Tharau. Eirchenchronik entnomm. biogr.
Notiz üb. George Ernst SiegismundHennig.) [Ev. Gmdebl. 1876. 51.] Eng.
Aus*.)]
Die lOOj. Jubelfeier d. Löbenichtsch. Eirche". [Ostpr. Ztg. 286.] Prof. Frhr.
Herrmann, z. Säcularfeier d. loben. Eirche. [Hartg. Z. 1876. 2t*5 (Abd.-Ausg.)]
v. d. Goltz u. Prof. Dr. Ritthausen, d. landwirthschaftl. Institut u. d. agrikult.-
chem. Laboratorium d. Univ. Egsbg. [Ostpr. Ztg. 1870. 137 (Beil.) vgl. : Das
landw. Institut d. Univ. Egsbg. Ebd. 208 (B.)] Zur Eröffnung d. Eunst-
ausstellg. (Eönigsbgr. Stadtmnseum.) [Hartg. Ztg. 1877. 30 (M.)J Das neue
Provinzialmuseum in Eönigsbg; [Ebd. 1876. 107 (M.) 109 (M.) 112 (M.)]
E. Wiehert, Unser Theater, e. Wort ans Publicum. [Ebd. 185 (A.)] Physikal.-
ökonom. Gesellach. 3. März. Dr. Erosta, Vortr. üb. d. Abnahme d. Wass. in
d. Flüss. d. Culturländer. 0. Tischler ber. üb. einige archäolog. Studien auf
sr. Sommer 1875 untnomm. Reise (d. Broncethür im Dome zuGnesen; Posener
Gräberfunde). [Hartg. Z. 84 (B.)] 7. Apr. D. Vorsitzde legt d. neuste Hft.
d. Ges.-Schr. (1875, 2.) vor. Prof. Dr. Grünhagen, üb. einige phys. Beziehgn.
d. menschl. u. thier. Organism. z. anorg. Natur. Dr. Jentzsch legt Geschenke
vor. [100 (B.)] 5. Mai. Geschäft]. — Prof. v. Wittich ref. üb. cL Arbeiten
Hitzig's (Functionen d. Gehirns). Dr. Benecke üb. d. neust. Verbessrgn. d.
photogr. Pigmentdruckvfahr. [lü9(A.)] 2. Juni. Vorlege, v. Geschenk, durch
0. Tischler u. Dr. Jentzsch. Dr. Jentzsch, üb. einige Aiterthümer aus einem
Pfahlbau bei Claussen (Nordmasur. od. Ermland?), üb. d. aufgefd. Feuerstein-
werkstätte am Südufer d. Druglin-Sees, u. üb. d. neuest. Entdecknngn. in d.
Diluvialfauna Ostpr. u. d. Fundpunkte derselb. Prof. Dr. Blümner, Vortr. üb.
d. Ausgrabgn. H. Schliemann's in Troja. [157 (A.)] 6. Oct. D. Vorsitz, giebt
e. Uebsicht üb. d. Thätgk. d. Ges. im vfloss. Somm. u. legt als Geschenk d.
Hofpred. Hoffheinz e. Expl. des Homannsch. Atlas v. 1730 vor. — Vorlere.
v. Geschenken durch 0. Tischler. — Schiefferdecker über ein in neuster Zeit
entdeckte Fälschg. v. Ueberrest. d. Höhlenbewohner d. Schweiz. Geh.-R. Dr.
Hirsch üb. e. Arbeit d. Prof. Magnus-Breslau üb. d. »ästhet. u. eulturhistor.
Beziehgn. d. Auges.' Prof. Kupffer üb. s. Ausflug im Aug. 1876 an d. masur.
Seen im Interesse d. Fischereivereins. Dr. Jentzsch, kurz. Ber. üb. d. Tief-
bohrgn. in Schöneberg (Er. Carthaus) u. im Goldaper Er. — Dr. Schieffer-
decker, üb d. eigenthüml. Regenvhltnisse in dies. Frühj. u. Somm. (260. (M.)
1. Beil.] 3. Nov. Dr. Jentzsch legt Geschenke vor. Prof. Dr. Schneider zei^t
u. demonstr. den Thermo- Cautere v. Dr. Papuelin Prof. Caspary, üb. Trüffeln
u. trüffelart. Pilze. Dr. Schiefferdecker, Ber. üb. d. bish. bekannt gewd. Result.
d. Zählg. d. Schulkinder nach Farbe d. Aug., Haare u. Haut. [284. (A.) Beil.]
1. Dec. 0. Tischler legt nach ausführl. Auseinanderstzg. d. vschied. prähist.
Period. in d. Prov. Preuss. d. archäol. Geschenke vor. Prof. Dr. Lonmeyer
ber. üb. s. Ausgrabungen in Warnicken. Prof. Caspary üb. e. f. Preussen u.
Deutschi, neue Trüffel, von Dr. Prätorius bei Conitz gefund., Tuber Borchii
Vittadini. Dr. Jentzsch, Bericht üb. seine geognost. Thätigk. im Jahre 1876.
[Ib77. 1 (B.)] Bezirksverein d. dtech. Gesellschaft z. Rettg. Schiffbrüchiger.
Gen.-Verslg. 4. Mai. 10. Jahresber. f. 1875: 842 Mitgl. geg. 701 pro 1874;
davon in Ebg. 489. Einn.: 3338 M , Ausg.: 2591 M. M. Ausnahme v. Stat.
Rositten ed. alle Station, v. d. Insp. d. Centralvereinskapit. Conrad besucht,
380 MittbeUangen and Anhang.
auch b. Stat. Cranz e. Uebg. unt. s. Leit. abgeball. word. — Nur 2 Stracdgn.
sd. vorgekommen; die Bottgsstationen des Bez. sind nicht in Thätigk.- gewes.
Während d. lQj. Wirksamk. entstd. 1866: Stat. Balga-Alt-Tief nur m. Raket.-
Apparat, Kraxtepellcn, 1867: Lappönen, 1870/71: Rossitten, 1874/75: Cranz,
letztere vier m. Bttgsboot u. Baket.-Appar. [Ostpr. Z. 109.] Bericht üb. zwei
v. d. Stationen Kraxtepellen n. Cranz glückl. vollbrachte Bttgn. mit d. Raket.-
Appar. 10. Sept. n. 2. Oct. 1876. [238.]
Grundsteinlgg. d. neu. evang. Kirche zn Loosandorf. [N. Westpr. Mitthlgn. 1876. 81.]
Die 600j. Jubelfeier d. Stadt Marienburg 26. u. 27. Apr. 1876. [Danz. Zeitg. 1876.
9706. 8. 10. 12.] Die geschieht!. Vbltnisse d. Stadt Marienburg. Nach d. z.
Feier d. 60Qj. Grdg. d. Stadt am 27. Apr. v. San.-R. Dr. med. Marschall vor
d. Bathhanse gehalt. Festrede. [Ebd. 9707. 9709.] Auszug aus d. Festrede.
[Altpr. Z. 101 (B.)l Die Marienburg. Zur 6. Sacularfeier (mit eingedr. Zeich-
nung.) [Sonntags-Blatt z. Altpr. Ztg. 18. 19.] Die Festfeier d. 600 j. Besteh,
d. Stadt Marienburg. [Westpr. Z. 100.] D. 600j. Jubelfeier d. Stdt. Marienb.
[Hartg. Z. 101 (A.) 102 (A.)] [Nogat-Ztg. 51.1 Der lieben Stadt Marienbg.
gewidm. z. höh. Feier ihr. 600). Bestenens v. Evefine Helmecke geb. v. Maltzahn.
[Nogat-Z. 52. 53.] [N. Westpr. Mtthl. 50 (B.) 51.] Die Marienburg. [Dtsche
Mtshefte. 8. Bd. 3. Hft.]
Gründg. d. bist. Vereins f. d. Begierungsbez. Marienwerder durch Beg.-B. v. Hirschfeld.
Bekanntmachg. d. d. Marienw. 9. Jan. 1876. [Neue Westpr. Mitth. 1876. 7.]
Vorstands-Sitzg. 23. Jan. [Ebd. 10 (Beil.)] General- Versig. 9. Apr. Reg.-R.
v. Hirschfeld, Ansprache an d. Vslg.; Ber. üb. d. vom Vorstande bish. getroff.
Einrichtgn. ; Vortr. üb. d. Aufg. der Gesch.- u. Altthsforschg. u. die Tendenzen
d. Vereins. — Statuten-Entwurf m. unwesentl. Aendergn. genehm. — D. Verein
zählt üb. 200 Mitgl. D. Vereins-Mus. ht. ber. einige recht interess. Acquisit.
gemacht, die z. allg. Ansicht ausgest. war. [Ebd. 43. Ostbahn. 43.] Archäolog.
Eicureion in d. nordöstl. Theil d. Reg.-Bez. 10. u. 11. Juni. Besichtig, der
Alterthüm. v. Christburg, Vmessg. u. Aufnahme des unt. d. Nam. Grewose
bekannt, uralt. Wallwerks an d. Sorge. [N. Westpr. Mitth. 69.] Mitthlgn.
aus dem im Laufe des Sept. auszugebd. l. Bd. der Vereinsschrift u. aus d.
Vereinschronik; üb. 300 Mitgl. (Ebd. 105 (Beil.)] Vsammlg. 25. Nov. Aus-
stelig. d. Mus. m. üb 200 Altthüm. u. an 400 Münz. Apothek. Gigas, Vortr.
üb. den sogen. Potrimpos zu Christbure, die Bartenstein. Steine u. den Bartener
Stein. Forstmeister Küster, Vortr. üb. d. Bennthierzeit in Deutschld., üb. d.
Elennthier, üb. d. eigentl. Auerochsen u. den Wisent, sowie üb. den Biesen-
hirsch. — 365 Mitgl. [150. (Beil.)]
Bauführer de Grain, Vortr. üb. d. »Gesch. u. d. Bau der kathol. Kirche zu Mewe*
geh. 25. Oct. 1876 in d. Sitzg. d. Biidungsvereins. Referat. [Ebd. 131.]
Der Zeitball u. die Seewartestation in Neufahrwasaer. Neufahrwasser, 24. August.
[Danz. Ztg. 1876. 9906.1
Notiz üb. d. schöne als Wallfahrtsort bekannte Kirche in Pehsken bei Mewe. [Neue
Westpr. Mitthlgn. 122.]
M. Toppen, Schloss Rtesenburp. [Ebd. 1876. 142 (Beil.)]
Eisenbahnbrücke üb. d. Weichsel bei Thorn. (Nach amtl. Quellen.) [Zeittschr. f.
Bauwes. Jahrg. XXVI. Hft. 1/3. Sp. 35—5», m. Zeichng. auf Bl. A im Text
u. auf Bl. 14—20 im Attas. Hft. 4/7. Sp. 197—218 m. Zeichng. auf Bl. D
im Text u. auf Bl. 35—42 im Atlas.] Deutscher Städtespiegel. Thorn. [Das
neue Blatt J877. 28.] Copern.-Verein. 3. Apr. 1876. Geschäft]. M. Curtze,
Bericht üb. die zu Born 1876 erschien. Festrede v. Prof. Berti bei d. Sacular-
feier d. Cop. an d. Univ. Bom. [Thorn. Ztg. 1876. 82] 8. Mai. Bericht üb.
d. am 11. Apr. stattgefd. Constituirg. e. Kunstvereins in Thorn im Anschluss
an Tilsit und Memel. — Oberl. Bötbke, Vortrag üb. Dr. Thompson^ Schrift
»Lucretius or Paul.4 Gymn.-L. M. Curtze üb. d. neuerdings v. Malagola zu
Bologna aufgefund. Documenta üb. Lucas Watzelrode's u. der Brüder Nicol.
und Andr. Copernikus' Aufenthalt in Bologna [109.] 12. Juni. Ger.-R. Dr.
Meisner, Vortr. üb. d. Entwickig. d. social. Frage in d. letzt. Decennien. [137.]
3. Juli. Prof. L. Prowe, Vortr. üb. d. Entstehe, d. Vereinigt. Staat, v. N.-Anou
[152—154.] 7. Aug. Curtze, Bericht üb. d. Inh. des v. Malagola hmugebd.
Periodische Literatur 1876/77. Sgl
Baches: Vf. soll ersacht wd., d. Hrsgabe e. Uebstzg. des Cop. betr. Theiles
zu gestatt. [184.] 4. Sept. M. Curtze zeigt an, dass Malagola in Bologna die
betr. Uebstzg. gestattet habe. Ders. theilt d. Schlusscap. mit, w. Schiaparelli
für die v. Curtze besorgte dtsche Ubstzg. s. Bachs »die Vorläufer des Cop.
im Altth.« eigens hinzugefügt ht. Bankvorsteh. Eich, Vortr. üb. Wes., Zweck
a. Einrichtg. e. gross. Landesbank. [210. Tgl. 221.] 9. Oct D. Prov.-Ldtg.
ht. d. erbet Subvention v. 2500 M. z. Hrsgabe der Menzzer'sch. Ubstzg. d.
Werkes: »De revolutionibus orbium caelestium* dem Copern.-V. überwies. —
M. Curtze, Vortr. üb. Malagola's Bericht üb. d. Aufenth. d. Cop. in Bologna.
[239.] 6. Nov. Dr. Brohm htte beantr., e. Versuch zu mach., am t. d. rass.
Regiere, d. Zurückgabe des ältest. Bds. d. Thorner Schoppenbücher zu erlang.,
zieht ab. wegen d. dabei obwaltd. Schwierigkten seinen Antrag mit Vorbehalt
zur. — Vorschlag weg. Beschaffg. e. Locals f. d. Bibl. u. Samnügn. d. C.-V. —
Dir. Dr. A. Prowe beantr. d. Begründg. e. Lese-Mus. — Maj. t. d. Lochau,
Vortr. üb. d. Schlacht v. Königgrätz. [266.] 2. Dec. Gesellig. Abd. Dir. Dr.
A. Prowe, Schildrg. d. Akropolis v. Athen. [285.1 4. Dec. Rchts.-Anw. Reichert,
Ber. üb. d. Aufführg. ▼. Wagners Nibelung.-Oper in Bayreuth. [287. 288.]
Deutscher Städtespiegel: Tilsit [Das neue Blatt. 1876. 29.] Die Ueberbrückg. des
Memelthals bei Tilsit. (Tils. Z.) [Illustr. Ztg. 1876. 1708. Pr.-Litt Z&. 77.
Ostpr. Z. 80 (B.) Die Begegnung der Königin Luise mit Napoleon zu Tilsit.
(N. V. Z.) [Ostpr. Z. 1876. 72 (Beil.)]
A. Essenwein, d. Waffensmlg. im Schlosse zu Tungon. [Anz. f. Kde d. dtsch. Vorz.
N. F. 23. Jahrg. No. 12. Sp. 353 -56.]
Dr. med. G. Dinter, Sommerfrische am Ostseestrande (Zoppot) [Hartg. Ztg. 1876.
137—139 (M.)]
Nekrolog für Stadt u. Provinz 1876. [Ostpr. Ztg. 1877. 2. (B.)]
Wilh. Ed. Albrecht, einer der »Göttinger Sieben« geb. 4. M&rz 1800 in Elbing,
f 22. Mai 1876 in Leipz. [Danz. Ztg. 1876. 9753.] J. Wilh. Ed. Albrecht.
[Ebd. 9777J Otto Stobbe, Wilh. Ed. A. [Im neuen Reich 27. 281 Hans
Blum, W. E. A. [Die Grenzbot. 23.1 C. Fr. Heime, z. Erinnerg. an W. E. A.
[Augsbg. AUg. Ztg. 155 (Beil.)] K. Maurer, W. E. A. (Necrol.) [Krit. Viertel-
jahrschr. f. Gesetzgebg. u. Bchtsw. 19. Bd. 2. Hffc. S. 181—189.]
Luther, Gedächtnissrede auf d. am 17. Febr. 1875 verst. Astronom. Frdr. Wilh. Aug.
Argelandar gel. 6. März 1875. [Schrift, d. phys.-ökon. Ges. 16. Jahrg. Abth. 1.
S. 1—6.] W, T. L., Frdr. W. Aug. Argelander (Necr.) [The American
Journal of science and arte. Hl. Series. Vol. XII. No. 68. Aug. 1876. p. 113—118
nach Schönfeld in Vierterjahrsschr. d. astron. Ges. Jahrg. X, 3.]
Aug. BielowsW (t 12. Oct. 1876 zu Lemberg, geb. 27. M&rz 1806). (Necrol. u. Ver-
zeichn. seiner Schrift.) [Polybiblion. Partie litt. II. Serie. T. IV.— XVII. de
la collect. 5. Liv. Not. 1876. S. 458—59.]
Deutsche Bürgermeister. VI. Barthol. Biomo t. Marienbg. [Wochenbl. d. Johannit.
Ord.-Baüey Brandenbg. 1876. 40.]
Beinh. Buchholz t (Prof. in Greüswald, geb. in Juditten bei Königsberg als Sohn e.
mittellos. Predigers). [Danz. Z. 1876. 9703. (Voss. ZJ]
Bonoko, Prof. Dr. Ernst Burdaoh f (Necrol.). [Wissens eh. Monate-Blatt. 1876. 12.]
L. C. Erinneren, an e. Danziger. (Daniel Chodowiecki, geb. 16. Oct. 1726 zu Danzig,
f 7. Febr. 1801.) [Westpr. Z. 1876. 163.]
Ignano Ciampi, il Copernico del Berti. [Nuova Antologia. Anno XI. Vol. II. Fase. 5.
Maggiol876. p. 111— 120.] Aug. Conti rec. Berti, Copernico. [Archiv, stör. itaL
Ser. Hl. T. 23. p. 322—327.] (Max. Curtz)o, Copernicus in Italien. [Thorn.
Ostdeutsche Ztg. 1876. 100.] Dr. F. Hiplor, Kopernikus in Bologna. [Erml.
Ztg. 1876. 54 (Beil.)] Beide: Curtze u. flipler ins Italien, übers, v. Dr. Alf.
Sparagna Bullettino di bibliogr. e di stör, delle sc. matem. e fis. Tom. IX.
Giugno 1876. p. 315— 319. 320—325.] Carlo Malagola (Bologna), dei doenmenti
troyati ultimamente intorno la dimora di Nicolö Copernico in Bologna. [Re-
pertor. d. lit Arbeit, auf d. Gebiete d. rein. u. angew. Math. 1. Ba. 2. nft.
1876. S. 185—186.] M. Owtze, Hat Cop. die Einleitg. in sein Werk selbst
festrich. od. nicht? [Ebd. 3. Hft. S. 249.] G. Leopardi, Copern., deutsch v.
•f Heyse, [Westeraann's illustr, dtsche Monatshrte. 1876. Mai,] Schanz,
3g2 Mlttlieilttngeii tmd Anhang.
Nie. Copern. [Natur u. Offenbrg. 22. Bd. 12. Hft.] Prof. Dr. Cantor, üb. d.
Nationalität des Cop. [Angab. Allg. Ztg. 1876. 214 (Beil.)] Ein neues Cop.-
Denkmal (von e. aus Thorn stammenden Zeichenlehr. v. JaroezynskJ in Posen
modellirt. [Thorn. Ztg. (nach d. Posen. Ztg.) 1876. 253.]
Pastor H. Kawall in Pussen, aus d. Leb. d. Prof. Dr. Wilh. Cme in Königsberg,
(autobiogr. Brief Cruse's an sein. Jugendfreund v. J. 1870.) [Sitzgs.-Ber. d.
Kurland. Ges. f. Lit. u. Kunst aus d. J. 1875. S. 40—45.]
Simon Dach. [Europa. 1877. No. 6.]
Lehmeyer, Wilh. Karl Aug. Drumann, geb. 11. Juni 1786 zu Dannstedt im Füretth.
Halberstadt, gest. zu Kgsbg. 29. Juli 1861. [Allgem. deutsche Biogr. Bd. V.
S. 436— 489J
Joseph Preihr. v. BohemtorfT. [Westpr. Z. 1876. 73—77. 79. 80.]
Herrn. Götz f (geb. 17. Dec. 1840 in Kgsbg., bekannt durch s. Oper »Der Wider-
spenstigen Zähmung4). [Hartg. Z. 1876. 294 (A.) Danz. Z. 10098.]
Perd. Gregorovlus. [Illustr. Z. 68. Bd. 1877. No. 1758.] Der röm. Bürgerbrief für
uns. Landsmann Gregorovius. [Augsb. Allg. Z. 1876. 140 (Beil.)]
Graf Karl v. d. Groben (geb, 17. Sept. 1788 zu Schrengen bei Bastenbg., f 13. Juli
1876 auf NeudCrfcnen im Kr. Marienwerder). [Besond. BeiL z. dtsch. Rekhs-
Anz. 1876. No. 33.]
Otto Fr. Gruppe. [Dtsche Monatshefte. 4. Jahrg. 7. Bd. 3. Hft.]
Notiz üb. den Hofmaler Bernh. Hahn aus Konitz, der 1623 für die Klosterkirche zu
Pelplin e. Altarbild, Krönung Maria, malte. — Auch in der kathol. Kirche zu
Neuenburg befind, sich ein Gemälde von ihm, Kampf des Erzengels Michael
mit dem Teufel, aus d. Jahre 1615. [Neue Westpr. Mitthlgn. 1876. Beil. zu
139 u. 143.]
Otto Pfleiderer, zwei Glaubensphilosophen. I. Hamann (aus e. Vortr. in d. Singakad.
zu Berl. überarbeit.). [Jahrbuch, f. protest. Theol. 1876. 3. Hft. S. 451—75.]
Gust. Ed. HeJnecoius, Präsid. d. Kgl. Gerichtshöfe f. kirchl. Angelght. etc. (geb. zu
Danzig 9. Nov. 1805, Urenkel d. berühmt. Jurist. Jon. Gottl. Heineccius, vor
50 J. v. d. Univ. Götting. entlass., v. d. Georgia Augusta am 15. Aug. 1876
zum Dr. jur. utr. honor. c. creirt. [Dtsch. Reichs- u. Pr. Staats-Anz. 205.]
Nachr. üb. George Ernst Siegism. Hennig aus d. Tharauer Kirchenchronik (mitgeth.
v. Pforr. Ellinger). [Ev. Gmdebl. 1876. 51.1
L. C. Beziat, la vie et les travaux de Jean Hevelius. [Bullettino di bibliogr. e di
stör. delle sc. mat. T. VID. p. 497—558. 589—669.]
L. Ferri, il Centenario del filosofo Herbari [Nuova Antologia di scienze, lett. ed arti
Anno XI. Vol. II. Fase. 5. S. 151—157.] L. Ballauff, Herbart's Ansicht, üb.
d. Organisation d. Schulwesens. [Pädag. Archiv. 1876. No. 7. S. 466—479.}
M. Lazarus, >Herbart<. Bede bei d. Enthüllg. d. H.-Denkmals in Oldenbg.
4. Mai 1876 gehalt. [Die Gegenwart. 19.] Th. Ribot, la psychologie de H.
Eevue philos. de la France etc. I. annee. VH. p. 68—85.] Joh. Fr. Herb.
. Volksschulfreund. 1876. 11.1 Dr. Ldw. Salomon, Joh. Fr. H. Ein Skizzen-
ttt zu d. Philosoph. lOQjährig. Geburtstage. [Hartg. Ztg. 105 (A.)] Zum
100. Geburtstag J. Fr. H/s [Dlustr. Ztg. 1714.]
Hesse, Festrede am Grabe Herders. [Protest. Kirchenztg. 1876. 42.]
Felix Klein, notice sur la vie et les travaux de Louis-Otnon Hesse trad. de 1' Allem,
par Paul Mansion. [Bullettino di bibliogr. e distor. d. sc. matem. IX. p. 309—314.]
Ein lOCjahr. Geburtstag in Oliva (betr. d. letzt Abt, Fürstbischof v. Ermld., Prinz
Joseph v. Hohenzoil. geb. 20. Mai 1776» t 26. Septbr. 1836.) [Westpr. Ztg.
1876. 120.1
Der Pionier des Volksrechte (Dr. Job. Jacehy m. Portr.) [Die Gartenlaube 1877. 13.1
>. £
Joh. J., geb. 1. Mai 1805, gest. 6. März 1877. [Elbing. Post. 59J üeb.
letzt. Lebenstage Joh. J/s. (Berl. Volksztg.) [Danz. Ztg. 10236.] Bede d.
Babbiners Dr. Bamberaer am Sarge Joh. Jacoby's (Stenogr. d. »Berl. Freu
Presse.«) [Die Wage Nr. 11. S. 161—164.] [Hartg. Z. 62. (A.)] Prolog z.
Feier Ar Joh. J. v. Otto Hörth. (Frankf. 2. Apr.) [Ebd. 81. (A.)] Joh. J.
[niastr. Z. 1759.] Dr. Karl Grün, Joh. J. (Nekrol.) [Augsb. Allg. Ztg. Beil.
zu 81 u. 82.] Dr. Guido Weiss, Joh. J. Bede zu seiner Gedachtnissfeier in
Berlin, am 1. Mai 1877. [Die Wage Nr. 18. S. 273-282J
Periodische Literatur 1876/77. 383
Immannel Kant. (Mit Portr.) [Illnstr. Chronik d. Zeit. Jahrg. 1877. Hft. 9. Stuttg.
1876. S. 178—179.] Adam Smith u. Imm. K. [Europa 1877. 7.1 L. Fried-
länder, Kant in s. Stelig. zur Politik. [Dtsche Bundschau. 3. Jahrg. Hft. 2.
Nov. 1876. S. 241— 255J J. P. N. Land, Kant's space and modern mathe-
matics. [Mind. 1877, S. 38—46] 0. Pfleiderer, Kant u. d. Rationalismus.
[Im neu. Reich. 1876. 22.] Ders. Kant u. Newton [Protest. Kirchenz. 1877. 17.]
Renouvicr, etudes esthe*tiques: le principe de Testh^t. chez Kant, Schiller et
M. Herb. Spencer. [La critique philos. 1876. 10.] Ders.t les labyrinthes de
la me'taph. — Les an tinomies Kantiennes de l'infini et du eontinu. [Ebd. 32.1
Ders., un passage de Kant stur le cercle vicieux de la liberte* polit. [Ebd. 46.]
Prof. Dr. Arth. Richter, Kant als Aesthetiker. Ein Vortr. [Ztschr. f. Phil,
u. phil. Krit. N. F. 69. Bd. S. 18—43.] Dr. Hans Vaihinger, Zur modern.
Kantphilologie. [Philos. Monatshefte. 12. Bd. 10. Hft. S. 443-463.]
A. Bernstein, Gustav Rob. Kirohhoff. [Sonntags-Blatt 1876. 11.]
Seh. in Th., Nekrolog: Pferr. Dr. Alex. Gust. Herrn. Lambeck (geb. 13. Juni 1804
zu Broraberg) t 3. März 1877 als Senior d. Geistl. der Thormr Diözese zu
Gurske. [Ev. Gmdbl. 19.1
Geh. Justizrath u. Generallandscnaftssyndicus Dr. Hans Ernst Ed. Maden (geb. 17ten
Juni 1801 zu Neuteich) f 5. Jan. 1877 zu Marienwerd. Nekrolog. [Ebd. 5.]
0. S(chade), Prof. Dr. Aug. Muller t (mit Vzchn. s. Schriften nach Thcod. Müller)
(Wissenschftl. Monate-Blatt. IV. Jahrg. Nr. 4. S. 61—64.]
Neumann-Jubiläum in Kbg. 18. März 1876. [Ostpr. Z. 70 (Beil.)]
Franz Paaaauer t [Insterbg. Ztg. 1876. 33.]
Zu Adolf Phillips' Gedächtniss (geb. 2. Febr. 1813 in Königsbg., f 29. März 1877
in Elbing). [Altpr. Ztg. 77.] t Adolph Phillips, panz. Z. 10355.]
Prof. Dr. Georg Phillips f 18. April 1877 zu Kgsbg. (Nachruf d. Univ.) [Ostpr. Z. 92.}
L. Koenigsberger, Beferate aus d. hinterlass. Papieren v. F. Riehelot [Repertor. d. liter,
Arbeit auf d. Gebiete d. rein. u. angew. Mathem. l.Bd. 2. Hft. S. 191—200.]
H. Lorm, Karl Rosenkranz. [Wiener Abendpost (Beil. z. Wien. Ztg.) 1876. 65.]
W. Lübke, Karl Sohnaase. Mit Portr. [Ztschr. f. büd. Kunst 1875. Hft. 10. S. 28^-301 .]
L. G. (Berlin) Aus d. Papieren d. Minist Theod. v. Schön (Bd. I betr.) Augsbg.
Allg. Z. 1875. 85 (Beil.)] (Bd. II betr.) [Ebd. 338 (B.)] D. preuss. GeneraT-
feldmarsch. v. d. knesebeck. [Ebd. 1876. 19 (Beil.)] Zwei Königl. Preuss.
Staatsminister auf d. Anklagebank. [Vossische Z. 1876. 3. Beil. zu 1 u. 3.]
Alex. Jung, Zur weitem Charakteristik d. Minist, u. Burggraf, v. Marienburg,
Hrn. v. Schön. JMagaz. f. d. Lit. d. Auslands 1876. No. 6. 29. (vgl. 1875. 40.)]
W. Maureabreeher, Sehön's Denkwürdigktn. u. Verwandtes. 3. Artikel. [Grenz-
boten 1876. 20.] Ders. Schon's liter. Nachläse. 4. Artik. [Ebd. 23.] Konst.
Rössler, Max Lehmann, Knesebeck u. Schön. [Zeitschr. für preuss. Gesch. u.
Landesk. 1876. S. 25C— 261.] A. Weigert, Theod. v. Schön. [Blätter f. lit.
Enthalte. 1877. 16.]
Englische Bücher über Heine u. Schopenhauer [Magaz. f. d. Lit. d. Ausl. 1876. 28.]
E. v. Hartmann, Schopenhauerianism. u. Hegelianism. i. ihr. Stellg. z. d. philos.
Aufg. d. Gew. [D. Gegenwart. 1876. 28. 80. 82.] Den., Frauenstadt's Um-
bildg. der Sch.'schen Philos. [Uns. Zeit. XII, 241—59. 348—62.] Ders., Seh.
et son disciple Frauenstadt [Revue philosoph. de la France etc. 1876. 1, 529-61.
II, 34—48.1 R. Adamson, Sch/s philosophy [Mind. 1876. p. 491—509.]
K(ahle)-Löb(enicht) Erdmund Alex. Sondennann f 13. März 1876. (geb. 23. Sept. 1814.)
[Ev. Gmdbl. 1876. 13.]
Dr. Streuaberg. I— IV. (Dr. Strausberg u. sein Wirken von ihm selbst geschildert.
Berl. 1876.) [Danz. Z. 1876. 9971. 73. 77. 83 J
Hans v. Sydow, Genealogie d. Familie v. Sydow. [Vierteljahrsschrift f. Heraldik etc.
1876. S. 238—56.]
Ad. Michaelis, Ein Verschollener (Job. Geo. Tramfeldt zu Anfang d. J. 1648 in
Strasburg in Westpr. geb.) [Im neu. Reich. 1876. 24. 25.] Ein westpreuss.
Odysseus. I— III. [Danz. Z. 1876. 9829. 31. 33.]
Em. Grosse (Memel), Zu Schillert Brief, üb. ästhet. Erziehg. (Aus Fr. Ueberweg'e
nachgelass. Msc. ȟb. Schiller als Philosoph u. Historiker* als Probe des von
Grosse hrozngebd. Werks.) [Wissenschaft!. Monats-Bl. 1876, 11. S, 169—174.]
384 Mittheihmgen and Anhang.
Erich Schmidt, neue Actenstücke über Zachar. Werner's Priesterweihe. [Archiv für
Litteraturgesch. VI, 233— 249J
R. S(chück), Christian Prdr. Gottl. Benj. Wernich (Ober-Postdirector in Danz , geb.
25. Dez. 1778 t 3. Aug. 1845.) Ein Lebensbild aus d. Neuzeit Dauzigs. [Danz.
Ztg. 1877. 10235.]
Oberlehr. Dr. Karl Wiederholt! am Gymn. in Insterbg. + 22. März 1876. (Nachruf.)
[Hartg. Ztg. 1876. 71. (M.)]
B. S(chück), Dr. Nathanael Matthäus v. Wolf (e. Lebensbild aas d. 18. Jahrh.) geb.
28. Jan. 1724 zu Konitz, f 15. Dec. 1784 zu Danzig. [Danz. Z. 1877. 10173.]
Zacharias Zappio, Vortr. gehalt. am 6. Febr. 1877 im kaufm. Verein zu Elbing von
Kaufm. Freundstück. [Altpr. Ztg. 33.]
Kant's Ruhestätte
befindet sich leider noch immer in einem Zustande arger Verwahrlosung. Der Name
Stoa Kantiana lässt eine stattliche Halle erwarten, wo in würdevoller Umgebung die
Asche des »Weisen von Königsberg* aufbewahrt wird. Aber wie ganz anders ist
der Anblick, der sich dort in Wirklichkeit darbietet! Man trägt billig Bedenken,
den Fremden, der das Grab des grössten Mannes der Provinz sehen möchte, in den
unsaubern Winkel zu führen, wo an die Bedeutung des Orts nichts erinnert als der
kleine, ganz kunstlose Stein, unter welchem einst Kant's Sarg versenkt wurde.
Um diesen Fleck auf der Ehre unserer Heimath zu tilgen, sind schon vor
Jahren durch die Bemühungen des verstorbenen Professor August Müller, der die
erste Anregung dazu gab, und des mit ihm thätigen Comites einige Tausend Mark
zusammengebracht, auch haben Magistrat und Stadtverordnete Königsbergs sich be-
reit erklärt, eine erhebliche Beihilfe zu gewähren.
Doch reichen die vorhandenen Mittel noch nicht aus, den erforderlichen Um-
bau in wenn auch einfacher, so doch anständiger Form herzustellen. Das unter-
zeichnete Comite* hat daher den Plan jenes älteren, aus dem es hervorgegangen,
wieder aufgenommen und demselben nur in so fern eine veränderte Richtung ge-
geben, als es lediglich den Umbau der Grabstätte selbst und ihrer Umgebung,
nicht der mit Kant nur durch ihren Namen zusammenhängenden Stoa sich zum
Ziele setzt.
Wir ersuchen nun unsere Landsleute, durch neue Beiträge uns in den Stand
zu setzen, dass wir mit der Ausführung dieses Planes recht bald vorgehen können.
Wie Kant bei seinen Lebzeiten der populärste Mann Königsbergs und überall in der
Provinz gekannt und verehrt war, so hat sich ja auch die Erinnerung an ihn im
ganzen Umfang seiner Heimath in lebendiger Frische erhalten. Wenn daher alle
Verehrer des zugleich kühnsten und besonnensten Denkers der Neuzeit, alle, die ihre
Bildung der Universität verdanken, welche einst in Kant ihren ruhmvollsten Lehrer
besass, alle endlich, die eingedenk sind, dass ein Volk in seinen grossen Männern
sich selbst ehrt, ohne Verzug mit uns Hand ans Werk legen, so wird es gelingen,
der viel zu lange versäumten Ehrenpflicht gegen das Andenken Kants endlich nach-
zukommen. Von dem Ergebniss der Sammlung wird es abhängen, ob wir den in
seinen Grundzügen bereits vorliegenden Plan in mehr oder minder würdiger Weise
ausfuhren können. Beiträge nimmt jeder der Unterzeichneten entgegen. Quittung
darüber erfolgt durch die öffentlichen Blätter.
Königsberg in Pr., den 18. Mai 1877.
Bas Comite für Restauration der Kant'achen Grabstätte.
Alscher. E. Boehm. von BrBnneok. Devons, von Fahrenhoid. Gadeoke.
Hofflnann, Stadtkämmerer. Hensche. Paarmann. A. Richter, von Sohneling.
Moritz Simon. Seiko. Walter, Professor. Zippel.
Gedruckt in der Albert Itosb ach' sehen Buchdrucker«! in Königsberg.
Ans der Correspondenz Herzog Albrechts v. Prenssen
mit dem Herzog Christoph voo Wirtemberg
von
»r. Theodor Wiehert.
Die Entstehung dieser Schrift ist durch besondere Bücksichten,
wodurch sich auch selbst ihr geringer Umfang erklärt, bedingt gewesen.
Der Verfasser hat nämlich zum Stoff derselben durchaus einen
Gegenstand wählen wollen , der in gewissen näheren oder auch unmittel-
baren Beziehungen zu demjenigen Fürsten Wirtembergs stehe, unter
dem zugleich die Landesuniversität Tübingen ihre erste Blüthezeit erlebte.
Diese fällt in die tiefbewegte Reformationsepoche, während welcher
einzelne Theologen Tübingens eine nicht minder angesehene Stellung
wie diejenigen Wittenbergs einnahmen. — Am geeignetsten erschien
ferner die Verarbeitung und Publicirung noch unbekannten archivalischen
Stoffs, welchen der Verfasser, der seiner Vorlesungen wegen an den
Ort gebannt war, nur im hiesigen Königl. Staatsarchiv suchen konnte.
Mit bereitwilligster Unterstützung des Vorstehers desselben, Herrn
Staatsarchivars Philip pi, dem der Verfasser hiemit seinen Dank ab-
stattet, ward dieser in der erwünschten Richtung gefunden: die Corre-
spondenz Herzog Albrechts von Prenssen mit dem Herzog
Christoph von Wirtemberg gab dafür einige Ausbeute her.
Dieselbe (nur zum Theil, soweit wichtig, hier mitgetheilt) bean-
sprucht aber auch ein weiteres historisches Interesse, d$ sich — was
bei der Correspondenz zweier so bedeutender Persönlichkeiten, die zu
den fürstlichen Zierden der Beformationsepoche gehören, in erhöhtem
Maasse der Fall sein muss — in ihr überhaupt die Bestrebungen der
damaligen Zeiten auf kirchlich-politischem Gebiet getreu widerspiegeln.
*) Der Universität Tübingen als Festgabe zur Tierhundertjährigen Jubel-
feier vom Verfasser gewidmet
Altpr. Moi»atMobrift Bd. XIV. Hft. 6 o. 6. 25
3gß Aue der Correspondens Herzog Albrechts von Preussen etc.
Die deutsche Geschichte während der Reformationsepoche hat zu
ihrem Hauptinhalt die Entscheidung theologischer Fragen : die kirchlichen
Lehren spielen eine Hauptrolle, greifen überall in das politische Gebiet
nicht blos hinüber, sondern bestimmen dieses wesentlich. Staats-
und Kirchenpolitik sind in einander verflochten. — Im evangelischen
Lager herrscht leider seit Luthers Hintritt keine Einigkeit mehr unter
den Kirchen des Reichs, verschiedene Richtungen machen sich darin
geltend. Und letztere befehden einander in heftiger Weise. Die Zank-
und Streitsucht der evangelischen Theologen damaliger Zeit spottet
aller Beschreibung; im eignen Lande, wo sie doch im Verkehre auf
einander angewiesen sind, finden Händel ohne Unterlass statt, der
religiöse Lehrstreit kennt keine Duldsamkeit.
Herzog Ulrich von Wirtemberg, in sein angestammtes Land heim-
gekehrt, hatte sogleich mit der kirchlichen Reformation begonnen, welche
dann sein Sohn Christoph in durchgreifender Weise fortsetzte und
vollendete. Die Bedeutung dieses letzteren ist eine allgemeine:
nicht blos um die wirtembergische Landeskirche, sondern auch um die
evangelische Kirche des Reichs überhaupt hat er sich in hervorragendem
Maasse verdient gemacht. Wir finden ihn unaufhörlich thätig für die-
selbe, für die erstrebenswerte Einigung der evangelischen Reichskirche ;
er steht mit den meisten evangelischen Fürsten und Ständen des Reiches
in lebhafter Correspondenz, l) treibt dieselben an, gibt Rathschläge,
dringt auf Durchfuhrung der einmal ge&ssten Beschlüsse, bemüht sich
überall Eintracht und Frieden unter den Evangelischen herzustellen.2)
Die confessionelle Hältung Christophs ist in allen kirchlichen Händeln
wesentlich lutherisch.3)
In lutherischem Sinne war auch bereits Herzog Ulrich bei der
Reformation der theologischen Facultät seiner Landesuniversität Tü-
') Ueber den , äussert vielseitigen und hochwichtigen Briefwechsel Christophs*,
soweit er veröffentlicht, 8. Stalin, Wirtembergische Geschichte, Bd. IV. S. 477.
*) Christoph, Herzog zu Wirtemberg, von Kngler. 2 Bde. S. das. versch.
Stellen, I, 364; II, 141 ff. etc.
3) Ebd. II, 161 f.
▼on Dr. Theodor Wiehert. 387
hingen vorgegangen und hatte sich dazu vor allen Johann Brenz7,
eines lutherischen Predigers aus der Beichsstadt Schwäbisch-Hall, be-
dient. Dieser ordnete während seines Amtsjahrs (1537) mit grösster
Umsicht die akademischen Verhältnisse, sorgte für Vollziehung der von
Ulrich kurz vorher gegebenen Universitätsordnung und brachte insbe-
sondere das Lntherthum in der theologischen Facultät zur Geltung,
indem die hier früher herrschenden Zwinglianer verdrängt wurden.4)
Fortan blieb Tübingen und damit ganz Wirtemberg die Hauptstütze
der lutherischen Richtung der Kirche in Süd-Deutschland. —
Johannes Brenz ist unter den theologischen Helden der Refor-
mation überhaupt einer der tüchtigsten und hervorragendsten gewesen,
er wird neben Luther und Melanchthon mit gleicher Auszeichnung
genannt.5) Seine Wirksamkeit bezieht sich aber hauptsächlich auf
Schwaben, er ist der schwäbische Reformator xaf i^ox^jv. — Im
Jahre 1546 wurde er, als die kaiserlichen Truppen in Schwäbisch-Hall
einzogen, vertrieben und fand nach vielen Gefahren eine endliche Zu-
flucht bei Herzog Ulrich von Wirtemberg. Dieser nahm sich des
standhaften Mannes, auf dessen Kopf sogar ein Preis ausgesetzt war,
an und beschützte ihn während der trüben Jahre des Umherirrens; so-
bald aber Christoph zur Landesregierung gekommen (6. November 1550),
wurde Brenz in den wirtembergischen Kirchen- und Staatsdienst über-
nommen. Christoph erhob ihn im Jahre 1553 zum Probst der Stifts-
kirche zu Stuttgart, der höchsten kirchlichen Würde des Landes. Und
als solcher war Brenz nun unermüdlich für die Reformation des Kirchen-
und Schulwesens in Wirtemberg thätig : die grosse Kirchenordnung
vom Jahre 1559 mit der wirtembergischen Confession an der Spitze
ist sein Werk. Bei der ausgezeichneten Fürsorge Herzog Christophs
für die Landesuniversität erschien auch hier Brenz als die Hauptstütze. *)
4) Klüpfel, Geschichte und Beschreibung der Universität Tübingen (1849)
S. 37 f. — Ausführlicher und eingehender werden Brenz1 Verdienste nm die Uni-
versität gewürdigt in dem Note 5 genannten Buche.
6) Johann Brenz von Hartmann und Jäger. 2 Bde. 1840 u. 42. — Hart-
mann, J. Brenz in »Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der
lutherischen Kirche4 VI. Theil (1862).
6) s. auch Eugler I, 378 f.
25*
338 ^us ^er Correapondenz Herzog Albrechte von Preussen etc.
Ueberhaupt haben wir in Brenz den mit dem höchsten Vertrauen be-
ehrten und bis zum Lebensende treu zur Seite stehenden Berather des
Herzogs zu erkennen. —
Auch ausserhalb seiner engern Heimath hatte Brenz1 Name guten
Klang, galt sein Rath vorzugsweise viel bei einem Fürsten, der an der
äussersten Nordostecke des deutschen Reichs die neue Kirchenlehre zu
hegen und pflegen in sich den Beruf fühlte.
Herzog Albrecht von Preussen war durch Luther selbst zum
Wechsel seiner früheren Ordensstellung überredet worden und hatte die
bereits in Preussen um sich gegriffene Reformation der Kirche dann
eifrig durchgeführt. So lange Luther lebte, hielt übrigens der Fürst
zu ihm und den Wittenberger Theologen, war auch besonders mit
Melanchthon befreundet. Aber später entfremdete er sich innerlich
letzteren und neigte immer mehr zu den süddeutschen Theologen des
Augsburger Bekenntnisses hin. — Andreas Oslander hatte einst (1523)
als evangelischer Prediger zu St. Lorenz in Nürnberg den ersten Funken
des reinen Evangeliums in Albrechts Seele gelegt; zu ihm fühlte sich
Albrecht von Anbeginn hingezogen, und er war auch der Grund, dass
der Fürst dann mit den süddeutschen Theologen in Verbindung trat
und an diesen eine Stütze seiner confessionellen Haltung suchte.
Andreas Oslander7) folgte im Jahre 1549 einem Rufe Herzog
Albrechts nach Königsberg als Prediger an die altstädtische Kirche;
überdies erhielt er dort die erste theologische Professur an der vom
Herzoge begründeten Universität. Bekannt ist, dass alsbald über die
von Oslander vorgetragene '„Rechtfertigungslehre* ein höchst ärgerlicher
und verderblicher Streit ausbrach, an dem nicht blos einzelne Prediger
der Stadt und Theologen der Universität Theil nahmen, sondern durch
den allmählich auch das ganze Land in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Die strengste Richtung des Lutherthums hatte unter Geistlichkeit und
Adel Preussens schon festen Fuss gefasst; Oslanders Lehre, welcher
wol der Landesherr persönlich huldigte, wurde aber von jenen als eine
pure Ketzerei, als ein Abfall vom rechten Lutherthum betrachtet und
7) nach Möller in »Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer
der lutherischen Kirche4 V. Theü (1870).
von Dr. Theodor Wiehert, 3g9
bekämpft. — In seiner Noth und zugleich in der trefflichen Absicht,
den Lehrstreit beizulegen, wandte sich nun Herzog Albrecht an
die süddeutschen Theologen, sowie an Christoph von Wirtem-
berg selbst, der immer bereitwilligst beisprang, um Bath und Hilfe.
Der Briefwechsel beider Fürsten bezieht sich daher grossentheils auf
diesen Gegenstand.
Mit finem süddeutschen Theologen, den er gerne in sein Land
ziehen wollte, hatte aber Albrecht schon längst angeknüpft, noch be-
vor der Osiandrische Streit in hellen Flammen aufloderte, und diesen
vor allen ging der Herzog dann immer wieder, so oft es
Noth that, um Bath an. Es ist Johannes Brenz gewesen;8)
auch um diesen handelt es sich daher meist in der Correspondenz schon
Herzog Ulrichs von Wirtemberg und dann Christophs mit Albrecht. —
Aus einem Briefe Brenz7, gerichtet an Vitum Theodorum vom
12. November 1548 9) ersehen wir, dass Herzog Albrecht schon damals
sich bemühte, Johannes Brenz, der kaum einen Buhepunkt während
seiner Verfolgungen bei Herzog Ulrich gefunden, für den preussischen
Kirchendienst zu gewinnen. Albrecht bediente sich als Vermittlers
eben jenes Veit Dietrich, Predigers zu Nürnberg und nahen Freundes
von Brenz. Diesem seinem Freunde antwortete Brenz in einem andern
Briefe gegen Schluss des Jahres, i0) dass es ihm sehr schwer werde,
sich für Freussen zu entscheiden; und am 7. Februar 1549 schrieb
Brenz endlich an Herzog Albrecht selbst, um ihm anzuzeigen, dass er
sich aus Dankbarkeit gegen seinen Beschützer verpflichtet fühle, vor-
läufig „sieh nicht aus diesen [wirtembergischen] Landen zu thun, son-
dern auf seiner F. G.# Beruf gehorsamlich zu warten." ,!) —
8) J. Voigt, Briefwechsel der berühmtesten Gelehrten des Zeitalters der Re-
formation mit Herzog Albrecht von Preossen (1841), hat einiges dazu beigetragen,
um das Verhältniss dieses schwäbischen Theologen zu Herzog Albrecht ans deren
Briefen zu beleuchten, doch genügt dies, unvollständig wie es ist, nicht mehr; und
es ist daher jetzt auf Presse 1, Anecdota Brcntiana (Tübingen 1868), zu verweisen.
9) Anecdota Brentiana n. 148.
,0) 1. c. n. 151.
") Dieser Brief auch schon bei Hartmann u. Jäger, Anhang S. 522, gedruckt,
noch einmal bei Pressel n. 155.
390 ^us ^er CorrespondenE Hersog Albrechts von Preussen etc.
Indess kam bald die Gelegenheit für Herzog Albrecht einen zweiten
Buf an Brenz ergehen zu lassen. Das Samländische Bisthuin war
nämlich durch das Hinscheiden des ersten Bischofs Georg von Polentz
erledigt worden (28. April 1550), ") und Albrecht wünschte Brenz nun
zum Präsidenten desselben herbei (als „Bischof* sollte keiner mehr
bestellt werden). Diesmal wandte er sich aber an die Herzoge Ulrich
und — nach dessen Tode — Christoph von Wirteniberg, an letzteren
wiederholentlich , freilich immer vergeblich. Hier folgen die Briefe.
Herzog Albrecht an Herzog Ulrich
zu Wirtemberg.
den 14. Juni 1550.*)
Daneben wollen wir E. L. freundlich nicht bergen, das wir
vergangener zeit, fast in anfang als sich die Verfolgung der
Kirchen erhoben, den wirdigen und hochgelarten vnsern be-
sondern lieben Johannem Brentium, in betrachtung, er villeicht
mit beschwerlicher Unsicherheit seines leibs und lebens be-
druckt sein mochte, sich auch wol an andere ort begeben
muste, vermittelst unsers schriftlichen ersuchens an uns bitt-
lich erfordert, Worauf uns dann bemelter Brentius widerumb
durch sein schreiben, das, so ferne er von E. L. abkomen
konnte, uns für anderen herren zu suchen erbuttig were, zu
erkennen gegeben, Weil es dan an dem, das unlängst got den
hochwirdigsten etc. Bischofen zu Samland von dieser weit
abgefordert, weren wir sampt unsern Unden und leuten seiner
person zu Verwaltung der geistlichen iurisdiction und super-
intendentz desselben bischoflichen ampts Samland wol benotigt,
und gelangt derhalben an E. L. unser freuntileissiges bitten,
Sie wolle in betrachtung, das mehrgedachter ehr Johannes
») Preussische Kirchen-Historia von Hartknoch (1686) S. 308.
*) Unter diesem Briefe (Abschrift im herzogliehen Archiv zu Königsberg) die
Notiz: »in simili forma ist an Herzog Christoph geschrieben worden*.
von Dr. Theodor Wiehert. 39 J
Brentius der christlichen Kirchen an diesen abgelegenen orten
villeichte mehr nutz sein und dienen möge, dann das er,
itziger gelegenheit nach, sich verborgen enthalten müsse, uns
solchen mann gönnen und zukommen lassen, auch [mit] ihm
für Ire person uns zum besten handeln, dass er sich zu oben-
bemeltem ampt brauchen lasse und sich mit dem förderlichsten
in unser land begebe, Wollen wir seine person dermassen
unterhalten und vorsehen, das er aller ehren und notdurft
gesetigt und zufrieden sein sollte. Was nun E. L. hiran dem
allerhöchsten got zu förderung seiner ehren und ausbreitung
seines lieben worts zu einem gefalligen werke erzeigen, wird
derselb E. L. reichlich vergelten, so wollen wir auch fiir unser
person sampt den kirchen unser lande fiir E. L. langes leben,
gesuntheit und erledigung aller Irer beschwer got anzurufen
nit unterlassen, freuntlich bittende, gleichwol wege suchen zu
wollen, das diese unsere bitliche anforderung in aller stille
und geheim gehalten werde. —
Herzog Albrecht an Herzog Christoph
zu Wiriemberg.
lö. Januar 1551.
Nachdem Wir jüngsten von E. L. dienern mit herzlichem
Frohlocken vermerkt, dass E. L. zu Ihren Landen und Leuten
kommen, so seint Wir doch wiederumb bericht, als solle E. L.
derohalben noch allerlei Beschwernus vorstehen. Dieweil wir
aber gerne, wie es E. L. als unserm geliebten Oheim und
Schwager erginge, wissen wollten, haben wir nit unterlassen
wollen, gegenwärtigen unsem Boten an E. L. abzufertigen,
freundlich bittende, solches nit anders dann freuntlich zu ver-
merken und bei demselben E. L. Zustand und Gelegenheit zu
vormelden. Sintemal wir auch vorschienen 50ten Jahres an
E. L. und derselben Herren Vater seligen geschrieben und
gebeten, als Wir erfahren, dass der würdige und hochgelahrte
392 Aufl ^er Korrespondenz Herzog Albrechts von Preussen etc.
unser besonder Lieber Jobannes Brentius sieb bei E. L. er-
balten solle, dass S. L. und £. L. uns denselben Mann wollten
zukommen lassen, demnach an E. L. noch unser ganz freunt-
lich Bitten und Ersuchen, Sie wollen unbeschwert sein und
allen Fleiss ankehren, damit wir zur Erweiterung des lieben
Wort Gottes, dem Wir E. L. sonderlich zugetan wissen, ge-
nannten Brentium in diese Lande zu uns bekommen mögen,
dan wir ihn (wie wir des auch in vorigem unserm Schreiben
gemeldet) mit einem Bistum zu Vorsorgen bedacht. Nachdem
Wir auch an oft genumpten Brentium zuvor etliche Schriften
verfertigen lassen und doch die Beisorge tragen solche ihme
nit zukommen sein möchten, haben Wir abermals an ihn ge-
schrieben bittende, E. L. wolle ihm solch Schreiben mit dem
ehesten, wo er anzutreffen, zufertigen und zustellen lassen. —
Johannes Brenz selbst richtete später, am 27. Februar 1551,
auch ein Schreiben an Herzog Albrecht, worin er bedauerte, dem an
ihn ergangenen Bufe, „die geistliche Jurisdiction zu Samland* zu über-
nehmen, nicht folgen zu können. I8) —
Nun erhielt letztere Osiander zu Königsberg, der es übrigens
scheel angesehen, dass sich sein Landesherr um Brenz bemüht hatte. ")
Schon griff aber der Lehrstreit von der „ Rechtfertigung", den in-
zwischen Osiander aufgeworfen hatte, unter den Königsberger Theologen
um sich und gewann bei der Hartnäckigkeit der Gegner immer mehr
an Intensität. Osiander wurde von letzteren nicht als Präsident des
Samländischen Bisthums anerkannt; an ihn schrieb Brenz am 23. Au-
gust 1551 einen freundschaftlichen Brief, bat ihn Frieden zu halten
und setzte hinzu, dass wenn er früher von dem Streit gehört, er um
deswillen nach Königsberg auf eine Zeit lang gekommen sein würde. ,5)
Es hätte dies doch weiter nichts gefruchtet! Denn den Osiandri-
schen Streit zu dämpfen, dazu erwies sich in der Folge trotz Brenz'
13) Anecdota Brentiana n. 163.
") s. Moller, Leben Osianders, S. 413.
") Anecdota Breutiana n. 169.
von Dr. Theodor Wiehert. 393
und der Wirtemberger Theologen Gutachten, trotz aller Masregeln
selbst die Hand des Landesherm, an dem Oslander eine Stütze fand,
für durchaus nicht stark und mächtig genug. —
Auf das Verlangen Albrechts und unter der Autorität Herzog
Christophs haben Brenz und die ihm zugeordneten Theologen Wirtem-
bergs, insbesondere der Universität Tübingen in der Osiandrischen Lehre
hintereinander zwei Besponsa oder Erkenntnisse ausgestellt und nach
Königsberg abgesandt: das eine datirt vom 5. December 1551 und das
andere vom 1. Juni 1552. 18) Beide fallen im allgemeinen der Lehre
Osianders nicht so sehr zu, dass diese entweder ganz gebilligt oder
ganz verworfen würde, erklären aber den Streit für einen müssigen Zank.
Noch ein — zum dritten — Mal erging von Seiten Albrechts
der Ruf an Brenz, nach Preussen zu kommen, um das Bisthum Po-
mesanien, welches seit dem Ableben des Bischofs Speratus (12. August
1551) ") vakant war, zu übernehmen. Brenz antwortete wiederum ab-
lehnend. I8) — Ebenso begegnete Albrechts Bitte, ihm Brenz zu über-
lassen, bei Christoph nur tauben Ohren: Christoph konnte dieses
eifrige Eüstzeug der Kirche nicht entbehren. Hier der Brief:
Wir haben E. L. schreiben, des datum steet den 26 jungst
verschines Monats Februarii, sambt den zweien copien, und
Confutation, auch etlichen getruckten buechlin empfangen.
Und wiewol wir zu Gott dem Herrn tröstlich verhoffen, das
der hochbeswerlich misverstand zwuschen E. L. theologen mit-
lerweil zu Christenlicher guter Vergleichung gebracht worden:
Jedoch so haben wir, auf obberurt E. L. uberschickung. deren
freuntlichen begeren nach, unsere theologos ir ferner bedenken
in schritten stellen lassen, wie E. L. hieneben bewart ver-
neinen werden, Gott den Herrn von herzen bittend, wo E. L.
theologen noch der Zeit nit allerdings verglichen weren, das
solches durch bemelt bedenken oder andere fügliehe Gotl ge-
i6) 8. Arnold ts knrzgefasste Kirchengeschichte des Königreichs Preussen (1769)
S. 426 ff.
n) »Begründer der lutherischen Kirche* Th. VIII., Speratus v. Pressel, S. 81.
") Anecdota Brentiana n. 182: Brief an Herzog Albrecht vom 3. Juni 1552.
394 Ans der Correspondens Herzog Albreehts von Preussen etc.
fellige mittel, forderlich beschehe. Und gleichwol so hetten
wir solch schidlich bedenken gerne zeitlicher verfertigen lassen;
So hat aber solches in Bedenkung der vor angen schwebender
beschwerlicher kriegsleuff und anderer obliegender Sachen nit
sein künden, Bitten deshalb E. L. freundlich, uns des verzugs-
halber hierin entschuldiget zu haben.
Sovil dann magistrum Johannem Brencium pp. antrifft, wie-
wol wir E. L. mit allem freutlichem und Swägerlichem willen
und in vil hoherm zu wilfaren ganz geneigt seien, aber noch
dannocht, dieweil wir, auch unsere von Gott dem Herrn be-
volhne und vertraute unterthonen nit allein an seins gleichen,
sondern vU geringern kirchendienern grossen und hochbe-
schwerlichen mangel haben, und dann das rein wahr Ewan-
gelium in dieser Landsart und sonderlich in Reichs stetten
(Gott hab lob.) widerumb im Schwankh, dermassen, das ver-
hoffenlich der rechte Gotsdienst (darzu man dann sein des
Brenzen gar von nötten ist) wider angericht und gepflanzt
werden soll, und wir deszhalber sein nit entrathen künden:
So bitten wir freuntlich und Swägerlich, uns solches nit zu
ungutten anzunemen, Sonder das es unser auch der unsern
und ander guthertzigen Christen hohe notdurfft sei, Swägerlich
zu vermerken.
Worin wir aber sonst E. L. freuntüche und anmuetige
Dienst beweisen künden, dess seien wir ganz gutwillig und
sonders geneigt.
Datum Tübingen den 12 Junii anno 1552.
Chiistoß. Herzog za WirtUnbirg.
(eighd.)
Auch nach dem bald darauf erfolgten Tode Oslanders (17. October
1552) hörte das dogmatische Gezänk unter den Königsberger Theologen,
denen auch auswärtige assistirten, keineswegs auf; alle Yermittelungs-
versuche, von Brenz selber und den übrigen Theologen Wirtembergs aus-
gehend, schlugen fehl. — Wir brauchen den kirchlichen Hader in seinen
einzelnen Stadien hier nicht weiter zu verfolgen, sondern nur noch
von Dr. Theodor Wiehert. 395
auf den Zusammenhang aufmerksam zu machen, in den die beiden von
uns im folgenden mitgetheilten Briefe Herzog Christophs an Albrecht
hingehören.
Da Christoph seinen ausgezeichneten Berather Brenz, dem Herzog
Albrecht mit Uebersendung seiner eignen Confession (zu der Brenz
später eine Vorrede schrieb) l9) von neuem das Bisthum Samland an-
geboten hatte,20) nicht missen und ausser Landes ziehen lassen durfte,
so schickte er seinem Schwager auf dessen dringendes Begehren, wenig-
stens zum Collegium nach Königsberg, zwei Wirtembergische Theologen
Jacob Beurlin, Professor an der Universität Tübingen, und Rupert
Dürr,*1) welche freilich dann un verrichteter Sache heimkehrten. Ausser-
dem aber theilte ihm Christoph in einem — darum nicht uninteres-
santen — Schreiben (das erstere, welches unten folgt) die Masregeln
mit, die er selbst anwandte, um den Frieden unter den Augsburger
Confessionsverwandten zu erhalten — worunter eine Ueberwachung der
Universitätslehrer mitzählte — , ferner seine Kirchenordnnng sammt der
ungedruckten Instruction zur Durchführung derselben. Einen Theologen
aus Wirtemberg erhielt Albrecht für seine Landesuniversität nicht; und
als er später statt des Brenz den inzwischen schon zur Bedeutung ge-
langten Jacob Andreae22) von Christoph forderte, schlug ihm dieser
(was unser Erachtens bisher nicht bekannt geworden ist) das rundweg
ab aus dem Grunde, weil Tübingen Mangel aber nicht Ueberfluss an
Theologen habe. Das letzte von uns hier mitgetheilte Schreiben stellt
solches in das richtige Licht.
1B) 1. c. n. 215.
so) s. die abschlägige Antwort Brenz' an Albrecht v. 16. April 1553 1. c. n. 193.
") s. Arnoidts Kirchengeschichte S. 436.
") s. dessen Biographie von Hartmann in Herzogs Realencyklopädie. Jacob
Andreae, ein geborner Wirtemberger, wnrde von Christoph im Jahre 1553 znm
Superintendenten von Göppingen ernannt, später Professor der Theologie, Propst
und Kanzler der Universität Tübingen. »Nächst Brenz, als dessen eigentlichen Nach-
folger wir ihn zu betrachten haben, hat A. zur Ausprägung des Charakters der
wirtembergisohen Kirche am meisten beigetragen.* Auch ausserhalb der Landes-
grenzen ist A. — und zwar darum wol vorzugsweise — bekannt als Verfasser der
sog. Concordienformel. Er starb 1590.
396 Aus der Correspondenz Herzog Albrechts von Preuasen etc.
Herzog Christoph an Herzog Albrecht zu Preussen.
Stuttgart den 4 Januar 1554.
E. L. jungst schreiben vom dato den ersten tag nechstver-
schienen monats Octobris sambt darbei verwarten schrifffcen
sein uns durch den hochgelertten unsern lieben getreuwen
doctor Jacob Peurlin professorn der hailigen schrifft bei unser
hohen schul zu Tubingen wol uberantwort worden, welche alle
wir ires inhalts verlesen und daneben von ime doctor Jacobum (!)
aller darin angezogner auch sonst anderer in seiner gegen-
wärtigkeit gepflegten tractation halber gnugsamen bericht ein-
genommen und sein darauf Vorhabens gewesen, £. L. freuntlich
zu beantworten, so hat aber jetzund und hiezwischen E. L.
deren Rath doctorem Jeorgium Langium zu uns mit einer
Credenzschrift abgevertigt und durch ine bei uns in obgemelter
sache drei puncten werben lassen, und tragen mit E. L. ein
freuntlichs und christliches mitleiden, das sich die Zwiespalt
von der rechtvertigung des menschen u. a. in E. L. fursten-
thumb so weit, grob und beschwerlich eingerissen hat, der
tröstlichen hofnung, das durch E. L. den Pfarrern gegebenen
Abschied den Kirchen E. L. furstenthums geholffen werde.
Das sich hierin niemands der Unwissenheit entschuldigen und
die ungehorsamen irer gebürenden straff bericht haben konndten,
möchten E. L. ein offen mandat in Truck ausgeen auch allent-
halben in deren furstenthumb verkündigen und darzu anschlagen
lassen, ungevarlich laut beiliegends concepts, *) darin dann
neben der leer als dem haubtartickel auch die Execution nnd
straff unsers erachtens genugsamlich angehefft ist.
Zum andern als E. L. durch gemelten Doctor Jeorgium an
uns freuntlich begeren lassen, das wir niemands in unserm
furstenthumb gestatten wellen, wider obangeregten E, L. ab-
schid was im Truck ausgeen zu lassen oder jsonst zu schreiben.
*) dies ist nicht mehr dabei.
▼on Dr» Theodor Wiehert 397
Hierin werden sich E. L. ans nnsern hievordem uberschickten
schrifften freuntlich wissen zu erinnern das ans allerlei aus-
gefürten Ursachen für wolberatenlich und nutzlich angesehen
worden, das der Augspurgischen C. verwandte Stend iren Theo-
logis und universiteten mit ernst gebieten sollen sich der-
gleichen Sachen sonderlich one erlaubnus der Oberkeiten zu
enthalten. Wie wir dann unsers theils alsobald gethon. Und
obgleich solche christenliche nutzliche und ja auch notwendige
vergleichung nit beschehen, So wollen Wir doch nichts desto-
weniger und one das solches mit nichten und keineswegs
gestatten.
Dieweil zum dritten E. L. in irem Abschied in gedachtem
Hauptartikel Justificationis, wie der hinföran gepredigt werden
soll, lauter und genugsam erklert, so achten Wir gantz nit
von nöten und darzu auch nit fruchtbar, das E. L. über solches
alles nochmals ein confession und fumemlich mit einer prae-
fation des hochgelerten unsrers probsts allhie Johann Breiitii
in Truck ausgeen lassen.
Auch erachten Wir nit ungeraten zu sein, E. L. unsere
Kirchenvisitation Superintendenten-Examination und Confirma-
tion der prediger Ordnungen zu senden sambt einer Nebenin-
struetion unsern Richtern gegeben **) und wie wir es mit den
wiederteuffern halten. — Es möchten auch E. L. nach Ge-
legenheit deren furstenthumbs dergleichen Ordnungen verfassen.
Wir hielten auch nit unratsam zu sein, das E. L. diejenigen
beiderseits, so sich mit leeren, schreiben oder in andere weg
bisher vertieft, gnediglich ermanen, aus christlicher liebe zu
gelegen zeitten, das solche das arm gemeine volk widerumben
der rechten leer laut Augspurg. confession und E. L. abschied
gemes underwisen hätten. —
[Eigenhändig gezeichnetes Original mit dem forstlichen Secret im Staatsarchiv
zn Königsberg.]
**) nicht gedruckt.
398 Ans der Correspoodona Hersog Albrechts ron Pretiosen etc.
Herzog Christoph an Herzog Albrecht zu Preussen.
Stattgart den 14 December 1556.
[Antwort auf das Schreiben des Herzogs Albrecht vom 27, October 1556,
das nicht erhalten ist]
Und wiewohl Wir, und sonderlich in betrachtung E. L. aus-
gefierter Ursachen, wolgeneigt weren E. L. Doctor Jacoben
Andree halber freuntlich zu willfaren, so kann doch solüchs
nit Statt haben; es ist bei unser universitet zu Tubingen erst
neulcher tagen ein Professor Theologie aus dieser zeit ver-
scheiden und sonst noch einer alters halber also onvermögen-
lich worden, das er nit mer lesen kan, zu dem das Wir dem
hocbgebornen forsten unserm freuntlichen lieben Schwager,
Bruder und gevatter Marggraff Carln zu Baden zu Visitation
und reformation S. L. Kirchen [einen] unserer fornemen Doc-
toren Theologie ein jar lang mit höchster unser ungelegenheit
bewilliget und zugesandt. Und wo Wir zu Tubingen die ordent-
lichen lectiones Theologie (doch dismals allein zu eim theil)
versehen wollen, so haben Wir von einer namhaftigen pfar ein
Doctorem dahin verordnen muessen. Und ist dannocht uff
disen tag noch ein Lection Theologie ledig und one versehen.
Zu dem das die erblich krankheit der pestilentz vast in unser
gantz land hefftig auch uberhandt nimbt. Da dann uns dis
jar vil Kirchendiener in Gott verschiden und zu besorgen noch
mehr in disem Sterbend hingehen mögen, also das Wir war-
lich selbst an gelerten Kirchendienern und Seelsorgern nit
deinen mangel haben, dermassen, das auch Wir vil pfarren
mit Kirchendienern nit künden besetzen. Darumben bitten
Wir E. L. freuntlichen, die wolle uns, die wir derselben aus
obvermelten eehaften Ursachen nit zu willfaren wissen, freuntlich
für entschuldiget halten. —
[Eigenhändig gezeichnetes Original unter dem herzoglichen Secret im Staatsarchiv
zu Königsberg.]
Ortsnamen der Provinz Preussen.
Von
F. Hoppe,
Qymnuial-Oberlehrer in Gumbinnen.
V.
Zu Scriptor. rer. Pruss. III, 80 „Gampanile in Mispilwalde cum
campanis integrum sine fractura fuit motum de loco suo ad spacium
XIII pedum" bemerkt E. Strehlke: „Mispilwalde, ein jetzt nicht
mehr vorhandener Ort, lag nach Voigt S. 24 im Gebiete von Bra-
thean Er. Löbau in der Nähe von Badomno und Skarlin." Mispel
ist soviel als Mistel nach Nessel mann, Thes. 1. Pruss. S. 36: »emelno
Mistel, Schmarotzergewächs auf Bäumen, viscum album, hier im Volks-
munde allgemein Mispel gesprochen und so auch im Elbinger Vocabular
geschrieben/ Die Mistel heisst im polnischen jemiola; davon ist be-
nannt das Löbauer Dorf Jamielnik d. h. Leute im Mispelwalde;
das Dorf gehörte nach Goldbecks Topographie zum Domänenamtsbezirk
Brattian, zur Kirche Badomno. Demnach dürfte Jamielnik nur
die polnische Benennung des alten Mispilwalde sein; es ist dem
Löbauer Dorf ebenso ergangen, wie vielen deutschen Dörfern in Masuren,
worüber vgl. Ortsnamen IV. und Ortsnamen des Begierungsbezirks Gum-
binnen S. 8. Ein zweites Dorf Jamielnik liegt im Kreise Strasburg,
Mispelsee heisst ein Osteroder Dorf. Im altslav. lautet das Wort
imela; daher stammen die Ortsnamen Imielno D., Imiolki G. Gnesen,
Imielinko D. Gnesen, D. G. Wongrowitz; Imielin D. Pless, Imielow
Forsthaus Tarnowitz, sowie — Himmelwitz D. V. G. Gross-Strehlitz.
Die Erklärung der Ortsnamen wird, wie schon früher gezeigt worden
ist, durch die Kenntnis von Land und Leuten gefördert; dieselbe muss
400 Ortsnamen der Provinz Preussen
mit der Sammlung und Sichtung der Personennamen Hand in Hand
gehen. Im folgenden stelle ich nun Namen von Ortschaften und Per-
sonen (d. h. Besitzern), welche offenbar zusammenhängen, neben ein-
ander; für die Benennung der lit. Ortschaften nach ihren Besitzern ist
meistens der urkundliche Nachweis nicht mehr beizubringen:
1. Adamischken D. Darkemen, Adomischken D. Ragnit (Suffix
-iszkas); Adamlaucken, Adömlauken (Datznaujenen) D. Gum-
binnen (laukas Feld); Adamkowo G. Konitz, Jadomowo =
Adamsdorf D. Strasburg, Kulm (Suffix -owo) — lit. Adam, Adoms,
Adomat, -atis, aitis, Adomeit, Ademeit; poln. Adam, Adamek
(Adam).
2. Alecknen, Alex-Meschkeit G. Tilsit, Alexkemen D. Stallupönen;
Alexwangen G. Fischhausen (altpr.) — Aleckna, Alex, Alxnat,
Alxnatis (beide mit E.), Alxnakohl, Alexwangen, Namen, welche
nicht auf Alexander, sondern auf alksnis (e.) Erle zurückzufahren
sind; Alexkemen ist nicht ein Erlendorf, sondern das Dorf des
Alex, dessen Familie aus „Erlen* stammt; Alexwangen dagegen
eine Erlenwange, wonach die auch im pr. Lit. ansässige Familie
Alexwangen benannt ist.
3. Alischken D. G. Insterburg — Ali es (alus Gerstenbier).
4. Ambrasgirren D. Pillkallen (girre Wald), Ambraskemen D.
Stallupönen (kemas Dorf) — Ambras (ss), Ambrassus (aszus,
assis), Ambrassat (atis) ( Ambro sius); Ambras lit. Taufname.
5. Andreischken D., =Endrejen D., Endreischken D. V. Nie-
derung, Endruhnen G. Bagnit, D. Pillkallen, Endruschen D.
Darkemen, EndruscheitenD. Pillkallen — Endras, Endrus (seh),
Endruschat (ssatis), Endreatis, Endrenat, Endrullat, Endruweit (is),
Endruscheit, Endrejus, Endrun, Endrunatis, Enderleit (An-
dreas), während Endrigkeiten D. Tilsit zu Endrikis, Endnittis
(Heinrich), Endrigkeit (tat), Endrutait gehört; bei Endrikis
beachte das n und r vermittelnde d.
6. Annussewen D. Johannisburg (poln.), Annus-Siemoneit D.
Tilsit; Enskemen D. Stallupönen, Henskehmen, Henskisch-
ken D. Pillkallen — Ansas, Ansät, Anussas, Annuszat, Annus,
von P. Hoppe. 401
Annies, Enskatis (at), Enskys, Henskies, Onusas, Onus, Onusseit
(beide mit oh), Ensuleit, Ensull, Ensullis, Honusseit, Hensiellus,
Hanszel (Hans).
7. Anstippen D. Eagnit — Anstipp, Angstipp (ankstybas früh).
8. Antanischken, Antanlanken D. Stallupönen, Antonischken
G. Heydekrug, Antonowen V. Lötzen (poln.) — Antans (Anton).
9. Aszmiesken = Nettschunen G. Eagnit — Aszmies, Aszmus.
Aschmoneit, ein unbebautes Wiesenstack Er. Neukirch-Niederung,
Aschmoweitkuhnen D. Eagnit — Aszmon, Aszmann, Aszmuttis,
Aszmitat, Aszmulaitis, Asmoleit, Aszmoneit(eitis, atis), Aszmontat
— alle auch mit seh — (abzuleiten vom Taufnamen Aszmys, nach
Schleicher I, 143 = Octavianus, aszmas der achte).
10. Aschpalten D. Niederung — Aschpalt, Oscbpalties (abzuleiten
vom Taufnamen Oswald).
11. Awiszen D. Darkemen — awiios Hafer; daher Awiäns (sz),
Awiszatis (cz).
12. Bagdohnen D. F. Pillkallen, D. Darkemen '(vgl. S.42) — Bag-
dons, Bagdon, Bagdonat Bauer in Gross-Schorellen im vor. Jahrh.
13. Bajohr-Görge, B.-MitzkoD. Memel, Bajohren 2 D. Gerdauen,
G. Eylau, Bajohrenwalde, -thal A. Gerdauen; im R.-B. Gum-
binnen nur Bajohrgallen V. Stallupönen (Gallus n. propr., wie
in Gallus-Wilpien D. Tilsit; vgl. 20. 114; Laugallis teils =
aus Laugallen, teils = Gallus Lau); Bojahren G. Stargard —
Bajohr, Bajoratis (lit. bajoras, poln. bojar).
14. Balandszen D. Ragnit — Balandis (mit ie, beide mit 11), Ba-
landatis, Ballendat (balandis Taube, März).
15. Balschkemen D. Darkemen, Balzen G. Osterode — Balszus
(Balsys Taufname = Balthasar Ness. 319, von balsas Stimme
Schleicher I, 143; vielleicht = poln. Bhräej, Blasius).
16. BaltruszenD., BaltruszelenGr. El. D. Pillkallen (Diminutivum),
Baltruszkemen D., Baltruscheiten 2 D. Niederung, Baltru-
szatschen oder Baltruszeiten D. Bagnit, wo Baltzer Dressler
1688 ein Neusass gründet (vgl. Ortsnamen des B.-B. Gumbinnen
S. 11 u. 12), Baltrischken, Antgulbinnen D. Bagnit — Baltrusz,
Altpr. Mon«t»»«hrift Bd. XIV. Hft. 5 u. 6. 26
402 Ortsnamen der Prorini Preuaaen
Baltruszeit, Baltruszaitis — alle mit seh — Baltruweit
(Baltras Bartolomäus, N. 319, richtiger wohl = Balzer); Balze-
rischken G. V. Wehlau, Balzer-Gretat, Oszkarten D. Heyde-
krug — Balzer, Balzereit.
17. BardszenD. Fillkallen, Bartscbeiten D. G. Niederung, Bartsch-
kemen D. Stallupönen, Bartschkühnen D. Pillkallen — Bart-
schies(tz), Bartczus (dsz), Barszatis (tsch).
18. Bartuszen D. Labiau; Bartossen D. Lyck gr. 1471 George
Bartoss; Bartuszat.
19. Barsuhnen D. Tilsit — Barschun.
20. Bauszen D. Pillkallen — Bauszus, Bausze, Bausas, Bauszat,
Bausgal (= Gallus, verkürzt aus Grigallis Gregor).
21. Bendiglauken D. Tilsit — Bendig, Bendikkas (Benedict). —
Bindszohnen D. Insterburg, Bindszuhnen D. Darkemen —
Bendszus (seh, z), Bindszus, Bendszeit, Bendszuweit, *Bendszun,
Bindszun (Benedict).
22. Bioskeim G. V. Bastenburg, Blossin = Eackschen köllm. D.,
= El. Neuhof D. Bagnit, Biossinnen Krug Darkemen — Blosze,
Witwe Bioszene, Blossat, Biossinn (blusse flohreich).
23. Bludszen D. Pillkallen, 2 D. G. Goldap — Bludszinat (bhidas
Schalk).
21. Bodzianowo D. Bössei — Bodzian oder bocian Storch?
25. Brandwethen D. Bagnit — Brandies (brandus körnig).
26. Braschken D. Memel — Braskies (braszkus knarrend).
27. Brassen D. Darkemen — Brassas (atis, at, aitis, ait); da Am-
brasgirren unter No. 4 auch Brasgirren heisst, so ist am viel-
leicht die deutsche Präposition (brazdas, brazas Saft unter der
Binde der Bäume), oder Brassas = Ambrosius ?.
28. Broedinen D. G. Sensburg, davon Bredien (*bredynai Elentsort);
Bredies (oe, ae; bredis Elent).
29. Broszaitschen G. Angerburg — Broszat (eit, ait), Broszukat
(-tis, ck), Broszus (broäis Vetter; bruszokas der handfeste Kerl?).
30. Bruisz-Pakull, Bruiszen D. Heydekrug — Bruisz(sch) (brui-
szis, bruisze Pletze).
von F. Hoppe. 40g
31. Brunischken 6. Niederung — Brone, Bronusch (brone d. i. Veronica
weiblicher Name, brunas braun??).
32. Buddern D. Angerburg — Buddrus (as) (budrus wachsam).
33. Budszen, Budszuhnen D. Pillkallen, Budschen D. Angerburg
— Budszus, Budszat, Butzas, Butzat.
34 Budwethen 6 D., davon Budweth.
35. Bugdszen D. Stallupönen — Bugdszus, Bugdszuns (bukszus
Stammler).
36. Bu jacken V. Osterode — Bujack.
37. Bumbeln I). Gumbinnen (Ortsnamen des R.-B. Gumbinnen S. 4)
— Bumblies (o), Bumbullis, Bumbal ?.
38. Bunden D. Holland — Bunde, Bundeit.
39. Burbein D. Insterburg — Burblies, Burblat (burblys Birkhahn).
40. BurkandtenD. Bagnit — Burkand, Burkantat (burkantai Pastinak).
41. Buttken D. Memel, G. Oletzko, Buttkischken 2D. Niederung,
Butkuhnen D. Bagnit, Goldap, Buttkus-Powiln, Wieszen.
Buttkus-Wilkomeden, Wilkomeden D. Heydekrug — Buttkus,
Butkun (altpr. Buteko).
42. D an i eilen D. G. Oletzko — Daniel; Danielis, Dangehl, Dangeleit.
43. Dargwill-Szodeiken D. Memel — Dargwill (e).
44. Davidehlen G. Insterburg — David; Dawidas (o), David eit
Dowidat (lit Taufname Dovs, Dovas, Dovidas).
45. Deeden D. Stallupönen, Goldap, letzteres = Dedelkemen, daher
Dedelat (dedas alter Mann, Oheim; dede Grossmütterchen).
46. Degimmen D. Niederung, Stallupönen — degimas Brandstätte
oder (indirect davon) Deggim ?.
47. Demenen D.Niederung — Demmehnus, Deminatis, Damien.
48. Deynen D. Pillkallen — Dainatis, Dainat(ei); daina Volkslied.
49. Dickszen D. Pillkallen — Dickszatis (eit).
50. Didszullen D. Goldap — Didszull (didszullis ein Grosser);
Didszus, Didszuhns (uhn, un), Titschuhns, Didszunait (didsziunas
vornehmer); Didwischus (sz, cz), Dewischeit (Didwischken D. Dar-
kernen); Diddrugies, Drugies, Drogies (Drugehnen D. Fischhausen);
Didkryszus, Dittkrist (kryius Kreuz); Ditt ballen D. Niederung
404 Ortsnamen der Provin» Preussen.
(didis gross, bala Bruch) ; Didjurgis, Didjurgeitis (aitis, eit) = Gross-
gerge (Jurgis, Jurgaitis); Didkus, Didkuhn, Dittkuhns(e); Didlau-
kies ans Didlauken (Didlacken) = Grossfeld; vgl. Wissenschaft!.
Monatsblätter heraosgeg. von 0. Schade 1877 S. 90.
51. Dilben D. Ragnit — Dilba, Dilbins, Delbatis, Tclbatis (dilba
Gluper).
52. Discherlauken D. Gambinnen — Diszer, Diszeraitis (ait, at,
atis, eit, eits, seh) (diszere Tischler).
53. Dodszuhnen D. Stallupönen — Dadszun, Dadßzat, Dodzies(ts),
Dodszuweit (Taufname Doczus, vielleicht = Jodokus?).
54. Draeweningken D. Stallupönen — Draewenings (drawininkas
Bienenwärter).
55. Drosten G. 2 V. Labiau, Drosdowo F. Karthaus, D. V. Schwetz,
Drosdowen D. G. Oletzko, D. Johannisburg, Karthans — Drosde,
Drosdatis, Droste (drözd Drossel).
56. Drozwalde G. Pillkallen, gr. Droz.
57. Drusken F. Wehlau, G. D. Stallupönen ■— Druskus, Drnskat
(druskius Salzbeamter).
58. Druszin (cz) 2 D. V. Strasburg — Druschien.
59. Duden 2 D. Pillkallen — Duda, Dudatis (duda Hirtenhorn).
60. Dullen D. Oletzko — Dullo, Dullat, Dulaitis (dullas Stäbe am
Handkahn, wie Tüllen 2 D. Pillkallen — Tullies von tulle
Stäbchen am Kahn).
61. Dummen 2 D. Niederung — Dummasch, Dummatis.
62. Dwielen D. Memel, Labiau, Dwillin D. V. Gerdauen — Dwilies,
Dwillies (dwylas, dwylis schwarzköpfig v. Ochsen).
63. Dziubiellen D. Johannisburg — Dzubiel.
64. Eglin-Niclau D. Memel — Graf Eglien, Egglins, Eglinski
(poln. Endung), aus Eglienen „ Tannenwald * stammend.
65. Errehlen D. Ragnit, daher Errolatis (erelis Lämmchen).
66. Gaiden D. Insterburg — Gaidies, Gaedies, Geydies (gaidys Hahn).
67. Gallehnen G. Eylau — Galleinas, G allin owski (poln.).
68. Ganderkemen D. Gumbinnen — gandras Storch oder Gandras?
69. Gawehnen D. Stallupönen — Gawehn, Gawinnus, Gawenat.
von F. Hoppe. 405
70. Gentken D. Johannisburg gr. 1445 Jörge Göntke, daher Jent-
katis, Jentkutis (Jentkutkampen D. Stallupönen).
71. Gerwinsthal D. Goldap — Gerwinatis (gerwe, gerwinis Kranich).
72. Girgsden, Gurgsden D. Heydekrug — Girgsdies (u), Jurgs-
dies, Jursdies, Gurgsdatis (gurgidies Kälberkropf; girgidu Nessel-
mann 256 = gurgidzu N. 262).
73. Girnen, Girnehlen D. Gumbinnen — Girnus, Girnux (ux = ukas;
girnus Steinmetz).
74. Gricklaugken D. F. Pülkallen — Griegs (grikkas Buchweizen-
korn); Grickszen D. Memel, davon Grickszat (schadt), Grieczeitis.
75. Grieben D. Pülkallen, Darkemen, D. 2 G. Osterode — davon
Griebatis (grybas Pilz).
76. Gnddascben 2 D. Ragnit, Guddatschen D. Gnmbinnen —
Guddaschat, Guddoszeit, Gudatis(at), Jadatis, Guddath; Gudweit-
schen D. Stallupönen — Gudwoth (vgl. 34), Gudwits (guddas Pole;
oder gudde Wald ? Zu gudkarklis und gndnotere gehört auch eine
auf feuchten Wiesen wachsende Pflanze guddebarsch (bei Tilsit),
wohl gudbarzdzei, vom Volk durch «polnischer Bartsch* erklärt).
77. Gudszen D. Ragnit — Gudszus.
78. Gulbien D. G. Bosenberg — Gulbis, Gulbins (lit. gulbe, altpr.
gulbis Schwan).
79. Gumbeliscbken G. Niederung — Gumbalis (ies), Gombalies;
demnach ist wohl auch Gumbinnen nach einem n. propr. benannt;
vgl. G umbin I). G. Stolp.
80. Gurkeln D. Sensburg — Gurklies(ck) 1696 (gurklys Kropf).
81. Gwilden G. Memel — Gwildies (kw, Qu), Gwüdat (gwildyti
ausschlafen).
82. Aus Gröszpelken D. Tilsit stammt die Familie Gruszpelk,
Gruczpelck.
83. Jouatcn D. Heydekrug, Joneiten D.Niederung, Jonikaten D.
Tilsit — Jons, Jonat, Janeitis(o), Jonuschies, Januszeit, Jonisch-
kfit (ait, at), Janikatis, Janukatis (o), Jonickait, Janeleit, Janu-
leit (o), Jonutatis, Johnkun, Jankun, Jankcit, Jannuttis (Johann).
84. Jucknaten D. Bagnit, Juckneitschen D. Goldap — Jucknat.
406 Ortsnamen der Prorins Frenssen.
85. Jureiten D. Memel — Jureit (jures Meer, jura Fluss).
86. Jurgeitschen D. Eagnit — Jurgis, Jurgaitis (Georg); Jurge-
leit, Jurgszatis, Jurgins, Jnrglies.
87. Kackschen3D. Ilagmt, Kackscheiten D. Tilsit — Kackszies (seh).
88. Eailen D. Pillkallen, Gumbinnen — Kailus, Kailuhn(s), Kai-
luweit (kailus Kürschner); wie im Deutschen, so finden sich auch
im litauischen die Namen der Handwerker als Familiennamen;
vergl. 52 Tischler, 73 Steinmetz, 90 (96) Schmied, 95 Gerber,
111 Schuster; Kuschnereit (kusznerus Kürschner), Kraudszus
(krauezus iem. Schneider, vom poln. krawiec), Kleischmentatis
(an; kleiszmantus Kleinschmied), Butkeraitis (ait, eit; butkere
Böttcher), S zurät (szuras Schornsteinfeger), Podszus, Podczuhn,
Podschuwat (eit), Podczuwatis, Podszuks (püdzus Töpfer), Szermoks
(szermokas Wagner).
89. Kalinischken D. Pillkallen, Goldap, Memel — - daher stammt
Kalinischkies,
90. Kaliweiten G.Tilsit, Kallweitschen D. Goldap, Kallwellen
D. Bagnit, F. Pillkallen — Kallwaitis(ait, eitis, eit, C), Kalwis,
Kallwellis; gehört Kaliwischken D. Memel, G. Insterburg,
D. G. Darkemen zu kalve, kalviszkas ?.
91. Kandschen D. Tilsit, Kandszen 2 D. Darkemen — Kandscheit,
Kantschat (kandzus bissig, kandis Motte).
92. Cannapinnen D. 2 G. Gumbinnen — Kanapien,Kannapin(nn),
Kannapinat in Tretszacken (kanape Hanfstengel, kanapinnis von
Hanf).
93. Karkeln D. G. Heydekrug — davon Karglies; Karklienen —
davon Karklinatis (karklas Wasserweide, karklynai).
94. Kastaunen D. Niederung, Insterburg — Kastaun (kasztaunas
kostbar).
95. Kaszemeken D. Tilsit, Goldap — Kaszemeks, kaszemeikat,
Kaczmekat (kazemekas Gerber).
96. Kawolen D. Tilsit — Kawohl, Kawolis (poln. kowal).
97. Kemsen D. Insterburg, Kemsie V. Fischhausen — Kemsies,
Kemmesies, Kemsatis (kimszis Stöpsel).
von F. Hoppe. 407
98. Kerwienen D. Heilsberg — Kerwien.
99. Ketturecken D. Ragnit — daher Keturikat; Eetturries, Eet-
torat (keturi vier); Kettwergen D. Memel — *Eetwergis
(ketwergis vierjährig, ketwergas Donnerstag, also der vierte Wochen-
tag); vgl. Schleicher I, 142 *keturakis vier&ugig).
100. Kiauken D. Gerdauen, Niederung — Kiaukus, Kiaucka (k).
lOl.Eiebarten D. Pillkallen — Kibarth (ie, ü).
102. Kioschen D. Heydekrug — Eiosza.
103.Kiupeln D. Tilsit — Eiupelis, Kiupel (11).
104. Eleipödszen D, Niederung — Eleipedszus (oe).
105. Kl ohne n D. Pillkallen — El onus; (demnach wohl weder zu
klonas noch zu klonis gehörig).
106. Klumben D. Heydekrug — Elumbies (klumbis Lahmer, Stümper).
107. Kneiffen D. Insterburg — Kneiwa.
108. Cruttinnen F. Sensburg, Crottingen D. 2G. Memel — Eru-
tinnis, Krutinat (krutinnis die Brust betreffend, krutingas eine
starke Brust habend).
109. Jon-Eugeleit D. Tilsit, Eujehlen==Schilleningken D. Stallu-
pönen — Kujelis (mit h), Eujehl, Eujeleit, Eugeleit (kuilys
Eber, nicht kujelis kleiner Hammer). Der Familienname Eojgal-
wies weist auf „kogalwe (1875 S. 353) ein aus gehackten Schweine-
füssen und Schweinekopf bestehendes Gericht11; vergleicht man
damit ,werszgalwei ein aus Kalbskopf und Ealbsgekröse bereitetes
Gericht *, so wird die Vermutung, in ko (koj) stecke das Stamm-
wort von kuilys, äusserst wahrscheinlich; werszgalwis Kalbskopf,
kojgalwis Schweinskopf.
110. Eummutschen D. Ragnit — Eumuttis, Kumutatis (mm) (kumas,
kumuttis Gevatter, Taufzeuge).
111. Eurpen D. Heydekrug, Eurplauken D. Stalluptinen — Eurps,
Eurpjus(b), Eurpjuweit, Eurbjuhns (o), Kurpatis (at), Kurpeickiß
(kurpe Schuh, kurpjus, kurpjunas Schuster).
112. Kurschen G. Ragnit, D. Pillkallen, Darkemen, 3 D. Memel,
Eurschelen G. Pillkallen (Diminutiv), Eorschen G. D. Basten-
burg, Korschellen G. Heiligenbeil (Diminutiv), Korschelken
408 Ortsnamen der Provins Prenssen
V. Heiligenbeil (Ableitung) — Eurszus, Kurszies, Eurszait,
Kurschat (kurszys Eure).
113. Katzen G. Tilsit, D. Oletzko, Lyck, Sensburg — Eutz, Eud-
8 zu s, Kutzat (kuczus Kutscher, Stallknecht).
114. Laugallen D. Memel, Heydekrug, Tilsit, 4 D. Bagnit, 2D.PM-
kallen, D. Gumbinnen, B. F. D. Insterburg — Laugallis (ies).
115. Laukanten D. Tilsit — Laukant, Lauckandt.
116. Laukeninken 2 D. Labiau — Laukenings (i), Lauckeninkus,
Lauckeninkat (laukininkas Ackersmann, der auf freiem Felde wohnt).
117. Launen D. Memel — Launus (launys hörnerlos).
118. Leitwarren 2 D. Niederung, D. Tilsit — Leitwarr.
119. Leng wehnen D. Stallupönen — Lengwenus (is), Lengwenatis (at),
Lengweninks (lengwas leicht, schwach, sanft).
120. Lenkeitschen D. Interburg — Lenkait (atis, at, eit, gk) (Lenkas
ein Pole oder aus Lenken „Wiesen*).
121. Lukoschen D. Stallupönen — Lukoschus (Lukoszius Lukas,
nicht lukoszus Klotz, auf dem die Verbrecher gepeitscht wurden).
122. Luttkomantscheit D. Heydekrug; darin lebte 1792 Bauer Lutt-
kus; — Luttken D. Osterode.
123.Madeyken D. Lyck — Madeyka 1483.
124. Makos cheyen D. Lyck — Mayko (= Maikosch), Makuszies (seh).
126. Maleyken D. Goldap — Maleike.
126. Malissen D. Stallupönen — Malies.
127. Ifankuslauken D. Heydekrug — Mankus, Mankaitis (manki-
ninkas).
128. Marglauken D.Niederung, Marguhnen D. Eylau — Margies,
Ifargulies (margis ein bunter Ochs).
129. Marschehnen, Marscheiten D. Fischhausen — ICarschies
(marszus vergesslich).
190. Masten D. Johannisburg, Mosteiten 2 D. Niederung — Masteit.
131. Masuhren D. Oletzko, Masuhren- Jakob D. Memel — Masur,
Mosuraitis (Maznras).
132. Mattlauken D. Stallupönen, Mattischken D. Ragnit, Mattisch-
kernen V. Gumbinnen — Mattis, Mateatis, Mothejus, Witwe
ron F. Hoppe. 409
Motejene, Moteotis, Matbeoszatis (Matthäus) ; Matzaten D. Memel
— Matzatis (aitis); Matzgirren D. Niederuug (girre Wald) —
Matz; Matzmasuhren D. Memel s. 131.
133. Mayruhnen F. Niederung — Meiries, Meyrun, Meyrunat.
134. Maurutschatschen D. Pillkalleu — Mauriszat, Mauritsch, Mau-
ruszatis (Moritz).
136. Meischlaugken D.Tilsit — Meiszus, Meiszies (maiszas Sack).
136. MeschkenG. Bagnit — meszka Bär oder (indirect davon) Meszka,
Meszkaitis (atis, onatis) P.
137. Moskal V. Osterode — Maskolus (maskolus Russe); vgl. 76.
112. 120. 131.
138. Motzkuhnen D. Goldap — Motzkus, Motzkuhns.
139. Mussaten D. Heydekrug — Mussat.
140. Naujock 2 F. Labiau, Naujocken D. Darkemen — Naujox
(ks, cks), Naujokatis (at) (naujokas Neusasse).
141. Nauseden, Nausseden — nausedys Neusasse oder (davon in-
direct) Naused (ss), Naussedat; vgl. Wissenschaft! Monatsblätt.
a. 0. S. 91 Naunienen.
142. Nelamischken (Lamischken) D. Tilsit — Nelamischkies,
Nalamiszkis (ke).
143. Norbuden D. Gumbinnen — Norbud, Narbut.
144. Norkaiten D. Heydekrug, Norkaten D. Memel — Norkus,
Norkeit, Norkuweitis, Narkeit.
145. Norutschatschen D. Gumbinnen — Noruszaitis, Noruszat
Bauer in Uszrudszen.
146. Obscherningken, Obscherninken — daher Obszerninkait.
147. Oszkarten D. Heydekrug — Oszkart (Oskar?).
148. Paaris D. Bastenburg — Paries.
149. Padaggen D. Bagnit, Paddag- Andres I). Memel — Paddags,
Paddag (von * padagas; padegti abbrennen; vgl. iszdagas, usSdagas;
zu Wurzel dag- gehören auch altpr. * daga, dagis Sommer, wovon
A. Bezzenberger Podage mit Unrecht ableitet, lit. daga Erntezeit,
degesis der Monat August, der Erntemonat; Degesies n. pr., da-
von Degesen Gross-, Klein- 2 D., G. Stallupönen); vgl. Deggim,
26*
410 Ortenamen der Provinz Preusaen.
Deginnus. degesis zeigt das seltene Suffix-esjas, esis; Schleicher
I, 110 führt davon an: edesis Prass, kalbesis Sprüchwort, debesis
Wolke; dazu füge noch hildesis Gerassel, gailesh Bedauern, gaudesis
Ton, genesis Viehtrift, pelesei Schimmel am Brote, szniakesis Dialect,
sznapszdesis Geflüster, sämmtlich von Verbstämmen abgeleitet (beld-,
gail-, gaud-, gan-, gin-, pel-, sznek-, sznabzd-); mit Präpositionen
(nu-, pre-, su-) ist kalbesis componiert; darkesis, der unreine Mensch,
hat eine übertragene Bedeutung erhalten. — Die Präposition pa
erscheint auch in Pagdzanzig D. Schlochau; dieses wie Seedanzig
D. Orteisburg sind bei der Erklärung von Danzig zu beachten;
vgl. C. Lobmeyer's Bemerkungen in den Wissenschaftl. Monats-
blättern 1877 S. 55. — Toussainen R. Ragnit = Hanspa-dieben
d. h. Hans von Dieben.
150. Paducken D. Insterburg — Paduck (padukis toll).
151. Pauperischken G. Niederung — Pauper, Paupereit.
152. Pauren D. Heydekrug — Paurat, Bauries (bjaurus schmutzig).
153. Pautkandszen 2 D. Ragnit — Pautkandzus (pautasEi, kand-
zus bissig; der Familien-, nicht der Dorfname, ist also ein „Spitz-,
Scherzname").
154. Paweln D. Heydekrug, Powelischken D. Insterburg, Paulen
D. Braunsberg — Powilas, Pawilas, Pawailus, Pauluhn, Paulien,
Paulatis (ait), Paulikat (gkait), Paulutatis, Pauluweit, Powileit (Paul).
155. Pempen D. Memel — pempe, altpr. peerape Kiebitz oder (davon
indirect) Pempe?
156. Perkunischken D. Insterburg (Ortsn. d. Reg.-Bez. Gumbinnen
S. 5), Perkuhnen D. Heydekrug, Ragnit, Pierkunowen Domäne
Lötzen (poln. Suffix) — Perkuhn, Lorenz von Perkuhn 1552 in
Kruglinnen, Berkuhn (perkunas Donnergott, poln. piorun Donner;
vgl. pladißtas Lauch N. 304 = bladystai Lauch N. 339, = blodustas
Knoblauch Geitler S. 79, = poln. plodziszek wilder Lauch von
plod Frucht, plodzirf Früchte hervorbringen).
157. Pesseln D. Wehlau, D. V. Insterburg, G. Darkemen — Peszlies,
Peszlatis (peslys Weihe).
158. Peteraten D.Tilsit, Peterehlen D. Gerdauen, Petereithelen,
▼on F. Hoppe. 411
Petereitschen D. Pillkallen, Peterischken, Petrellen D.
Heydekrug, Peterkemen D. Insterburg, Peterlauken, Petri-
kalschen D. Stallupöuen, Petraschen D. Meniel, Petratschen
2 D., Petroschken D. Ragnit, Petrelskemen D. Darkemen,
Petricken, Petrusohkemen D. Labiau, Pietraschen D. Gol-
dap, Lyk, Pietrellen D. Angerburg, Pietrzyken D. Johannis-
burg, Piotrowitz D. Neidenburg — Petrusch, Peterkat,
Petrullat, Petereit, Petrick, Peteris; poln. Piotr (Peter).
159. Pettelkau D. Braunsberg — Petulkat.
160. Pieraggen D. Eagnit, Pieragienen D. G. Insterburg, Pyraggen
D. Pillkallen — Pierags, Bieragis (pyragas Weissbrod); Pirogo-
wisna A. Strasburg (pirogi gefüllte Klösse); vgl. twqos Weizen.
161.Pillacken2D. Augerburg, V. G. Sensburg — Pillekat.
162. Pill wen G. Eylau, Pilwe D. Angerburg, Pillwogallen D. Inster-
burg — Pilwat (11; pilvas Bauch).
163. Plauschinnen D. Niederung, Kagnit — Plauschinnus, Plau-
schinat (nn; plauszinnis von Bast; plusze, pluszis Schnittgras N. 311
= plauszis Schilf in der Gegend von Tilsit und in der Niederung).
164. Piawischken D. Goldap — Pia wischkies.
165. Pleiken-Görge D. Memel, Pleikischken D. Heydekrug, Memel
— Pleikies.
166.Plicken — Plikatis (ck).
167. Podszeit-Niclau, P.-Stankus D. Memel, Podszohnen D.
Stallupöuen, Podszuhnen D. Kagnit — Podszus, Podczuhn
(pudzus Töpfer; vgl. Nr. 88).
168. Poeszeiten D. Memel — Poeszeit (pesza Huss).
169. Posingen D. Memel — Posingies.
170. Prätzmen D. Heydekrug — Preschmatis (praszmatas Ueberfluss,
übermütiger Mensch, „ein Uebermut").
171.Prussen-Martin, P.-Michel D. Memel — Prussas, Prusseit,
Pruszatis (pnisas Preusse); s. Nro. 137. 195. 203. 241.
4
172. Pucknen D. Kagnit — Puknatis (g), Bucknat, Bugnenings (bugnas
Trommel = bubnas Ness. 336; bubnininkas Trommelschläger =
* bugnininkas).
412 Ortsnamen der Provinz Preussen.
173. Pupken F. Osterode — Pupkus; vgl. pnpkaim Toppen comp.
Geogr. S. 153 (1. pupa Feldbohne; 2. pupele dicke Knospe; dazu
gehört puplaiszkis, pnplaszkis, lett. puplakschi Gänseblume —
* pupe und laiszkas, laksztas Kohlblatt, Blatt).
174. Purmallen G. Memel — Purmall; vgl. Augstumal(Ue) Torf-
bruch und D. Heydekrug (auksztas hoch); die Augstumalle ist
1/2 Meile lang, 1/2 Viertelmeile breit, liegt vor den Krakerort- Wiesen
und enthält »etwas Fichten und Dannen jung Hölzchen, auch
Ellern und Birkenstrauch; westlich davon bei Stanzlittau oder
Stankischken ist ein mit Fichten und Ellern bewachsener Strich,
dessen Umkreis 1/4 Meile beträgt; am kurischen Haff ist ein 1/2 Meile
langer, 1/4 Meile breiter Wald von Dannen, Fichten, Ellern ; zwischen
Akminge, Skirwitelle und Kuss liegt die Heideseite, Mikute, 1 Meile
lang, 1/2 breit, m^ Fichten, Dannen, Ellern, Birkenhölzchen be-
wachsen; dort ist ein Elentstand; zwischen Akminge und Karkell
ist die 1/2 Meile lange, zum Teil 1/4 Meile breite Lindenseite,
lepuspusse (lepa, *lepusze kleine Linde, pusse die Hälfte, die eine
Seite), ausgehauen, jetzt mit kleinen Ellern bewachsen; zwischen
dem curischen Haff und Karkeln ist ein 1 Meile langer, 1/4 Meile
breiter Strich mit jungen Ellern und etwas Birken, Wentaine und
Lökerort (Lokusse); am Wasser „ Leute" ist ein kleines Gehege von
jungen Birken Bersinellis (berzynelis kleine Birke)4*; vgl. upe-
malis das durch den Strom abgespülte Land.
175. Purwyn D. Memel (Purwienen D. Gumbinnen = purvynas kotiger
Ort) — Purwin, Purwidaitis; s. Nro. 252.
176. Puskeppeln D. Niederung, (Puskeppallen) 2D. Ragnit — Pusz-
keppelies (Paszk.), Puszkeppelat (pus halb, kepalas Leib Brot,
kepalatis Diminutiv; vgl. Pus am szi es Bauer in Kulligkemen, pus
halb, amzis Lebenszeit; ein Mensch, der die Hälfte seines Lebens
zurückgelegt hat ; Pusbatschka, baczka Tonne, pusbaczkis V2T.).
177. Radischen D. Ragnit — Radiszatis (at).
178. Rads zen 2 D. Pillkallen, D. Stallupönen, fiadszuhnen D. Inster-
burg — Radszuhn, Radszatis (cz), Radszonatis, Radszumatis,
Radszuweit (Radszewitz; ' ratas Rad, raczas, raczius Stellmacher)
▼on P. Hoppe« 413
s. Nr. 88. — In Schlesien heisst ein Spiel Kullerad d.h. = kolo
poln. Bad; der Euf zum fortkollern „külö*; das Kulo = Bad.
179. BageningkenD. Heydekrug — Paragnincks (ck . . . g; raginninkas
Zolleinnehmer).
180. Eagoszen D. Darkemen, Bogaischen D.Heydekrug — Bogaszus,
Bogaischies, Bagoszat (wohl nicht von ragaiszis Fladen, sondern
von ragficzus der gehörnte; vgl. Nro. 117 launys hörnerlos; 62 dwylis
schwarzköpfig vom Ochsen, 72 gurgtfdies Kälberkropf, 80 gurklys
Kropf, 106 klumbis lahm, 128 margis bunt v. Ochsen; 35 bukczius
Stammler, 51 dilba Gluper; kupratis(at), kupries(kupra Höcker,
kuprys Buckliger); k umpries (kumbrys krummhalsig); Lullies,
Lolies, Loleitis (ait, eit; lulys fett, ungeschickt, tölpisch);
Besties(oe), Bestatis (at; restys Krauskopf); Stories, Sturries
(storas dick, stark); Schlupp (szlubas lahm).
181. Bauben D. Insterburg, Darkemen — Bauba, Baubszus.
182. Bauden D. Osterode, Marienwerder, Baude V., Baudischken D.
Qerdauen, Baudszen D.Heydekrug, Bagnit — Baudies, Baud-
szus (rudas rot, rauda Böte, raudzus Botass). — Baudohnen D.
Stallupönen, Darkemen, Goldap, Baudonatschen D. 0. V. Bagnit
— Baudonat (raudonas rot hellbraun); s. 180.
183. Beckeitschen D. F. Insterburg — Beckeit, Beikatis.
184. E eckein D. Stallupönen, Gumbinnen — Becklies (reklas, altpr.
riclis Bodenraum, L u c h t (auch Personenname) ; dasselbe bezeichnet
beningis (Böning).
185. Bimlack D. Eylau — Bims, Bimkus.
186. Bingen D. Oletzko, BinglackenD. Wehlau, ringasir — Biugies,
Bengies, Bingatis (at).
187. Bödszen D. Gumbinnen ■— ■ Baedszus, Bedszuns (reczus Sieb-
macher) s. 88.
188. Bosoggen D. G. Sensburg, Bosocken D. Heiligenbeil, Ko-
sochen F. Löbau (ruzogo N. thes. 151) — Bosegaitis, Bassokatis,
Bosokatis.
189. Buddecken D. Bagnit, Budlacken G. Wehlau, D. V. Insterburg,
Budlauken 3 D. Labiau, D, Insterburg — Budeck, Euddakis,
414 Ortsnamen der Prorini Preusaen
Buddackeit, Buddies, Buddat (tt), Eoddockus — alle auch mit d —
(rudas braun, rötlich). Die Bodup, Zufluss der Pissa, ist nach
der Farbe, welche das Wasser nach dem Begen annimmt, benannt.
190. Eupkalwen D. Heydekrug — Bupkalwies, Buppeitis (Eupp =
Buprecht).
191. Sabangen D. Osterode — Szabang (sabange lacus N. thes. 151).
192. Sagerlauken V. Friedland — Szagger.
193. Sauden D. Osterode — Saudin.
194. Schal wen V. Wehlau — Szallwies (szalvis Aesche).
195. Schatten 3 V. Bastenburg, Schattlauken D. Bagnit — Schattat
(szatas Schotte, Hausierer; N. thes. 167 weist die Ableitung des
Wortes vom Volksnamen „ Schotte11 zurück; doch dürfte dafür das
noch jetzt durchweg in preuss. Litauen gebräuchliche und beliebte
n schottisch* sprechen.
196. Schaudienen D. G. Labiau, Schaudianen D. Bagnit — szaudas
Stohhalm, szaudinnis von Stroh, szaudyne Strohhaufen oder (indirect
davon) Szaudies, Schaudinnus.
197. SchaulwethenD. Bagnit — Schaulies, Schaulat (szaulis Hüfte).
198. Schemen D. Bagnit — Szernus, Szernat (szernas wilde Eber);
vgl. Nro. 14 balandis Taube, 24. 68 bocian, gandras Storch,
28 bredis Elent, 39 burblys Birkhahn, 66 gaidys Hahn, 71 gervinis
Kranich, 78 gulbe Schwan, 109 kuilys Eber, 136 meszka Bär,
155 pempe Kiebitz, 157 peslys Weihe, 194 szalvis Aesche, 214 silke
Häring, 220 skeris Heuschrecke, 233 stirna Beh, 235 strazdas
Drossel, 237 stnmbras Auerochs, 250 tutlys Wiedehopf, 255 vanagas
Habicht, 256 varle Frosch; — Bublies, Bubiatis (bublysBohr-
dommel); Gar nies (garnys Storch, Beiher); Geguszus (geguze
Kukuk); Gennies, Genatis, Genuth (genys, genutis Specht);
Kattins (t) (katinas Kater); Karupkatis (kurapka, -atis Bebhuhn);
Kikill, Kikillus (kikillis Hänfling); Kuisatis (kuisis Mücke);
Kurmis, Kurmatis (kurmis Maulwurf); Lokies (lokis Bär);
Parplies (parplys Maulwurfsgrille); Schirwat, Szirwaitis
(szirwas Apfelschimmel); Tillwicks (tilwikkas grosse Brachvogel);
Wilks (vilkas Wolf); Winnyke (vinyke Baumfalk); Woweries,
von F. Hoppe. 415
Wowries, Woweraitis (ait, eit), Wowerux (vovere Eichhörn-
chen); Paukstat (g, dt; pauksztatis Vögelchen).
199. Schillgallen — Schillgallies; vgl. Sausgallen D. Heydekrug
= Paul Sausgallies; Laugallies.
200. Schillmeyszen D. Heydekrug — Schillmeiss.
201. Schimkeiten D. Tilsit — Schimkus, Schimkatis (at; schimke
Plossknecht N. thes. 164.)
202. Schlaszen D. Heidekrug, Szlaaszcn-Görge D. Memel —
Slaszus, Szloszus.
203. Schlaunen D. Tilsit — Szlaunatis (szlaunis Hüfte N. 526); s. 197.
204. Schleppen 2 D. Tilsit — Schleps (slapus heimlich, heimlich
tuend; vgl. Leppuhn (lepunas Zärtling, Wollüstling); Talaszus
(talazus Schwätzer); 224 smailus leckerhaft; 150 padukis toll.
205. Schmilgen D. Pillkallen, Stallupönen, Gumbinnen, Schmil-
giehnen D. Labiau — Smilgies (smilgas Schmele; smilgynas
Schmelfeld).
206. Sehne pien D. Lyck — Schneppat, Schnepatis; s. 225.
207. Schuicken D. Insterburg, Schuiken 2D. Goldap, Schukisch-
ken D. Insterburg — Seh ui kies, Sc hu kies. Schukatis, Szuckat
(szukis ein Mensch, der nicht alle Zähne hat).
208. Schweden G. Heilsberg — Swede, Schwedat, Swedatis, Schwe-
dux (szwedas Schwede).
209. Schwellinen V. Eylau, Schwillgarben D. Braunsberg (?) —
Swillus, Schwillies, Schwilluns (swillus glimmend, Aschen-
brödel; Schwein us von szwelnus sanft?). N. thes. 183 Schwil-
garben = Swilg-garben Berg des Swilge?.
210. Schwenkitten G. 2 D. Heilsberg — Schwenkus.
211. Seliggen D. Lyck — Seligo.
212. Serguhnen D. Goldap — Serguhn, Sergohn (sirge, sirgune Pluss
Sorge N. thes. 161).
213. Serpenten — serbenta Bocksbeere, serbentynas (p) oder (indirect
davon) Serbent.
214. Sillginnen G. Gerdauen — Selke, Silkinat (silke Häring, silkin-
nis adjeet.).
416 Ortsnamen der Provin« Preussen
215. Skambrack V. Goldap, Skambracken D. Tilsit — S'kambrax,
Skambrakas (Spielmann N. 472).
216. Skarren D. Memel — Skarrus, Skarat (skaras Lumpen).
217.Skaticken G. Bagnit, F., Skatiken 2 D. Wehlau — Skattikatis
(skatikas Groschen); Ygl. Pelickis, Peleckis (pelikis Pelchen;
Tretczogs (treczokas Sübergr.); Aidukatis (eidzukas Dreipelcher).
218. Skerswethen D. Tilsit — Skerswetaitis (at; skersas quer).
219. Sköpen 2 D. Niederung — Skepe(i)naitis.
220. S kören D. Memel, 3 D. Niederung — Skeries(ö), Skeratis (at ,-
skeris Heuschrecke).
221. Skrebben D. Ragnit — Skrebbas (skrebas Hutkrempe).
222. Skroblienen — skroblus Hagebuche ; davon Skroblien, Skrob-
linatis.
223.Skrotlienen D. Labiau, Skrodeln D. Tilsit — Skrodlies
(altpr. scrutele, lett. ökrohdalis Zuschneider); s. 88. 178. 187;
Dirszus, Dirszuweitis (dirias Gürtel, Riemen; — Riemer?);
Ballnus (balnus Sattler); Odszuck (üdzus Gerber).
224. Smeilen D. Pillkallen — Smail, Smailus, Schmailies, Smailuk
smailus leckerhaft, Zeigefinger; smilukas Leckerer).
225. SnappenD. Pillkallen, Insterburg — Schnapatis (snapas Schnabel).
226. Sprakten D. Insterburg — Sprakties.
227. Stablacken 2 D. G. Insterburg, Stablaugken D. Pillkallen,
Stablack G. Gerdauen, F. Y. Eylau = (stabis Stein) Steinfelden,
teilweise wohl auch Feld des Stab.
228. Staggen D. Bagnit, Insterburg — Stagge, Stagat, Stegat, Ste-
guweit, Stageleit, Staginnus, Staguhn, Stagote (N. thes. 174).
229. Staldszen D. Heydekrug — Stalszus.
230. Stannen D., Stanneitschen D. Domäne Gumbinnen — Stannus
Staneitis. — Stankaiten D. Memel — Stankat, Stankuweit;
ygl. N. thes. 175 Stanko (Stankus Stanislaus; Stankischken =
Stanslittau).
231. StepponatenD. Bagnit, Stepponisehken,Steppon-Bödszen,
St.-Wannag D. Tilsit — Steponat, Steppuhn, Stepat, Step-
patis, Steputis, Stepputat (Stephan).
von F. Hoppe. 417
232. Sterpeiken D. Tilsit — Strupeickies.
233. Stirnlaug ken D. Pillkallen = Rehfeld, stirna Beb oder (indirect
davon) Stirna, Stirnes, Stirnus, Stirnatis.
234. Stonischken 2 D. Tilsit — Stonus, Stonies.
235. Strasden D. Tilsit — Strasdatis (at, eit; strazdas Drossel).
236. Stnlgen 0. Oumbinnen — Stulgies, Stulgait, Stulgeries.
237. Stumbern, Stumbragirren, Stumbrakemen — stumbras
Auerochs; Stumber, Stumbries.
238. Surmienen N. thes. 181; lit. Surmins, Surmien (surma Schalmei?).
239. Swarreitkemen D. Tilsit, Swarren D. Heydekrug — S warraitis
(atis, at; vgl. Ortsnamen des E.-B. Gumbinnen S. 15; svarus schwer).
240. Szalies A. Insterburg — Szalies (szalis Seite?).
241. Szameiten D. Lyk (vgl. Ortsnamen S. 9); Szameitkemen D.
Heydekrug, 2 D. Tilsit, D. Pillkallen, Stallupönen, Insterburg,
Szameitschen D. Oumbinnen, 3 D. Stallupönen — Szameit,
Szameitatis, Szameitat (iemaitis Niederlitauer).
242. Szauken D. Heydekrug — Sauckus.
243. Szieleitschen 0. Insterburg — Szieleitis.
244. Taureggen-Bendig D. Memel — Taureck, Taurux.
245. Titschken D. Bagnit — Titschkus, Ticzkus (Tietz). ,
246. Tittnaggen D. Oumbinnen, Titnaginis Wiese bei Szirgupönen
— titnagas Feuerstein; Titnaks (tt, ck).
247. Tramischen D. Heydekrug — Tramiczus.
248. Trumpaten D. Bagnit, Trumpeiten 2 D. Niederung, Trump-
lauken D. Insterburg — Trumpa, Trumpions (trumpas kurz).
249. Tru sehen, Truschellen D. Memel — truszas Bohr; Truschies.
250. Tu tt ein 2 D. Tilsit, Bagnit D. Oumbinnen — Tutlies (tt, y;
tutlys Wiedehopf).
251. ürbschen D. Stallupönen — Urbschatis (at, eit), Urbatis, Urbuttis,
Urbutat, Urbikaitis, TJrbigkeit, Urbons, Urbantatis (ürban).
252. Uszdrawen D. Pillkallen (vgl. Dräweningken; Drawehn) —
Uszdraweit; Uszkampchen D. Darkemen — Uszkampies in U.;
Uszkurries, Uszkurreit (u£kurys Nachheizer, der zweite Mann einer
Frau =preikszas, Preugszat, Preigszat); Uszpelken D. Tilsit —
Altpr. MoaattMhrlft Bd. XIV. Hft. 6 o. 6. 27
41g Ortsnamen der Provinz Prenssen von F. Hoppe,
Uszpelkatis (at, ck); Uszpurwies weist auf eine Ortschaft *Usz-
purwen hin; Uschleit (uszlaitas ein Tal N. 35 gehört zu szlaitas
Abhang, Anberg; uz). Mit der Präposition uz zusammengesetzte
Ortsnamen im russ. Litauen sind: Uiworciel, Uzlediie an der
Niewiaia; Uzkiertule südlich Yon Kietur nowizna; Us Zilien,
Uszplenis, Uzupie, Uzbole im Gebiet der Schirwint; Usch-
mauden (und Maudischken) östlich vonPabbeln; — (szilas Heide,
upe Pluss, bala Bruch, mauda Schierling).
253. Wallen G. Alienstein, D. Ortelsburg — Wallat, Wallatis, Wal-
luttis, Walukatis (at), Wallatkat.
254. Wallindszen D. Pillkallen — Wallenszus.
255. Wannaggen D. Memel, 2 G. Labian, Wannaginnen D. Dar-
kemen, Wannaglauken 2 D. Niedening — vanagas Habicht;
Wannags (x), Wannagatis (al).
256. Warlen D. Insterburg — Warlatis (varle Frosch, varlate
Fröschchen); Wixwen 2 D. Niederung — Wixwatis (vikszwa Spitz-
gras); Wieszen D. Heydekrug — Wisznatis, Wiszenat (vyszne
Weichselbaum); Wirballen D. Heydekrug — Wirbaleitis (virbalas
Leitersprosse, Stöpsel); Wensken D. Memel, Pillkallen, Wensko-
wethen G. Insterburg — Wenskat (eit); Wischtecken D. G.
Gumbinnen, Wischteggen 2 D. Bagnit — Wischtuckat (viszta
Henne, Tiszczukas, * visztukas Küchlein ; kalner-viszczukas Koller-
hahn).
257. Wedern, Weedern — Weederaitis gr. Wederaitischken D.
Eagnit 1764 (vgl. Ortsnamen S. 13); Schleicher I, 143 Vederaitis
von vederai Eingeweide?
258. Weszkallen D. G. F. Pillkallen — Weszies; Woszkalnies (11, seh).
259.Willuhnen D. G. Pillkallen, D. Niederung — Willuhn (ns),
Willaus, Willauszus, Willuschat, Willutat (ait), Willumat, Willu-
meit, Willuweitis (eit; Wilhelm).
260.Wittschen D. Tilsit — Witeschies.
Nachtrag. So wie Grigallis Gregor die Koseform Gallus ergiebt,
so Erasmus Asmus, Aszmies, Aszmys (also nicht = Octavianus, wie
Schleicher I, 143 vorschlägt); so Barbusze (Barbute, Barbara) Busze.
Aus diesem Spicilegium ist ersichtlich, dass Schleicher I, 142 mit
Unrecht behauptet: «man kann die Geschleohtssamen auf aitis und aus
als Regel annehmen und die andern Namen als Ausnahmen.*
ie älteste litauische Chronik.
Au3 dem Russischen übersetzt von F. Neumann.
Herausgegeben von
M. Toppe n.*)
Chronik der Grossfürsten von Litauen.
Zur Heraasgabe hergestellt von
A. N. Popow.
Separatabdruck aus dem 1. Bande der gelehrten Denkschriften, herausgegeben von
der 2. Abtheilung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
S. Petersburg,
in der Buchdruckerei der kaiserl, Akademie der Wissenschaften«
1854.
Die ersten Nachrichten über litauische Chroniken sind aus Strykowski
geschöpft, der unter der Zahl der Quellen seiner Chronik sich auf
litauische und russische Jahrbücher beruft.1)
Was hat Strykowski unter der Benennung „litauische Jahrbücher*
verstanden? Diese Frage haben die Gelehrten sich bemüht aufzulösen.
Durch die Namenverbindung: litauische und russische Chroniken
hat er auf der einen Seite zu dem Glauben Veranlassung gegeben, dass
er überhaupt die russischen Chroniken gemeint habe, in denen Nach-
richten auch über die litauische Geschichte eingeschlossen sind; auf
der andern Seite setzt er die Existenz besonderer litauischer Chroniken
voraus. Schlözer, über Strykowski spottend, sagt: „Er hat ein Dutzend
*) Man vergleiche die Mittheilungen in der Altpr. Monatsschrift Jahrg. 1869
VI, 346. Neumanns Uebersetzung ist bisher nur von den Herausgebern der Scriptores
rerum Prussicarum (II, p. 452) benutzt.
') Eronika Polska, Litewska etc. Warszawa 1846. I, 57, 83,87; H, 58,229,232.
27*
420 Die älteBte litauische Chronik
litauischer Chroniken benutzt, — litauischer? .... aber die Litauer
haben noch nicht seit lange her das Schreiben gelernt .... und, was
er Chroniken nennt, welcher Art waren die von ihm gebrauchten? wo
sind sie hingekommen? Wenn es jemand einfallen sollte, ihn kritisch
zu betrachten, so würde er wahrscheinlich finden, dass alle gewisse
alte Geschichte von ihm wie auch von Dlugosch aus den Russen ent-
nommen ist." — „Die von Kojalo witsch herausgestrichenen vetusti et
vetustissimi Annales Litvaniae" bezieht Schlözer auf die späteren Zeiten,
indem er mit Bestimmtheit behauptet, dass „es keine einheimischen
litauischen Chroniken gebe, noch auch geben könne.*2)
Nach den Andeutungen Strykowski's verstand er hierunter die
Existenz besonderer, von Litauern in ihrer Sprache geschriebener Jahr-
bücher und behauptete daher, indem er die Existenz derselben verneinte,
dass alle Nachrichten über die ältere Geschichte Litauens nur aus
russischen Quellen entlehnt sein könnten. Die Meinung Schlözers stellt
sich zu gleicher Zeit als richtig und als falsch heraus, und zwar des-
halb, weil er die Frage entscheidet ohne vorgängige kritische Unter-
suchung der Aussage Strykowski's, welche vorzunehmen er doch selbst
anräth. Diese Arbeit ist durch den Prof. Danilowitsch unternommen
und damit die Frage über litauische Chroniken schliesslich entschieden
worden. 3)
Strykowski sagt: „alle litauischen Chroniken — die von ihm be-
nutzt wurden — sind russisch geschrieben; sie bilden auch die ältesten
Chroniken für Litauen."4) Diese Worte heben durch sich selbst die
Annahme in litauischer Sprache geschriebener Chroniken auf, und be-
weisen anderseits, dass alle Nachrichten über die alte litauische Ge-
schichte ausschliesslich in russischen Quellen enthalten sind. So hat
schon vor Schlözer der von diesem angeschuldigte Strykowski ganz
dasselbe behauptet. Denn er sagt: „ohne Bussland hätte Litauen nichts
*) Nestor L Gesch. von Litauen 1785. §. 5.
*) Dessen Abhandl. über lit. Chroniken im Journal des Ministerii fttr Volks-
aafklärung T. XXVIII. 1840. 6. 70—114. In poln. Sprache als Beilage zur Ausgabe
der Strjkowskischen Chronik von 1848.
4) Rronlka I, 354.
k»
hrsg. von Dr« M. Toppen, 421
von seiner Geschichte gewusst; denn die Bussen besitzen die ältesten
Berichte.445)
Unentschieden blieb die Frage: Sind diese russisch geschriebenen
litauischen Chroniken russische Chroniken oder von diesen geson-
derte? — eine Frage, welche demnächst entschieden worden ist durch
die Mittheilung Narbuts über die litauische Chronik des By cho wietz,6)
die auch in der Folge von ihm herausgegeben wurde, und durch
die von Danilowitsch aufgefundene und herausgegebene Suprasler
Chronik.
Diese Chronik befand sich in der Kirche des Klosters Suprasl in
russischer Schrift mit den Schriftzügen des 16. Jahrhunderts. Auf dem
letzten Blatte befand sich folgende Nachschrift: „Wie der Hase, der
aus dem Garn entkommen ist, so freut sich jeder Meister, der sein
Werklein beendet hat. Diese Chronik ist ausgeschrieben im Jahre
7028 (1520) luna XVIIL, indict. IX., am 6. des October, dem Ge-
dächtnisstage des heil. Apostels Thomä, auf Anlass des rechtgläubigen
und Christliebenden Fürsten Simeon Iwanowitsch Odintzewitsch, auf
Seiner Gnaden Gesundheit und Glückseligkeit, das ewige Leben und
Vergebung der Sünden. Die Gnade Gottes sei mit Ihren Gnaden und
Sr. Gnaden Fürstin Katharina und Ihrer Gnaden Kindern. Handarbeit
des grossen Sünders, des Dieners Gottes, Gregor Iwanowitsch, zu Gottes
Ehre und Buhm, in Ewigkeit, Amen. Gedenke, Herr! des abgeschiedenen
Priesters Iwan.* „Ich behaupte dreist* sagt Danilowitsch, „dass wir
bis jetzt keine bessere und selbst keine ältere litauische Chronik kennen.
Ich erhalte aus derselben die Ueberzeugung, dass man im 14. Jahr-
hundert schon besondere, rein litauische Chroniken geschrieben, oder
a) Ebds. I, 219.
6) Dzieje staroz. Lit. I, 679. 699. Die Chronik des Bychowietz ist herausge-
geben unter d. Titel: Pomniki do dziejöw Litewskich zebrane przez Teodora Narbutta.
Wilno. Nakladem Rubene Rafalowicza Ksi§garza, Wilenskiego 1846. 78(90)pag. in 4°.
P. Danilowitsch hatte seine Chronik anfanglich in dem »Wilnaer Tageblatt* von 18*23
abgedruckt; späterhin wurde sie von A. Martzinowski für sich herausgegeben,
unter dem Titel: Latopisiec Litwy i Eronika ßuska. Wilno. 1827. Eine Uebersetzung
derselben hat Russow abgedruckt in den Memoiren für 1832, IV, 19—48;
V, 16-39; VI, 64, 68,
422 ^*e &toste litauische Chronik
zum wenigsten solche aus schon vorhandenen älteren zusammengestellt
hat.*1) Wo sich gegenwärtig die Originalhandschrift befindet, ist un-
bekannt. Danilowitsch hat die Chronik unter Uebertragung in die
lateinische Buchstabenschrift mit polnischer Rechtschreibung heraus-
gegeben und die bekannte russische Chronik hat sich bis dahin, wie er
sagt, in fremdem Gewände befunden.
Die jetzt von uns veröffentlichte Abschrift einer litauischen Chronik
gehört dem Gr. A. S. Uwarow.8) Sie ist völlig übereinstimmend mit
der Suprasler Chronik und mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Sie
ergänzt zwar die letztere an vielen Stellen und wird in einigen Fällen
wiederum von dieser ergänzt; gleichwohl stellen augenscheinlich beide
nur Abschriften einer und derselben Chronik dar. Der Codex, in dem
sich die letztere Abschrift befindet, ist in kirchenslavischer Schrift, mit
litauischen Schriftzügen des 15. Jahrhunderts, in Sedezformat, auf ge-
glättetem Papier geschrieben und enthält 107 Blätter. Die Anfangs-
blätter sind nicht vollständig; von den vorhandenen sind die ersten
ohne Ecken; in der Mitte und am Ende sind einige wenige Blätter
verloren gegangen. Der ganze Codex zerfällt in drei Theile; der erste
enthält die litauische Chronik (Bl. 1—76); auf diese folgt : «Chronik des
Grossfürsten von Moskau, soweit er aus dem Geschlechte Wladimirs*,
ein kurzes Geschlechtsregister der Fürsten von Moskwa, an welches
sich die Aufzählung der Bisthümer anschliesst, unter der Ueberschrift :
,Und dies sind die Bischöfe, soviel ihrer in Bussland vorhanden sind*
(76T— 79). Weiter folgt: »Chronik des Grossfursten Wladimir von
Kiew* (80—107), beginnend mit einer Klage der Nowgoroder darüber,
dass ihnen Wladimir zum Fürsten gegeben sei, und endigend mit dem
Einfalle Baty's. Zu unterst der letzten Blätter, auf der Bückseite, be-
finden sich neben dem Text der Handschrift folgende Beifügungen von
anderer Hand: (Bl. 107) „ treuer Knecht von Befehl — Johannis,
dienstwilligen Dieners gehör und meinem Wohlthäter* ; auf der
andern Seite: (108) 9 unserer gnädigsten Gebieterin, Gemalin des Georg
*) üeber lit Chroniken« Journal d. Minist, f. Anfiel. S. 101—106.
•) Sie ist ihm Überlassen worden von J. P. Sacharo w.
hrsg. von Dr. M. Toppen. 423
Simonowitsch von Slutzk, Fürstin Helena, Tochter des Nikolaus Bodi-
wilowitsch — grossmächtig*; ferner (109) „im Jahr 1542, am 17. des
April, am Tage des heil. Vaters Siraeon, der in Persien [den Märtyrer-
tod erlitt], des Sonntags, auf die zweite Stunde Nachts, verschied der
Fürst Georg von Öluck; er war das Haupt der ganzen Industrie". Auf
der Rückseite dieses Blattes: „Olkemontow, des Geschlechts Golschan;
Jewnutiew, des Geschlechts Sheslaw; Kgedimonow, des Geschlechts
Alelkow; Jakailow, königlichen Geschlechts; Witowt Kestutie witsch.*
Aus dem Geschlechtsregister ist ersichtlich, dass der Fürst Georg
von Sluck ein Nachkomme Olgerds war. Er war der Sohn Simeons
von Öluck, dessen Vater Michael der Sohn Olelks war. Olelk aber
oder Alexander war ein Sohn Wladimirs von Bielsk, des fünften Sohnes
Olgerds.0) Georg von Öluck starb in der That i. J. 1542, und war
vermählt mit der Tochter des Nikolaus Badziwil, der Schwester des
litauischen Hetmans Georg (t 1541). 10)
Diese Kandvermerke sind allerdings nicht gleichzeitig mit der
Handschrift selbst, welche älter ist; jedenfalls aber dürften sie den Be-
weis liefern, dass die Handschrift nicht jünger sein kann als aus dem
16. Jahrhundert. Die Schrift züge der Randbemerkungen und der Zu-
sätze zu dem Text selbst in dem untern Theile der Seiten stimmen
9) Wer Siraeon Iwauowitsch Odintzewitsch gewesen sei, hat Danilowitsch nicht
gefunden (Latop. Litw. Vorrede. 12); bei Nieäetzki findet sich in der Reihe der
Odintzewitsch keiner dieses Namens. Auf der ersten Seite ist, wie Danilowitsch Ter-
muthet, von der eigenen Hand dos S. I. Odintzewitsch die Genealogie desselben ge-
schrieben; hier heisst es: »Dieser Fürst Alexander kam auch mit seinem Sohne
(Gregor) zu dem Grossfttrsten von Moskwa, Dienste zu nehmen.* In den russischen
Geschlechtsregistern wird erwähnt, dass die Fürsten von Druck »aus Litauen zu dem
Grossfürsten Wasili Iwauowitsch gekommen* seien. Der Fürst Draitri hatte zum
Sohne den F. Wasilei, Wasilei den Alezander and Alexander den Georg. In
einer Handschrift wird aber der Vater Alexanders Andrei genannt. Unserm Ge-
schlechtsregister zufolge wird als Sohn des Dmitri Ioannowitsch der Bojar Andrei
Odynetz angegeben, als dessen Sohn Alexander Bielejut, als Bielejuts Sohn Gregor.
Möglicherweise gehörte diesem letztern die Suprasler Abschrift der litauischen Chronik.
10) Kionika Stryjkowskicgo. II, 399. Tegoz tei roku po wielkiejnocy Jerzj
Semenowic, xiaie Shicka mq,z wielkiej dzielnosci, rozstal sie, z swiatem, (In dem-
selben Jahre, um Ostern schied von dieser Welt Georg Semenowitsch, Fürst von
Sluck, eiu Mann von grosser Thätigkeit.)
424 ^ie älteste litauische Chronik
untereinander sehr überein und gehören ohne Zweifel dem 16. Jahr-
hundert an. Uebrigens ist die Schrift des Textes der Chronik selbst,
wie es scheint, nicht später als aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. n)
Ueber die Zeit der Abfassung der Chronik selbst lässt sich aus
folgenden Umständen ein Urtheil fällen. Bei der Erzählung von dem
Tode des Grossfürsten Ökirigail sagt der Chronist: „Ich weiss dieses
nicht, weil ich damals noch jung war; aber Einige sagen, dass dieser
Thomas dem Fürsten Ökirigail ein giftiges Kraut zu trinken gegeben
habe.* ÖMrigaü verstarb 1394 ,s); folglich lebte der Verfasser der
Chronik annäherungsweise zwischen 1385 und 1450. Demnach kann man
die Abfassung der Chronik in den Anfang des 15. Jahrhunderts setzen.
Die beiden bis jetzt bekannten Abschriften gehörten zwei litauischen
Geschlechtern: den Odintzewitsch und Ölulzk.
Bei der Beurtheilung- der litauischen Chroniken nimmt Prof. Dani-
lowitsch den Angaben Strykowski's zufolge eine gewisse Classificirung
dieser Chroniken an. In vollständigen Abschriften sind bis jetzt nur
zwei bekannt: die eine, die von ihm selbst edirt ist und jetzt nach
einer neuen Abschrift in kyrillischer Schiift herausgegeben wird; die
andere, unter dem Namen der Chronik des Bychowietz bekannte, welche
Narbut herausgegeben hat.
Die letztere Chronik war ebenfalls russisch, mit kyrillischen Buch-
staben geschrieben, denn auf der letzten Seite der von Narbut heraus-
gegebenen polnischen Abschrift derselben heisst es: »Kronika Litewska,
z Buskiego jgzyka na Polski przethimaczona" "); aber, wie auch der
Herausgeber selbst bemerkt, diese „Uebersetzung" beschränkt sich nur
darauf, dass der polnische Abschreiber die kyrillischen Buchstaben mit
lateinischen vertauscht bat. Man darf, wie es scheint, mit Wahrschein-
lichkeit hinzufugen, dass der Abschreiber auch einige russische Wörter
durch polnische ersetzt habe, und zwar auf Grund der folgenden Yer-
gleichung. Im Jahr 1846 veröffentlichte Gr. Bodjanski einige Nach-
n) Proben dieser Schriftarten sind der »Sammlung von Acten der Städte Wilno,
Kowno und Trok Wilno 1843/ beigefügt.
«) Kronika Stryjk. II, 103.
") Pomniki do driejow Lit. Vorrede S. 1 u. 2,
hrsg. von Dr. M. Toppen« 425
richten über die Handschriften der Posener Bibliothek. ") Es befindet
sich dort uuter andern eine „Chronik des Orossfürstenthnms Litauen
und Samaiten*. Wenn man die von Bodjanski beigefügten Auszüge
aus dieser Chronik mit der von Narbut herausgegebenen ") vergleicht,
so zeigt sich, dass dies aller Wahrscheinlichkeit nach eine und dieselbe
Chronik sei, aber die erstere das russische Original, die andere die
polnische Uebersetzung, oder richtiger, eine nur mit einigen Verände-
rungen in der Sprache versehene Abschrift vorstelle.
Der Beschaffenheit des Papiers und der Schrift nach setzt Narbut
die polnische Abschrift in das 16. oder den Anfang des 17. Jahr-
hunderts; aber wie es scheint gehört auch die Abfassung der Chronik
selbst, wenn sie auch nicht gerade in diese Zeit fällt, doch in jedem
Falle einem in Vergleichung mit der jetzt herausgegebenen späteren
Zeiträume an. Der Verfasser der Chronik des Bychowietz hat mit
andern Quellen zugleich auch diese letztere Chronik benutzt. Sie ist
fast gänzlich in die Zusammensetzung seiner eigenen Chronik einge-
gangen, zuweilen Wort für Wort, häufiger aber in abgekürzter Gestalt
oder mit Zusätzen versehen. Aber auch die hier erscheinende Chronik
ist nicht eine ursprüngliche, und der Verfasser hat, wenn nicht ältere,
so doch wenigstens andere, kürzer gefasste Chroniken benutzt. Zu dieser
Annahme haben uns die am Schlüsse beider Abschriften angebrachten
kurzen Notizen über Begebenheiten, die nur eben zuvor von der Chronik
mit viel grösserer Ausführlichkeit erzählt worden sind, geführt.
Bei dieser Ausgabe ist die Abschrift des Gr. Uwarow als Text
genommen, mit der Abschrift des *c. Danilowitsch verglichen und sind
die Abweichungen in den unten stehenden Noten angegeben. Die Hand-
schrift ist buchstäblich genau abgedruckt; nur einige wenige in der-
selben vorkommende Abkürzungen aus Flüchtigkeit sind ohne Abkürzung
der Buchstaben in vollständiger Form übertragen. Die Rechtschreibung
der Handschrift ist beibehalten. Die in Parenthese (— ) eingeschlossenen
Stellen befinden sich nicht in der Abschrift des Gr. Uwarow und sind
") »Vorlesungen in der kafeerl. Mosk. Ges. f. Gesch. u. Alterth/ 1. Jahrg.
No. 1. S. 1-45.
") Ebds. S. 9 Igg. Kronika Litewska von Narbut. 8. 15 fgg.
N
426 Die ]Ute8te litauische Chronik
der Abschrift von Danilowitsch entnommen; die zwischen Klammern [ — J
gesetzten Stellen befinden sich umgekehrt allein in der Abschrift des
Gr. Uwarow und sind in jener nicht enthalten.
Indem wir diese Chronik herausgeben, glauben wir, dass sie als
geschichtliches Denkmal und zugleich als Probe der litauisch-russischen
Sprache des 14. Jahrhunderts von Interesse sein werde.
A. Popow.
Chronik
der Grossfürsten von Litauen.
(Der Grossfürst von Litauen, Kedmin, hatte 7 Söhne: der älteste
war Monwid, dann Narimont, Oligord, der Vater der Könige, dann
Jewnutei, dann Kestuti, der Vater des Grossfürsten Witowt, dann
Koriat, und der siebente Liubort. Dem Mondiwid gab der Vater
Eoraschew, auch Slonim; dem Narimont Finesk; dem Olgird,
dem Vater des Königs, Krewo; auch nahm diesen der Fürst von
Witebsk, der keine Söhne hatte, zu seiner Tochter, Witebsk einzu-
nehmen; den Jewnutei setzte er in .Wilno als Regenten des Gross-
fürstenthums ; dem Kestuti aber gab er Troki; dem Koriat Now-
gorodok; und den Liubort nahm der Fürst von Wolodimer zu
seiner Tochter in Wolodimer und in Lutschesk und in das ganze
Wolhynische Land. Olgird, der Vater der Könige und der Vater
des Grossfürsten Kestuti, stand in grosser Liebe und Gnade und in
Ehrung. Der Grossfurst Jewnutei war bei der Mehrzahl nicht beliebt,
und seine Brüder besprachen sich unter einander, der Gr.-F. Olgird
und der Gr.-F. Kestuti, wie sie ihn nach der Zeit heraussetzen und
irgend einen von ihnen eiusetzen möchten. Und sie beredeten sich
unter einander und unternahmen einen Handstreich, welches Tages sie
auf Wilna losrücken und die Stadt wider den Bruder, den Gr.-F.
Jewnutei, besetzen möchten. Aber der Gr.-F. Olgird kam nicht
zeitig genug zu diesem Handstreich, und der Gr.-F. Kestuti drang
gegen die Stadt Wilno an und jagte in die Stadt. Und der Gr.-F.
Jewnutei entsprang und floh in die Berge, da fror er in der Nacht;
erstarrt führten sie ihn zu dem Bruder, dem G.-F. Kestuti; er wartete
hrsg. von Dr. Mf. Toppen. 427
aber auf seinen altern Bruder, den G.-F. Olgird, ihn zum Wächter
zu setzen und sandte einen Eilboten seinem Bruder, dem G.-F. Oligord
entgegen, dass er in Wilno sässe und seinen Bruder, den G.-F. Jew-
nutei gefangen habe. Der Eilbote begegnete ihm in Krewo und der
G.-F. Olgird eilte schnell zu seinem Bruder, dem G.-F. Kestuti.
Und der G.-F. Kestuti sprach zu seinem Bruder, dem G.-F. Olgird:
„Dir gebührt es, Grossfürst zu sein in Wilno, du bist der ältere
Bruder, ich aber werde mit dir vereint leben." Und er setzte ihn auf
den Grossfürstensitz in Wilna, dem Jawnuti aber gab er Isheslawl.
Es beschlossen aber der G.-F. Kestuti und der G.-F. Olgird,
dass die ganze Brü lerschaft gehorsamen sollte dem G.-F. Olgird, oder
wem sie dieses Gebiet vertheilt hätten; auch beschlossen sie, das, was
sie hinzugewinnen würden, es sei Stadt oder Gebiet, zur Hälfte zu
theilen, auch Zeit ihres Lebens (unter einander) in Liebe und grosser
Gunst zu bleiben. Auch thaten sie unter sich einen Eid darauf, keiner
gegen den andern Böses zu sinnen. Also blieben sie auch ihr Leben
lang in diesem Eide.
Es hatte aber der G.-F. Olgird 12 Söhne, und der G.-F. Kestuti
hatte 6 Söhne. Alle Söhne aber liebten einander: der G.-F. Olgird
liebte den G.-F. Jagail und der G.-F. Kestuti den G.-F. Witowt.
Und sie sagten sich zu, ihre Lebenszeit durch auf ihren Stellen, ihren
Grossfürstenthümern, zu bleiben. So blieben sie und desgleichen .der
G.-F. Witowt in grosser Freundschaft bei ihren Vätern.
Als nun danach der G.-F. Olgerd starb, verliess der G.-F. Kestuti
nicht seinen Bruder, den G.-F. Olgird, wie er bei seinem Leben in
Einigkeit (?) mit ihm verharrt hatte; und er fing an als Grossfürsten
in Wilno seinen Sohn, den G.-F. Jagail, anzusehen und fing an, vor
die alten Käthe zu treten, wie er vor den altern Bruder getreten war.
Es war aber bei dem G.-F. Olgird ein gewisser Knecht, ein leib-
eigner Bauer, mit Namen Woidilo; zuerst war er Bäcker; er bestellte
ihn das Bette zu machen und ihm Wasser zum Trinken zu geben, und
danach ward er ihm zugethan und hatte ihm Li da zum Besitz gegeben
und hatte ihn zu Vermögen gebracht. Als nach dem Tode des G.-F.
Olgird etwa zwei Jahre verflossen waren, erhob ihn der G.-F. Jagail
428 Die ilte8te K^ui0cbe Chronik
sehr hoch und gab ihm seine leibliche Schwester, die Fürstin Maria,
da sie von dem Fürsten David hinterlassen war. Dem G.-F. Kestuti
aber bereitete er grossen Unwillen und Betrübniss, weil er dessen
Brudertochter und seine Schwester dem Knecht gegeben hatte. Und
es war dieser Woidilo in grosser Macht bei. dem G.-F. Jagail; er
begann aber mit den Deutschen in Verbindung zu treten und sich mit
Briefen gegen den G.-F. Kestuti zu verschreiben.
Es war aber ein gewisser Komthur von Osterode, Namens Gunstyn;
dieser war der Gevatter des G.-F. Kestuti, er hatte seine Tochter,
die Gemalin des Fürsten Janusch, aus der Taufe gehoben. Dieser
berichtete dem G.-F. Kestuti: „und du weisst das nicht, wie der
G.-F. Jagailo oftmals den Woidilo zu uns sendet, und er sich schon
mit uns verschrieben hat, ihre Plätze von dir zu befreien, und wie ihm
mit der Schwester des G.-F. Jagail deine Plätze zu Theil werden
sollen.*
Da nun der G.-F. Kestuti wusste, dass der G.-F. Witowt eifrig
mit dem G.-F. Jagailo verkehrte, so begann er sich gegen seinen
Sohn, den G.-F. Witowt zu beklagen: „ du verkehrst zärtlich mit ihm
und er hat sich doch mit den Deutschen gegen uns verschrieben/ Der
G.-F. Witowt sprach zu seinem Vater: »Glaube dem nicht, das ist
mit nichten; da er innig mit mir verkehrt, so würde er es mir offen-
bart haben."
Darnach aber begab sich ein grosses Wunder. Der G.-F. Jagailo
hatte seinem Bruder Skirigail Plotzk gegeben und sie nahmen ihn
nicht auf. Und der G.-F. Jagailo sandte sein litauisches und russisches
Heer mit seinem Bruder Skirigail nach Polotzk und sie rückten in
die Stadt Und der G.-F. Kestuti begann wiederum sich gegen seinen
Sohn den G.-F. Witowt zu beklagen; und er weinte über den G.-F.
Jagail und sprach: „und er hat dem Woidilo die Schwester, meines
Bruders Kind, gegeben, und von den Deutschen ist mir offenbart, dass
die Deutschen sich wider uns verschrieben haben. Und dies ist das
dritte: mit denen) wir krie(gen, mit den Deutschen, mit) denen ge-
winnen sie Polotzk; es ist schon offenbar geworden, dass sie vollständig
gegen uns gestanden haben mit den Deutschen/ Und der G.-F.
hrsg. von Dr. M. Toppen. 429
Witowt antwortete seinem Vater, dem G.-F. Kestuti: „Auch dem
traue ich noch nicht gross. Ich aber" sagte der G.-F. Witowt „reise
nach der Stadt Drogitschin." Da brachte (der G.-F. Kestuti seine
Macht zusammen und eilte in die Stadt) Wilna und fing den G.-(F.)
Jagailo mit der Brüderschaft und der Mutter und fand daselbst die
Briefe, darin er sich mit den Deutschen verschrieben hatte. Und er
sandte einen Eilboten zu seinem Sohne, dem G.-F. Witowt, nach
Dorogitschin, dass sich diese Dinge zugetragen hätten, und der Eil-
bote fand den Grossfärsten in Görodno, und er war eilig (von Dro-
gitschin nach Grodno gekommen. Der G.-F. Witowt aber flog in
einem Tage) von Grodno zu seinem Vater, dem G.-F. Kestuti, und
er sprach zu seinem Sohne, dem G.-F. Witowt: „Du hast mir nicht
geglaubt, aber siehe diese Briefe, darin sie sich gegen uns verschrieben
haben; Gott aber hat uns beschützt. Ich aber habe dem G.-F. Jagailo
nichts zugefügt, ich habe seine Schätze, noch seine Heerden nicht be-
unruhigt, und bei mir selber gehen sie nur unter geringer (Bewachung.
Aber sein Erbgut Wedbesk (Witepsk) und Krewo und alle die Plätze),
die sein Vater besessen hat, will ich ihm geben; aber das habe ich
gethan : ich habe ihrer Köpfe geschont und mich darüber beruhigt, dass
sie Arges wider mich ersonnen haben." (Und) der G.-F. Jagailo
freute sich sehr über die Ankunft des G.-F. Witowt und schwor einen
Eid, dem G.-F. Kestuti, dass er niemals gegen ihn stehen nnd in
allem ihm ganz zu Willen sein wolle. Und der G.-F. Kestuti liess
ihn frei mit der Mutter und mit der Brüderschaft und mit seinem
Schatze gänzlich. IC) Und der G.-F. Jagailo ging nach Krewo und
der G.-F. Witowt (geleitete ihn bis nach Krewo. Und der G.-)F.
Jagailo ging von Krewo nach Witebsk. Als aber der G.-F.
Kestuti in Wüna sass, sandte er zwei Briefe nach Polotzk, den
einen zu dem Heer, den andern aber an die Stadt; und die Polotzker
freueten sich und jauchzten dem Heere zu, und die Kriegsleute zogen
hinweg von Skirgailo und zogen nach Wilna zu dem Fürsten Kestuti,
der Fürst (Skirigailo aber zog) zu den Deutschen und gen (Liefland)
") »mit 6einem Schatze und alle dem Beinigen/
430 Die ftlto8te l»*»nteche Chronik
mit wenigen Dienern. Und der G.-F. Kestuti ging nach Nowogorod
in Severien wider den Fürsten Korbut; seinen Sohn aber den G.-F.
Witowt liess er in Lithauen zurück. Als er (aber) nach Nowogorod
(in Severien) ging, befahl er noch den Woidilo zu hängen, dem
G.-F. Jakailo aber befahl er aus Witebsk (zu ziehen mit ihm.17)
Da) vergass der G.-F. Jakailo gar schnell seines Eides;18) er kam
nicht dorthin; und er schwatzte dem Wilnaer Statthalter [den Ein-
wohnern von Wilna] 19) dem Ganiulew Dunst vor und sie besetzten
Wilna. Der G.-F. Witowt aber war zu dieser Zeit in Troki, und
der G.-F. Jakailo eilte mit allen (den Seinigen) von Witebsk nach
Wilna. Und der G.-F. (Witowt) sandte nach Nowogorodek
Sewerski, zu seinem Vater dem G.-F. Eestuti (mit dieser Nachricht);
aber die Deutschen aus Preussen vernahmen diese Vorgänge und der
Marschall von Preussen kam in grösster Eile dem G.-F. Jakailo mit
seinem Heere (zu Hülfe). Und als der G.-F. Witowt dieses vernahm,
dass die Deutschen aus Preussen nach Wilna (und nach Troki zögen),
der G.-F. Jagailo aber von Wilna nach Troki ginge, sich mit seinem
Heer mit den Deutschen einzulassen, so ging er mit der Mutter von
Wilna nach Gorodno. Wie aber jene sich Troki näherten, ergaben
zieh die Trokier dem G.-F. Jagailo. Und der G.-F. Eestuti (begab
sich) nach Gorodno zu seinem Sohne; daselbst (fand er) auch seine
Gemahlin, (und) sie sendeten sie nach Berest im Vertrauen auf den
Fürsten Janusch von Masowien, seinen Eidam; er selbst aber zog
nach 2emaiten und liess seinen Sohn, den G.-F. Witowt, in Gorodno
zurück. Der Fürst Janusch aber, (?) uneingedenk der Güter und der
Freundschaft seines Schwiegers und seiner Schwiegerin und seines
Schwagers, zog mit dem Heere nach Dorogotschin, besetzte Doro-
gotschin stark, eroberte Öarasch, eroberte Kamenetz und zog von
Berest ab; seine Schwiegermutter in Berest und Berest erlangte er
nicht; er ging hinweg und besetzte diese Städte: Dorogotschin,
Ghmelnik. Der G.-F. Eestnti aber brachte sein Land Äemaiten
zusammen und alle Kriegsmannschaft und ging zum Streite nach Wilna.
n) »dem ganzen Fürstetnhum aber befahl er und dem Jakail aas Witebsk etc.*
") »brach schnell seinen Eid4. ") »angesehene Einwohner4 ?.
hrsg. von Dr. M. Toppen. 431
Und der Fürst Witowt versammelte sein20) ( . . . zuerst
zog das liefländische Heer dem Fürsten Skirigailo zu Hülfe gen
Plotzk, danach rückte das preussische Heer mit dem Marschal gegen
Troki und vereinigte sich mit dem dritten Heere aus Liefland und
rückte mit demselben dorthin. Da ward es schon deutlich (gingen schon
diese Zeichen hervor), dass sie mit ihm vereinigt zusammenständen)
wider den G.-F. Kestuti. Und der G.-F. Kestuti rückte aus zum
Kampfe, mit seinem Sohne, dem Fürsten Witowt, gegen den G.-F.
Jakailo. Und da sich zu dem Haufen nicht über drei oder vier
Pfeilschützen sammelten, so eilten die Fürsten und Bojaren von dem
G.-F. Jagalo in das Lager des G.-F.*1) Kestuti; sie begannen den
G.-F. Witowt zu versuchen: „dass wir uns mit ihm besprechen möchten.*
Sie begannen zu dem G.-F. Witowt zu sprechen: „Der G.-F. Jagailo
hat uns zu dir gesendet, dass dn uns mit deinem Vater auseinander-
setzen möchtest, auf dass wir das Unsrige haben mögen und ihr das
Eure, und dass kein Krieg zwischen uns sei und kein Blutvergiessen
geschehe. Komme du zu deinem Binder, dem G.-F. Jakailo; und
wir wollen dir einen Eid leisten, dass du frei in dein Lager heimkehren
kannst, ob vielleicht ein gutes Ende werden möge zwischen uns."
Der G.-F. Witowt entgegnete: „Den Eid nehme ich von euch
an; möge auch der Fürst Skirigailo hieher kommen und gleichfalls
den Eid ablegen, so will ich hinauskommen. * Da sandten sie zu dem
Fürsten Skirigailo und der Fürst Skirigailo that auch seinen Eid
dem G.-F. Witowt, wie jene. Und der G.-F. Witowt kam zu dem
G.-F. Jakailo und in sein Lager, und die Befehlshaber standen unter
einander ohne etwas zu unternehmen. Und der G.-F. Jakailo begann
Witowten zu bitten, dass er zwischen uns sondern möchte und nicht
Blut vergossen würde. Und der G.-F. Witowt nahm den Eid von
dem G.-F. Jakailo an für seinen Vater, dass seinem Vater, dem G.-F.
Kestuti, nach der Zusammenkunft völlig frei sein solle wiederum weg-
*°) In der Hdschr. ist das Blättchen nicht vollständig; in der Abschr. v. Dan.
sind diese Berichte ganz ausgelassen and die Erzählung lautet: uneingedenk (s. ob. $)
der Güter ging er zu dem G.-F. Jagailo, und zuerst zog etc.
S1) Die Worte: »Jagal zu dem G.-F.* sind unten am Bande beigeschrieben,
432 Die üteste litaaitehe Chronik
zugehen, und der G.-F. Witowt sagte ferner zu dem G.-F. Jakailo:
„sende auch noch den Bruder Skirigailo, dass (er und auch ich, wir
einsetzen) mögen einen [Eid] meinem Vater, dass ihm frei sei herzu-
kommen und wieder fortzugehn (in das Lager); und der Fürst Skirigailo
möge auch für dich einen Eid abgeben." Und der G.-F. Witowt mit
dem G.-F. Skirigailo gingen zu seinem Vater, dem G.-F. Eestuti,
in das Lager, seinem Vater den Eid zu leisten von dem G.-F. Jakailo.
Und der Fürst Skirigailo leistete den Eid für den G.-F. (Jakailo)
und für sich, und der G.-F. Witowt mit seinem Vater, dem G.-F.
Eestuti, gingen beide in das Lager zu Jakailo, vertrauend auf
diese Eide.
Der G.-F. Jag ailo aber übertrat [diese Eide] und sprach: »Komm
nach Wilna, dort wollen wir abschliessen ; in diesem [Lager] hat sich
nichts anfangen lassen.* Und als sie nach Wilna gekommen waren,
legte er den (G.-)F. Eestuti, seinen Oheim, in Fesseln und schickte
ihn nach Krewo und setzte ihn in den Thurm, den G.-F. Witowt
aber Hessen sie noch in Wilna zurück. Und allda, in Erewo, in der
fünften Nacht erwürgten des G.-F. Jakailo w Kämmerlinge den G.-F.
Eestuti: Prokscha, der ihm das Wasser reichte, auch noch andere
waren dort: der Bruder Mostew Jakutschik und Liäitza Zebentai.
Und also begab es sich mit [seinem] des G.-F. Eestuti Ende.
Nach dem Tode des G.-F. Eestuti aber schickte der G.-F.
Jakailo den G.-F. Witowt nach Erewo mit seiner Gemalin und
befahl ihn in einem Zimmer strenge zu bewachen, und Woidilo
rächend — [weil er ihm seine Schwester gegeben hatte] — befahl er
ihrer zwei zu rädern: deren einer war Widimont, der mütterliche
Oheim des G.-F. Witowt, der Vatersbruder seiner Mutter, der Uli Jana
besass, danach aber kam es an Monwid. Auch viele andere Bojaren
nahm er fest, so Bache nehmend für Woidilo. Der G.-(F.) Witowt
aber sass in Erewo (unter scharfer Bewachung in seinem Zimmer, und
zwei Mädchen) gingen immer die Fürstin zu legen in dem Zimmer,
wenn sie sie aber niedergelegt, so gingen sie hinaus, der Wächter aber
war in der Nähe. Die Grossfürstin horchte aber die Leute aus, a ob der
G.-F. Witowt noch länger zu sitzen habe.
hrsg. von Dr. M. Toppen« 433
Da sie aber ausschwatzten, dass es eben so (stehe), wie mit dem
Vater, so stellte sie ihm vor, wie die Mädchen immer kämen zum
Betten, sie würde ihm aber die Kleider des einen der Mädchen anzu-
legen geben; so wurde er hinausgehen mit dem andern Mädchen, und
jenes bei ihr zurückbleiben. Und er kleidete sich in den Anzug des
einen Mädchens und ging mit dem andern hinaus und begab sich aus
der Stadt und eilte zu den Deutschen und Preussen. Als er aber bei
den Deutschen weilte, in Marienburg bei dem Meister, so kamen zu
ihm viele litauische Fürsten und Bojaren, und er begann mit Hülfe der
Deutschen das litauische Land mit Krieg zu überziehen.
Der G.-F. Jakailo aber weilte mit seiner Mutter Ulijana in
Witebsk, sein Bruder aber, der Fürst Skirigailo, im Litauerlande,
in Troki. Und der G.-F. (Witowt) (führte häufige Kriege wider das
Litauerland, der G.-F.) Jakailo aber (und) Skirgailo vermochten nicht
ihm Widerstand zu leisten, weil sich eine grosse Macht um ihn ge-
sammelt hatte. Da machte der G.-F. Jakailo ihn abwendig von den
Deutschen und gab ihm Lutschesk mit dem ganzen Lande Wolynien
und sein Erbgut im Litauerlande.
Der König Kasimir [in Krakau] war nicht mehr am Leben und
hatte auch keine Söhne, sondern eine Tochter, Namens Hedwig. Und
die Lechen begannen von Krakau zu senden zu dem G.-F. Jakailo,
ob er die Taufe annehmen möchte des alten Born, und bei ihnen die
Königin Hedwig zur Gemalin nehmen und bei ihnen König werden
möchte in Krakow über das ganze Lechenland. Der G.-F. Jakailo
aber pflog Bath mit seiner Mutter der G.-F. Ulijana und mit seiner
Brüderschaft und mit allen Fürsten und Bojaren des Litauerlandes und
kam nach Krakau in das Land der Lechen. Allda ward er getauft,
er selber und seine Brüderschaft und die Fürsten und Bojaren des
Litauerlandes. Und er nahm zu sich die Königin Hedwig und ward
gekrönt mit der Krone dieses Königreichs; und von der Zeit ab be-
gann man die Litauer zu taufen auf den lateinischen Glauben. Und
der Erzbischof sandte [einen Bischof] nach Wilna in das Litauerland,
und alsdann begann man Kirchen zu errichten in dem ganzen Litauerland.
In diesem Winter aber, als der König in Krakow weilte mit allen
Altpr. Monatatchrift Bd. XIV. H/t. 5 u. 6. 28
434 Die Älte*te litanisobe Chronik
litauischen Fürsten und Bojaren, kam der Fürst Andrei von Polotzk
mit den Deutschen aus Liefland, mit dem ganzen Letgallen, in
das Litauerland, und bekriegte dasselbe und verbrannte viele Flecken
und Dörfer; mit der Stadt des Litauerlandes aber glückte es ihm mit
nichten, und so kehrte er wieder nach Hause zurück.
In diesem Winter schloss der Fürst Swiatoslaw vonSmolensk
einBündniss mit dem Fürsten Andrei von Polotzk; dieser (zog) gen
Litauen, der Fürst Swiatoslaw aber auf Orscha, [und] friedlos übten
sie viel Böses gegen die Christen; die Unmenschen und Unchristen
(marterten die Christen), dass man selbst bei den heidnischen Heeren
von solchen Martern nicht gehört hat. Sie peinigten die Christen,
sperrten sie haufenweise in die Stuben (und) verbrannten sie; andere
errichteten grosse Tempel von Holzscheiten und legten die Gefangenen
mit den Köpfen unter die Wand (und) verbrannten sie; (andere) aber
steckten ihre Weiber (und Kinder) auf Pfähle; noch andere Martern an
den Christen hat man der Drohung halber nicht aufgeschrieben, — wie
denn weder der Syrer Antiochus noch der abtrünnige Julian solche
Martern an den Christen verübt haben. Die Städte beschickten sie
wohl, erlangten aber nichts und kehrten wieder nach Hause zurück»
In diesem Winter, in der grossen Faste sann Swiatoslaw mit
den Smolensker Bojaren auf Vergiessung christlichen Blutes, gleichwie
die wilden Thiere, wie die Unchristen; er rückte gegen die Stadt
Mstislawl, stand vor der Stadt und belagerte (und) beschoss die
Stadt mit Büchsen; sein Heer aber liess er in das Gebiet vonMstislaw
und vergoss viel Christenblut. Das war aber gräulich zu sehen, wie
die, welche Christen gebeissen wurden, als Unmenschen, als Unchristen
ihre christlichen Brüder marterten.
Der G.-F. Skirigailo aber und der G.-F. Witowt kamen von
den Lechen, von ihrem Bruder, dem Könige, [und] vernahmen wie der
Fürst Swiatoslaw von Smolensk zuvor bei Witebsk gewesen, dann
aber auf Orscha gezogen sei und vor Mstislawl stehe und die Stadt
mit Büchsen beschiesse, nnd dem G.-F. Skirigailo that es leid und
er zog mit seinen Brüdern, dem G.-F. Witowt und mit Konstantin
und mit Korybut und mit seinem Sohne Lykwen, und sie gedachten
hrog. von Dr. M. Toppen« 435
des göttlichen Wortes, welches spricht: „mit welchem Masse der Mensch
misset, damit wird ihm wieder gemessen werden, und was er säet, das
wird er auch ernten." Sie sprachen: „Wir haben ihm keinerlei Böses
zugefügt; er aber ist mit uns gewesen bei dem Vertrage und er hat
den christlichen Schwur und Vertrag übertreten; er bekriegt unser Land
und vergiesst Christenblut; so wollen wir wider ihn ziehen, vertrauend
auf Gott und christliche Kraft.* Und sie zogen nach der Stadt
Mstislawl; der Fürst Stoslaw aber stand vor der Stadt und be-
schoss die Stadt auf die dritte Woche, am Freitage; und als der
Fürst Swiatoslawl hörte, dass der G.-F. Skirigailo mit der Brüder-
schaft wider ihn zog, vereinigte er seine Streiter und rückte ihnen ent-
gegen. Wie aber die Haufen zusammentrafen,22) da erfüllte Gott das
Wort des Propheten David, welches sagt: „Sein Weh wird sich auf
sein Haupt kehren und das Unrecht auf seinen Scheitel fallen,* und
wieder: „Er hat eine Grube gegraben und ausgefuhret und ist in die
Grube gerathen, die er gemacht hat.* Gottstand demG.-F. Skirigailo
und dem G.-F. Witowt bei, und der Fürst Swiatoslaw") stürzte
sich in die Flucht mit seinen Fürsten und Bojaren von Smolensk und
mit seinem Heer. Durch Gottes Macht geschah allda kein geringes
Wunder; es ward eine grosse Menge von Kämpfern getödtet, Fürsten
und Bojaren, aber auch den (G.-)F. Swiatoslaw selbst machten sie
nieder. Seinen Sohn aber, den Fürsten Georg, heilte der G.-F. Skiri-
gailo von seiner Wunde und führte ihn nach der Stadt Smolensk
(und) zu seiner Mutter, der Grossfürstin, Swiatoslavs Gemahlin, und
setzte ihn in das Grossfurstenthum Smolensk, weil die Gemahlin des
Fürsten Georg die ältere Tochter der Schwester Skirigailos war.
Der G.-F. Skirigailo zog von der Stadt Smolensk hinweg (und)
ging in sein litauisches Land und begann zu regieren in Troki; nach
Wilna aber sandte der König seinen lechischen Starosten. Der G.-F.
Witowt aber hatte zu der Zeit Lutschesk inne und das ganze Wo 1-
M) Neben diesen Worten steht in der Handschrrift: Wie Witowt siegte über
Swiatslaw. S3) Die Worte: »und der Fürst Swiatoslaw* stehen am untern Bande
der Seite.
28*
436 Die älteste litauische Chronik
hynierland und sein Erbgut im Lande Litauen. Und es war ihm
schwer zu ertragen, weil vordem im Lande Litauen nie ein Fremder
gewesen war unter denen, welche die Herrschaft hatten über das litauische
Grossfürstenthum ; da hielt er Rath mit vielen litauischen Fürsten und
Bojaren. Denn Skirigailo war dazumal abgereiset nach Polotzk,
und der G.-F. Witowt ging nach Wilna, um sich [darin] festzu-
setzen, seine Gemahlin aber, die G.-F. Anna, war damals in Gorodno.
Aber die von Wilna waren ihm nicht zu Willen, weil sie den Eid ge-
leistet hatten dem Könige [und] dem Skirigailo. So erlangte er
diesmal Wilna nicht und ging fort zu dem Meister, mit seiner Ge-
mahlin und mit seinen Fürsten und mit vielen Bojaren, [und] seit der
Zeit begann er zu bekriegen das Litauerland mit Hülfe der Deutschen
und hatte schon bezwungen [die Hälfte] des Litauerlandes bis an den
Fluss, die Welija, und [die Stadt] Polotzk ergab sich ihm. Da der
König sähe und der G.-F. Skirigailo, wie es [ihnen] schon unmöglich,
das Litauerland zu halten vor dem G.-F. Witowt mit der deutschen
Heeresmacht, so ging er nach Wilna. Es kam ihm entgegen der
Fürst Skirigailo mit seinem Bruder (Wigont) und mit dem litaui-
schen Heere bei dem Flusse, der Welija, bei Gorodek, an dem Orte
Weischischk genannt; und als die Haufen zusammentrafen, da lieh
Gott Beistand dem G.-F. Witowt, und das litauische Heer ward be-
siegt und warf sich in die Flucht, und es wurden ihrer viel getödtet
und mehrere Fürsten und Bojaren nahmen sie ' gefangen : den Fürsten
Simeon24) Jewuntiewisch, den Fürsten Gljeb Swiatoslaw von
Smolensk, den Fürsten Gljeb Konstantinowitsch, den Fürsten
Iwan Teta, Lew Plakäitsch, und viel andere Fürsten wurden ge-
fangen. Und der G.-F. Witowt ging nach der Stadt Wilna [und]
mit seinem Heere, und sie zogen ab von der Stadt, und er begann die
Stadt zu belagern und mit Kanonen zu beschiessen und nahm die Stadt
ein. Zu der Zeit aber tödteten die Deutschen den Fürsten Skirigailo
Olkirdowitsch; es stand aber damals ein lechisches Zollhaus in der
hohen Stadt und sie Hessen den Fürsten Skirigailo nicht in die Stadt.
S4) Neben diesen Zeilen ist beigeschrieben: Wie Witowt siegte über Skirigailo,
hrsg. von Dr. M. Toppen. 437
Der G.-F. Witowt aber gewann die Stadt und nahm das verheerte
Land ein und kehrte wieder zurück zu den Deutschen.
In demselbem Jahre kamen zu dem G.-F. Witowt bei den
Deutschen in Marienburg Gesandte aus der Stadt Moskwa von dem
G.-F. Waöilei Dmitrejewitsch und begehrten die Tochter des G.-F.
Witowt fflr den G.-F. WaSilei Dmitro witsch. Der G.-F. Witowt
aber gab seine Tochter, die Fürstin Sophia, und er entliess sie aus
Marienburg und sandte ihretwegen den Fürsten Iwan Olgimonto-
witsch aus der Stadt Gdansk. Und sie gingen zu Schiffe übers
Meer und gingen nach der Stadt Pskow; sie erwiesen ihnen aber grosse
Ehre (und) führten sie ehrenvoll [nach der Stadt Gross Nowogorod*
Die Nowgoroder bezeigteu ihnen wiederum Ehre und führten sie]
ehrenvoll nach (der Stadt) Moskwa, zu dem G.-F. Waäilei Dmitrie-
witsch. Der G.-F. Wagilei sandte ihnen mit Ehren entgegen seine
Brüder, den Fürsten Wolodimir Andreiewitsch und den Fürsten
Andrei Dmitriewitsch mit vielen andern Fürsten und Bojaren; —
[und sie begegneten der G.-F. Sophia mit grossen Ehren; demnächst
kam der geweihete Metropolit Kyprian mit den Erzbischöfen und mit
den Bischöfen und mit den Archimandriten und Aebten und mit allen
geweiheten Würdenträgern ihnen entgegen würdevoll mit Kreuzen] —
vor der Stadt Moskwa und er vollzog die Vermählung feierlich und
trauete den G.-F. Waäili Dmitriewitsch mit der G.-F. Sophia;
und die Hochzeit ward begangen mit Ehren und Würde und mit vieler
Festlichkeit. Wir kehren aber zum Vorigen zurück.
Da der G.-F. Witowt bei den Deutschen war, bei dem Meister
zu Marienburg, schickte der König einen Gesandten zu ihm, und
auch von seines Bruders Skirigailo wegen, und Hess ihm sagen:
„Plage, Bruder, nicht ferner das litauische Land, unser und dein Erb-
theil; sondern komme zu uns, Bruder, in Frieden und in aller brüder-
lichen Liebe; nimm das Grossfürstenthum in Wilna für dich, den Sitz
deines Oheims, des G.-F. Olgird, und deines Vaters, des G.-F.
Kestuti.* Der G.-F. Witowt aber hielt Rath mit seinen Fürsten,
mit dem Fürsten Georg Narimontowitsch vonBielsk und mit dem
Fürsten Iwan Olgimontowitsch und ging nach Litauen und sass zu
43g Die älteste litauische Chronik
Wilna in Litauen auf dem Grossfürstensitze, auf dem Stuhl seines
Oheims, des G.-F. Olgird, und seines Vaters, des G.-F. Kestuti, und
es freute sich seiner das ganze litauische und russische Land. Der
Fürst Korybut Olgirdowitsch fing an etwas unwillig zu werden und
ihm nicht Gehorsam zu leisten, und begann seine Kriegshaufen zu-
sammenzuziehen und rückte gegen ihn. Und das Heer stellte sich an
dem Orte Niedokudow, und die Krieger des Fürsten Korybut wurden
überwunden und warfen sich in die Flucht; es wurden aber ihrer viele
getödtet. Der Fürst Korybut aber floh nach Nowgorodok und
rüstete sich; daselbst war auch seine Gemahlin und seine Kinder. Der
G.-F. Witowt aber zog sein Heer zusammen und ging selbst nach
Nowogorodok, uod sie zogeu aus der Stadt, und er nahm Nowo-
gorodok, den Fürsten Korybut aber und seine Gemahlin und seine
Kinder nahm er gefangen. Die Fürstin Olgirdowaja verstarb; der
König aber befahl die Stadt Witebsk seinem Hoffalkenier Fedor
Wiosna, der Fürst Schwitrigailo aber war damals noch jung.
Und Fedor Wiosna begann in der Stadt Witebsk zu gebieten nach
Bath und Befehl des Königs Jakailo. Der Fürst Schwitrigailo
mochte es nicht dulden, dass Fedor Wiosna in der Stadt gebot und
ihm nicht Gehorsam leistete; er ermordete den Fedor und besetzte
die Stadt.
Der König Jakailo aber trug Leid um ihn, und er schrieb einen
Brief an seinen Binder, den G.-F. Witowt, dass er für solches sein
Leid Bache nehmen solle. Da nahm der G.-F. Witowt mit sich den
Fürsten Skirigailo und zog viele Kriegsmannschaft zusammen und
zog mit dem Heere nach der Stadt Witebsk gegen den Fürsten
Schwitrigailo. Und als er zu der Stadt Drutzk kam, kamen die
Fürsten von Drutzk ihm entgegen und huldigten ihm zu Dienst, imd
er ging von da nach Orscha und die Orschaner schlössen sich in
der Stadt ein und vertheidigten sich zwei Tage und übergaben die
Stadt. Und von dort ging er auf Witebsk wider den Fürsten
Schwitrigailo; der Fürst Schwitrigailo aber verschloss sich in
der Stadt. Und der G.-F. begann die Stadt zu belagern; daselbst aber
kam zu Hülfe der G.-F. Swietslawitsch von Smolensk mit der
hrsg. tod Dr. M. Toppen. 439
ganzen Kriegsmacht von Smolensk und huldigte dem G.-F. Witowt
zu Dienst, und sie begannen die Stadt Witebsk mit Kraft zu belagern
und pflanzten Geschütze auf. Die Witepsker aber hielten es nicht aus
und ergaben sich allgemach dem G.-F. Witowt, der Fürst Schwi-
trigailo aber ging aus der Stadt hinaus und huldigte dem G.-F.
Witowt. Der G.-F. Witowt aber nahm die Stadt Witebsk ein und
ging wieder nach Wilna. [In diesem Winter aber] — im Frühlinge
ging der G.-F. Witowt in das Podolierland; der Fürst Wolo-
dimir Olgirdo witsch aber war damals in Kiew und hatte nicht
Lust sich dem G.-F. Witowt zu unterwerfen und ihm zu huldigen.
In diesem Frühlinge zog der G.-F. Witowt aus [und] nahm die
Stadt Shitomir (und) Wrucz und es kam der Fürst Wolodimer
zu ihm.
In diesem Jahre, im Herbst, nahm der G.-F. Witowt ihn von
Kiew hinweg und gab ihm Kopyl (inSlutzk); und in Kiew setzte er
denSkirigailo. Der G.-F. Witowt selber aberging in das Podolier-
land, dem Fürsten Skirigailo aber gebot er von Kiew (zu gehen)
nach Tscherkassy und nach Zwinigorod. Der Fürst Skirigailo
aber nahm mit der Hülfe Gottes und auf Befehl des G.-F. Witowt
Tscherkassy und Zwinigorod und kehrte wieder zurück nach Kiew.
Als er aber dort die Herrschaft führte, in Kiew, war ein gewisser
Thomas, ein Mönch . . . ., der von dem Metropoliten bei S. Sophia
zum Verweser bestellt war, auf dem Metropolitanhofe. Wie nun der
Fürst Skirigailo Lust hatte über den Dnepr zu gehen zur Jagd, da
lud ihn dieser (vorgenannte) Thomas zum Mahle auf den Metropolitan-
hof. Da aber der Fürst Skirigailo bei dem Mahle war, — ich weiss
dies zwar nicht, weil ich damals noch jung war, aber Einige erzählen —
dass dieser Thomas dem Fürsten Skirigailo ein giftiges Kraut zu
trinken gegeben habe. Und von diesem Mahle ging der Fürst Skiri-
gailo über den Dnepr nach Miloslawitsch und daselbst ward er
sehr krank am Donnerstage, am Tage vor Dreikönigentag, und am.
Samstage, auf Dreikönigen, reisete er krank nach Kiew. Nachdem er
sieben Tage krank gewesen, verschied er am Mittwoch, und die Priester
trugen ihn auf ihren Häuptern, Sterbegebete singend, mit Lichtern, aus
440 ^'e alte8*6 litauische Chronik
der Stadt Kiew (zu) der heil. Mutter Gottes von Petscherski. Und
der wundervolle, gute Fürst Skirigailo (in der h. Taufe Iwan ge-
nannt) ward beigesetzt neben dem Sarge des beil. Theodosius von
Petscherski. Da der G.-F. Witowt vernahm, dass der Fürst Skiri-
gailo gestorben war, so schickte er den Fürsten Iwan Olgimonto-
witsch nach Kiew und gab ihm Kiew in Besitz. Wir kehren aber
zu dem Vorliegenden zurück.
Als der G.-F. Witowt fortging von den Deutschen nach dem
Grossfurstenthum, (so) entliess er seinen Gefangenen, den Fürsten Gljeb
Swiatoslawitsch, nach Smolensk in das Grossfurstenthum; dem
Fürsten Georg Swiatoslawitsch aber gab er die Stadt Boälawl.
Wie der Fürst Gljeb in Smolensk sass, fing er an sich aufzulehnen
gegen den G.-F. Witowt; da schickte der G.-F. Witowt seine Ge-
sandten [zu ihm] um Besserung willen, er aber mochte sich nicht
bessern. Darauf zog der G.-F. Witowt mit aller Macht nach der
Stadt Smolensk [auf den Fürsten Gljeb Swiatoslawitsch: Und
als er nach Smolensk kam, da ergab Gljeb sich mit der Stadt
Smolensk]. Der G.-F. Witowt aber gab die Stadt Smolensk dem
Fürsten Mant, auch Waäilei Boreikowitsch als Statthalter, dem
Fürsten Gljeb aber gab er die Stadt Polona. Der G.-F. Witowt
selbst aber ging nach Litauen.
In diesem Winter schickte er den Fürsten Simeon Lykwen mit
vielen Streitern (und) der Smolensker Kriegsmacht wider den Fürsten
Oleg von Bjazan, und sie verheerten eine grosse Strecke des Landes
ßjazan und kehrten siegreich wieder nach Hause zurück.
Es war aber damals ein sehr kalter Winter.
In diesem Winter, im Frühjahr, kam der G.-F. Waäilei Dmitro-
witsch aus Moskwa zu seinem (Schwieger-) Vater, dem G.-F. Witowt,
nach Smolensk, in der grossen Faste, und ehrte den G.-F. Witowt
mit vielen Geschenken, mit güldenen Ketten und güldenen Gürteln,
(und) mit Zobeln, Seidenzeugen, güldenen Gefässen und Bossen. (Und)
der G.-F. Witowt ehrte seinen Eidam, den G.-F., und beschenkte ihn
mit mancherlei Gaben, mit klafterlangen Gewändern und kostbarem
Sammet, werthvollen Steinen und güldenen Sätteln [und] bewunderns-
hrsg. von Dr. M. Toppen. 441
werthen Geräthen; und entliess ihn nach Moskwa mit grossen Ehren;
er selber reisete nach Litauen.
[Im Jahr 6903 (1395) hatte der Zar Temertiklui Krieg mit
Taktamysch und jagte (trieb) den Taktamysch nach Litauen und
setzte sich selber auf den Zarenthron.
In diesem Jahre kam der G.-F. Witowt nach Smolensk, indem
er aber wider den Temirtiklui zog, hielt er zuvor eilige Ansprache,
und der Fürst Gljeb Swiatoslawitsch kam zu ihm hinaus, und er
beschenkte ihn und entliess ihn liebreich und sagte ihnen: „Dass ihr
verbrüderte Fürsten doch alle in Liebe zu mir herausgekommen wäret,
der Vorsicht gemäss. Du hast gehört, dass Uneinigkeit unter euch
ist und grosse Feindschaft. Welcherlei Rede unter euch entsteht, oder
welcherlei Freundlichkeit, berufet euch auf (an) mich wie auf einen
Dritten (Schiedsmann), ich werde euch nach Gerechtigkeit entscheiden.11
Und so übte er Verlockung gegen sie und rief sie mit List aus der
Stadt; sie aber schenkten ihm auch Glauben und kamen zu ihm mit
Geschenken, die ganze Brüderschaft Swiatoslawitsch und alle Smo-
lensker Fürsten, bis auch nicht einer mehr in der Stadt geblieben war,
und auch mit ihren Bojaren. Er aber ergriff sie alle, die Fürsten von
Smolensk, und schickte sie in sein litauisches Land, auch verbrannte
er selbst die Vorstadt und nahm viele Leute gefangen. So nahm er
das ganze Fürstenthum Smolensk an sich und setzte seinen Statthalter
ein, den Fürsten Jamont auch Waäilei Boreikow. Dies ist die
erste Einnahme von Smolensk, 28. September
Der Fürst Georg Swiatoslawitsch aber war zu der Zeit (im
Kriege) gegen die Bjezaner bei seinem Schwiegervater dem Fürsten
Oleg Iwanowitsch.
Im Jahr 6906(1398) hatte der G.-F. Witowt eine grosse Schlacht
mit dem Zar Temirtiklui. Der G.-F. Witowt Kestuitiewitsch
von Litauen versammelte eine zahllose Kriegsmannschaft, auch der Zar
Taktamysch (war dabei) mit seinem Hofe, Litauer, Deutsche, Lechen,
Zemaiten, Tataren, Wlachen und Polen. Und 50 Fürsten waren mit
ihm, und es war eine gewaltige Streitmacht, und nachdem die Haufen
sich aus allen Kräften gerüstet, zog Witowt wider den Zar Timirtiklui
442 Die &***** litauische Chronik
und erhob sich prahlend gegen die Horde und sprach: „Lasst uns
ziehen und das Tatarenland einnehmen und den Zar Temirtiklui
schlagen und uns seines Zarthums bemächtigen und den Zar Takta-
mysch einsetzen, er aber wird mich einsetzen in das ganze Russenland.*
Nach dem allen sandte er hin, den Tataren anzugreifen. Während
dessen ruckte der Zar Timirtiklui heran mit vielen Kriegshaufen,
mit seinen Fürsten der Horde, und sie stiessen mit Witowt zusammen
in zwei Hälften an dem Flusse, Namens Worskla, und sie schlugen
eine grosse Schlacht am 12. Tage des August, am Dinstage. Lange
kämpften sie heftig mit einander und Gott liess den Tataren gewähren ;
der G.-F. aber ergriff die Flucht in kleiner Begleitung. Und der Zar
Temirtiklui ging sodann nach Kiew und nahm von der Stadt
3000 litauische Kübel Lösegeld, und entliess seine ganze Macht in
das Litauerland, und die Tataren streiften selbst bis nach Gross-Lutzk
und fügten dem litauischen Lande viel Unheil zu und gingen (darauf)
nach ihrem Lande. Und dies sind die Namen der gefallenen litauischen
Fürsten: der Fürst Andrei und (?) Olgirdowitsch von Polotzk;
sein Bruder Dimitrei von Dbransk(Dibran?); der Fürst Iwan Dimi-
triewitsch (Kindyr); sein Stiefsohn, der Fürst Andrei Dimitriejew;
der Fürst Iwan Jewlaschkowitsch, der Fürst Iwan Boroöowetsch
von Kiew, der Fürst Gljeb Swiatoslawitsch von Smolensk, der
Fürst GljebKoriatowitsch; sein Bruder, der Fürst Simon; der Fürst
Michael von Podbierez; sein Bruder, der Fürst Dmitrei; der Fürst
Theodor Patrikiejewitsch von Wolosk, der Fürst Jatontowitsch,
der Fürst Iwan Georgewitsch von Bielsk.
Im Jahr 6909 (1401) kam der Fürst Georg Swiatoslawitsch
und auch der Fürst Oleg von Bjazan nach Smolensk; in der Stadt
Smolensk aber war Aufruhr und Empörung: die Einen wollten Witowt,
die andern aber den Fürsten Georg, den Erbsohn. Der Fürst Georg
aber unterhandelte auch mit den Stadtbewohnern von Smolensk. Die
Smolensker aber mochten die . Obergewalt der andersgläubigen Lechen
nicht dulden und nahmen den Fürsten Georg auf und öffneten ihm die
Stadt. Und der Fürst Boinan von'Bransk war zu der Zeit daselbst
von Witowts wegen und ward umgebracht und erlitt einen schweren
hrsg. von Dr. M. Toppen. 443
Tod; seine Gemahlin und Kinder aber Messen sie gehen, aber die Statt-
halter Witowts fingen sie; doch die Bojaren, welche weder den Vaters-
erben, den Fürsten Georg, noch die Bransker wollten, zerhieben diese
alle. Der G.-F. Witowt aber kam in diesem Herbst nach Smolensk
wider den Fürsten Georg und stand viele Tage vor Smolensk und
gewann nicht die Stadt; so ging er nach seinem Lande und nahm einen
Beifrieden an. In Smolensk aber war Aufruhr, sie zerhieben viele
Leute, und es war eine Seuche unter den Leuten.
Im Jahr 6923 (1415) am 7. des Juni, am Tage des heil. Theodot
verging die Sonne und verbarg ihre Strahlen vor der Erde, um die
vierte Stunde des Tages, in der Zeit der heil. Messe, und die Sterne
zeigten sich wie in der Nacht; es war damals 9 Verkündigung* am
Montage in der Charwoche. Dazumal hatte der G.-F. Waäilei Dmi-
triejewitsch 26 (Jahre gesessen?) auf dem Grossfürstensitze.
In diesem Jahre verbrannte Moskwa und Smolensk.
Im Jahr 6924 (1416) ging mit göttlicher Zulassung der G.-F.
Witowt seinem Verlangen nach und versammlete die russischen Bi-
schöfe, die in seinem Gebiete lebten; Theodosius Gritschin von
Polotzk, Isakei von Tschernigow, Dionysius von Lutzk, Chariton
von Wolodimer, Euphemius von Turow, und mit diesen Bischöfen
bestimmte er für Kiew den Metropoliten Gregor BolgarinTsamiwlak
am 15. des November.
In diesem Jahre streiften die Tataren in der Gegend von Kiew
und plünderten das Kloster Petscherski und verbrannten es.
In diesem Jahr war eine gewaltige Drüsenpest inNowogorod und
in Ladog und in fiussa und in Porchow und in Pskow und in
Torzk und Twer und Dmitrow und in den Gebieten.
Im Jahr 6919 (1411) ward dem Fürsten Lykwen ein Sohn ge-
boren, Jaroslaw, der in der Taufe Theodor genannt wurde.
Im Jahr 6920 (1412) am 8. September ernannten in Gross-Lutzk
die Bischöfe nach Turow den Euphemei von Galizien, er ging nach
Moskwa am 1. August.
Im Jahr 6921 (1413) nahm der Fürst Daschko Theodoro-
witsch von Ostrosek also durch List Kremenetz ein des G.-F,
444 ^e älteste litauische Chronik
Witowt am Gründonnerstage: er bestellte sich zuvor zwei Männer,
Dmitrei, Daniel, und beredete sie: „Stellt euch dem Eonrad Prus
(dem Preussen?), dem Statthalter von Kremenietz, zum Dienst. Ich
werde schwerlich in die Stadt kommen, öffnet ihr den Eingang und legt
auch eine Brücke." Darauf gingen sie dahin und gaben dem Statt-
halter Versicherung, und er nahm sie freundlich auf, er begriff aber
ihre Absicht nicht, und sie kannten sie nicht. Und Daschko kam
nach der Stadt um die neunte Stunde in der Nacht, diese seine Kund-
schafter in der Stadt aber schlugen den Eingang auf und legten die
Brücke, und Daschko mit seinen Freunden kam in die Stadt, und sie
erschlugen den Statthalter Eonrad und brachten die königlichen und
des Witowt Amtleute um; den Fürsten Schwitrigailo aber be-
freiten sie von den Fesseln, nachdem er neuntehalb Jahre gesessen,
und danach ging Schwitrigailo nach Ungarn, nachdem er Lutschesk
genommen, und von den Wolhynischen Bojaren entnahm er rasch-
fliegende Pferde.]
Als der Grossfürst Olgird in dem Lande Litauen die Herrschaft
führte, zog er ins Feld mit der litauischen Kriegsmacht und schlug
den Tataren am „blauen Wasser ", die drei Brüder, den Fürsten
Chatschebei, Kutlubug und Draitrei; diese drei Brüder aber aus
dem Tatarenlande waren väterliche und grossväterliche Erben des Landes
Podolien, und von ihnen aus sprengten die Atamane daher, und die
Boiskaken (etwa Eriegscouriere), welche von diesen Atamanen anlangten,
nahmen Tribut von dem Podolierlande. Der Bruder aber des G.-F.
Olgird, der Fürst Koriat, hatte Litauisch-Nowogorodok inne
und er hatte vier Söhne: die Fürsten Georg, Alexander, Kon-
stantin, Theodor. Diese Fürstenschaft Koriatowitsch aber, drei
(der) Brüder, (zogen) mit Bewilligung des G.-F. Olgird und mit Bei-
stand des Litauerlandes (in das Land Podolien. Und es war damals
in dem Podolierlande) keine einzige Stadt, weder aus Holz gezimmert
noch von Stein erbauet. So kam diese Fürstenschaft Koriatowitsch
in das Podolierland [und sie traten in Freundschaft mit den Ata-
manen und begannen das Podolierland zu vertheidigen] gegen die
Tataren und den Barfüsslern keinen Ausgang zu gestatten. Und zuerst
hrsg. Too Dr. M. Toppen. 445
ermittelten sie sich eine feste Stelle an dem Pluss, der Smotritscha,
[allda legten sie die Stadt Smotritscha an], an einer andern Stelle aber
befanden sich Heidelbeeren anf einem Berge und an dieser Stelle legten
sie die Stadt Bakota an. Und indem sie jagten, war es ihnen bei
dem Fange gelegen, dass sie viele Hirsche in die Waldgruppe trieben,
wo jetzt der Ort Käme netz liegt. Und sie verhauten den Wald und
mauerten die Stadt Eamienetz auf, und danach mauerten sie alle
Podolischen Städte auf und besetzten das ganze Podoiierland.
Und demnächst. . . . der König von Polen, Kuzimir Lokotko-
witsch, dass diese drei Brüder Koriato witsch in dem Podolierlande
ledige Männer waren, und er sandte zu dem Fürsten Konstantin be-
siegelte Briefe mit grosser Festigkeit und bat ihn, dass er möchte zu
ihm kommen. Er hatte aber bei sich erwogen und mit allen Panen,
dass er keinen Sohn hatte, sondern nur eine Tochter und er wollte ihm
die Tochter geben und ihn zum Könige einsetzen nach seinem Tode.]
Und der Fürst Konstantin reisete auf die besiegelten Briefe zu dem
Könige von Polen und wie er sich allda umgesehen, wollte er nicht zu
jenem Glauben übertreten und reisete wieder auf diese Briefe ab nach
dem Podolierlande [nach seinem Reiche. Und als er dort war, in dem
Podolierlande], in seinem Reiche, da starb er. Den Fürsten Georg
aber nahmen die Wlachen zu sich zu ihrem Woiwoden und allda ver-
gifteten sie ihn. Den Fürsten Alexander aber erschlugen die Tataren.
[Ihr] Bruder aber, der Fürst Theodor Koriatowitsch hatte hier
Nowgorod inne. Und als der Fürst Theodor dies vernahm, dass die
Brüder nicht mehr am Leben waren, da ging er auch (in das Podoiier-
land) und besetzte das Podoiierland.
In diesem Jahre aber regierte der (G.-)F. Witowt in dem Lande
Litauen, und das Podoiierland hatte dem G.-F. Witowt und dem Lande
Litauen nicht Gehorsam leisten wollen, wie es auch vordem [nicht] ge-
horsamt hatte. Und der G.-F. zog mit der ganzen litauischen Macht
nach Podolien. Und als der Fürst Theodor Koriatowitsch solches
hörte, floh er aus dem Podolierlande nach Ungarn, die Städte aber
besetzten die Wlachen und der Ungar leistete dem Fürsten Theodor
Beistand. Der G.-F. Witowt aber ging zuerst nach Brzaslaw und
446 Die ^teste litauische Chronik
nahm Brzaslaw ein und ging nach Sokoletz und nahm Sokoletz ein,
und ging nach Eamienietz bei Nacht und eroberte Kamienietz; da-
nach aber nahm er Smotritscha weg und Skala und das Städtchen
Tscherwlenoi und besetzte alle Städte. Auch den Statthalter des
Fürsten Theoder, der in diesen Städten war, Namens Niestak, nahm
er gefangen. Und in allen Städten setzte der G.-P. Witowt seine
Starosten ein. Solches war aber gewonnen durch litauische Kraft und
Niemand hatte ihm Hülfe geleistet von irgend welcher Seite.
Alsdann ging der König den G.-F. Witowt mit Bitten an und
sprach: „Gott hat dir Gnade erwiesen, Bruder, du hast das Podolier-
land bezwungen, thue mir diese Ehre, gieb mir dasPodolierland." [Und]
der G.-F. (Witowt) gab dem Könige die Hälfte des Podolierlandes,
um 20000 .... gab er Kamienietz und Smotritscha, und Skala
und das Städtchen Tscherlenoi und Bakota. Und in alle die andern
podolischen Städte setzte der G.-F. Witowt seine Starosten, in Brja-
slawl und in Sokoletz und in Wjenitza. Der König aber versetzte
diese Städte für 20,000 dem Pan Spitko. Und als der G.-F. ge-
schlagen wurde in der grossen Tatarenschlacht, war auch der Pan Spitko
dem G.-F. Witowt zu Hülfe gekommen, und da erschlugen die Tataren
den Pan Spitko [in diesem Streit]. Die Gemahlin des Pan Spitko
aber blieb als Wittwe zurück und kleine Kinder. Und der König be-
sandte den G.-F. Witowt und liess ihm sagen: , Du hast uns [gegeben]
die Hälfte des Podolierlandes um 20,000 Geldstücke, und wir haben es
dem Pan Spitko gegeben auch um 20,000 Geldstücke, aber die Ge-
mahlin des Pan Spitko ist Wittwe geworden, und die Kinder sind noch
klein, und irgend wer muss die Länder vertheidigen gegen die Tataren;
so gieb [du] zurück die 20,000 Geldstücke und nimm die Städte [wieder]
zu dir.* Und der G.-F. Witowt sandte dem Könige 40,000 Geldstücke
auf den Namen durch den Pan Niemir und Dmitrei Wasiliewitsch
(einen Bojaren von Lutzk) und nahm seine Städte wieder zu sich und
sandte seinen Starosten, seinen Hofherrn Granski, und nach dem
Granski gab er sie dem Pan Peter Montikgirdowitsch und nach dem
(Pan) Peter gab er sie dem Pan Dedikgold, nnd darnach gab er dem
Pan Dedikgold Smolensk, dem Pan Dolgord aber gab er Podolien.
hrsg. von Dr. M. Toppen. 447
Der Pan Dolkgird aber waltete in allen diesen Städten, in Podolien,
bis zu dem Tode des 6.-F. Witowt. Und als der G.-P. Witowt
nicht mehr am Leben war, da kamen die Lechen und luden den Pan
Dolkgird von der Stadt Kamienietz (zu) sich zum Vertrage, und sie
Hessen ihn nicht zum Vertrage, (sondern nahmen ihn selber gefangen)
und plünderten ihn aus (und besetzten Kamienietz und rafften alles
weg), was das Podolierland hat.
Im Jahr 6939 (1431) lud der G.-F. Witowt Kestutie witsch
zu sich den polnischen König Wladislaw, den Fürsten von Moskwa,
Wasilei Wasiliewitsch und den G.-F. von Twer, Boris Alexan-
driewitsch und den Meister aus Deutschland und den preussischen
Meister aus Livland, und es kamen hohe Gesandte von dem Zaren
Iwan von Zarigorod (Byzanz)") und von dem Römischen Kaiser, und
Gesandte von dem Könige vom Don, und von dem G.-F. Iwan von
Rjazan und von dem Wlacher Woiwoden kamen Gesandte, und die
Odojewsker Fürsten waren selbst dort, und von Gross-Nowogorod
und von Pskow und von dem Zaren der Horde waren dort Gesandte
und noch von andern Fürsten des Landes waren Gesandte. (Und diese
Könige und Grossfürsten und Gesandte waren) bei dem G.-F. Witowt
7 Wochen lang auf seine Unkost und auf jeden Tag wurden geliefert
300 Tonnen Meth, 300 Rinder, und 300 Hammel und Wildschweine.
Der G.-F. Witowt war Willens sich die Krone aufzusetzen, und
seine Feinde, die Polen, Hessen die Krone nicht hinüber (und demzu-
folge setzte er sich die Krone nicht auf). Und der G.-F. Witowt fiel
in Krankheit, und er liess die Grossfürsten und die fürstlichen Gesandten
von sich mit vielen Geschenken und mit Ehren; der polnische König
Wladislaw aber war bei dem G.-F. Witowt, und in seinem Beisein
verschied der G.-F. Witowt im Monat October (13.) am Gedächtniss-
tage des heil. Apostels Jacob, des Bruders des Herrn.
[Lobrede auf den Grossfürsten Witowt] ")
Die Heimlichkeit des Fürsten zu verschweigen geziemt sich, aber
die Thaten des grossen Herrschers zu erzählen geziemt sich auch.
*5) »hohe Ges. . . . Zarigorod* ist Randvermerk,
**) Am Rande beigeschrieben mit Bezeichnung der SteUe,
448 ^'e ä^este litauische Chronik
Ich will euch erzählen von dem G.-F. Alexander, Witowt (genannt),
von Litauen und Bussland, von dem Herrn vieler andern Länder; die-
weil aber geschrieben steht: „Ihr Bruder, fürchtet Gott und ehret den
König", so will auch ich euch erzählen von diesem ruhmvollen Herr-
scher; aber unmöglich ist es, zu verkündigen, noch in Schrift zu fassen
die Thaten des grossen Herrschers; gleichwie es keinem möglich wäre
die Höhe des Himmels zu erforschen und die Tiefe des Meeres, eben
so möglich würde es sein zu melden die Kraft und die Tapferkeit dieses
ruhmvollen Herrschers: dieses ist der Grossfürst Witowt. Er besass
das Grossförstenthum Litauen und Bussland (und) viele andre Länder,
gerade hinauszusagen: das ganze russische Land. Aber nicht blos das
ganze Bussland, sondern auch der Gebieter von Ungarland, der geheissen
wird der römische Kaiser, lebte mit ihm in grosser Liebe. Solcherlei
ist mir versichert worden: dass dieser berühmte Herrscher einstmals
in seiner Stadt war, inGross-Lutzk, und er schickte seine Gesandten
zu dem Könige von Ungarn, (geheissen) der römische Kaiser und ent-
bot ihn zu sich. Er aber, ohne allen Ungehorsam kam eiligst zu ihm
mit seiner Prinzessin (?). Und sie leisteten ihnen (ihm) grosse Ehre
und viele Geschenke; (und) von der Zeit an verharrten sie in grosser
Liebe zu einander. Wie sollen wir uns nicht verwundern über die
Ehre des grossen Herrschers : vor dem die Länder in Osten und Westen,
wohin er kam,' sich beugten vor dem berühmten Herrscher, der König
ist über das ganze Land ; und wenn er dahin kommt, beugt es sich vor
dem ruhmvollen Könige, dem Grossfürsten Alexander (genannt Witowt).
Ja, auch der türkische Zar hat grosse Ehre und viele Geschenke dar-
gebracht dem berühmten Herrscher; der rechtgläubige und christliebende
Zar von Zarigrod aber, auch dieser hat mit ihm in grosser Liebe ge-
lebt. Und auch das Tschechische Königreich hat den berühmten Herr-
scher gehalten in grosser Ehre; nicht minder der Donische König hat
grosse Ehre und viele Geschenke dargebracht dem ruhmvollen Herr-
scher, dem Grossfürsten Witowt. In diesem Jahre aber nahm sein
Bruder Jakailo den Thron ein des Königreichs Krakow, der in der
Sprache der Lechen Wladislaw geheissen wird; auch dieser hat mit
ihm gelebt in grosser Liebe. Und auf welches Land der ruhmvolle
hrsg. von Dr. M, Toppen* 449
Herrscher Witowt erzürnt war, und welches Land er strafen wollte, da
lieh ihm der König Wladislaw stets Hülfe. So auch der Grossfürst
von Moskwa lebte mit ihm in grossser Liebe. (Aber) auch noch andere
grosse Fürsten aus Deutschland dienten ihm mit allen ihren Städten
und Ländern ; auch jener grosse deutsche Grossfürst, in deutscher Sprache
Meister genannt. Ferner aber der Gebieter des Moldauerlandes und
von Bassarabi, in wlachischer Sprache Woiwoden genannt. Und der
Herrscher des Bolgarenlandes, der in der Landessprache Despot (ge-
heissen wird). Und noch andere Grossfürsten: der G.-F. von Twer,
der G.-F. von Bjezan, der G.-F. von Odejew, [der G.-F.] und Gross-
Nowogorod und Pskow. Und um es kurz zu sagen, so hat sich an der
ganzen Meeresküste nicht eine Stadt noch ein Ort befunden, die nicht
diesem ruhmvollen Herrscher Witowt gedient hätten. Diese grossen
Herrscher aber, [die Zaren], die Grossfürsten und grossen Länder, wie
wir schon geschrieben haben, und auch andere allhie lebten mit ihm
in grosser Liebe, andere aber dienten ihm, (dem berühmten Herrscher)
kräftig und boten ihm grosse Ehre und grosse Geschenke und vielen
Tribut, nicht blos in jedem Jahre, sondern auch an jedem Tage. (Wenn)
der ruhmvolle Herrscher Witowt, (genannt Alexander) erzürnt war auf
ein Land und selber ein Land strafen wollte oder seine mächtigen
Statthalter senden, wo er hinwegging, und wenn er einem aus diesen
grossen Ländern gebot zu ihm zu erscheinen, so kamen sie ohne allen
Widerspruch eiligst zu ihm aus ihren Ländern, und wenn es einem
Fürsten einmal schwer ward aus Krankheit, so sandte er alle seine
Streiter und seine Macht zu Hülfe zu seinem Dienst. Dieser grosse
Fürst (Alexander, genannt) Witowt aber stand stets in grosser Ehre
und Ruhm. Als er einmal von seinen Städten fort in der grossen Stadt
sich befand, (mit Namen) Kiew, so entbot er zu sich die Grossfürsten
der Horde, und sie kamen zu ihm in grosser Dienstbereitschaft und er-
baten von ihm einen Zaren für ihr Reich. Und es waren viele Gross-
fürten der Horde, welche dienten an seinem Hofe. Er gab ihnen aber
einen Zaren, Sultan (genannt). Jener Zar aber, der bei der Horde war,
als er gehört hatte, wie dieser ruhmvolle Herrscher seinen Diener ent-
lassen habe in das Zarthum, unterstand er sich nimmer dem berühm-
Altpr. Monatsschrift Bd. XIV. Hft. 5 n. G, 29
450 Die ä,te8te titanische Chronik
ten Herrscher sich zu widersetzen, sondern verliess das Reich und ent-
floh. Dieser Sultan aber kam zu der Horde und sass auf dem Zaren-
thron aus Geheiss des grossen Herrschers, Witowt (genannt) und diente
ihm in grosser Furcht, und nach langer Zeit entwich er aus dem Leben.
Die andern Aeltesten der Horde aber schickten ihre Gesandten mit
grossen Geschenken zu dem grossen Herrscher und erbaten von ihm
einen andern Zaren. Und er sandte ihnen einen kleinen Sultan. Als
aber dieser kleine Sultan auf dem Zarenthron sass, wagte er nimmer
dem berühmten Herrscher ungehorsam zu sein: wenn er ihm gebot
irgend wohin (zu gehen), so zog er dorthin. Nach kurzer Frist aber
sandten die Grossfürsten der Horde, weil sie mit nichten wagten den
berühmten Herrscher, den Grossfürsten Witowt, zu erzürnen, wenn ihnen
nicht von seiner Hand ein Zar hingesetzt würde, (zu ihm) mit grossen
Ehren und erbaten von ihm einen Zaren. Er aber gab ihnen einen
andern Zaren, Namens Dawlad-Berdei. Gleichwie ein Fluss das ganze
Land überströmt, Menschen und Vieh tränkt, selber aber nicht ver-
mindert wird, so entlässt auch der berühmte Herrscher eine Menge
von Zaren nach der Horde und besitzt eine Menge Zaren. Wir kehren
aber zu dem Yorangeföhrten zurück. Als aber dieser Zar Dawlad-Berdei
sich eine kurze Zeit dort aufgehalten und jener vorüberzog, die Aeltesten
der Horde aber vernommen hatten, dass der berühmte Herrscher in
der Nähe sei in (der vorgenannten Stadt) Kiew, da kamen sie selber
herbei und beugten die Knie vor dem ruhmvollen Herrscher, dem G.-F.
Witowt und brachten viele Geschenke herbei und erbaten sich einen
Zaren von ihm. Er gab ihnen aber einen andern Zaren, Namens
Mahntet Denn so wie von dem Meere eine Fülle von Wasser ent-
strömt, — [so strömt auch die Weisheit von diesem grossen Herrscher,
dem G.-F. Witowt.
Nach dem Tode des G.-F. Witowt] sass der Fürst Schwitri-
gailo auf dem Grossfürstenstuhl in Wilna und in Troki und der
G.-F. Schwitrigailo regierte zwei Jahre minder zwei Monate und
bei seiner Regierung entliess er den Wladika von Smolensk, Gerasim,
nach Zarigrod zu der Metropolie. Und er herrschte nicht über das
Land, die Litauer aber setzten den G.-F. Äidimont Eestutiewitscb
hrsg. von Dr« M. Toppen. 4&1
auf den Grossfürstenstuhl in Wilna und in Troki am 1. des Monats
September. Und Schwitrigailo zog nach Foltesk und nach Smo-
lensk und die russischen Fürsten und Bojaren setzten den Fürsten
Schwitrigailo auf den russischen Grossfurstenstuhl. (und) in diesem
Herbst versamralete der G.-F. Schwitrigailo eine grosse Macht, und
der G.-F. Boris Alexandrowitsch von Twer gab ihm seinen Bru-
der den Fürsten Jaroslaw mit seiner ganzen Macht, und er zog auf
Litauen und kam nicht bis Wilna auf 6 Meilen und sie standen in
Oschmiena und daselbst stand er eine Woche hindurch. [Und] der
G.-F. Zidimont kam an mit der litauischen Macht, und sie hatten
eine Schlacht am 8. December, am Gedächtnisstage des heil Vaters
Potaxi, des Montags. Und Gott stand dem G.-F. Zidimont bei,
und sie schlugen den G.-F. Schwitrigailo, und schlugen die russischen
Fürsten, einige aber nahmen sie gefangen: den Fürsten Georg Lynk-
wieniewitsch fingen sie, den Fürsten Wasilei Simonowitsch, den
Thedik Odintzowitsch, den Pan Dedikgold, den Woiwoden von
Wilna; und sehr viele andere erschlugen und fingen sie.
In diesem Winter aber sammlete der G.-F. Schwitrigailo zum
andernmal eine grosse russische Macht und zog auf Litauen und sie
verheerten einen grossen Theil des Litauerlandes und brannten und
führten viele in die Gefangenschaft.
Im Sommer aber sammlete er eine grosse russische Macht, und
der Meister vonLivlarid mit seiner ganzen Macht kam dem Schwitri-
gailo zu Hülfe, und der G.-F. von Twer gab ihm seine Macht und
sie zogen in das Litauerland. Auf anderthalb Meilen von Wilna über-
nachtete er in Budomin und zog nach der Stadt; (und) er gelangte
»
nicht nach Troki, das auf das alte Troki vertraute; und vor Troki
stand er am Tage des Heilandes (Fronl.?) und stand vier Tage lang.
Und er zog ab von Troki, den G.-F. Zidimont aufzusuchen und das
litauische Heer, und er stand inWoitischka vier Tage lang (und ging
nach Bussland in sein Land. Und er kam nach Krewo, und sie
standen zwei Tage), und er nahm die gemauerte Stadt Krewo und
verbrannte sie, und sie zerhieben viele Leute und führten sie in die
Gefangenschaft. Von da aber ging er nach Molodetschno, und es
29*
452 Die Älteflte litauische Chronik
kam dem Grossfürsten Scbwitrigailo Kunde, dass die Litauer im
Nachsetzen begriffen seien, und der G.-F. Schwitrigailo sandte den
Fürsten Michael, den Woiwoden von Kiew, gegen sie, und andere
russische Fürsten mit ihm. Und sie erschlugen denPan PeterMonti-
kirdo witsch und die Litauer, andere aber führten sie nach Kopatschi.
Und von da zog er nach Zeslawl und nahm Zeslawl, verbrannte es
denselben Tag und führte viele Leute in die Gefangenschaft. Und sie
kamen nach Minsk und nahmen die Stadt Minsk und brannten sie
und fahrten viele Menschen in die Gefangenschaft, Männer und Weiber;
er ging in sein Land, aber dem Litauerlande fugten sie viel Unheil zu.
Und sie kamen nach Boriöow und allda griffen sie den Fürsten
Michael Iwanowitsch Golschanski an dem Flusse der Berezina,
und er schickte ihn nach (der Stadt) Witebsk und allda befahler ihn
zu ertränken in dem Flusse, der Dwina, bei Witebsk; sie fingen ihn
(aber) unschuldig. Der Meister gelangte nur bis auf eine Meile von
Lukomla in den Seen und zog in sein Land Livland, der G.-F.
Schwitrigailo aber ging nach Lukomla, und daselbst liess er sein
Heer auseinandergehen, Fürsten und Bojaren, und er selber ging (nach)
Kiew. [Und] in diesem Herbst brachte der G.-F. Zidiraont eine
grosse Macht zusammen von Litauern und Lechen und ging in das
Litauerland, und sie lagerten sich bei Mstislawl am 26. October am
Tage des heil. Märtyrers Dmitrei, Mittwochs, und er stand drei
Wochen und gewann die Stadt nicht und zog in sein Land.
Im Sommer aber trat Schwitrigailo zusammen mit den russi-
schen Fürsten und Bojaren und der ganzen russischen Macht und zog
auf Litauen; der Meister aber kam heran mit seiner Macht, dem
Schwitrigailo zu Hülfe und sie vereinigten sich mit Schwitrigailo
in Braslawl, und durch Schickung Gottes fiel ein grosses Wasser auf
das Land; darnach konnten sie nicht ziehen in das Litauerland. Der
Fürst Schwitrigailo ging wieder in sein Land und der Meister ging
auch in sein Land, und er liess sein Heer auseinandergehen, Fürsten
und Bojaren nach Polotzk, er selber aber ging nach Kiew.
Im dritten Sommer (Jahre?) verbrannte der G.-F. Schwitrigailo
den Metropoliten Gerasim in Witebsk. Und der G.-F. Schwitrigailo
hrsg. von Dr. M. Toppen« 453
vereinigte sich in Witebsk mit den russischen Fürsten und mit dem
russischen Heere und zog nach Braslawl, und allda in Braslawl
kam dem Schwitrigailo zu Hülfe der Meister aus Livland mit seiner
ganzen Macht. Und er zog aus Braslawl durch das Land Zawel,
durch Zawel und Wilkomir. [Und] der G.-F. Zidimont zog nicht
selber wider Schwitrigailo, und der König gab dem G.-F. Zidimont
zur Hülfe 800 Lanzen. Und der G.-F. Zidimont sandte seinen Sohn,
den Fürsten Michael gegen den Fürsten Schwitrigailo. Und der
Fürst Michael kam heran mit seiner litauischen Macht und mit den
Lochen, und er hatte einen Streit mit Schwitrigailo am Tage Simonis,
am Sonntage nach Ostern, und er schlug sie jenseit des Flusses Wil-
komir. [Aber] Gott stand dem Fürsten Schwitrigailo nicht bei,
darum weil er den Metropoliten Geras im verbrannt hatte; und Gott
half dem G.-F. Zidimont und seinem Sohne, dem Fürsten Michael,
und sie schlugen den Fürsten Schwitrigailo und sein ganzes Heer,
und erschlugen viele Fürsten und andere fielen ihnen in die Hände.
Sie erschlugen seinen Neffen, den Fürsten Zidimont [und] Korybu-
towitsch und den Fürsten Jaroslaw Lynkwieniewitsch (bei Dan.
Lygwieniwitsch) und den Fürsten Michael Boloban Simonowitsch
und den Fürsten Daniel Simonowitsch von Golschan und den
Fürsten Michael Lwo witsch von Wjazma, und noch viele andere
Fürsten erschlugen sie ; zu Händen aber ergriffen sie 42 Fürsten. Na-
mentlich fingen sie den Fürsten Ivan Wolodimirowitsch von Kiew
und seinen Bruder, den Fürsten Theodor Korbutowitsch, und den
Meister von Livland selber erschlugen sie und den Landmarschal und
viele andre Komthure, und machten alle Livländer nieder und einige
[alle] fingen sie lebendig, nur einige wenige von ihnen blieben übrig.
Auch viele Gäste machten sie nieder: Schlesier und Tschechen, und
viele griffen sie zu Händen.
Nach Ablauf (aber) 'von drei Wochen nach dieser Schlacht ver-
sammlet^ der G.-F. Zidimont sein ganzes litauisches Heer und sandte
seinen Sohn, den G.-F. Michael gegen Bussland. Und der Fürst
Michael ging dahin und stellte sich auf in Orscha, und die von
Smolensk gingen dem Fürsten Michael entgegen auf Orscha, und sie
454 **'e Kl*68*6 KtaoiBche Chronik
ergaben sich dem G.-F. Zidimont und seinem Sohne, dem Fürsten
Michael. Und der Fürst Michael ruckte nicht vor Smolensk, son-
dern ging von Orscha nach Witebsk, nnd als er beiWitebsk ange-
langt war, stand er dort 6 Wochen, und er bekam die Stadt nicht und
zog hinweg.
Und danach sammlete in diesem Winter der G.-F. Zidimont aber-
mals seine ganze litauische Macht nnd die Pane und sandte sie nach
der Stadt Polotzk, und da die Pane dort angelangt waren, standen
sie vor Polotzk eine Woche lang, und als sie nicht die Stadt gewannen,
gingen sie hinweg. Und auf den Sommer, da die Polotzker und die
Witebsk er von nirgend her Hälfe für sich vermerkten, da ergaben
sie sich dem G.-F. Zidimont Kestutiewitsch, und der G.-F.
Zidimont begann die Herrschaft zu üben in dem G.-F.thum Litauen
und [in] Bussland.
Gm Jahr 6944, 6945, 6946. (1436, 1437, 1438.) In diesen Jahren
war eine grosse Hungersnoth in Smolensk. In den Wäldern und auf
den Wegen frassen die wilden Thiere die Menschen, und in den Städten
und Strassen frassen die Vögel die Köpfe und Hände der Leichen und
schleppten sie an den Füssen. Aber auch die Menschen verzehrten
Katzen und kleine Kinder aus grossem Hunger. In der grossen Faste
aber ass man Fleischspeisen und wilde Thiere in den Gebieten und
Dörfern. Das Viertel Korn aber galt dazumal 2 Spiessgroschen. Und
die Menschen rafften es auf den Strassen und warfen es in irdene Töpfe.
In diesem Jahre schlug der Zar [Mache mt] die Moskowiter.)
Im Jahr 6948 (1440) wurde in Litauen ein grosser Frevel verübt :
der G.-F. Zidimont wurde (in Litauen) in (der Stadt) Troki ermordet
eines Vormittags in der Palmwoche; und es geschah ein grosser Auf-
ruhr in dem Litauerlande. Zu dieser Zeit aber hatte der Pan Andrei
Isakowitsch von Zidimonts wegen Smolensk inne, und er begann
die Smolensker zu bewegen zu einem Eide : dass die litauischen Fürsten
(und) die Pane [und] das ganze Litauerland jemand setzen solle (in
Wilna) auf den G.-F.stuhl und „ihr nicht abtreten sollt von dem
Litauerlande und dem G.-F. von Litauen und zu einem andern nicht
übertreten, mich aber bei euch halten sollet als Woiwoden so lange, bis
hrag. von Dr. M. Toppen. 455
ein Grossfürst sitzen wird in Wilna. Und der Wladyka Simeon von
Smolensk und die Fürsten und Bojaren und die Bürger und das ge-
meine Volk schwuren dem Pan Andrei (dies alles: von Wilna nicht
abzugehn und den Fan Andrei) redlich bei sich zu halten als den
Woiwoden von Smolensk. Und um den hohen Tag (Char frei tag?) in
der heiligen Woche des Mittwochs sannen die Smolensker, das ge-
meine Volk, die Schmiede, Gerber, Schneider, Fleischer, Eesselmacher •
darauf, den Pan Andrei mit Gewalt aus der Stadt zu verjagen; und
sie brachen ihren Eid und rüsteten sich mit Harnisch und mit Wurf-
spiessen und Pfeilen und Sensen und Aexten und zogen die Glocke an.
Der Pan Andrei (aber) berieth sich [auch] mit den Bojaren von
Smolensk, und die Bojaren sprachen zu ihm: „Befiehl deinen Hof-
leuten den Harnisch anzulegen, wir aber sind mit dir, oder ist es besser,
dich ihnen in die Hände zu geben?*1 Und sie gingen mit den Lanzen
zu Pferde auf sie los, und sie hatten [auch] ihren Gang nach der
Stadt Borisso-Gljeb, sie schlugen [aber] mit ihren Lanzen eine
Menge Volks zu Tode, und die andern blieben verwundet am Leben.
Und das Volk entlief von dem Pan Andrei. (Und) in derselben Nacht
ging der Pan Andrei aus der Stadt mit seiner Gemahlin und die
Bojaren von Smolensk mit ihm. Und danach war ein grosser Auf-
ruhr in Smolensk: die Smolensker ergriffen den Marschall Petryk
von Smolensk und ertränkten ihn im Dniepr; und sie setzten sich
den Fürsten Andrei Dmitriewitsch von Dorogobufc zum Woi-
woden von Smolensk.
Der litauische Bath, die Fürsten und Pane des Grossflirstenthums
und das gesammte Land beriethen sich und nahmen von den Lochen
den Kasimir Eorolewitsch an für das G.-F.thum Litauen und
setzten ihn mit Ehren in die Residenzstadt Wilna ein (und) in das
ganze russische Land.
Und es kam zu dieser Zeit der Fürst Georg Lynkwieniewitsch
von Nowogorod nach Litauen; (und) der G.F. Kazimir Koro-
le witsch gab ihm sein Erbgut Ms tislawl. Die Bojaren von Smolensk
aber kamen (zu ihm) aus Litauen nach Smolensk und das Volk liess
sie nicht in die Stadt, da fuhren sie umher auf ihren Dürfern. Und
456 Di° älteste litauische Chronik
danach entstand ein grosser Kampf zwischen den Bojaren und dem
Volke. (Und ans Furcht vor den Bojaren) rief das Volk sich den
Fürsten Georg Lynkwieniewitsch herbei als Oberhaupt. Und der
Fürst Georg sandte aus, die* Bojaren zu greifen und) sie griffen die
Bojaren und er legte sie in Fesseln und ihr Gut gab er seinen Bojaren.
(Und) in diesem Herbst auf Philippi Befreiung kam ein litauisches
Heer nach Smolensk und stand drittehalb Wochen und brannte die
Aussenstädte und die Kirchen und Klöster (und hieb eine grosse Menge
Menschen nieder) und führte die Lebenden in die Gefangenschaft und
verübte viele Frevel und zog wieder davon.
(Im Jahr 6951 (1443) war ein schrecklicher Winter und ohne Auf-
hören Schneegestöber mit Frost, und es starben viele Menschen in den
Wäldern und auf den Wegen vor grosser Kälte. Und der Schnee war
sehr hoch, in vielen Jahren erinnert man sich nicht solches Unheils.
In diesem Sommer aber war eine grosse Wassersnoth in Smolensk,
es nahm die ganze Aussenstadt fort, das Wasser ging beinahe bis an
die Pokrower Berge.
In diesem Winter verstarb der Archimandrit Janothrei des
Erlöser- Klosters Spaskoi am 23. September, und sie geleiteten ihn
ehrenvoll.
Im Jahr 6952 (1444) liess der G.-F. Boris von Twer das Gebiet
von Gross Nowogorod verheeren. Ihr Woiwode aber war Andrei
Dmitriewitsch; und sie eroberten auf dreizehntehalb Aemter und
verübten viel Böses.
In diesem Jahre hatte der polnische König Wladislaw, des Kazimir
Bruder, eine grosse Schlacht mit dem türkischen Zaren, und in dieser
Schlacht ward der König von Ungarn erschlagen und der türkische Zar.)
Im Jahr 6953 (1445) war der G.-F. Kazimir in Unfrieden mit
»
dem G.-F. von Moskwa, und die Moskowiter und Tataren kamen
und verheerten das ganze Gebiet von Wjazma.
(Und) in diesem Winter sandte der G.-F. Kazimir seine Woiwoden,
Fürsten und Bojaren hinwiederum das Gebiet von Moskwa zu verheeren,
und sie verheerten Kozelsk, Werei und Kaluga und Mozaisk und
fügten den Moskowitern viel Schaden zu und schleppten viele Menschen
hrsg. Ton Dr. M. Toppen. 457
in die Gefangenschaft. [Und] die Moskowiter thaten sich zusammen,
ihror auf 500, und setzten den Litauern eiligst nach und holten sie ein
und schlugen sich mit ihnen. (Und) Gott stand den Litauern bei, sie
machten viele Moskowiter nieder [und fingen einen Theil im Hand-
gemenge] und brachten sie nach Smolensk zu dem G.-F. Eazimir,
und [die Pane] erwarben dazumal dem G.-F. und sich selber Ehre;
und der (G.-)F. von Moskwa war dazumal nicht im Lande, er war
nach Mur gegangen [und sie schlugen die Tataren]. ")
(In diesem Winter starb der Wladika Simeon von Smolensk am
3. März, des Mittwochs in der Mittfastenwoche; und man geleitete ihn
ehrenvoll in das Kloster zum heil. Erlöser.)
*7) Dahinter sind in der Uwarowschen Handschrift die folgenden Notizen über
vorhergegangene Begebenheiten aufgeführt; »Im Jahr 6855 (1347) starb der G.-F.
Olgird. Im Jahr 6895 (1387) ging der G.-F. Jakailo Olgirdowitsch sich in
vermählen nach Ungarn zu dem Könige, and als er sich daselbst vermählt hatte,
ward er getauft auf den lateinischen Glauben. Und seit der Zeit begann man die
Litauer zu taufen in dem lateinischen Glauben. Im Jahr 6... (1420?) kam der
Metropolit Photei (Phocius) nach Litauen am 1. Juni, mit ihm der Wladika Am-
brosei, und in Nowogotodek stiess er auf den G.-F. Witowt. Dazumal war
Philantropin Gritschin zarischer Gesandter. In diesem Jahre ging der Metro-
polit nach Kiew, und in Slutzk taufte er den Forsten Simon Aleiandro-
witsch, und in Mozyr beglaubigte der G.-F. den Metropoliten« In diesem Jahre
aber war der Metropolit in Galizien. Im dem Jahr 6929 (1421) auch in Lwow
(Lemberg) und in Wolodimir, und er kam an des Dienstags, am heiligen Abende
vor Weihnachten, und in Wilna war er an Dreikönigen und von da ging er nach
Borisow und nach Drutzk und nach Teteran, Auch war er in Mstislawl bei
dem Fürsten Cimon Ljnkwien. Und in Smolensk hielt er Versammlung bei
dem Fürsten Simon Iwanowitsch und kam nach Moskwa in der grossen Faste.
Im Jahr 6940 (1432) ging der Bischof Gerasin von Smolensk nach Zarigrod.
In diesem Jahre war eine grosse Schlacht in Oschmiene. Und es sass in diesem
selbigen Jahre Zidimont auf dem G.-F.sitz. Im Jahr 6943 (1435) verbrannte
Schwitrigailo den Metropoliten in Witebsk. In diesem Jahre war eine grosse
Schlacht bei Wilkomir; es ward eine grosse Zahl von Fürsten und Bojaren und
Bürgern niedergemacht. In diesem Jahre schlug der Zar Machemt die Mosko-
witer. Im Jahre 6919 (1411) wurde dem Fürsten Lyn k wie n ein Sohn geboren,
Jaroslaw, der iu der Taufe Theodor genannt wurde/ — In der Handschrift von
Danielowitsch finden sich gleich hinter der Lobrede auf Witowt ebenfalls einige
von diesen Notizen, und zwar: über die Abreise des Metropoliten Gerasin nach
Zarigrod, die Schlacht bei Oschmiene; demnächst: »Im Jahr 6941 (1433) ging
der Metropolit Gerasin aus Zarigrod.4 Danach über die Verbrennung des Metro-
politen Gerasin und die Schlacht bei Wilkomir. Die übrigen befinden sich nicht
darin. Ausg. 1827, S. 65. 66.
458 Die a,te8te litauisch« Chronik hrsg. von Dr. M. Toppen.
[Im Jahr 6953 (1445)] im Monat Mai schlug sich der 6.-F. von
Moskwa mit den Tataren, mit dem Zar Machmet und seinem Sohne
Mamutiak, und sie schlugen die Moskowiter; und denG.-F. Waäilei
selber fingen die Tataren in der Schlacht, auch den Fürsten Iwan von
Moiaisk fingen sie, und viele andre Fürsten und Bojaren machten sie
nieder, die Schlacht geschah aber in Suzdal, bei dem Kloster des
heil. Erlösers.
In diesem Jahr verbrannte Moskwa, die ganze Stadt, und ihr
Eigenthum verbrannte und eine Menge Menschen. Und es war in
Moskwa viel Elend unter den Leuten.
In diesem Jahre ward zwei Nächte in der Nacht die Erde er-
schüttert, die Häuser schwankten gleich einer Wiege.
[Und] in diesem Herbst an Dmitritag liessen der Zar Machmet
und sein Sohn den G.-F. Waäilei von Moskwa frei gegen Lösegeld:
er hatte eine grosse Menge Lösegeld für sich zu geben.
Im Jahr 695.. (14..) nahm der Fürst Dmitrei Georgewitsch
Sehern iaka seinen älteren Bruder gefangen, den G.-F. Wasilei Wasi-
liewitsch (von Moskwa), und man stach ihm die Augen aus, er aber
setzte sich selber auf den G.-F.sitz von Moskwa.
[In diesem Jahr aber war eine schwere Seuche in Smolensk.]")
2S) Die Uwarowsche Handschrift schliesst mit folgender Notiz, ohne Beobach-
tung der chronologischen Ordnung: »Im Jahr 68.. vermählte sich der G.-F. Wasilei
D mit rie witsch, er nahm zu sich die Tochter Witowts, Sophia.
nengefundene litauische Urkunde
vom Jahre 1578.
Von
Adalbert Bezzenberger.
Die von Nesselmann (Neue Preuss. Provinzial-Bl&tter, andere Folge,
Bd. I S. 241 ff.) im Jahre 1852 veröffentlichte litauische Urkunde hat
in einem, von dem Herrn Staatsarchivar Dr. Philippi im Geh. Archiv
in Königsberg kürzlich aufgefundenen, litauischen Mandat vom Jahre
1578 einen Genossen gefunden. Herr Dr. Philippi ist so gütig ge-
wesen, dasselbe mit Genehmigung des Kgl. Oberpräsidiums der Provinz
Preussen mir hierher zu senden ; indem ich ihm für seine Freundlichkeit
meinen ergebensten Dank sage, beeile ich mich, dieses sachlich und
sprachlich in mehrfacher Hinsicht werthvolle Document zu besprechen
und zu veröffentlichen. Es ist, wie auch die von Nesselmann veröffent-
lichte Urkunde — diese bezeichne ich mit U, jenes mit Ul — ein
richtiges Mandat, wie solche besonders an den Eirchthüren publicirt
zu werden pflegten; beide, U und U1, waren, wie Spuren des Siegel-
m
wachses unter ihren beiderseitigen letzten Zeilen zeigen, bereits unter-
siegelt, sie wurden aber nicht benutzt und zurückgelegt, weil sie fehler-
haft waren, und zwar bestand, wie mir Herr Dr. Philippi mittheilt, der
Fehler von U «in der allzu kleinen und zu wenig deutlichen Schrift
und in den über die Zeilen gesetzten Auslassungen,8 der Fehler von
U1 hingegen war ein Riss in dem Papier, der übrigens das Lesen des
Textes nur wenig erschwert. Beide Mandate sind vom 6. December 1578
datirt, beide schliessen sich hinsichtlich ihres Inhalts und vielfach auch
hinsichtlich des Ausdruckes so eng aneinander an, dass für sie eine ge-
460 Eine nengefandene litauische Urkunde vom Jahre 1578.
meinsame Vorlage anzunehmen ist, die jedoch wohl nur in einer kurz
gehaltenen Anweisung an zwei, des Litauischen kundige Beamte der
fürstlichen Kanzlei bestand, Mandate von bestimmt angegebenem Inhalt
zu verfertigen. Dass U und U! von verschiedenen Verfassern herrühren,
springt bei einer Vergleichung beider sofort in die Augen, schon ihr
verschieden gefasster Anfang zeigt das sehr deutlich. Im allgemeinen
ist zu sagen, dass der Verfasser von U sich seiner Aufgabe mit viel
grösserem Geschick entledigt habe, als der von U1; der letztere ge-
braucht mehrfach grammatisch und stilistisch anstössige Wendungen,
die jener glücklich vermieden hat. Sachlich sind beide Mandate von
gleich grossem Werthe: im Gegensätze zu U übergeht U1 in der Auf-
zählung der heidnischen Missbräuche der Litauer das Sieb-drehen («Bei-
träge z. Kunde d. ig. Sprachen8 I. 47), es erwähnt dafür aber — was
in U fehlt — den Besuch [heiliger] Haine. Noch ist ein Unterschied
zwischen U und U1 besonders hervorzuheben: hier wird sich auf eine
begonnene allgemeine Visitation und auf eine vollendete Visitation der
Aemter Ragtnt und Tilsit berufen und angegeben, dass die anzuführenden
Misstände sich in Bagnit, Wischwill, Lasdehnen, Pilkallen, Schirwind,
Kraupischken, Wilkischken und in anderen Orten gefunden hätten, dort
aber ist von der begonnenen Visitationsarbeit und von der Visitation
des Tilsiter Amts die Bede und jene Uebelstände werden Einwohnern
von Tilsit, Kaukenen, Goadjuten und Fiktuppenen zur Last gelegt.
Daraus geht zunächst hervor, dass U besonders an die Einwohner des
Tilsiter Amts gerichtet war und dass zu diesem die Orte Tilsit, Kau-
kenen, Coadjuten und Fiktuppenen gehörten, und dass andrerseits U1 sich
besonders an die dem Bagniter Amt Angehörigen richtete, und dass
dieses die Orte Bagnit, Wischwill, Lasdehnen, Pilkallen, Schirwind,
Kraupischken und Wilkischken umfasste; ferner, dass zunächst nur die
Aemter Bagnit und Tilsit visitirt worden sind und dass wohl auf Grund
dieser Visitation, bei der sich mancherlei Uebelstände ergeben hatten,
eine allgemeine Visitation angeordnet wurde: eine theilweise Bestätigung
erhalten diese Annahmen durch die in dem unten mitgetheilten Begleit-
schreiben zu U1 enthaltene Bemerkung, dass in den Aemtern Inster-
burg, Georgenburg und Salau — im Gegensatz zu denen von Tyls und
Von Adalbert Bessenberger. 461
Rangnit — noch nicht visitirt sei. Aus diesem Begleitschreiben erhellt
ancht dass U und U1 nicht ausschliesslich an die Aemter Tilsit, bez.
Bagnit gerichtet waren, und dass sie zur Kenntnisnahme und Nach-
achtung auch an die übrigen Aemter geschickt wurden. Aus der Adresse
des Begleitschreibens geht endlich hervor, dass man nicht von einem
„Amtsbezirk von Bagnit und Tilsit * sprechen kann, dass also der Ver-
fasser von U1 mit seinem Ausdruck „walfchcziaus Bagaines ir
Tilßes* (ZZ. 8, 38) nicht einen, sondern zwei Amtsbezirke gemeint
hat (der Amtsbezirk von Bagnit und [der] von Tilsit) und dass dieser
Ausdruck einer seiner vielfachen Nachlässigkeiten ist.
Der Text von U1 umfasst die eine Seite eines Bogens von starkem
Papier (69 Zeilen); er ist mit Schwabacher Schrift gedruckt und es
ist in typographischer Hinsicht nur zu erwähnen, dass in den letzten
acht Zeilen eine andere Form des a erscheint, als in dem ihnen vorher-
gehenden Text. Hinsichtlich der Orthographie weichen U und U1 mehr-
fach von einander ab, nennenswerthe Abweichungen von dem Schreib-
gebrauche gleichaltriger litauischer Texte zeigen beide nicht. Wer in
der altlit. Literatur nicht belesen ist, dem mag es auffallen, dass in
U1 die s. g. Nasalvocale fehlen, dass an Stellen an denen ganz un-
zweifelhaft ein Nasal gesprochen wurde (vgl. z. B. atlakidami Z. 40
neben atlankitas Z. 95, Wenczwianifte für vencziavonyst^-n (a)
Z. 70), diese Aussprache nicht bezeichnet ist; ich verweise in dieser
Beziehung auf meine, nun hoffentlich bald erscheinenden „ Beiträge zur
Geschichte d. lit. Sprache" S. 30 f., wo ich ausgeführt habe, dass der
Mangel der Bezeichnung nasaler Aussprache in altlit. Texten nicht den
Mangel dieser Aussprache beweise, mit anderen Worten, dass häufig
ein einfacher Vocal für einen Nasalvocal gesetzt und als solcher aus-
gesprochen sei. Hierauf möchte ich ganz besonders diejenigen hin-
weisen, welche der Schrift altlit. Texte einen phonetischen Charakter
zuzuschreiben geneigt sind: dass in dem Text von U1 keine Spur von
phonetischer Schreibung steckt, wird jeder, der mit der Geschichte des
preuss.-lit. Dialekts nicht ganz unbekannt ist, selbst erkennen.
Ich gebe zunächst das Begleitschreiben zu U\ dann den Text sammt
Uebersetzung und Anmerkungen.
462 ®'ne n*ngefandene litauische Urkunde vom Jahre 1578«
Georg Friederich etc.
Erbar lieber getreuer, Wir haben In Jüngft gehaltener VHitation
deines verwaltenden Ambts vermerckt vnd befunden, Das die Ambts
Vnderthanen, beuoraus die Littauen, ein wildes rholoses f) leben fuhren,
In dem üe fleh feiten, auch woll gar nicht zur kirche, weniger zu den
Hochwirdigen heiligen Sacramenten halten vnd auch allerley Miss-
breuche, Abgettereyen, Bortten*) vnd dergleichen üben vnd treiben,
welches vns als einer Chriftlichen obrigkeit keines wegs zudulden fein
will, Derwegen wir dann auch folches alles durch ein In druck gefertigtes
Mandath abgeschafft vnd dye vnderthanen zu fleißigem Kirchengang vnd
horung Gotlichen worts auch gebrauebung der heiligen Sacramente
gnediglich vnd ernftlich ermahnet. Schicken dir demnach deflelben
Mandath8 n. Exemplaria mit vnferer eigenen handt vnderzeichnet vnd
aufgedrucktem Secreth bekrefftigt hiemit zu, vnd beuehlen dir darauff
gnediglichen, du wolleft folch Mandath In den Kirchen auff der Ganzel
durch die Pfarrherrn ablefen, volgends daflelbe an die Kirchenthüren
vnd andere darzu gelegene orth und (teilen anfchlagen laflen, auch das
demfelben von den Ambts vnderthanen fowol Deudfchen als Littauen
also nachgelebt werde, mit ernft darüber halten vnd diejenigen, fo (ich
dem etwan widerig erzeigen mochten, nach gelegenheit Irer verbrechung
In vnnachledlge geburende ernfte straffe nehmen. Doran gefchehe vnfer
zuuerleffiger ernfter wille vnd meynunge.
Datum Königsberg den xii februar 79.
An die HeubÜeute zur
Tyls
Bangnit
Insterburg j Nb. hie ift
Georgenburg j noch nicht
Salau ) vifitirt
lieh malanes Diewa | mei Iurgis Triderichat | Mar- J grabas
Brandenburg* | Pru/o/u J Stetine \ Pomeraniai \ Caffubofu %r Wen-
do/u | teipaieg || Schlefiai Iegersdorfe ir etc. Hertcikis | Burgrabas
l) d. I ruchloses. 2) üeber dieses Wort 8. u. S. 478.
Von Adalbert Bescenberger« 463
Norimberge ir Wiefcbpats Bugoie. |) IOg kafznas krikfchczionis | wiflafa
fawa fprawafa tapirmiaus tur ant Diewa dabotifi | ir nu to paties pradzie 5
dariti | ieng | galetu nog ija | ijo daugiaus perßegnoghimu ap tureti:
Tada ir mes dabar prafideiofoijoi pafpalitoi mufu Vifitatiai | ir | teipaieg
paginetaie Vifitatiai walfcbcziaus Bagaines ir Tilßes | tapirmiaus rupi-
naghiames ape Sluflba Diewa | ape || paskirtu ant ta Baßnicziu | ir ape
kitus tarn reikinczius daiktus. Klaufeni todelei | kaipa Baßniczias wifsur | 10
ira ußuweif- || detas | bau ne prifsiwalitu ir ftakatu kakiu daiktu ant
ifchlaikyraa. Poklaufe potam radora Pirmiaus iog parafianai 1 1 Bagaine |
Wiefchwilo | Lafdinufa | Pilkalnufu | Schirwinto | Kranpifchkie | ir Wil-
kifchkiufa | ir Kitofa wietofa to walfch- fl cziaus | tarp kuru ira Scbul-
tißus | Pakamores | ir Baitmanai \ kurie ne rodi Baßniczan eit | retai 15
Szadzia Diewa klau- || fa | ir Scbwentus Sacramentus ne tiktai retai
prigbim | bet dabar ant ta atßagarei albs biaurei blusnidami kalba.
Kaktai mes | iag per tiek J metu Diewa Szadis gbiemus cziftai ira
fakamas | bet tapirmiaus nog tu kurie Vredofu (ied | ir pafpalitiems
ßmaniems turetu gieru pawaif- || du buti | ne Tu maßunuffiftebegbimu 3) | 20
bet fn didziu ne paflimegbimu girdeiam. 0 iog takfai ne lemtas
4
giwenimas alba ne pabaßnas | Diewa \ dangui inartin | ir ant baifauß
karaghima ir kafnijma atweda | teipaieg kaßnam ischganims dufchas
ant ta ußgul: Tada mes narim kiekwiena J a skirui tus | kurie Vredufa
ira | malaningai graudenti | ir tikrai prifaüti | idant patam kiekwienas 25
tankiei Baßniczion eitu | Szadzia Diewa \ radas klaufitu | ir dufehas
penufchkla1) | fchwentaghi Sacramenta | tikroghi kuna ir kraughi wiefch-
paties mufu Jefaus Chriftaus | ant atleidi- | ma grieku ir aptureghima
amflina ßiwata | tikrame gailefeie ir pakarnifteie | daßnai ir wertingai
prighimtu. Ir teipa wienas antram I pagal | Diewa prifakima gieru 30
krikfchczanifchku pawaifdu butu | bei fawa artimamuiem ne iokia pafll-
piktinima ne dotu. Idant teipa Diewa narfa \ ir karanes ant fawes ne
krautu | ifchganima ne patratitu | ir ija Deiwifchka macis ant karanee
ne butu pabudinta. Kadangi papeikimu ija || mielaia ifch ganitingaia *)
ßadzia | bei Schwentu Sacramentu | teip ne dekingi paffirada tada to 35
8) d, i. mafln nulfijtebeghimu, 4) penukfcbla. 5) Utebganiti
464 ®'ne ntngräuriene litauische Urkunde vom Jahre 1578*
paczu fladi galetn ifch fchu kampu atimti. || Idant tatai ne nuflidotu
tur panas Diewas fu tikru dufaughimu fchirdes buti melftas. || lies
priegtam ifch tirem iog daug Eurfchu ir Lietawniku mufu fcha walfch-
cziaus Ragaines ir Tilßes | didi Deiwiu alba (tabu garbina- || ghima
40 dara alba laika | atiakidami Gaius, affierawadami bernelius wafchka |
alba fanarius kakius ifch wafchka padaritus , ir paweikflius || bandikfchczia
kakia daranczius | ir kitus flalineghimus alba ßinawimus j bei burta-
wimus laikantis. 0 skirui girdeiam fchwenta diena Ne- || deles krikfch-
czanifchku fchwentu ne fchwentinantis | bet diena Nedeles dirbantis ;
45 kaip ir Utas dienas | a tatai wis priefch priefakima Diewa da- || rantis.
Ant ta dabar girdeiam tarp Lietu winiku 6) didzus griekas | tatai esti
necziftibes | biauribes | kiekfcbiftes | perflenghimus wenczawaniftes | ||
ir kitas piktenibes tarn ligies | teipaieg didzei platinanczes | del kuru
panas wiffa Herne galetn karati | kaip ir tiemus daiktams ligus pawifd-
50 zins || rafchte fchwentame randame. Kurie daiktai mumus kaip krikfch-
czanifchkai Wiraufibei weifdcti7) ir kienteti ne prifieit Tadel mes narmi8)
kiekwie- | nam ußfakiti | idant daugiaus kiekwiens nog meldima bal-
wanu alba ftabu atftatu | ßalinegbimus alba ßinawimus atmeftu | fchwenta
*
nedele || ir kitas fchwentes | pilnai ir nabaßnai fchweftu bei pildmiea)
55 fchluflbas Diewa | fchas fiemes Baßniczias pataflune 10) ir Corpori Doc-
trin« ") fawe || pakluüiumis daritu | bey no tu pirm fakitu biauribiu
atftatu | ir fawe fliwate paflilepfchitu. 0 iei tatai teipa ne nußdos |
alba ne ftafifi | tada mes || tikru mufu ußweisdeghimu priefch perfienk-
taius tu daiktu | ne narim praleifti | bet takius kitems ant pamakfla
60 alba pawaifda karati. || Priegtam teipaieg fafißedawime | ir wenczawaniftes
bilofb | ne tiktai wiffas indiwnas ir prieg krikfchtzaniu painnktußus
papraczius ir || Ceremonias IS) | laika | bet prieg tarn tikrai Wencza-
waniftei iau (antz alba effant ne patagei ir ne wiefchlibai girdim nuffi-
dodant | ir atfiakirti tula | gieidenti | per kaktai Schwenta Wenczia-
65 wanifte | kaip ir Diewa feniaufefis iftatimas ") daugiavs numaflinama ne
kaip pagarbinama ira. || Tadel narim matce mulu Herttzkilchka 14) Vreda
•) Lietawiniku. 7) weifdetl •) narim. •) püdime. 10) paftatime. ") Die Worte
Corpori Doctrin» sind im Original lateinisch gedruckt. ") Ceremonias ist hier und
Z. 68/69 lateinisch gedrückt. ") iXtaümas, i4) Hertzikifchia.
Von Ad albert Bexzenberger. 465
takius paganifchkus nepatagus ir ne wiefchlibus daiktus uUfakiti ir
ußdraufti ir tur taliaus || fudereghimofu ir bilafu Wenczawanütes | Cere-
monias ir paiunkimus pagal macis Diewa iftatitus | ir pagal iftatima
Baflniczias Prufu j lai- || kiti. Teipaieg newiens Wenczwianiste l6) ne 70
tur buti prileifbas j net turi pirm fawa wirifchku metu fulaukti. Wiffofu
tofu daiktofu tur kiekwienas || plebanas ant fawa klaufitaiu dabatifi |
tus daiktus tikrai be glaudas uflweisdeti ir tatai ifchpilditi. g Priegtam
randame mes teipaieg iog prieg nekuru kiemu ne wienas tikras wietas
palaidaghimu ne laka j bet fawa nurairufiu kunus || ing pufta lauka 75
laidaie : takiu daiktu tarp krikfcbczaniu ne tur buti: Ir narime tarne
teipa paftatiti | bei prifakam | idant patam tikra fchwenta- || riu laikitu |
ta pati apdaritu ir aptwertu | in kuri numirurms kunus | pagal Diewa
fladzia ir krikichcz anifchka ln) giera iftatima ir paiunkima | || gal laidoti. il
Begwel ifcbtirem mes | iag Lietuwinikai ir kiti | ne kiek cziefa fawa 80
paftatita Baßnicze laika | bet kartais ing Szemaiczius | Baflniczian || eit i
ir tienai pagal Papiefl ifchka n) buda bei paiunkima doft Oleu teptifi
ir wenczawatifi. Ifch to tada fekafi | iog tulas del naudos | fawa kudiki. ||
(Eaip tatai mumus ataius ing Tilfle | ir Bagaine nußdawe) ir pa du
kartu doft krikfchtiti. Eurfai ne tikumas | ir kaip wiena karta prijmta | 85
ir || ifchpaßinta tikra Praraku ir Apafchtalu makfla | ne palaika | mumus
kaip ir kits ne wiefchlibas gi wenimas ,8) didei ne patinka | neg ia
kiencziam | Tadel idant tai wifla butu ufdraufta | tada na | rim ir
prifakam drutai | idant ne wienas fwetimu Bafiniczu ne ufieitufe | narint
tai butu mufu || angu fwetime walfchczui. Bet kiekwienas tafpi Baß- 90
nicziafpi | kuriafpi paskirtas ira | fu klaußjmu Diewa fladzia | priemimu
Sacramentu | wen || czawaghimu | krikfchtijmu | ir kitu krikfchczanifchku
iftatimu | tefti laika. Priegtam idant newienas Plebanas tarne daikti
antram ne ifikifclitu | || net dideie prigadaie | Narim teipaieg | ieib ant
be wcikiaußa Baflniczas vifitawatas angu per Biskupa atlankitas butu: 95
Tur tada padonieij || prifigatawit | idant kiekwienas fu maldamis ir kitu
pamakflu galetu ifchftaweti. Ir kada ta Vintacia bus pradeta | tada
Yißtawaiantemus I II Scribele alba kamarnikas I alba kits kurfai tarn
ls) Wencziawanifte. 16) krikfchczanifchka, 17) Papieflifchka, 1S) giwenimas,
AJtpr. MonaUMhrlft Bd. XIV. Hft. 5 u. 6. 30
466 Eine neugefundene litauische Urkunde vom Jahre 1578.
tikras butu | bei Lietuwifchkaimakas ,9) ifch wiefchlibu wiru tur buti
100 priskirtas. | Tatai wis narim nog wiffu ir kiek wiena mufu walfchcziaus
Tilfles bei Ragaines padaniu | ir nog wiffu kitu kur Lietuwifchkas Pleba- J
nias ira | ftiprai | drutai ir ne nuffidetinai | laikama. || Ir ne abeiaghem
ant ta | iog kiekwienas tarne kaip krikfchczonis | ta pakluAiuma padaris '
ir pakarnei laikitifi flinas | ieng ghiffai bufenczia 1 1) teip fwietifchka kaip
105 amßina karaghima galetu ifchwenkti. Tatai nuffidoft wiffagalinczam
Diewui ant amfiinas fchlowes ir garbes | Ir kaß- j{ nam ant ifchlaikima
ia ifchganima. Ir nuffidoft tarne mufu tikraie walia ir flinia. Ant
paßinima ir paftiprinima tu daiktu | fchitai fawa tikray | ranka ußrafchem.
Ir peczeti fawa pridedineiam. Dotas Tilfleie 6. diena menesia Siekia.
110 Metu Chriftaus 1578.
Von Gottes Gnade wir Georg Friedrich, Markgraf zu Brandenburg,
Preussen, Stettin, Pommern, Kaschuben und Wenden, desgleichen Herzog
in Schlesien, Jägersdorf u. s. w., Burggraf zu Nürnberg und Herr zu
Bügen. Dieweil jeder Christ in allen seinen Geschäften zuerst auf
Gott achten und eben von ihm den Anfang machen soll, auf dass er
von ihm um so mehr Segen erlangen könne, so bekümmerten auch wir
bei unserer nun begonnenen allgemeinen Visitation und ebenso in der
vollendeten Visitation des Amtsbezirkes von Ragnit und [des von] Tilsit
uns zuerst um den Gottesdienst, um die dazu verordneten Kirchen und
um die anderen dazu nöthigen Dinge. Wir fragten deshalb, wie die
Kirchen überall verwaltet sind, ob sie nicht bedürftig seien und irgend
welcher Dinge zu [ihrer] Erhaltung entbehrten. Auf unsere Frage
fanden wir dann erstens, dass die Pfarrkinder in Ragnit, Wischwill,
Lasdehnen, Pilkallen, Schirwind, Kraupischken und Wilkischken und
in anderen Orten des Amtsbezirkes, unter welchen Schultheissen, Unter-
kämmerer und Rathsmänner sind, welche nicht gern zur Kirche gehen,
das Wort Gottes selten hören und die heiligen Sakramente nicht nur
selten empfangen, sondern sogar obendrein mit Abneigung oder mit
abscheulicher Lästerung [über dieselben] sprechen. Dieses haben wir,
dieweil so viele Jahre hindurch das Wort Gottes ihnen rein gepredigt
t9) Lictuwifchkai makas.
Von Adalbert Bezeenberger. 467
ist, aber besonders von denen, welche in Aemtern sitzen und den ge-
meinen Leuten zu gutem Beispiele dienen sollten, nicht mit geringer
Verwunderung, sondern mit grossem Missfallen gehört. Und weil ein
solches schlechtes oder gottloses Leben Gott im Himmel erzürnt und
zu furchtbarer Strafe und Züchtigung bewegt, desgleichen [weil] einem
jeden das Heil der Seele hierbei am Herzen liegt: So wollen wir einen
jeden, aber besonders die, welche in Aemtern sind, gnädiglich ermahnen
und [ihnen] recht befehlen, dass künftig ein jeder häufig zur Kirche
gehe, auf das Wort Gottes gern höre, und die Seelenspeise, das heilige
Sakrament, den wahren Leib und das [wahre] Blut unseres Herrn Jesu
Christi zur Vergebung der Sünden und Erlangung des ewigen Lebens
in rechter Eeue und Demuth häufig und würdiglich empfange, und
[dass] so einer dem anderen nach dem Gebote Gottes ein gutes, christ-
liches Vorbild sei und [dass niemand] seinem Nächsten kein Aergernis
gebe, damit er dadurch Gottes Zorn und Strafen nicht auf sich lade,
um die Erlösung nicht zu verscherzen, und [damit] seine göttliche
Macht zur Strafe nicht gereizt werde : weil man durch die Verachtung
seines lieben, selig machenden Wortes und der heiligen Sakramente
sich so undankbar zeigt, so könnte er das selbige Wort aus diesen
Gegenden wegnehmen. Damit dies nicht geschehe, muss der Herr
Gott mit rechtem Seufzen gebeten werden. Wir erfuhren ausserdem,
dass viele unserer Kuren und Litauer dieses Amtsbezirkes von Ragnit
und [des von] Tilsit eine grosse Verehrung der Götzen oder Bildsäulen
treiben oder unterhalten, indem sie die Haine besuchen, Wachskinder
oder irgend welche, aus Wachs verfertigte Glieder opfern und Bilder
eines gewissen Tieres verfertigen und andere Zaubereien, oder Hexereien
und Losereien treiben. Und besonders hörten wir, dass sie den heiligen
Sonntag als ein christliches Fest nicht feiern, sondern am Sonntage
arbeiten, wie auch an den anderen Tagen, und [dass sie] das alles
gegen das Gebot Gottes tun. Dazu hörten wir nun, dass unter den
Litauern grosse Sünden, nemlich Unkeuschheit, Unzucht, Hurerei, Ehe-
bruch und ferner andere dem gleiche Laster sich sehr ausbreiten,
wegen welcher der Herr das ganze Land strafen könnte, wie wir auch
diesen Dingen ähnliche Beispiele in der heiligen Schrift finden. Diese
30*
468 Eine nengeftindene titanische Urkunde vom Jahre 1578.
Dinge anzusehen und zu dulden, geziemt sich [für] uns, als einer christ-
lichen Obrigkeit, nicht, deshalb wollen wir einem jeden befehlen, dass
[nun-]mehr ein jeder von der Anbetung der Götzen oder Bildsäulen
abstehe, die Zaubereien oder Hexereien verwerfe, den heiligen Sonntag
und die anderen Feste voll und fromm feiere und sich in der Erfüllung
des Gottesdienstes in Hinsicht auf die Kirchenordnung dieses Landes
und dem Corpori Doctrinae gehorsam erweise und von den vorhin ge-
nannten Lastern abstehe und sich in [seinem] Leben bessere. Und
wenn das nicht so geschehen oder sich ereignen wird, dann wollen wir
unsere ordentlichen Ahndungen gegen die Uebertreter der Dinge nicht
unterlassen, sondern solche anderen zur Lehre oder [zum] Exempel
bestrafen. Dazu beobachten sie ferner nicht nur bei der Verlobung
und den Trau- Verhandlungen lauter wunderliche und gegen der Christen
herkömmliche Gewohnheiten und Cerimonien [verstossende Ccrimonien],
sondern obendrein, wenn die richtige Ehe schon besteht oder bevor-
steht, geschieht es, wie wir hören, in unanständiger und unehrbarer Weise,
dass sich mancher aus Lust scheidet, wodurch die heilige Ehe, wie
auch die älteste Verordnung Gottes, mehr verachtet als geehrt wird.
Deshalb wollen wir kraft unseres herzoglichen Amtes solche heidnischen,
unanständigen und unehrbaren Dinge verbieten und verwehren, und
man soll bei den Verlöbnissen und den Trau-Verhandlungen die Ceri-
monien und Gebräuche, die nach göttlicher Macht eingesetzt sind, ge-
mäss der preussischen Kirchenordnung üben. Auch soll niemand zur
Trauung zugelassen werden, sondern er soll vorher seine männlichen
Jahre erreichen. In allen diesen Dingen soll ein jeder Pfarrer auf
seine Zuhörer achten, diese Dinge recht ernstlich ahnden und dies er-
füllen. Ausserdem finden wir ferner, dass sie bei einigen Dörfern keine *
rechte Begräbnisstätte halten, sondern sie bestatten die Leiber ihrer
Verstorbenen in wüsten Acker: solche Dinge dürfen zwischen Christen
nicht sein und wir wollen dabei so verordnen und wir befehlen, dass
sie künftig einen ordentlichen Kirchhof halten, denselben einhegen und
umzäunen, in welchen sie die todten Leiber nach dem Worte Gottes
und christlicher, guter Ordnung bestatten können. Und wiederum er-
fuhren wir, dass die Litauer und andere sich nicht jeder Zeit zu ihrer
Von Adalbert Bezzenberger. 469
verordneten Kirche halten, sondern bisweilen nach Zemaiten zur Kirche
gehen und sich dort nach papistischer Sitte mit Oel salben und trauen
lassen. Daraus folgt dann, dass mancher des Gewinnes wegen sein
Kind (wie das, als wir nach Tilsit und Ragnit kamen, geschah) zu
zweien Mal^n taufen lässt. Dieser Missbrauch und [der Umstand], dass
sie die einmal angenommene und bekannte wahre Lehre der Propheten
und Apostel nicht bewahren, missfällt uns, wie auch das andere un-
ehrbare Leben, sehr und wir dulden das nicht. Deshalb, damit das
alles verwehrt sei, so wollen und gebieten wir bestimmt, dass niemand
fremde Kirchen besuche, mag es in unserem oder in fremdem Gebiet
sein; sondern ein jeder halte sich zu der Kirche, zu welcher er ver-
ordnet ist mit Anhörung des Wortes Gottes, Empfang der Sakramente,
Trauung, Taufe und anderer christlicher Einrichtung. Ferner: dass
kein Geistlicher in dieser Sache einem anderen sich einmische, ausser
in grosser Noth. Wir wollen auch, dass auf das schleunigste die
Kirchen visitirt oder durch den Bischof besucht werden; die Unterge-
benen sollen sich dann vorbereiten, damit ein jeder mit den Gebeten
und der anderen Lehre bestehen könne. Und wenn die Visitation be-
gonnen werden wird, dann soll den Visitatoren ein Schreiber oder
Kämmerer oder ein anderer, welcher dazu geschickt und des Litauischen
kundig sei, aus den ehrbaren Leuten zugeordnet werden. Dieses alles
wollen wir von allen und einem jeden der Unterthanen unseres Amts-
bezirkes von Tilsit und Ragnit und von allen anderen, wo litauische
Pfarreien sind, genau, bestimmt und streng gehalten [wissen]. Und wir
zweifeln dabei nicht, dass ein jeder darin als Christ den Gehorsam üben
und sich demüthig zu halten wissen wird, damit er die zukünftige, so-
wohl weltliche als ewige Strafe vermeiden könne. Das geschieht dem
allmächtigen Gott zu ewigem Preis und Ruhm und einem jeden zur
Erhaltung seiner Seeligkeit, und geschieht darin unser rechter Wille
und [unsere] Meinung. Zur Erkenntnis und Bekräftigung dessen haben
wir dieser mit unsrer eignen Hand unterschrieben und haben unser
Siegel hinzufügen lassen. Gegeben zu Tilsit, am 6. Tage des Monats
December des Jahres Christi 1578.
470 Eine neugefundene litauische Urkunde vom Jahre 1578«
Z. 7. Die Form prafideiofoijoi (bestimmter Loa Sg. Fem. Part.
Aor. von prasideti) ist sehr beachtenswerth ; sie stimmt zu ateiufiam,
pawargfifiu, kelufifi und anderen Formen der Art, die ich in meinen
»Beiträgen zur Gesch. der lit. Sprache* aufgeführt habe, und die be-
weisen, dass das suffixale u des Part. Aor. Act. zunächst aus u = ä
(aus $) entstand. Dieses ä reflectirt prafideiofoijoi besonders deutlich.
Z. 9. Hier ist ape zweimal mit dem Accusativ, einmal mit dem
Genitiv (ape paskirtu ant ta Baßnieziu) verbunden. Das letztere ist
nicht unrichtig, vgl. Giefmes ape pakutos, Giefmes ape aptei-
finimo in den Sengstockschen Giesmes pp. 103, 105.
Z. 12. *Parafianas (Nom. Plur. parafianai) ist das heutige
parapijonas (Nesselmann Wbch. S. 278), in dem nach Ausweis von
♦parafianas das zweite p aus f entstanden ist (vgl. tröpyti poln.
trafirf). Neben parapijonas stehen parapija und parakvija die
Parochie. Für das letztere Wort habe ich „Beitr. z. Gesch. d. lit. Spr."
S. 77 Anm. 3 angenommen, dass es aus dem deutschen parochie ent-
lehnt und dass dessen ch im Lit. zu kv geworden sei (vgl. akvata
russ. ochota). Ich halte dies jetzt der Form parafianai wegen für
unrichtig und nehme an, dass parakvija vermittelst *parachvija aus
parafija, poln. parafia (= parapija) entstanden sei (vgl. kvartuna,
alt chwartuna = poln. fortuna).
Z. 13. Die urkundliche Geschichte des Namens Wisch will kann
ich hier nicht feststellen; die Form Wiefchwilo zeigt als erstes Glied
desselben vesz-, das mit dem Namenelement vaisz- in z.B. Vaisz-
noras (so hiess der Uebersetzer der Margarita theologica) identisch
sein wird. Mit Vaisz noras stimmt der altpreuss. Name Waisnar
genau überein, in dessem erstem Bestandteil also nicht, wie ich früher
angenommen hatte (Die Bildung der altpreuss. Pesonennamen Altpr. M.
XIII, 432) lit. vaisüs, oder preuss. weis in steckt.
Z. 17. atflagarei habe ich übersetzt „mit Abneigung"; wörtlich
heisst es „in zurückgehender Weise". Nesselmann Wbch. S. 538 ist
geneigt, atzagaras (atzagarus, atzagaroti) zu zagaras „dürres
Strauchwerk" u.a. zu stellen; das wäre jedoch sehr unrichtig. Vielmehr
gehört at-Äagaras zu fcenkti schreiten; der Wechsel von atfchagarni
Von Adalbert Bessenberger, 471
und atfchugarni im Lettischen beweist, dass für atzagaras richtiger
atzq,garas zu schreiben ist, z%gara- (schreitend) entspricht genau
dem zend. zaiigra (in z. B. bizafigra) „Fuss" = „der schreitende*.
Z. 18. Hier und u. ZZ. 50, 85 habe ich das den Satz beginnende
Belativuni demonstrativ übersetzt; dies ist ganz unbedenklich, da im
Litauischen, wie im Lateinischen, ein Satz durch ein relatives Pronomen
an einen vorhergehenden Satz angeschlossen werden kann, vgl. u. a.
Geitler Lit. Stud. S. 23 Z. 14.
Das. iag hat, wie o. Z. 4 (jog) und u. Z. 21 causale Bedeutung,
was jedenfalls sehr selten ist.
Z. 21. Der Sinn der sehr prägnant gefassten Stelle ist: Weil ein
so schlechtes Leben Gott zu schweren Strafen reizt [die man durch
Besserung desselben vermeiden muss] und weil einem jeden [also auch
mir] das Seelenheil [der im vorstehenden bezeichneten Leute] am Herzen
liegt, so ermahne ich [dieselben, um sie dadurch auf den richtigen Weg
zu leiten und ihnen so zur Seligkeit zu verhelfen] u. s. w. Ganz ebenso
ist der Sinn der entsprechenden Stelle in U, wo tha ya mit einander
zu verbinden sind (töjo).
Z. 27. Zu tikroghi (== tikr^-ji) vgl. to paczu Z. 35/36 und
„Beitr. z. Gesch. d. lit. Spr." SS. 123, 134, 168.
Z. 39. Ueber Deiwiu alba ftabu (vgl. balwanu alba ftabu
Z. 52/53) vgl. „Beiträge z. Kimde d. indog. Sprachen" I, 45, 164.
Das. garbinaghima = garbinojim$ von einem Verbum garb-
inoti = gärbinti; über den Wechsel von Verbis auf -inoti und -inti
s. „Beiträge z. Gesch. d. lit. Spr.* S. 112 ff.
Z. 40. atlakidami ... affierawadami gehören syntaktisch zu
daug Eurfchu ir Lietuwniku, eine constructio ad sensum; nachher
ist der Verfasser mit daranczius und laikantis ganz aus der Con-
struction gefallen, indem er das zwischen ifch tirem und daug (Z. 38)
stehende iog übersah. Die Acc. Plur. laikantis (Z. 43), fchwenti-
nantis (Z. 44), dirbantis (Z. 44), darantis (Z. 45) können aus *lai-
kantius, *fchwentinantius u. s. w. (vgl. käturis und keturius
„Beiträge z. Gesch. d. lit. Spr." S. 178) entstanden sein, sie können
aber auch Stämmen auf -anti- angehören (vgl. a. 0. S. 158 f.).
472 Eine neugefündene litauische Urkunde vom Jahre 1578.
Das. atlakidami (= atlq,kydami) Gaius; den lit. Namen solcher
(heiligen) Haine habe ich „Beitr. z. Kunde d. indog. Sprachen" I, 42
nachgewiesen.
Das. affierawadami bernelius wafchka; richtiger wäre die
Wortstellung: a. wafchka bernelius. In dem Opfern wächsener
Kinder liegt wol eine Reminiscenz an frühere Menschenopfer vor.
Z. 41. Bei fanarius kakius ifch wafchka p ad ari tu s erinnert
man sich unwillkürlich an das „de ligneis pedibus vel manibus pagano
ritu" des Indiculus superstitionum et paganiarum (Pertz LL. I, 19).
Z. 41/42. paweikflius bandikfchczia kakia,- *bandiksztis
„Tier* fehlt in den Wörterbüchern, es ist aus banda die Heerde ge-
bildet. Von welchem Tiere man Bilder verfertigte ist uns leider nicht
gesagt, ich würde auf die Schlange raten (vgl. Lit. und Lett. Drucke
I, 3. 4, Simon Grünau ed. Perlbach S. 80, Prätorius Deliciae Pruss.
ed. Pierson S. 35 ff.), wenn nicht *bandiksztis deiner Ableitung nach
(K. Beitr. 8. 365) ein Nutztier bezeichnete. — paweikflius führt auf
den Nominativ paveikslis Nebenform von pave'ikslas (Nesselmann
Wbch. S. 75); pavdikslas, *paveikslis leite ich nicht von v^ikti
ab, sondern betrachte sie als aus *pa-veizdlas, pa-veizdlis (vgl.
paveizdas, nach Szyrwid „Bild, Figur*) entstanden.
Z. 42. Zu flalineghimus (s. u. Z. 53) vgl. fzolinikas „Beitr.
z. Kunde d. indog. Sprachen* I, 47.
Z. 42/43. burtawimus ist Acc. Plur. von *burtavimas, das ein
sonst nicht zu belegendes burtauti „losen" voraussetzt. Das Los scheint
bei den Litauern eine grosse Bolle gespielt zu haben, im Katechismus
v. 1547 (Lit. u. Lett. Drucke I, 6. 19) wird eine schwenta burtinikie
(heilige Loserin) genannt. Aus dem lit. bü rtas „Los* ist das in dem oben
mitgeteilten deutschen Schreiben vorkommende Verb. „Bortten" gebildet.
Z. 43/44. krikfchczanifchku fchwentu habe ich übersetzt „als
ein christliches Fest"; bei dem im Litauischen häufigen Themenwechsei
(Beitr. z. Gesch. d. lit. Spr. S. 94 ff.) darf neben szvente „das Fest*
ein Mascul. szventas mit gleicher Bedeutung angenommen werden.
Man kann aber krikfchczanifchku und fchwentu auch als Instr.
Sg. Adj. (Ntr.) auffassen: als etwas christliches, heiliges*.
Von Adalbert Bessenberger. 473
Z. 48. platinanczes steht für platinanczes-s(i); richtig wäre
übrigens platinanczus.
Z. 52—56. In idant . . . kiekwiens . . . fawe paklufnumis
daritu erscheint wieder eine constructio ad sensum; für fawe daritu
stünde besser daritus, indessen das Reflexivum ist in der älteren
Sprache auch sonst zuweilen mit fawe gebildet, vgl. u. a. teip linkfmin
fawe wargufu Schwentas Jobas im II. Bande der Bretkenschen
Postille p. 40.
Z. 58. uflweisdeghimu habe ich mit „Ahndungen" nicht zu frei
übersetzt; uzveizdejimas ist genau lat. animadversio.
Z. 62. Man erhält hier einen vernünftigen Sinn nur, wenn man
nach Geremonias eine Lücke annimmt und dieselbe so ausfällt, wie
es in der Uebersetzung geschehen ist
Z. 62/63. Wenczawaniftei iau fantz alba effant; fantz ist
Gerund. Praes., effant Gerund. Put.
Z. 63/64. girdim nuffidodant ir atfiskirti tula gieidenti;
hier steht nach nufiduti der Accus, c. Inf., vgl. Ir nufidawe [tikofi
tropijos] tha Lauka [Dirwa] buti Boas Buth 2. 3 in der Bretken-
schen Bibel.
Z. 65. numaflinama „verachtet/ vgl. pamafzina ghi Pone
I. Mos. 16. 4 in der Bretkenschen Bibel.
Z. 70. Wenczwianifte steht für Wencziawaniftg = Weczia-
waniftena20); dass ich vencziavonyste bald mit Ehe, bald mit
Trauung übersetzt habe, wird wol keinen Anstoss erregen. — Der Satz
Teipaieg newiens u. s. w. ist übrigens sehr ungeschickt.
Z. 81. Meine Uebersetzung „sie halten sich nicht zu* ist frei,
aber bei dem z. T. sehr freien Gebrauch des Verbs laikyti gewiss
nicht zu frei.
Z. 93. ZumLocat. daikti vgl. Beitr. z. Gesch. d. lit. Spr. S. 133.
ZZ. 90, 95. angu „oder" findet sich sonst nur in der Bretken-
schen Bibel, vgl. einstweilen Fortunatov K. Beitr. 8. 114.
Z. 96. padonieij und u. Z. 101 padaniu von einem *padänis.
20) Vgl. war da (im Namen), danga (in den Himmel) im ersten Bande der
Bretkenschen Postille SS. 411, 412.
474 Eine neugefdndene litauische Urkunde vom Jahre 1578.
Z. 107/108. Ant paßinima ir paftiprinima tu daiktu wörtlich:
„Zur Erkenntnis und Bestätigung der Dinge".
Z. 109. *Siekis habe ich mit Nesselmann (vgl. dessen Wörterbuch
S. 459) mit „December* übersetzt. Der Name desselben ist im preuss.
Litauischen sonst saüsis, wie schon Lepner „Der preusche Littauer*
S. 111 (»Der Christ-Monath, Saufis, von Saufas Trucken, weil als-
denn der Frost alles trucken macht") und Praetorius Delic. Pruss. S. 50
(„December: Sausis weil als dann trocken zu fahren ist") angeben.
Nach Szyrwid (vgl. Nesselmann Wbch. s. v. saüsis) jedoch — also im
ostlitauischen oder zemaitischen — ist saüsis der Name des „Januar".
Da, wie wir hieraus sehen, die Monatsnamen im Litauischen dialektisch
verschieden sind, so ist siekis möglicherweise nicht echt preussisch-
litauisch. Darf man, wie das saüsis nahelegt, annehmen, dass siekis
(= sekis) eigentlich „der trockene" bedeute, so ist in ihm ein Reflex
von lat. siecus, zend. hiku, haecaiih zu erkennen.
Zum Schluss gebe ich noch eine Anzahl von Verbesserungen des
Nesselmannschen Textes von U, die Herr Dr. Philippi, welcher die Güte
hatte denselben mit dem Original zu collationiren, mir mitgeteilt hat21):
S. 241. Z. 7 lies ä statt ir. Z. 15 1. valseziaus (das i ist über
der Zeile eingeschaltet) st. walsczaus. Z. 17 im Original steht basz-
niseziams st. baszniteziams. Z. 26 1. ä st. a. Jener Accent fehlt
niemals. Z. 29 1. basznitezian st. baszitezian.
S. 242. Z. 5 1. vriede (so immer) st. uriede. Z. 8 1. pagirdeiame
st. pagirdziame. Z. 12 1. kiek wienam (so immer) st. kiekwienam.
Z. 24 hinter ghreku steht ein Komma. Z. 25 im Original steht am-
szinay ä st. amszinaya. Z. 28 im Original steht pryniptu st.
prymtu. Z. 32/33 1. nepridotu st. nepridetu. Z. 35 die Worte
duschias ischganima sind zweimal geschrieben. Z. 36 1. deiwischka
st. teiwischka.
*») n S. 244 Z. 8 ergänze ich zu macies und emendire pridriame
S. 246 Z. 11 in prideiame.
Von Adalbert Betzenberger. 475
S. 243. Z. 3 1. wietasa st. wietusa. Z. 8 1. sunareis st. su-
nareis. Z. 17 1. kekschiste st. nekschiste. Z. 19 1. szeme st.
scheine. Z. 22 1. issirad^s . Kurusgi. Z. 28 1. wissakiu st. wisso-
kiu. Z. 29/30 das Komma gehört statt hinter buti hinter atsilaikitußi.
Z. 33 im Original steht issiratitusi st. issiraditnsi.
S. 244. Z. 4 1. randassi st. randasi. Z. 7 1. Dielta st. Dielto.
Z. 11 1. prastai. Z. 13 hinter nszgerime steht ein Komma. Z. 16
Frusischkas steht im Original. Z. 18 net ist zweifellos. Z. 21 1.
immer klibanas st. klebanas. Z. 24 hinter randame steht kein
Komma. Z. 25 1. niern st. niera. Z. 30 hinter prisakame steht
kein Komma. Z. 41 hinter nuwaszuia steht ein Komma.
S. 245. Z. 5 1. antrü st. antra; per steht über der Zeile. Z. 6
szmanies steht über der Zeile. Z. 7 hinter nekiste steht ein Komma.
Z. 9 hümti corrigirt über humas. Z. 17 hinter prissistatitusi steht
kein Komma. Z. 32 1. imssada st. imszada. Z. 35 1. pristaina.
[Göttinger Nachrichten 1877. No. 12. S. 241-264.]
Nene Copernicaua aus Upsala.
Vortragi gehalten im Copernicus- Verein für Wissenschaft and Kunst zu Thorn
am 4. Juni 1877
von
Maximilian Curtze.
Meine Herren! Sie werden alle wissen, dass ich in den Pfingst-
ferien mit Hinzunahnie eines mehrtägigen Urlaubes im Auftrage des
Fürsten Boncompagni in Bom einen Ausflug nach Schweden, speciell
Upsala, gemacht habe. Sie wissen ferner, dass Prof. Prowe dort bei
einem noch kürzeren Aufenthalte in dieser Stadt, als ich denselben
hatte, und unter weit ungünstigeren Bedingungen eine Reihe von
Copernicana gefunden hatte, welche im Laufe des dreissigjährigen und
der übrigen in Deutschland geführten Kriege der Schweden als Kriegs-
beute dahingelangt waren; und so war es natürlich, dass ich, nachdem
der mir gewordene Auftrag erledigt war, die mir bleibende Zeit zu
ähnlichen Untersuchungen verwendete. Diese sollten nicht ohne Frucht
bleiben. Ich habe eine grössere Zahl von Büchern nachgewiesen, welche
einst der Dombibliothek zu Frauenburg angehörten. (Sie tragen sämmt-
lich die von ein und derselben Hand aus dem Ende des XVI. Jahr-
hunderts herrührende Inschrift Liber Bibliothecae Varmiensis.) Manche
dieser Bücher waren nur durch diese Einzeichnung interessant, andere
aber enthielten theils von der Hand anderer, theils von der des
Copernicus Randnoten von mehr oder weniger Werth. Ich habe die-
jenigen, welche von Copernicus selbst heiTühren, sämmtlich copiert,
von denen, welche andere gemacht haben, nur diejenigen, welche
entweder für Copernicus oder für Personen, welche mit ihm in naher
Beziehung stehen, von Wichtigkeit sind. Am letzten Tage meines
Aufenthaltes legte mir der Bibliothekar, Herr Styffe, eine Reihe von
Neue Copernicana aus Upsala« Von Maximilian Cartse. 477
erraländischen Handschriften vor, in denen ich zwei längere Auf-
zeichnungen von Copernicus eigener Hand, sowie sonstige Acten über
ihn verzeichnet fand; die übrigen Handschriften stammen sämmtlich
aus dem Jesuitenkloster zu Braunsberg (es sind die Matrikeln, das
Examenprotokoll mit sämmtlichen gestellten Fragen und Antworten
eine Sammlung der von den Ordensobern ergangenen Verfügungen und
ähnliche Sachen)1); überhaupt befindet sich, wie ich mich zu über-
zeugen Gelegenheit hatte, die gesammte Bibliothek der Braunsberger
Jesuiten in Upsala; fast jedes zehnte Buch unter den älteren Sachen
ist dieser Abstammung. Die Untersuchung war dadurch eine lang-
wierige, dass das Bibliotheksgebäude einem Umbaue behufs Einrichtung
von Wasserheizung unterlag, die Bücher dadurch theils an andere Orte,
als die gewöhnlichen, gebracht worden waren, theils durch vorgeklebte
grosse Bogen Papier vor der Entfremdung seitens der Arbeiter ge-
schützt waren; die Aufsuchung der von mir gewünschten Bücher war
daher eine sehr beschwerliche, doch unterzogen sich die Beamten der
Bibliothek derselben in so aufopfernder Weise, dass nur eins der von mir
gewünschten Bücher nicht aufgefunden wurde, freilich eines, auf welches
ich sehr gespannt war, die Epistolae diversorum Philosophorum,
Venetiis 1499, aus welchen Copernicus den Theophylakt übersetzt, und
von dem sich ein Exemplar nachweislich in Frauenburg befunden hat.
Wäre das upsalenser und das frauenburger Exemplar dasselbe, so würde
es doch sicher das Handexemplar des Copernicus gewesen sein, dessen
Bibliothek mit verschwindender Ausnahme der Dombibliothek einver-
leibt wurde, und so vielleicht für die Beurtheilung seiner griechischen
Studien von noch grösserem Werthe sein, als das Lexicon des Chresto-
nius, das Sie ja alle gesehen haben. Während der unfreiwilligen Pausen,
die mir die zeitraubenden Nachsuchungen nach den verlangten Büchern
gaben, suchte ich die in Upsala in grösster Vollständigkeit vorhandenen
Kataloge der Handschriften der bedeutendsten Bibliotheken der Welt
durch und war dabei nicht wenig erstaunt, auf zwei höchst werthvolle,
bis jetzt absolut unbeachtet gebliebene Notizen über copernicanische
*) Man sehe Bipler, Analecta Waimiensia, Braunsberg 1872. S. 123—124,
478 Neue Copernicana ans Upsala.
Handschriften in der Wiener Hofbibliothek zu stossen. Die eine dieser
Handschriften führt den Titel: „Nicolaus Copernicus de Hypothesibus
motuum coelestium a se constitutis commentarius', umfasst 11 Blatt
und stammt aus dem 16. Jahrhundert, könnte also sogar Autograph
sein; die zweite ist ein Exemplar der „Epistola de octava Sphaera" an
den Domcantor Wapowski zu Krakau, von dem aber gesagt wird, es
sei in 1524 Fehlern nach dem avroy^atpov verbessert am 30. März 1575.
Von diesen Handschriften hätte die erste vor allen unschätzbaren Werth.
Es sind, soviel ich weiss, schon die nöthigen Schritte gethan, um beide
Handschriften nach Thorn zu erhalten.
Auch einige Bucher, welche wir durch Prowe schon als coperni-
canische kennen gelernt hatten, deren Bandglossen aber dieser über-
sehen, oder die zu copieren ihm nicht möglich gewesen war, habe ich
excerpiert. Ich gebe Ihnen jetzt ein Verzeichniss der Schriften, die ich
gesehen habe, und hebe bei jedem hervor, wodurch es vorzugsweise
interessant ist. Ich beginne mit denjenigen Büchern, die dem mathe-
matisch-astronomischen Fache entspringen.
1. Plinii historia naturalis. Venetiis 1487. Dasselbe hat die
Notiz: Liber Bibliothecae Varmiensis und gehörte zuerst einem gewissen
Caspar Salio Cervimontanus, von dessen Hand sich aber nur diese eine
Notiz findet. Darin sind aber Bemerkungen, welche bestimmt von
Copernicus herrühren, zum grossen Theile nur kurze Worte, welche ein
schnelles Auffinden einer gewünschten Notiz erleichtern können, dann
aber auch eine Notiz aus Cicero liber H academicarum questionum
über Niketus oder Hiketas, auf welche in der Widmung an Papst
Paul UI. hingewiesen wird.
2. Instrumentum primi Mobilis a Petro Apiano inven-
tum etc. Norimbergae 1534, aus der frauenburger Bibliothek, schon
durch Prowe bekannt. Die Noten sind sicher nicht, wie Prof. Prowe
angiebt, von Bheticus, dessen eigenthümliches kleines d nie vorkommt,
sondern von Copernicus selbst, dem das Buch durch Bheticus geschickt
wurde. In diesem Bande ist auch zuerst die Astronomie des Geber
gedruckt worden. Besonders in diesem Theile sind die Noten sehr
zahlreich; und vor allen hebt Copernicus diejenigen Stellen hervor, in
Von Maximilian Cnrtte. 479
welchen Geber seine von Ptolemäus abweichenden Ansichten übeT die
Constitution des Weltgebäudes zur Geltung bringt. Unter dem Titel
des Geber hat er z. B. geschrieben: Egregii calumniatoris PtolemaeL
Angebunden ist die Optik des Witelo in der Ausgabe Nürnberg 1533.
Darin auf dem letzten Blatte und dem hintern Deckel interessante No-
tizen über optische und mathematische Fragen, z. B. über die Bestim-
mung des Mittelpunktes einer Kugel.
3. Euklides, griechisch, Basileae 1533. Von Rheticus an Goper-
nicus geschenkt. Darin im Proklos Notizen des Copernicus, welche zum
Theil in beigefugten Figuren, zum Theil aber auch in kurzen Bemer-
kungen bestehen, welche Beziehungen zu früher von mir veröffentlichten
Bandnoten des Copernicus besitzen. Angebunden ist die Trigonometrie
des Begiomontan, Nürnberg 1533. Ein Beweis mehr für die Behauptung
des Bheticus, welche Berti in Zweifel ziehen wollte, dass Copernicus
diese Arbeit Begiomontans erst kennen lernte, als er seine Trigonometrie
beendet hatte, denn diese Bücher hat er erst nach 1539 erhalten.
4. Almanach Johannis Stoefflerini et Jacobi Pflaumen
von 1499. Gehörte einem gewissen Hans Gerschaw und ist voller
Notizen desselben. Aber eine Seite, die letzte leere Seite der Ephe-
meris für 1530, enthält von Copernicus Hand 10 Beobachtungen von
Sternen aus dem September und November des Jahres 1537, die letzten,
welche bis jetzt von ihm bekannt geworden sind. (Bis jetzt hatte ich
als letzte eine Beobachtung von 1532 veröffentlicht.)
Die übrigen Notizen des Copernicus finden sich in medicinischeü
Büchern und sind auch medicinischen Inhalts. Dieselben sind:
5. Practica Valesci de Tharanta. Lugduni 1490. Diese trägt
den eigenhändigen Namenszug Nicolai Copphernicj *) und gehörte testa-
mentarisch dem Domherrn Fabian Emerich. Darin sind eine grössere
Reihe von Becepten und diätetischen Regeln enthalten, auch ein solches
zu einem Haarfärbemittel.
6. Chirurgia Petri de Largelata. Yenetiis 1499. Auf dem
Titelblatt steht von Copernicus geschrieben: „Pro bibliotheca Episcopali
l) Dieser Namenszug ist, trotz der gegenteiligen Meinung Prowe's, Mittheüungen
aus Sehwedischen Archiven und Bibliotheken, sicher eigenhändig.
480 Neue Copernicaoa aus Upsala.
in arce Heilsbergk" und darunter von der gewöhnlichen Hand: Liber
Bibl. Varmien. Darin Recepte von Copernicus, darunter auch das von
Prowe in Facsimile aus einem andern Buche in Copernicus Besitz heraus-
gegebene. Angebunden ist Opus pandectarumMatheiSilvatici etc.
Venetiis 1498, das ebenfalls medicinischen nicht etwa juristischen In-
haltes ist. Auch hier befindet sich am Schlüsse ein grosses Becept,
das gegen jede Krankheit hilft.
7. Ortus sanitatis s. 1. et anno. Auf dem Titel Liber Biblio-
thecae Varmiensis. Darin eine grosse Zahl Becepte in deutscher
Sprache von Copernicus Hand.
8. Petrus de Montagana, Papie 1492, angebunden Practica
Ouainerij. Venetiis 1500. Liber Venerabilis Capituli Varmiensis,
darin hie und da Bemerkungen von Copernicus Hand.
Das sind die Werke, welche durch Copernicus eigene Hand aus-
gezeichnet sind. Es folgen nun noch einige, welche sich auf ihn be-
ziehen, respective von ihm benutzt sein können.
9. Die Originalausgabe des Buches de Bevolutionibus, welches
Exemplar Georg Donner von Rheticus geschenkt erhielt. Dasselbe ist
dadurch höchst interessant, dass der Besitzer mit Bothstift auf dem
Titel die Worte orbium coelestium gestrichen hat, sowie ebenfalls die
Vorrede des Oslander und den Brief von Schönberg roth durchkreuzt.
Angestrichen hat er die Stelle der Vorrede, in welcher der Brief von
Lysis an Hipparch erwähnt wird, sowie noch einige weitere Stellen im
Texte des Buches. Das Buch hat, ehe es an die braunsberger Jesuiten
kam, ebenfalls der Capitelbibliothek zu Frauenburg gehört, wie sich
aus einer Notiz auf der Rückseite des letzten Blattes, des Erratablattes,
folgert; dort steht nämlich Liber V. Capituli Varmiensis.
10. Ein Band, der der Jesuiten-Bibliothek zu Braunsberg gehörte, in
seinen älteren Theilen aber schon aus der Bibliotheca fratrum minorum
in Braunsberg stammt; die neueren Bestandteile sind erst nach des
Copernicus Tode hineingekommen. Darin ist aber eine Pergament-
Handschrift des Almanach Prophatii Judei von 1302, die Coper-
nicus sehr wohl benutzt haben kann, der den Prophatius mehrfach in
seinem Werke erwähnt«
Von Maximilian Cnrtze. 4g J
Auf Coperaicus beziehen sich nun noch, oder sind direct von ihm
yerfasst, 4 Stücke einer Handschrift der upsalenser Bibliothek, welche
erst in neuerer Zeit aus verschiedenen Bestandtheilen zusammengebunden
zu sein scheint. Darin sind zwei Verhandlungen d. d. Heilsberg,
22. September 1526, beziehungsweise d. d. Bartenstein, Montag nach
Yi8itationis Marie 1528, welchen Gopernicus als Zeuge beiwohnte.
Ausserdem zwei Gutachten, von Tabellen begleitet, für das Domcapitel
zu Ermland vom Jahre 1531 über — lachen Sie nur nicht — über
das Gewicht des Brodes, welches bei einem bestimmten Preise des
Scheffels Getreide für 6 oboli geliefert werden muss. Auch hier zeigt
sich der exacte Mathematiker, denn er fordert am Ende: „In quibus
omnibus exacta fiat, trutinatio non cum auäfd)Iag, ut solent merca-
tores, quoniam non mercaturam, sed certum modum requirimus.*
Von den sonst in den Analecta Varmiensia Hiplers verzeichneten
Büchern der Dombibliothek zu Frauenburg habe ich noch gefunden:
1. Kalendarium Johannis de Monteregio. Darin Vieles von
Jemand, der sowohl 1500 *) als 1538 in Born war, zum Theil in Chiffre-
schrift. Obwohl der Verfasser verheirathet war, so ist doch unzweifel-
haft, dass er ermländischer Domherr gewesen.
2. Eueherii Lucubrationes, Basel 1531, angebunden: Ange-
lomus ennarr. in quatuor libros Begum. Coloniae 1530.
3. Opera fulgenti Aphari, Hagenau 1520. Angebunden: Al-
berti Pii Carporum Comitis in locos lucubr. Erasmi. Venetiis
(Iunta) 1531.
4. Moralia Sancti Gregorii. Basel 1503.
5. Concordantiae maiores Bibliae. Argentinae 1530. In die-
sem Bande stehen eine Reihe von Bemerkungen über Brände im Bisthum
Ermland ; er gehörte zuerst Johann Langhanken, Pfarherr czu helsbergk
iam Canonici Warmiensis.
6. Consilia Magistri Bartholomaei de Montagana s. 1. et a.,
gehörte zuerst einem Johannes Falzi de Beke.
3j Es ist hier die Beobachtung der Mondfinsterniss vom 6. November 1500
angemerkt, welche auch Copernicua in seinem grossen Werke notiert hat.
Altpr. Monatsschrift Bd. XIV. Hft. 5 a. 6, 31
482 **ene Copernican» ans üpsala. Von Maximilian Cnrtse,
7. Plinii naturalis historia, Romae 1473, mit vorzüglich aus-
geführter Miniatureinfassung des Titelblattes.
Ausserdem fand sich noch eine Handschrift vor: Ex libris Jo-
hannis ä Preuck Canonici Varmiensis, welche an erster Stelle
die Statuta ecclesiae Varmiensis von 1532 enthält, unterzeichnet
Alexander Sculteti Ganonicus et Cancellarius manu sua subscripsit; (der
bekannte Freund des Copernicus und verheirathete Domherr). Der Best
ist schon aus Hosius Zeit und von Preuck unterschrieben.
Hier ist auch die Stelle, auf eine sehr werthvolle Handschrift hin-
zuweisen, welche der Prauenburger Bibliothek entstammt, aber der Auf-
merksamkeit Hipler's in seinen Analecta Warmiensia entgangen ist.
In der Ausgabe des Vitruvius von V. Rose und H. Müller-Strübing
wird unter der Chiffre L. ein Codex Leidensis (Vass.) 88 angeführt,
welcher aus dem X. Jahrhundert stammt und einst Johannes Dantiscus
gehörte, der ihn von Sebastianus Sperantius Bischof von Brixen um
1521 geschenkt erhielt. Er trägt die Inschrift Liber Bibliothecae Var-
miensis und ist aus der ältest bekannten Handschrift H (Harleianus
mus. Britan. 2767 saec. IX) in Deutschland abgeschrieben worden.
Speciell Wr Thorn von Interesse ist noch ein Buch, welches den
Vocabularius Juris utriusque, Nürnberg 1481, den Arbor Consanguini-
tatis des Joh. Andreae, Nürnberg 1481, und den Libellus legendi ab-
breviat in utroque jure s. 1. et a., enthält, da auf dem Titel des ersten
Baches sich die Notiz findet: Georgius Nijkke ä Thorun, von dessen
Hand auch sonstige Bemerkungen in dem Buche enthalten sind.
Sie sehen, meine Herren, dass ich manches für Copernicus Inter-
essante gefunden habe. Ich entledige mich hier zum Schlüsse nur
noch der angenehmen Pflicht, allen den Herren in Upsala, welche mir
für meine Studien mit der höchsten Zuvorkommenheit entgegengekommen
sind, auch öffentlich meinen tiefgefühlten Dank dafür auszudrücken.
[Thorner Ztg. v. 12. Juni 1877. Nr. 133.]
Kritiken und Referate.
&ef$i$t$b\toa int ^offisftyttfeti. Stja^ungen aus bem H!tert|nm,
ber beutföen unb branbenburgif <$ * preußif <fcen ©efötcfcte. Unter
ömidfidjtigimg ber mimfterteüen allgemeinen Sefttoramngen Dom
15. Octobet 1872 herausgegeben Don ßart 31. Ärfiger, §avtyt*
leerer in Sab 3oj)j>ot. 3^^ite unDer&nberte Stoflage. £>anjig,
£)ru<f unb SBertag Don 31. SB. Äafemann. 1877. Wt Stöbttbungen
$rei* 50 $f.
Die Handbücher der Geschichte für den Volksschul-Unterricht haben
früher in der Mehrzahl an einer confessionellen Färbung gelitten. Anf
Kosten der objectiven Darstellung waren die Begebenheiten mit ihren
Ursachen und Wirkungen, wie die historischen Charactere häufig ten-
denziös gefärbt. Die Verwaltungs-Grundsätze der Ministerien Baumer
und Mühler leisteten jenen Bestrebungen, die oft zur Geschichtsfälschung
fahrten, Vorschub. Erst den Bestrebungen des Ministers Falk war
eine Besserung vorbehalten.
Als Prodüct des freieren Geistes, welcher das Schulwesen heute
durchweht, ist das vorliegende Büchlein (84 Seiten) zu erachten und
deshalb schon von allen Lehrern und Erziehern mit Dank zu begrüssen.
Der Verfasser hat aber auch im Einzelnen seinen Stoff in geschickter
und für den Volksschul-Unterricht entschieden geeigneter Weise zu
bearbeiten gewusst.
In kurzen anziehend geschriebenen Bildern giebt der Verfasser die
Entwickelung der Völker des Alterthums, die wichtigsten Ereignisse
der deutschen Geschichte vom Ursprung bis zum 30jährigen Kriege,
brandenburgisch -preussische Geschichte bis zur Neuzeit. In das all-
31*
484 Kritiken und Referate,
gemein geschichtliche Material sind in entsprechender Weise kultur-
historische Mittheilungen verwoben und Characterzüge grosser Männer
erwecken bei den Schülern ein erhöhtes Interesse.
Die Einprägung der Zahlen wird durch eine besondere Geschichts-
tabelle unterstützt. Die einzelnen Bilder sind in geschickter Weise
in einen Rahmen gefasst, so dass sie ein einheitliches Ganze bilden.
Die dem Buche beigegebenen guten Holzschnitte zeigen die Bilder
Carl des Grossen, Heinrich des Finklers, Otto des Grossen, Heinrich IV.,
Friedrichs Barbarossa, Rudolfs von Habsburg, Gutenbergs, Friedrich
des Grossen, Josef II , Friedrich Wilhelm III., Wilhelm L, der Königin
Louise, des Fürsten Blücher.
Das Buch ist von der Kritik und von der Schule sehr günstig
aufgenommen worden, so dass in sehr kurzer Zeit die erste starke
Auflage vergriffen war. Zweifellos wird die Einfuhrung des Handbuches
in Volksschulen sich immer mehr verbreiten, und so manchen jugend-
lichen Geist anregen und zur Vaterlandsliebe hinfuhren. Das Buch
erscheint, übrigens nicht nur als Leitfaden für den Unterricht, sondern
auch zur Anschaffung für Volks- und Jugendbibliotheken ausserordentlich
geeignet. Die Verlagshandlung hat für gute Ausstattung gesorgt, die
um um so mehr anzuerkennen ist, als der Preis des Buches ein so
ausserordentlich billiger ist. Esca.
Anthropologische Gesellschaft m Dauig.
R. S. Bestrebungen auf dem Gebiete der Alterthumskunde der
Provinz Westpreussen.
Die „Danziger Zeitung* brachte im September 1876 (No. 9332)
eine Mittheilung über die Bestrebungen in der Provinz, die Eenntniss
der Zustände unseres Landes und ihrer Bewohner in vorgeschichtlicher
Zeit zu fördern. Unser Referat ist aus der „Danziger Zeitung * in ver-
schiedene Zeitschriften der Provinz übergegangen, und hat auch wohl
im Interesse der Sache gewirkt. Die Theilnahme an den Bestrebungen
auf dem Gebiete der Anthropologie, Ethnologie u. s. w. hat sich in
unserer Provinz entschieden gehoben.
Anthropologische Gesellschaft zn Dansig. 485
Zu den Erfolgen zählen wir zunächst die Gründung eines histori-
schen Vereins für den Regierungsbezirk Marienwerder, der in jüngster
Zeit einen ziemlich umfangreichen Band seiner Arbeiten herausgegeben
hat. Wir constatiren mit Freude, dass der neue Verein recht thätig
gewesen ist. Manches, was die Druckschrift enthält, wird vielleicht nicht
die streng wissenschaftliche Kritik passiren können, der Combination
ist wohl häufig allzuviel Spielraum gelassen, doch es ist ja erfreulich,
dass überhaupt das Bestreben gefördert wird, Klarheit zu schaffen,
wo früher das Dunkel der Vergangenheit undurchdringlich erschien.
Vor einigen Jahren hat sich eine Alterthumsgesellschaft in Elbing
gebildet, welche in den Bereich ihrer Forschungen und Sammlungen
auch die historischen und Kunst-Alterthümer gezogen hat. Die Berichte
über die Sitzungen jener Gesellschaft zeigen eine Mannigfaltigkeit der
Arbeiten, ein so reges Interesse für die Sache, dass die Erfolge not-
wendig sich herausstellen müssen.
Von grösseren Publikationen hat die Gesellschaft wohl bis jetzt
Abstand genommen.
Die anthropologische Section der naturforschenden Gesellschaft in
Danzig hat ihre Bestrebungen, unterstützt durch die Munificenz der
Staats- und Provinzialbehörden, eifrig verfolgt. In verschiedenen Theilen
der Provinz sind von hier aus Forschungen auf dem Gebiete der vor-
historischen Alterthumskunde angeregt und ausgeführt worden. Die
Theilnahme der Bewohner Westpreussens an den wissenschaftlichen
Tendenzen des Vereins hat sichtbar zugenommen. Die Sammlungen
der naturforschenden Gesellschaft auf diesem Gebiet sind nicht allein
numerisch, sondern auch in Bezug auf die Bedeutung der Funde sehr
gewachsen. Das Bestreben, hier ein anthropologisches Provinzial-Museum
für Westpreussen herzustellen, geht um so eher seiner Verwirklichung
entgegen, als die Zuwendungen, welche durch den Provinzial-Landtag
in jüngster Zeit der naturforschenden Gesellschaft in Danzig gemacht
wurden, die Mittel gewähren sollen, entsprechende Auf- und Ausstellungs-
räume zu schaffen. Die Gesellschaft verfolgt vor Allem den Zweck,
das reiche Material dadurch für die Wissenschaft verwerthbar zu machen,
dass sie die Fundgeschichte überall zu fixiren sucht. In neuerer
486 Kritiken und Referate.
Zeit haben die archäologischen Sammlangen der Gesellschaft die An-
erkennung von Fachmännern hervorgerufen.
Der bekannte Archäologe Dr. Schliemann hat hier die immerhin
bemerkenswerte Thatsache constatiren können, dass unsere pomme-
rellischen Gesichtsurnen oft bis zur Verwechselung seinen altgriechischen
Funden ähnlich sind.
Dr. Schliemann hat der Gesellschaft seine über die angeblich tro-
janischen Funde herausgegebenen Werke zum Geschenk gemacht. Am
22. Dezbr. 1875 hielt Dr. Lissauer einen Vortrag über Schliemann's
Ausgrabungen und deren besondere Beziehungen zu den pommerellischen
Gesichtsurnen.
Die Schriften der naturforschenden Gesellschaft haben auch in den
letzten Heften (Neue Folge dritten Bandes viertes Heft, Danzig 1875)
einen Theil den antropologischen Arbeiten eingeräumt. Das Heft bringt
den Bericht über die Untersuchung von Alterthümern in der Umgegend
von Neustettin vom Major a. D. Kasiski in Neustettin. Die interessanten
Mittheilungen sind durch Holzschnitte veranschaulicht.
In dem demnächst erscheinenden Hefte wird eine Arbeit des Herrn
Dr. Lissauer über drei Burgwälle bei Dt. Eylau Platz finden. Die
so vielfach vorhandenen, mehr oder weniger erhaltenen fortificatorischen
Anlagen der Vorbewohner unserer Gegend haben fortgesetzt die histo-
rische Wissenschaft beschäftigt. Die eingehende Untersuchung jener
drei Burgwälle bei Dt. Eylau hat mit Hilfe der Vergleichung der in
anderen Gegenden gewonnenen Resultate den Verfasser zur Entscheidung
geführt, dass eine dieser Anlagen (am Scholtenberg) ein alter preussicher
Burgberg ist.
Nach den Befunden der beiden anderen Wälle (am Labenc- und
am Silmsee) reihen sich dieselben den nach Virchow genannten wen-
dischen Burgwällen an.
Jeder von beiden Wällen hat seinen eigenen Charakter. Der Burg-
wall am Labencsee enthält eine so grosse Masse von Knochen vom
Hirsch, Rind und Hausschwein, dass man unmöglich annehmen kann,
dieselben seien nur die Abfalle der Küche in Zeiten der Noth, zumal
der innere Raum nur eine verhältniss massig kleine Zahl von Menschen
Anthropologische Gesellschaft m Dansig. 487
beherbergen konnte. Dem Verfasser der Abhandlung erscheint es wahr-
scheinlicher, dass der Wall lange Zeit hindurch regelmässig benutzt
worden ist, entweder als allgemeiner Koch- oder Opferplatz, während
die Bevölkerung selbst in der Nähe ihre Wohnsitze hatte. Die im Walle
gefundenen charakteristischen Thonscherben lassen den Schluss zu, dass
die Anlage dem Ende des vorigen Jahrtausends angehöre.
Der Burgwall am Silmsee dürfte derselben Zeit seine Entstehung
verdanken. Im Wall selbst und in dem innern kesselartigen Baum
finden sich wenig Thierknochen, dagegen seltsamer Weise ein mensch-
licher Schädel in einem Gefäss von echtem Burgwalltypus auf einer
Feuerstätte aus Stein 4 Fuss tief in der Erde.
War dies das Grab eines in der Ferne Verstorbenen, dessen Haupt
die Freunde nach der heidnischen Sitte abgeschnitten und zu Hause
beerdigt hatten ? Dann Bleibt es auffallend, dass die Beerdigung nicht
auf dem allgemeinen Begräbnissplatz stattgefunden hat. Oder war dieser
Burgwall nur ein heidnischer Opferplatz und ist hier ein Menschenopfer
dargebracht worden?
In der Sitzung der anthropologischen Section am 5. April 1876
besprach Dr. Mannhardt aus dem Kreise seiner umfassenden Unter-
suchungen für mythische Ackerbau-Gebräuche eine Fülle von ihm neu
erhobener interessanter Thatsachen für das Verständniss uns überkomme-
ner, unbewusst geübter Formen. Der Vortragende hat den Nachweis
geliefert, dass in allen nordeuropäiscben Ländern unter dem Landvolk
eine grosse Anzahl von Gebräuchen und aus alter Zeit überkommener,
wenn auch in moderne Formen umgestalteter Redensarten bei Saat und
Ernte erhalten ist, welche heutzutag nicht mehr verstanden, und nur aus
Gewohnheit fortgeübt, den einstigen Glauben unserer Vorväter bekunden,
dass der Pflanze, zumal der Culturfrucht, ein dämonisches Wesen nach
Art der griechischen Dryaden einwohne. In der Provinz finden sich
häufig kegelförmige Sandhügel mit regelmässigen Steinsetzungen an-
scheinend regellos gruppirt vor. Man hat bisher jene Hügel, die in
der äusseren Anlage den hier ebenfalls vorkommenden Hügelgräbern
gleichen, für Grabstätten gehalten. Die wiederholten umfassenden Unter-
suchungen solcher Denkmäler der Vorzeit haben das Resultat geliefert,
4gg Kritiken and Referat».
dann jene Hügel keine Grabkammern enthalten, auch in der Kegel da-
rin keine Gegenstände vorgefunden werden, welche auf den Zweck der
Bestattung schliefen lassen. Die fibereinstimmenden Befunde haben
nun zu der Ueberzeugung geführt, dass wir es hier mit Mal- oderGe-
dachtnisshögeln zu thnn haben, wie sie die germanischen und die classi-
schen Völker des Alterthnmes zur Erinnerung an Personen oder Ereignisse
errichteten.
Diesen kurzen Mittheilungen über die Bestrebungen auf dem Ge-
biet der Altcrthumsforachung möchten wir wiederum die Bitte hinzu-
fügen, uns allseitige Unterstützung, sei es durch Beitritt zur natur-
forschenden Gesellschaft*), sei es durch Interesse für die Vennehrung
unserer Sammlungen, sei es durch baldige Mittheilungen aller Vor-
kommnisse, welche die Bestrebungen des Vereins berühren, zu gewahren.
[Dilti. Ztg. 1877. No. lOll&I
Älttrthumsgf scilschaft Prussia.
Sitzung dsn 16. HSrt Dr. Bojaclt hielt einen Vortrag über die Opfer, »eiche
die Danager in dem Städtekriege (HM— 6G) brachten. Nicht allein dia Dansig«
Chroniken im i. Bande der scriptor. rer. Pruasicar., welche Professor Hirsch heraus-
gegeben, sondern auch spezielle Studien, welche der Vortragende schon vor einige'
Zeit im Danziger Stadtarchiv gemacht, sehten ibn in Stand, die Thätigkeit derDan-
liger Bürger nach mehreren Seiten f-!- ' ■ — - ■"- *» • in]" *d™
Prenssen um 17,980 »volkreicher un
energische Thätigkeit der damals ;
ist nicht allein in ihrem Streben, i
zu befreien und von dem Hinterl
sondern auch in dem Martyrium d
nach der Schlacht bei Tannenber
wurden. Die Bewohner der prenss
ritterschaft sahen damals nicht mel
deutschen Ordensrittern, denen schi
der Taufe der Littaner ihr eigentli
*) Auswärtige Mitglieder zahlt
werthvollen Schriften der Gescllsc
bedingt einen jährlichen Beitrag von
einmal erscheinende Correspondenzl
Alterthumsgesellachaft Prussia. 489
Heiden* fehlte. Die Bürgerschaften der preussischen Städte, welche im preussischen
Bande zusammengethan waren, kannten keine Abneigung mehr gegen die Slaven,
sondern trugen dem polnischen König die Oberherrschaft über Preussen an, welche
er als eine formelle, aber keine thatsächliche nach dem den preussischen Ständen
bewilligten Privilegium annahm, wofür er als Befreier begrüsst wurde. Aber seine
Befreiungsmittel »Heer und Truppen* waren höchst mangelhaft, noch mangelhaftet
deren Besoldung und endlich der König selber darauf bedacht, die den preussischen
Städten zugedachten Privilegien zu brechen oder wenigstens zu seinem Vortheil aus-
zubeuten. Danzigs Bath erkannte die ganze Schwierigkeit der Lage, aber hielt an
dem einmal eingegangenen Yerhältniss mit unveränderter Zähigkeit und Aufbietung
aller Hilfsmittel und Kräfte so fest, dass er den Ausschlag gab. Freilich ist dies
durch die Kriegsführung allein nicht geschehen. Dieselbe bietet ein trauriges Bild.
Der Hauptschlachten werden wenige geschlagen, die Heerschaaren bestehen fast nur
in einzelnen Rotten und die preussischen Städte wären rathlos gewesen, wenn ihre
Bürger nicht in früheren Zeiten vom Orden gelernt hätten, sich wehrhaft zu machen.
Mit Bewaffneten und mit Basteien versehene Schiffe fahren die Weichsel hinauf und
hinunter, vor den Städten wird geackert und gesät, trotzdem Krieg ist, aber die
Ernte nimmt bisweilen der Feind den Besitzern fort, wie das vor den Stadtmauern
weidende Vieh. Mit Verrath bemächtigt man sich in den meisten Fällen einer fried-
lichen Stadt, was bei den grössten Städten Preussens, wie Danzig und Thorn, von
den Anhängern des Ordens wohl versucht, aber nicht ausgeführt werden konnte.
Den kriegerischen Bewegungen zu Wasser und zu Lande lag trotz scheinbarer Regel-
losigkeit ein Kriegsplan zu Grunde. Auf 3 Linien vollziehen sich die Operationen
der bündischen Städte, auf dem untern Lauf der Weichsel von Thorn bis zu ihrer
Ausmündung, ferner längs der preussischen Küste und auf einer Linie im Binnen-
lande von Stuhm bis Wehlau. Zum See- und Flusskampf und zu Abschneidung der
Zufuhr traten die Danziger vor Allem ein, dagegen zum Landkampf nur in Städten
nahe dem Weichsellauf und ihrem Stadtgebiet, weshalb nur die theilweise Ausführung
des Kriegsplanes gelungen ist. Welche grossen Geldmittel die Danziger aufboten und
welche Einzelheiten der Ereignisse im Kriegslager stattfanden, ist für den Beginn
des Krieges in ausführlichen Aufzeichnungen erhalten, wird aber, je länger der Krieg
dauert, desto knapper und kärger mitgetheilt. Aus dem Jahre 1466 wissen wir, dass
die dem preussischen Bunde angehöligen Mitglieder nach ihren Steuerbeiträgen in
sechs Klassen eingetheilt waren und dass zur 6., zur niedrigsten Klasse, unter andern
Gollub, zur 5. unter andern Strasburg, zur 4. unter andern Culm, zur 3. Elbing, zur
2. Thorn, zur 1. Danzig allein gehörte und dass solch ein Unterschied für die Ab-
gaben stattfand, dass Gollub nur 100 Gulden, Danzig dagegen 33,750 Gulden zahlte.
Nächst dieser grossen Geldabgabe hatten die Danziger noch den ganzen Krieg hin-
durch 15,000 Söldner zu unterhalten, während Thorn nur den 5. und Elbing den
8 Theil jener Söldnerzahl unterhalten durfte. Solche für Danzigs Kraft enormen
490 Kritiken und Refciate.
Leistungen konnten nur durch die drückendsten Steuern and Anleihen verschiedenster
Art aufgetrieben werden. Im Frieden und aar Zeit der Ordensregierung hatten die
Zünfte und die ärmeren Bewohner Danzigs sich besser befanden, daher konnten sie
Ton einem Anhänger der Ordensregierung, die das Regiment des Raths stürzen sollte,
gewonnen werden. Der polnische König nahm allerdings nicht die Abgaben, welche
der Orden früher eingetrieben, für sich in Anspruch, sondern liess sie der Kasse des
preussischen Bundes, doch hiess er die Massregeln des Danziger Raths, neue Geld-
mittel zu gewinnen, stets gut und gab ihnen seine Königliche Autorität. So u. a.
für den 4. Pfennig von den Renten, welche nicht allein die Kaufleute und Hand-
werker, sondern auch alle Dienstboten traf. Doch die mannigfachsten Steuern konnten
nicht ausreichen, es mussten noch Anleihen gemacht werden, zum Theil bei Danzi-
gern, zum Theil bei Auswärtigen, die für ihr Darlehn bisweilen freies Geleit für ihre
Waaren und ihre Kaufgesellen nach Danzig sich ausbedangen. Bei grosseren Dar-
lehnen wurden auch Unterpfander in dem Kirchensilber, einem Fischamt oder einer
Mühle gegeben. Kleinere Summen wurden vom Danziger Ruth u. a. gegen Leibrenten
aufgenommen und verblieben nach dem Tode oder Parteiübertritt des Rentennehmers
der Stadt. Doch alle diese finanziellen Anstrengungen der grossen Weichselstadt
hätten der Sache der Freiheit durchschlagend nicht geholfen, wenn der Rath nicht
Caperbriefe ausgetheilt und Danzig eine maritime Bedeutung gewonnen hätte. Freilich
sind noch zahlreiche Reclamationen wegen unrechtmässig genommener Prisen vor-
handen; aber der Danziger Rath hatte der Ausreden viele und schob die Schuld im
äussersten Falle auf Piraten, die ohne jegliche Autorisirung Danzigs ihren Privat-
vortheil suchten. Der geschickte Agitator bei den Zünften und dem armen Volke
Danzigs war schon hingerichtet worden, ehe die Stadt solchen Yortheil von dem
Caperwesen hatte, und keinem Anhänger der Ordensregierung gelang es mehr, in so
erfolgreicher Weise, wie der hingerichtete Martin Kogge es vorher gethan, die Zünfte
und das Volk gegen den Rath aufzuwiegeln. Allerdings hatten Gewohnheit und Zeit
dazu beitragen müssen, die im Anfange schlechten und wenig brauchbaren Bürger-
contingente in brauchbares Kriegsvolk umzuwandeln und die Rathsherren zu tüchtigen
Hauptleuten umzuschaffen. Ihren grOsstenRuhm im Landkampf erlangten sie durch
die Eroberung der Stadt Marienburg 1460, doch das meiste für die Befreiung vom
Orden thaten sie zur See und in Auftreibung der grossen Geldmittel.
Vor dem Vortrage wurden noch 2 Stücke vorgelegt. Zuerst zeigte Direktor
Friederici eine Ordensurkundo auf Pergament mit Siegel vom Jahre 1410, von
dem Ordensmarschall Friedrich von Wallenrod erlassen, die im Jahre 1527 unter
Herzog Albrecht von Preussen werthlos gemacht »getodtet* wurde, da er eine neue
Urkunde auf Grund der alten aufsetzen Hess.
Hierauf erfolgte die Vorlage eines sehr kostbaren Geschenkes des Ritterguts-
besitzers von Skopnick zu Gr. Stürlack, Kr. Lotzen, nämlich eines grossen bronzenen
Meisseis für die archäologische Sammlung, Die Länge des Meisseis von der Bahn
Alterthumsgesellschaft Prmssia. 491
bis zur Schneide beträgt 18 ctm., die Bahn hat die Breite von 3,5 ctm., die Sehneide,
die in Form eines Kreissegments ausladet, misst von dem einen Endpunkte desselben
bis zu dem andern in gerader Linie 10,7 ctm. Die Seiten des Bahnendes sind be-
sonders an der sich verbreiternden Stelle mit erhöhten Bändern versehen.
Von solchen in Alt-Preussen gefundenen bronzenen Meissein (Palstäben), die
durch Einsetzen in einen krückenartigen Schaft als Streitäxte benutzt wurden, be-
sitzt die Sammlung der Prussia ausser dem neu hinzugekommenen erst 11 Exemplare.
Die beiden kleinsten und flachsten Meissel, fast ganz ohne erhöhte Bänder an der
Bahn, sind gefunden bei der Kreisstadt Marienburg in West-Preussen und bei Po-
gauen, Kr. Königsberg; 4 Meissel mit einer Schneide, die fast halbkreisförmig ausladet,
sind gefunden, 2 Exemplare bei DunkershOfen, Kr. Königsberg, 1 bei Powunden, Kr.
Königsberg, 1 in der Kreisstadt Pr. Holland; 4 Meissel haben eine Sohneide, die fast
geradlinig abschliesst und nicht viel breiter ist, als die Bahn und sind gefunden bei
der Kreisstadt Lotzen, bei Germau, Kr. Fischhausen, bei Lindenau, Kirchspiel Gr.
Ottenhagen, Kr. Königsberg, und bei Radossk, Kr. Strasburg. Nur das 11. Exemplar
hat ein Oehr mit einem Fuss auf dem Bahnende sitzen zum Durchziehen eines Draths
damit der Meissel in den krückenartigen Holzschaft um so fester sass und er
als Streitaxt um so dauerhafter war. Die Schaftlappen stehen gerade aufrecht im
rechten Winkel uud zur Schneide. Ausser diesen 12 Altpreussischen Meissein (Pal-
stäben) besitzt die Prussia-Sammlung noch 2 aus dem Königreich Böhmen und 3 aus
der Mark Brandenburg; diese 5 fremden Meissel haben aber eine andere Form, be-
sonders an dem Bahnende. [Ostpr. Ztg. 1877. Nr. 91. (Beil.)]
Sitzung den 20. April. Professor Benecke hielt einen Vortrag über die Methode
der Schädelmessungen. Von Gall's anthropologischen Vorlesungen am Ende des
vorigen Jahrhunderts aasgehend, führt der Vortragende aus, dass eine Lokalisation
der Geistesfähigkeiten nur in Bezug auf die Sprachwerkzeuge nachgewiesen werden
kann, sonst nicht. Die Beschreibung des Schädels selbst erfolgt durch Vorzeigen
einiger in verschiedenen Stadien der Entwicklung stehengebliebenen und verschieden-
artig gebildeten Exemplare, von denen die niedrigsten Entwickelangen die Schädel
eines 6 Monate alten Embryo, eines 21/, Jahre alten Kindes und eines Wasserkopfs
aufweisen. Die Theile eines nach Verwachsen der Nähte regulär ausgebildeten Schädels
werden an einem Exemplar gezeigt, an welohem die vershiedenartigen Knochentheile
mit je einer andern Farbe unterschieden sind. Die Schädel zerfallen in Betreff der
Form in Lang- und Kurzköpfe (Brachycephal und Dolichocephal); in Rücksicht auf
den Oberkiefer, je nachdem derselbe vortritt, der Ober- und Unterkiefer in einer
senkrechten liegen, in prognathe oder ortognathe und je nachdem die Nähte an dem
Schädel rechtzeitig oder zu frühzeitig verknöchern und die Schädelhohle sich nicht
hinreichend erweitern kann, in regulär gebildete und mikrozephale, die nicht immer
geistig beschränkt zu sein brauchen. — Von den Messungen hebt der Vortragende
von allen die Virchow'sche, von der deutsch-anthropologischen Gesellschaft festge-
492 Kritiken und Referate.
haltene Methode hervor, welche die Jhering'sche Horizontale zu Grunde legt nnd
nach welcher die Längen-, Breiten- nnd Höhendimension sich unter rechtem Winkel
schneiden. Die Jhering'sche Horizontale geht durch die Mitte der Ohröffnungen und
den untern Band der Augenhöhle. Bei Betrachtung des Gesichtswinkels wird die
immer auf's Nene bestätigte Beobachtung erwähnt, dass derselbe bei den mehr civüi-
sirten Völkern sich einem rechten nähert, bei den weniger gebildeten aber spitzer
ist. Die Capacität des Schädels wird durch Hir^efüllung gemessen. Aber Schlüsse
auf die Gehirnthäthigkeit und die geistigen Eigenschaften nur aus den Messungen
zu machen, sind nicht immer zutreffend. Eigentümlichkeiten der Neger-, Patagonier-
und anderer amerikanischen Schädel finden sich auch bei europäischen Schädeln,
z. B. das Inkabein unter 300 Schädeln in Königsberg, der Sammlung der Königl.
Anatomie, der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft und der AlterthumsgescUschaft
Prussia gehörig, 6 Mal. Bisweilen zerfällt der Inkaknochen, der am untern Theil
des Hinterhauptes vorkommt, noch in mehrere Theile. Wie dieser Inkaknochen als
eine Abnormität an den Schädeln der Sammlung der Prussia vertreten ist, so ein
eigentümlicher Schneidezahn, der an der Krone nicht meisselförmig, sondern kegel-
förmig gestaltet ist und den Namen des »Eidechsenzahns4 trägt, in europäischen
Sammlungen erst 4 Mal beschrieben. Von diesen eigenthflmlichen Bildungen der
Natur sind die Deformationen, die künstlichen Entstellungen der Schädeltheile zu
unterscheiden, wie sie durch einen Druck auf den Schädel vor seiner Entwickelung
mit Hülfe von Brettern und Binden in Peru und Chili vorkommen, durch letztere
aber auch in Europa. Von der Detail-Beschreibung der Schädel in den Sammlungen
der Prussia, gefunden bei Wiskiauten, Kreis Fischhausen, Lobitten, Kreis Königsberg,
Löbertshof, Kr. Labiau, Legden, Kr. Pr. Eylau, Keimkallen, Kr. Heiligenbeil, Skatnick,
Kr. Bastenburg, Wilhelmsmark, Kr. Schwetz, nimmt der Vortragende jetzt noch Ab-
stand, da dieselbe von Prof. Xupffer für den Gesammtkatalog der deutschen Schädel-
sammlungen ausgeführt ist, welche in dem Archiv für Anthropologie erscheinen wird.
Der Vorsitzende Dr. Bujack theilt aus einem Schreiben der Königlichen Re-
gierung mit, dass auf Bericht derselben des Kultusminister eine Subvention für die
Fortsetzung der Untersuchung der Wallberge des Bartener Landes gewährt hat.
Dr. Bujack und Freiherr v. Bönigk übernehmen die Arbeit.
Der Vorsitzende legt die aus dem Nachlass des in Kreuzburg verstorbenen
Schlossermeisters Schötel angekauften Alterthümer heidnischer Zeit vor. Der Ver-
storbene hatte für zu viel Gebiete Sammlungen angelegt, als dass er in einem Felde
durch die Zahl seiner Nummern etwas Hervorragendes leisten konnte. Selbst Natu-
ralien, Muscheln und Versteinerungen hatten sein Interesse erregt und bildeten neben
dem Porzellan, alten Bildern, Münzen, Miniaturen, Dosen, Waffen neuerer Zeit, unter
denen eine grosse Zahl schöner Dolche sich auszeichnete, und Altertbümera heidnischer
Zeit eine besondere Abtheilung. Traf der Fremde diesen reichen Alterthümler in
guter Stimmung, so konnte er ihm in jeder Abtheilung seltene und kostbare Stücke,
Alterthumsgesellschaft Prassia* 493
auch yon Möbeln und anderen Dingen zeigen. Unter diesen Umstanden ist es er-
klärlich, dass seine bunt zusammengefügte Sammlung sich nach den verschiedensten
Stellen zerstreut hat und zerstreuen wird. Die Zahl der Nummern von heidnischen
Alterthümern, die nach seinem Tode zurückblieben und von der Gesellschaft gekauft
wurden, betragt mit Ausschluss einiger unwichtigen Stücke ca. 50. Die beiden kost-
barsten Stücke seiner Prussica hatte er schon vor seinem Tode verkauft: es war ein
bronzenes Schwert etruskischer Arbeit, ca. 500 v. Chr., gefunden an dem schon lange
abgebrochenen Gasthause »der Falke* vor dem ehemaligen Brandenburger Thor
unserer Stadt Königsberg, und ein kleiner Goldschmuck (Filigranarbeit auf einer Platte
befestigt), gefunden bei Rudau, Kreis Fischhausen. Ersteres Stück kam in die Samm-
lung des Kittergutsbesitzers Blell auf Tüngen, Kreis Wormditt, letzteres durch Ver-
mittelang des Photographen Carl Beyer aus Warschau in die Sammlung dor Prussia.
Den Ankauf der jetzt erworbenen Gegenstände übernahm freundlichst Kaufmann
Liedemann. Es sind sechs durchlochte Steinäxte und ein Keil aus Diorit-Porphyr
mit ansehnlichen Albit-Krystallen, 115 mm. lang, 53 mm. an der Schneide, 35 mm.
an der Bahn und in der Mitte 36 mm. dick. Leider ist der Fundort dieses Stücks
nicht angemerkt gefunden, während dies bei den sechs durchlochten Steingeräthen
der Fall ist. Eine in einem Hünengrabe zwischen Bartenstein und Pr. Eylau 1848
gefundene durchlochte Axt aus Diorit mit winzigen Albitkörnern ist merkwürdig
wegen des nicht senkrecht gearbeiteten Bohrlochs und wegen seines verschiedenen
Durchmessers an den Oeffnungen und in der Mitte als der grössten Verengung,
Die Axt hat die Form eines sogenannten Possekels und bildet im horizontalen
Durchschnitt fast die Figur eines gleichschenkligen Dreiecks. Eine bei Bartenstein
im Jahre 1845 gefundene Axt aus Diorit ist ausserordentlich kunstvoll geschliffen.
Ein Doppelbeil aus Diorit mit hervorragenden Hornblendekrystallen ist wegen seines
Fundorts interessant. Derselbe, »unter dem Fundament eines Hauses in Lyckc,
könnte der Vermuthung Baum geben, dass der Erbauer des Hauses durch Ein-
mauern dieses Steingeräthes Bein Haus vor Einschlagen des Blitzes schützen wollte,
ein Glauben, der in Masuren noch im 1P. Jahrhundert verbreitet war. Eine durch-
lochte Axt aus Diorit, in dem durch oberflächliche Verwitterung des Albits die Horn-
blende-Krystalle vorragend erscheinen, ist das erste innerhalb unserer Stadt, nämlich
in einem Garten eines Hauses in der Bossgärter Predigerstrasse gefundene Geräth,
das in die Prussia-Sammlung kam. Zwei durchlochte Aexte aus Sandstein Bind bei
Gerdauen gefunden, beide haben ihr Bahnende in besonderem Ansatz, eines knopf-
artig, das andere würfelförmig, beide haben ihre grösste Breite in der Wandung des
Bohrlochs. Von den bronzenen Gegenständen gehören 2 Meissel der vorchristlichen
Zeit an, leider beide ohne Angabe des Fundorts, aber in Formen, die in Altpreussen
schon gefunden sind. Derselben Zeit gehört ein Diadem aus Bronzeblech mit fünf
Reihen eingeschlagener Punkte an, das in einem Grabe bei Bauschen, Kreis Fisch-
hausen, gefunden wurde. Desgleichen 4 Armbänder» das seltenste, das Sohlossermstr,
494 Kritiken und Referate,
#
Sehötel aus dem Naohlass des Geheimrath Schubert kaufte, Tgl. Lindenschmit:
Die Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit, Bd. II, Heft 5, Taf. 4, Fig. 3 u. 4.
Ein 2,5 ctm. breites Bronzeband mit eingeschlagenen Reihen in der Mitte und
einer Zickzacklinie auf der einen Hälfte des Bandes macht eine sechsmalige Windung
als Spirale und verjüngt sich an den beiden Enden zu einem Bronzedraht. Die
Enden legen sich, jedes für sich, durch neunmalige Umwindung zu einer Scheibe zu-
sammen, die- einen Durchmesser yon 4 ctm. hat. Die andern bronzenen Armbänder
sind sämmtlich einfach in Bandform, die einfachsten aus einem kreisförmig gebogenen
Stabe, oder durch drei zusammengewundene Bronzedrähte hergestellt, von denen
jeder 1,5 ctm. Durchmesser hat, die kunstvolleren Armbänder haben 3 ctm., 1,7 ctm.
und 2,7 ctm. Breite; das letzte ist ganz glatt und an den Enden wulstartig ver-
breitert; das breiteste und schmälste Armband haben an den Enden senkrechte Strich-
Verzierungen, in dem dazwischen liegenden grösseren Raum horizontale Linien- Ver-
zierungen. Ein schwereres Schmuckstück ist ein bronzener Ring, vielleicht für den
Enkel, wie in der Januar-Sitzung d. J. 2 solcher Ringe, in Alknicken gefunden, der
Sammlung geschenkt wurden. Der Ring besteht aus 2 Hälften, die auseinander ge-
nommen und zusammengeschoben werden können und durch 2 Stifte. in je 2 über-
einander liegende Löchelchen zusammengehalten werden. Der Enkel, um den der
Ring gelegt wurde, durfte nicht stärker sein als 8 ctm. und 8,6 ctm; denn der um-
schlossene lichte Raum ist nicht kreisförmig, sondern oval. Der Durchmesser des Ringes
selbst beträgt 1,7 ctm. 7 Gewandnadeln mit einer Nadel am Channer aus Bronze
theilen sich in folgende Gruppen: die jüngste ist scheibenförmig und hat ein Muster,
wie es Montelins, antiquite*s suädoises M 578 und M 579 abbildet, eine andere ist
eine Armbrust-Fibula vgl. memoires du Nord 1872 Bornholm PI. 9, Fig. 7, für die
übrigen 4 vgl. Schriften der physikalisch -ökonomischen Gesellschaft 1873 Tafel 8
M 1 und M 44. Drei hufeisenartige Gewandnadeln aus Bronze mit lose, in einer
Oese hängender Nadel sind dem 10. bis 12. Jahrb. angehörig, vgl. Bahr, Gräber der
Liven Taf. VII. Fig. 10. Auch eine bronzene oder messingne Parierstange eines
Schwertes in Halbmondform, so wie ein Stück bronzener oder messingner Schaale,
in Samland gefunden, am Rande 1 ctm., am Boden 2% ctm. dick, gehört der letzten
heidnischen Zeit oder schon der christliehen Zeit in Preussen an. Die inSergitten,
Wiakiauten, Enöppelsdorf im Samland gefundenen bronzenen Schaalen- Fragmente
und die im Prömbooker Schlossberg Er. Rastenburg gefundene Schaale haben eine
viel grössere Dünnheit. Von den andern Alterthümern sind nur noch 32 Bernstein-
perlen von Wichtigkeit und als heidnische zu bezeichnen, alle bis auf 6 roh be-
arbeitet, von denen 2 cylindrisch, 2 scheibenförmig und 2 walzenförmig sind. —
Hierauf theilt der Vorsitzende ein Schreiben des Vorstandes des Peabödy-Mu-
senms aus Cambridge in den vereinigten Staaten mit; berichtet, dass der zu Gr.
Stürlack, Er. Rastenburg, gefundene grosse bronzene Meissel, welcher in der letzten
Sitzung vorgelegt wurde, ein Geschenk des Grundbesitzer Skopnick zu Gr. Stürlack
Alterthumsgeselkehaft Prnssia. 495
sei und giebt die Daten der von Dr. Tribukeit in Rastenburg im vorigen Sommer
am WakUiati8 Görlitz, Kr. Rastenburg, gemachten Ausgrabung, indem er eine mit
Ausschluss des Halses wohl erhaltene Urne vorlegt. Dieselbe ist 26 ctm. hoch, hat
an der Bodenfläche einen Durchmesser von 17 ctm., als Durchmesser der gross ten
Ausbauchung 39 ctm., als Durchmesser der Halsöffnung 21 ctm. Diese Urne stand
in einem Urnenfeld, ohne das« auf der Erdoberfläche ein Merkmal gewesen wäre,
1% Fus8 tief, war oben mit einem Deckstein zugedeckt, der 2 Fuss lang, 2 Fuss
breit und über einen Fuss dick war, zu den Seiten kreisförmig mit Zwicksteinen
umgeben. In 3 Fuss Entfernung von der eben beschriebenen Urne fand Dr. Tribnkeit
in derselben Tiefe auf einer Urne aus schwarzem Thon eine kleinere mit umge-
kehrtem Hake stehen und auf den nach oben gerichteten Boden der kleineren
einen Stein gelegt. Leider konnten nur die Stücke der Halsöffnung der grösseren
untern Urne erhalten werden; dieselben sind jetzt gut zusammengesetzt. Der
Durchmesser der Halsöffhung beträgt 12 ctm., derjenige der Bänder des aufgesetzten
Halses 17,4 ctm. Die Musterung dieser Halsöffhung ist eine seltene und geschmack-
volle. Zwischen concentrischen Kreisen, die die Oefraung einschliessen , läuft ein
Zikzackmuster und in jedem der innerhalb und ausserhalb gebildeten Winkel ist ein
»Anker4 eingefügt. Der Inhalt der Urne bestand aus drei geschmolzenen Glas-
perlen und einem Stück Feuerstein.
Nicht mehr erhalten waren die Urnen auf einem Feld des Abbaus Cobjeiten
Kreis Fischhausen, dem Grundbesitzer Dagott gehörig. Dr. med. Hennig und
Mühlenbesitzer Seilnick konnten das im vergangenen Sommer feststellen, aber sie
fanden in den vom Pfluge zerstörten Urnen 40 roh und 26 fein bearbeitete Bern-
steinperlen, unten denen sich eine Paukenperle (Tympane), mehrere cylindrische und
scheibenförmige befinden, von welchen letztere einen eingekerbten Rand hat.
Ferner war als Geschenk von Dr. med. Hennig zur Sammlung heidnischer
Alterthümer Übergeben ein bei Bauschen, Kreis Fischhausen, gemachter Fund, be-
stehend in einer bronzenen Sohnalle, 4 bronzenen Fingerringen zum Federn, von
denen einer auf der äussern Seite eine Art Ringschild mit Verzierungen hat, in
2 Fragmenten von einem bronzenen Halsring, der aus 3 Dräthen zusammengewunden
ist, in einer angeblich dabei gefundenen 8,3 ctm. hohen Bleifigur eines römischen
Kriegers. Yom Gymnasiasten Botho von Steegen eine kleine Feuersteinspitze,
gefunden bei Zoppot in Westpr. Vom Gerichtsrath Münchmeyer in Sensburg
folgende Alterthümer des 2. und 3. Jahrh. n. C. aus dem Urnenfeld bei Gruneyken
Kreis Darkehmen: ein bronzener Gewandhalter in Form der römischen Armbrust-
fibula, eine bronzene Pincette, 2 bronzene Zierstücke in Silbergroschenform mit
Oeaen zum Anhängen, eine gereifte blaue und eine goldene Stangenperle aus Glas.
Tom Bittergutsbesitier Giessel auf Kämmersbruch, ein im Waldecker Fliess bei
Freudenthal Kreis Fr. Eylan gefundener eiserner Steigbügel. Der Münzsammlung
verehrten Bauinspektor Kapitzke, Major Weyl und Bittergutsbesitzer Dorn auf
496 Kritiken und Referate.
Kirschappen verschiedene Münzen, letzterer der Bibliothek »Geschichte Preossens,
bei Heinrich Degen 1791*, »Charakteristik von Berlin, Stimme eines Kosmopoliten in
einer Wüste, 1. Bd. Philadelphia 17&5.* »Pädagogische Ideen von Louise Grafin
v. K(rockow). — herausg. vom Grafen von Lehndorf, Berlin 1793.* — (Hippel) »Das
Königsberger Stapelrecht. Eine Geschichte- u. Rechtserzählang mit Urkunden. Berlin
bei Lagarde 1791.* Bittergutsbesitzer Dorn übergab dann ein werth volles histori-
sches Stück, einen Sattel des prcussischen Königs Friedrich des Grossen, ein Erb-
stück in der Familie des Gebers. Die neu eingetretenen Mitglieder sind Oberlehrer
Grase in Braunsberg, Rechtsanwalt Hennig in Rössel, Stud. med. Hollstein hier,
Dr. med. Kornalewski in Johannisburg, Kreisgerich tsrath Münchmeyer in Sens-
barg, Rechtsanwalt Weber in Sensburg und Stud. jur. Weber. [Ebd. 113 u. 114.]
Sitzung den 18. Mai. Die Sitzung wurde in dem Saal der Sammlangen zum
ersten Mal in diesem Jahr gehalten: der Vorstand wünschte den Mitgliedern die
Aufstellung der im vorigen Jahre neu hinzugekommenen reichen Funde und die des-
halb nothwendig gewordenen Veränderungen in der Anordnung der Sammlungen zur
Anschauung zu bringen. Die Glaskasten mit den Gesammtfunden bilden die über-
wiegende Zahl, während die Einzelfunde nur auf 10 Kasten beschränkt werden
konnten, von denen die Steingeräthe allein, welche am häufigsten vereinzelt beim
Grabenziehen oder Pflügen gefunden werden, vier Glaskasten einnehmen. Eine Sonde-
rung der Gesammtfunde nach Wohnstätteu d. b. Pfahlbauten und Schanzen und nach
Grabstätten der vormetallischen und metallischen Zeit ist leicht möglich gewesen,
aber die Sonderung der Grabalterthümerfunde als Beigaben bei Verbrennung und
bei Bestattung konnte schon aus räumlichen Rücksichten nicht so strikt erfolgen und
ist auch historisch vielleicht nicht so nothwendig geboten, weil Bronzeschmuck der-
selben Art bei verbrannten Knochen und Asche in Urnen und bei Skeletten gefunden
wurde und darauf schliessen lässt, dass Verbrennung und Bestattung in den ersten
Jahrhunderten n. Chr. neben einander zur Anwendung kamen.
Den Vortrag hielt Dr. A. Hennig über einen Samländischen Begräbnissplatz
bei Klein Blumenau, Kirchspiel Gross Medenau, Kreis Fischhausen. Seine bei einer
Reihe von Ausgrabungen gesammelten Erfahrungen, eine scharfe Beobachtungsgabe
und Beherrschung der Ostpreussen auf diesem Gebiet betreffenden Literatur machten
nicht allein seinen Bericht für die vorliegenden Alterthümer, welche er im September
v. J. unter schwierigen Verhältnissen ausgegraben, interessant, sondern Hessen ihn
auch ein Stück Geschichte zum Brennalter in Altpreussen liefern, so weit dies über-
haupt nach den Mittheilungen über die bisher gemachten Ausgrabungen vom 18. Jahr-
hundert an möglich ist.
Der zu einem Theil ('/4 Morgen gross) untersuchte Begräbnissplatz liegt an
der Grenze von Powayen und Kl. Blumenau, und zwar auf dem zuerstgenannten
Terrain, das zur Untersuchung von Rittergutsbesitzer Reissert in dankenswerther
Weise überlassen war. Der Theil des Begräbnissplatzes auf Kl. Blumenauer Gebiet
Alterthnmsgesellschaft Prnssia. 497
war schon von dem Besitzer H. Hollstein zugesät. Aeusserlich sind keine Merkmale
für Gräber vorhanden, erst in einer Tiefe von 6 bis 15 ctm. finden sich Kopfsteine,
welche Kreise von 1,4 bis 2,85 m. im Durchmesser bilden. Nor in zwei Fällen war
die Kreisfläche ganz mit kopfgrossen Steinen ausgesetzt, in allen übrigen befand sich
aber in der Mitte oder in der ungefähren Mitte des Kreises ein Stein; bei dem einen
mit Steinen ausgefüllten Kreise war es ein defecter Mahlstein. Wurde dieser Kopf-
stein, der in 6 bis 15 ctm. Tiefe lag, aufgehoben, so fand sich wohl zuerst noch
Erde, aber in 27 bis 53 ctm. Tiefe unter der Oberfläche trat der oberste Rand einer
•
Urne zu Tage, die nur mit Erde, aber weder mit einem Deckel aus Thon, noch mit
oinem Stein belegt war. Nur je eine Urne stand unter dem Mittelpunkt eines Stein-
kreises, in einem einzigen Falle fanden sich zwei Urnen und dieselben so dicht bei
einander, dass die Seite der einen eingedrückt war. Nach Nordwest zu nahm die
Zahl der Steinkreise mit Urnen ab, nach Südost zu wurden sie gedrängter« Die
Urnen durften weder aus einer Steinpackung herausgenommen, noch von einem Pflaster
gehoben werden, sondern standen im Grande und auf verbrannten Knochen und Kohlen,
oder hatten dieselben zur Seite liegen. Die Erhaltung der Urnen war in fast acht-
zehn Fällen möglich, indem ein Erdkranz von 20 ctm. Dicke und 80 ctm. Hohe stehen
gelassen wurde, so dass der Thon durch allmälige Berührung mit der Luft wieder
erhärten honnte. Darauf wurden die Wandungen des Gefasses sorgfältig abgekratzt
und der Inhalt, zu einem Tb eil aus Erde bestehend, ebenso achtsam herausgenommen.
Dass Dr. Hennig kein einziges Gefäss zugedeckt fand, ist eine interessante Wahr-
nehmung; eine zweite machte er in Betreff der in den Urnen sich befindenden Steine,
Nicht von oben durch die Halsöffnung sind hier die Steine hereingefallen, sondern
dieselben lagen stets von einander getrennt durch Schichten von Aschenresten und
Knochen oder Asche und Erde, und auch von dem Boden durch eine solche künst-
liche Schicht getrennt; bis vier solcher Schichten und Steine fanden sich in einigen
Urnen, in den meisten zwei, in anderen drei. Auffallen musste es, dass unter der
zweiten kreisförmigen Steinbedeckung, welche 3 m. Durchmesser hatte, eine Urne
nur den Inhalt von Kohlen und Erde und drei Steinen in den beschriebenen
Schichtungen ohne alle verbrannte Knochen aufwies; es scheint somit dies Grabmal
ein Kenotaph zu sein, das zum Andenken eines Verstorbenen, da man dessen Leich-
nam nicht verbrennen konnte, hergestellt wurde. Die bisweilen noch recht gut er-
haltenen Kohlen rühren von Kiefernholz her (pinus silvestris), wie die Bestimmung
des Prof. Caspary lautet. Die Beigaben aus Stein, Thon, Glas und Metall waren
sonst im Ganzen sparsam vertheilt und gehören ihrer Form nach dem 3. oder 4. Jahr-
hundert n. Chr. an. Die Form der grossen Urnen, die im Grande standen, ist durch-
weg eimerartig mit Stehfläche und etwas verengtem Halse versehen, die Höhe der
schon völlig durch Zusammensetzen hergestellten beträgt 38—40 ctm.; sie sind frei-
händig und unsymmetrisch gearbeitet, zeigen aber auch einige Verzierungen, wie
kleine Thonbuckei und Eindrücke mit den drei Mittelfingern an den grössten Aus-
Altpr. II oortiMhrift Bd. XIV. Hf U & u. 6. 32
498 Kritiken and Referate.
ladungen und einen eingekerbten oder mit Nageleindrücken versierten Band. Urne 1
enthielt drei Stücke eines beschädigten eisernen Messers. Urne 2 einen 8 ctm. hohen
kleinen Topf ans Thon, der im untern Theil halbkugelförmig, im oberen cylindrisch
war und auf calcinirten Knochen stand. Urne 3 enthielt grosse Kohlenstücke. Urne 4
einen bronzenen Fingerring in fünf Spiralwindungen, einen Best von einer ring-
förmigen Gewandnadel, ein 23 ctm. langes eisernes Messer incl. einer 6 ctm. langen
Angel. Urne 5 ein Stuck von einer eisernen Trense, was auch auf Verbrennung
eines Pferdes schliessen lässt, ein kleines, eisernes Messer von 7,5 ctm. Länge und
eine einfache Thonperle. Im Umfang dieses Steinkreises stand 27 ctm. tief ein
kleiner 8 ctm. hoher Topf von feinerem Thon, nur mit Grand gefüllt und lose im
Grande. Urne 6 enthielt zwei kleine Urnen, von denen eine mit Strichen verziert
ist — leider nnr in Scherben erhalten — einen kleinen bronzenen Bing, eine kleine
blaue Glasperle, eine geschmolzene Glasperle und ein Fragment von Bronze. Urne 7
eine Thonperle in Wirtelform mit sauberer Strichverzierung und einen bronzenen
Bing in fünf Spiralwindungen. Urne 8 enthielt eine runde eiserne Schnalle. Urne 9
und 10, welche unter der Mitte einer kranzförmigen geschlossenen Steindecke so
dicht neben einander standen, dass beide an den sich berührenden Seiten Schaden
erlitten hatten, waren verschieden gefüllt, die grossere mit zwei einfachen Feldsteinen
und Erde, die kleinere mit Erde, Kohlen und bearbeiteten Steinstücken : eben solche
fanden sich auch neben der Urne. Eine Zusammensetzung dieser Stücke aus Sand-
stein und solcher aus Quarz ergaben zwei Schleifsteine. Die einzelnen Theile derselben
zeigten an ihren geschwärzten Flächen, dass sie durch Feuer auseinander gesprengt
waren. Der grössere, 17 ctm, lang, ist im Durchschnitt quadratisch 6 ctm. hoch und
6 cmt. breit, an dem einen Ende läuft er von allen vier Seiten fats spitzig zu. Der
andere Schleifstein (?) aus Quarz ist oval geformt, 7,8 ctm. lang, 5,2 cmt. breit. An
den Enden des Längendurchmessers findet eine Zuspitzung in je eine scharfe Kante
statt. Der Hühendurchschnitt ist an den Seiten nicht senkrecht, sondern zeigt eine
sanfte Einladung und rnisst 2 ctm. Der Zweck dieser Einladung war ein breites Band
um den Stein zu legen, um ihn so bequemer tragen zu können. Auf den ovalen
Flächen sind zwei Einritzungen in der Mitte merkwürdig, eine geradlinig» die andere
einem sehr steif gezogenen lateinischen S ähnlich. Ein bei Liekeim, Kr. Friedland,
gefundener Schleifstein aus hartem Sandstein derselben Form (9,6 ctm. lang, 6,6 ctm»
breit, 2,8 ctm. hoch) zeigt nicht solch scharfe Einfurchung, sondern unregelmässige
Schleifstriche. Urne 11 enthielt eine einfache viereckige eiserne Schale und mehrere
Eisenstückchen. In Urne 12 lag auf der Oberfläche eine durch Brand beschädigte
und unkenntlich gewordene Bronzemünze, Urne 13 barg in sich eine eiserne Lanzen-
spitze ohne Grat und mit Tülle. Die andern Urnen waren nur mit Grand, Steinen
oder Knochen gefüllt. Die Brandstätte für die calcinirten Knochen, die in den
meisten Urnen vorhanden waren, ist von Dr. Hennig noch nicht gefunden worden,
kann aber noch immer in dem zu Kl. Blumenau gehörigen Begräbnissplatz gefunden
Alterthumsgesellschaft Prnssia* 499
werden; in keinem Fall ist aber die Brandstätte innerhalb des beschriebenen Stein-
kreises anzunehmen. — Hierauf legte der Vorsitzende ein eisernes Schwert mit bron-
zenem Knopf vor, ein Geschenk des Rittergutsbesitzer Steppnhn auf Liekeim, Kreis
Friedland, auf dessen Territorium gefunden. In einem Begleitschreiben wurde der
Fundort als ein Platz auf einem sandigen Hügelrücken beschrieben, auf dem kein
äusseres Merkmal irgend eine Bestattungsgruft vermuthen lässt. Dies Schwert mit
eiserner Klinge, das bis zur Parierstange 77 ctm. misst, einen Griff von der Parier-
stange bis zum bronzenen Knopfe von 11 ctm. Länge und einen bronzenen Knopf
von 2,5 ctm. Höhe und 5 ctm. Durchmesser hat, gehört dem 11. Jahrhundert an.
Die Parierstange ist halbmondförmig mit ihren Enden nach der Klinge zu gebogen,
die Klinge misst unter der Parierstange eine Breite von 5,5 ctm. und ist mit
einer Blutrinne versehen. Aehnliche oder fest gleiche Schwerter besitzt die Prussia-
Sammlung aus Gerraau, Kr. Fischhausen, und aus Saalau bei Norkitten, Kr. Inster-
burg. Das Liekeimer Schwert hat aber darum eine besondere Wichtigkeit, weil es
in unmittelbarer Nähe eines Skeletts gefanden wurde, an dessen Halswirbeln ein
bronzener grosser Halsring in mehreren Spiralwindungen gefunden wurde, den schon im
vergangenen Herbst der Besitzer von Liekeim den Sammlungen der Prnssia schenkte.
Es wurde der Wunsch ausgesprochen, dass die Angaben über ein Skelett mit einem
bronzenen Halsring, welches bei Liebstadt, Kr. Mohningen, vor mehr als Jahresfrist
gefunden wurde, veröffentlicht würden. — Es folgte dann der Bericht über ein schon vor
längerer Zeit geöffnetes Kistengrab, den Rittmeister v. Schlenssner auf TeistLmmen,
Kreis Rössel, eingesandt hatte. Das Grab liegt etwa 1000 Schritte von dem sogen.
Teistimmer oder königlichen See nnd einige hundert Schritte von einem ehemaligen
kleineren See auf der Feldmarke des zu Teistimmen gehörigen Vorwerks Ludwigs-
mühle. Das Grab war 3 Meter lang, 0,70 breit nnd 0,70 Meter tief nnd mit mög-
lichst platten Steinen ausgesetzt; drei grössere nnd zwei kleinere Urnen wurden ziem-
lich wohl erhalten ausgehoben, die ganze Zahl der darin aufgestellten Urnen mag aber
25 bis 30 gewesen sein, doch waren dieselben zerbrochen, weil die Decksteine schon
vor etwa 22 Jahren fortgeschafft waren. Der Inhalt der Urnen bestand in calcinirten
Knochen und in einem kleinen bronzenen Ring. Zum Schluss wurde das Interesse
der einheimischen Mitglieder durch das von dem Stadtältesten Dr. W. Hensche
herausgegebene und der Bibliothek geschenkte Werk »Wappen nnd Siegel der Königl.
Haupt- nnd Residenzstadt Königsberg. Königsberg 1877* in hohem Grade erregt.
Seit 30 Jahren hat der Verfasser eine solche Arbeit im Auge gehabt und durch
mannigfache Reisen, Arbeiten nnd Studien mit Aufbietung grosser Kosten sein Ziel
erreicht. — Die neu eingetretenen Mitglieder sind: Tribunals-Referendarins Bartel
in Rössel, Dr. med. Papendieck in Rastenburg, Kaufmann Richard Plinck hier
und Amtmann Raabe auf Neuendorf, Kreis Lyck.
[Ostpr. Ztg. 1877. No. 142 (Beil)]
32*
Mittheilnngen und Anhang.
Z« Drauuu's Biographie.*)
Nach Mittheüung dos Prof. A. L. Ewald, veröffentlicht von Prof. Carl Lohmeyer.
I, Aus dem Universit&tsarchiv zu Halle.
1.
Wilh. Carl Aug. Dramann, 3ter Sohn des Prediger Dramann in Dannstedt
im Fürstenthum Halberstadt 18 */, Jahr alt, welcher 2l/t Jahre die I Classe unserer
gelehrten Domschule besucht hat, u. diesen Ostern nach Halle zu gehen gedenkt,
um Theologie zu studiren, ist auf dem vorletzten Abiturientenexamen am 3. Aug. 1804
von der Prnfdngscommission für
reif znr Akademie
erklärt.
Er kam mit den nöthigon Vorkenntnissen ausgestattet zu uns u. hat sich bei
seinem hiesigen Aufenthalte durch regelmäßigen Fleiß u. ausdauernde Thätigkeit
zur academischen Laufbahn vorbereitet, so daß wir, da er außerdem durch sein gutes
sittliches Betragen sich das Zeugniß der allgemeinen Zufriedenheit erworben hat,
hoffen können, daß er auf der Akademie sich zu einem brauchbaren Pädagogen u.
VoUslehrer ausbilden werde.
Urkundlich unter vorgedrücktem Deputationssiegel u. gewöhnlicher Unterschrift.
Halberstadt 2. April 1805
Gr. v. Alvensleben
Domdechant.
Roseirtreter. Nachtigall
C. R. Ephorus u. Dlrcctor der Domachole.
Grahn, Augwtln, F. G. K. Maas» A. Ph. Ehlers
Ober Domprediger. Domprediger. Bector. p p Marks
J. A. Woldmann, Frantz
Inepector. ^ g^,^
*) Ygl. den Artikel Drumann von Lohmeyer in der »Allgem. dtsch. Biographie*
Bd. V. S. 436-489. D. Bed,
Zu DrumaniTs Biographie. 501
2.
Decano spectabili,
Professoribus Facultatis Philosophiae Amplissimis
S. D. P.
Guilolmus Carolas Augustus Drumann.
Te, Decane Spectabilis, et Vos, Professores Aniplissimi, aditurus, ut quid mihi
semper visum sit optatissimum , quidque valde cupiam vestrae debere benignitati,
vobifl proponam, de vita mea praefari audeo:
Danstadii, vico Halberstadiensi, d« XI. Jan. a. M. DCCLXXXVI natas sum.
Pater, evangelicae ecclesiae Danstadiensis antistes, deum pie colendi recteque vivendi
omni tempore suasor mihi fuit atque auctor. Ille qoidem non solum prima me
edocuifc literarum elementa, sed ad maximum etiam ea cognoscendi Stadium me
accendens, qua potissimum ratione discenda essenfc, ut fructua uberrimos ex iis per-
cipere possem, oetendit; imo nullo docendi socio adhibito, literis graecis et latmis,
historia aliisque doctrinis animum iuvenilem ita imbuit, ut cum scholam pablicam
adirem, primae classis civibus adnumerarer. Scholam cathedralem Halberstadiensem
ab a. MDCCCII per duos annos sex menses frequentavi. Viris, qui ludum illum
literariam ornant, quae qnantaque dcbeam, cum eos tales semper expertus sim, quales
patres filiis, amicis amici sese praestare adsolent, vix verbis adsequi possum. Post
examen, quo testimonio maturitatis magistri me ornare voluerant, ex illa, quae
arctioribus finibus cireumscribitur, disciplina scholastica dimissus, ut ßtudiis theologicis
et philosophicis animum excolerem, a. MDCCCV. Halam me contuli. Halae artium
deliciis animum ali persentiens, et bene mecum agi existimavi et quanta essent, quae
nondum attigissem, Virorum Doctissimorum exemplo ante oculos mihi obversante
cognovi.
At cum intelligerem, nihil esse tarn ardaam, quod summa Professorum Specta-
tissimorum doctrina adiutus non consequi, nihil tarn abstrusum et spinosum, quod
iis facem praeferentibus mihi non expedire atque addiscere possem: accidit, ut sab
varios tri&tissimosque casus Fridericiana subiiceretur. Anno et sex mensibus praeter-
lapsis, ex quo Halam primum adventaveram, ut lares patrios repeterem, miserrima
ista fortnnae vicissitudo me coSgit: equidem patrium paene solum vertere atque
exsulare mihi visus sum. Accessit dolor ille publicus e patria, quam fortuna in
maximis malis graviter tunc exercebat, conceptus. Parentibus igitur, hoc ut sibi
darem, rogantibus, ne deesse viderer dulcissimaque pietatis officia negligere, qaan-
tum per strepitum militarem licebat, in artibus versans, hiemem in aedibus paternis
transegi.
Sed primo vere a. MDOCCVU Helmstadiuni, ad sedem literarum illustrissimam
profectus, praelectionibusi quae ibi habebantur, per unum annum interfui; nee un-
quam fieri posse existimo, ut eorum, quae Fridericianae atque Juliae Carolinae de-
beam, memoria, intimo animo impressa, dilabatur.
502 Mittheilongen und Anhang.
Designatus deinde scholae cathedralis Halberstadiensis collega, a. MDCCCVÜI
in valle Nicolai alumnos inter parietes privatos docendi munus suscepi, eoque,
quantum mihi erat, otium, ut Halao olim et Helmstadii, in legendis historicis graecis
et latinis consumens, plures annos functus sum.
A. MDCCCX probata, quam scripseram, dissertatione de ratione ac disciplina
Bomanorum literas artesque tractandi, Ordo Amplissimus Philosophorum Academiae
Helmstadiensis dignum me habuit, quem philosophiae doctorem et artium tiberslium
magistrum crearet.
Eodem anno collega Paedagogii Regii Halensis designatus in hac urbe sedem
firi, quod quidem non casu sed divinitus mihi contigisse arbitror. Nam cum omnis
generis praesidiis literarnm Halam affinere iam antea persensissem, nunc ita expertus
sum, ut, quae artibus discendis me addicens nuncupavi, votorum omnium damnatus
esse mihi videar, Sed nt eo magis quo Opportunität, eodem et cupiditas discendi
progrediatur, docendi occasio cum soleat efficere, Vos, Viri Amplissimi atque IUustris-
8imi, omni qua par est observantia, rogo, ut benigne mihi concedatis in Fridericiana
praelectionee habere historicas,
Commentationem publice defendendam non deprecans, id unice opto, ut, si in
arenam descendere per Vos, Viri Amplissimi, mihi licuerit, talem me Vobis probare
possim, qualis, quod in me Yolueritis conferre, beneficio non plane indignus videar.
Vos, Viri Amplissimi, grato animo colens, olficiis, quae suscepero, omnibus quam
potero religiosissime satisfaciam.
Valete. Scrib. Halae. d. IV. Jon. a. MDCCCXII.
3.
Meinen hochgeehrtesten Herren Collegen
habe ich die Ehre hierbei ein Schreiben des bei dem hiesigen Königl. Pädagogium
als Lehrer stehenden Herrn Doctor Drumann vorzulegen, in welchem er um Erlaub-
nis ersucht, akademische Vorlesungen zu halten. Da er sich durch das beigefügte
Helmstadtische Diplom v. 9 April 1810 legitimiret, und bereit erklärt, pro loco zu
disputiren u. die herkömmlichen 10 Thaler zu erlegen, so glaube ich, daß seinem
Gesuche nichts entgegenstehet u. bitte darüber zu votiren.
Halle d. 10 Juni 1812
J. L L Rüdiger
(Folgen die Unterschriften der Mitglieder der philos. Facultät, welche sämmtlich
mit ,Jac votiren.)
Den 13. Juni ist Herrn Dr. Drumann mündlich bekannt gemacht, daß sein
Gesuch bewilligt sei u. er die Disputation zur Ccnsur einzureichen habe.
RMger.
Mittheil uii gen über eine Ausmessung des Seeteiches bei Dambitzen. 503
n. Aus dem Archive das eingegangenen Pädagogiums
der Franeketchen Stiftungen.
(Ein Actenstück Ton Drumann's eigener Hand, auch eine Copie ist nicht vor-
handen.) Die Durchsicht der Protocolle über die Lehrerconferenzen des Königlichen
Pädagogiums ergiebt, dass Drumann zuerst am 17. November 1810 als Lehrer des
Königl. Pädagogiums erscheint.
Eine andere amtliche Acte ergiebt, dass er am 1. October 1817 aus seiner
Lehrerstellung abgegangen ist.
Die Schule (Pädagogium) war damals gut bestellt, denn ausser Drumann
wirkten an derselben: Voigt (Johannes) und Naeke.
Mittheilungen Aber eine Ausmessung des Seeteiches bei Dambitzen«
Sonnabend, 28. Juli wurde von mehreren Mitgliedern der Elbinger Alterthums-
gesellschaft der bei dem Knüppelberge bei Dambitzen gelegene Seeteich gepeilt. Ver-
anlassung dazu gaben weniger die einander widersprechenden und zum Theil offen-
bar übertrieben hohen Angaben über die Tiefe des Seeteiches als vielmehr die dort
sowohl vor mehreren Jahren als auch in neuester Zeit gemachten Funde aus heid-
nischer Zeit. Dieselben wurden in der den Band des Seeteiches umgebenden Torf-
schicht und zwar in einer Tiefe von ungefähr 8—15 Fubs gemacht. Gutsbesitzer
Teetz fand vor mehreren Jahren in der Torfschicht eine steinerne Streitaxt mit wohl-
erhaltenem Stiel von Eichenholz und einen aus eichenen Pfählen und verbindendem
Flechtwerk gemachten Zaun. Leider ist von diesen Funden nichts mehr erhalten.
Vor einigen Monaten fand Gutsbesitzer Hering in Dambitzen Kohlen, in einer Tiefe
von ungefähr 8 Fuss zum Theil verkohlte Holzstücke und bald darauf in unmittel-
barer Nähe dieser Heerdstelle ein thönernes Gefäss, welches er der Alterthumsge-
sellschaft geschenkt hat Die eigentümliche an den Burgwalltypus erinnernde Form
und Verzierung desselben sowie die technische Behandlung der mit Quarzbrocken ge-
mischten Thonmasse, ferner die Tiefe der Fundstellen berechtigten zu dem Schluss,
dass an dem Ufer des Seeteiches in uralten Zeiten eine Niederlassung bestanden
habe. Es war daher die Aufgabe der Alterthumsgesellschaft zunächst den Seeteich
selbst zu untersuchen.
Die Umgebung und die Ausdehnung des Seeteiches hat sieh in den letzten Jahr-
zehnten sehr wesentlich verändert. Noch wissen viele Elbinger sich sehr gut der
Zeit zu erinnorn, da derselbe ringsum bewaldet war und bedeutend höher stand, als
heute. Ein Blick auf die Ausdehnung des Torflagers sowie auf die kolossalen, in
den Torfgruben zahlreich sich vorfindenden Eichenstämme, über welchen wie z. B.
in der Grube hart an der Chaussee noch eine etwa 10 ctm. hohe Sandschicht ge-
lagert ist, bestätigt dies« Die Erniedrigung des Wasserspiegels ist von Herrn Teetz-
504 Mittheilnngen and Anhang.
Dambitzen mittels einer Röhrenleitung vom Seeteiche bis Dambitzen bewerkstelligt
worden. Die weitere Tieferlegang des Wasserspiegels aber ist durch die theilweise
Verstopfung der Abzugsröhren vorläufig aufgehalten. Sollte das Projekt, den See-
teich um 20 Fuss zu erniedrigen, ausgeführt werden, so würde eine genaue Unter-
suchung des Torflagers gewiss manchen interessanten Fund zu Tage fördern und auch
Gewissheit darüber verschaffen, ob die Diagnose auf Pfahlhauten, zu welcher man
durch die Aussagen der seit langer Zeit am Seeteiche beschäftigten Arbeiter, wenn
auch nicht ohne starke Bedenken geführt wird, richtig ist. Ein Arbeiter sagte näm-
lich aus, dass bei niedrigem Wasserstande zwei Reihen von Pfählen sichtbar würden,
welche im spitzen Winkel in den See hineingingen. Allein Gutsbesitzer Teetz, welcher
seit mehreren Jahrzehnten den Seeteich genau kennt, wusste davon nichts, sondern
meinte, dass die fraglichen Pfähle vielleicht Reste derjenigen Pfähle seien, die er
behufs Befestigung von Fischernetzen habe einschlagen lassen. Doch wusste auch
er von einer aus starken eichenen und durch die Einwirkung der Torferde schwarz
gefärbten Bohlen bestehenden Spundwand zu berichten, welche in bedeutender Tiefe
vorgefunden wurde. Es ist auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass jene
»Pfahle* nichts anderes als Baumstümpfe sind, deren Vorhandensein Gutsbesitzer Teetz
bei seinen Fischerei-Versuchen zu seinem Schaden oft genug hat constatiren müssen.
Der Seeteich hat eine fast kreisrunde Gestalt mit einem Durchmesser von un-
gefähr 100 Metern. Die Auslothung desselben würde nicht ohne grosse Unbequem-
lichkeit gewesen sein, wenn Kaufmann Madsack 'nicht die Freundlichkeit gehabt hätte,
seine sichere Gondel an Ort und Stelle zu schaffen, und drei seiner Leute zur Ver-
fügung zu stellen. Die von Gutsbesitzer Hering, Professor Mehler, Lehrer Capeller
und Dr. Anger ausgeführte Peilung ergab, dass der Seeteich ein kesselartiges Bett
mit schroff abfallenden Wänden hat. Die grösste gemessene Tiefe betrug gut 15 Meter
(48 Fuss). Dieselbe befindet sich jedoch nicht im Mittelpunkte des Teiches, sondern
in demjenigen Quadranten, welcher zwischen der Chaussee und dem Wege liegt,
welcher nach den Grünauer Wüsten führt. In der Mitte ist der Seeteich nur 13,5 M.
tief. Der nach den Grünauer Wüsten zu liegende Theil hat weniger steile Abhänge
und im Durchschnitt geringere Tiefen als der nach der Chaussee und der Schleuse
zu liegende Theil. In einer Entfernung von etwa 20 Metern vom Mittelpunkte be-
trägt die Tiefe im Durchschnitt 10 Meter. — In der Nähe der grössten Tiefe betrug
die Temperatur des Wassers auf der Oberfläche + 17° B.f auf dem Grunde + 7° B.,
was die bedeutende Differenz von 10° R. ergiebt. Rechnet man von den 7° R. noch
einen Grad ab, weil während des Heraufziehens des Lothes und der Oefihung der
Thermometerkapsel die Wärme der in derselben eingeschlossenen Wassermasse sehr
leicht sich um einen Grad gesteigert haben kann, so erhält man die mittlere Jahres-
temperatur, welche für Elbing + 6»18° R- beträgt. — Ob der Seeteich nur den
atmosphärischen Niederschlägen seine Existenz verdankt, oder auch einer in der Tiefe
befindlichen Quelle, das lässt sich vorläufig nicht mit Sicherheit nachweisen. In»
UttiversitÄU-Chronik 1877. 505
dessen scheint die von Vielen behauptete Thatsache, dass der Seeteich nie ganz zu-
friere, für die letztere Annahme zu sprechen. Zwar liegt der Seeteich höher als das
trigonometrische Zeichen auf dem Thumberge (302Fuss), allein hei Kl. Stoboy be-
finden sich Höhen von 556 Fuss, und in südöstlicher Richtung von Stagnitten Höhen
von 477 Fqss. Möglicherweise ist es ein- nnd dasselbe unterirdische Quellennetz,
welches sowohl den Seeteich als auch den Sammelbrunnen an den Pulverhäusern mit
Wasser versorgt. Eine Entscheidung könnte nur durch erneute, zahlreiche und mit
guten Apparaten ausgeführte Temperaturmessungen so wie der Wasserproben, welche
aus verschiedenen Tiefen des Seeteiches herausgeholt würden, erfolgen.
[Elbinger Post v. l.Aug. 1877. No. 176 J
Universitats-Cbronik 1877.
(Portsetzung.)
21. April. Med. Doctordiss. von Adolph Eberhardt, pract. Arzt, aus Lyck: Ueber die
Kerne der rothen Blutkörperchen der Säugethiere und des Menschen. (32 S. 8.)
24. April. Lectiones cursorias quas . . . Hermannus Baumgart phil. Dr. de studiis
aesthetico-criticis quantuin coutulerint ad excitandas atque alendas recenres
Germanorum litteras ad docendi facult. rite impetr. habebit, indicit Car. Hen.
Kitthausen, phil. Dr. P. P. 0. ord. philos. h. t. Decanus.
Nro. 96. Amtliches Verzeichniss des Personals u. der Studirenden . . . f. d. Sommer-
Semester 1877. (24 S. 8.) [79 Doc. — 6 theol., 6 Jur., 22 med., 39 phil., 3 Lector.,
5 Exercitieumeist. — u. 620 (40 aual.) Stud., davon 44 Theol., 181 Jur., 125 Med., 270 Phil.,
10 m. spec. Geuehm. d. zeit. Prorect.]
„Acad. Alb. Regim. 1877. II." Antonii Zingerle Professoris Oenipontani Dissertatio de
scriptorum latinorum locis qui ad poenarum apud inferos descriptionem speetant
qua orationes ad celebrandam memoriam virorum illustrium Coelestini de Ko-
walewski, Jacobi Friderici a Bhod, Friderici a Groeben, Joh. Diterici a Tettau
diebus XXI et XXIII Maji et XXIII Juuii h. s habendas indicit Ludovious
Friedländer P. P. 0. die XII Maji. (10 S. 4.)
9. Juni. Lectiones cursorias quas . . . Paulus Baumgarten, med. Dr., über die pa-
tholog. Bedeutung der Bacterien ad docendi facult. rite impetr. . . . habebit,
indicit Maximil. Jaffe med. Dr. P. P. 0. ord« med. h. t. Decanus.
21. Juni. Med. Doctordiss. v. Heinr. Lievin (aus Danzig), Ueber die Grösse und Be-
grenzung des normal. Gesichtsfeldes. (32 S. 8.)
23. Juni. Med. Doctordiss. v. Berthold Peurosch (aus Bussland): Beitrage z. Lehre
über die Entstehung des Indicans im Thierkörper. (34 S. 8.)
10. Juli. Lectiones cursorias quas . . . Paulus Albrecht med. et phil. Dr. über die
vergleichend anatomische Bedeutung der bemicephalen Schädel ad doc. facult.
rite impetr. . . . habebit, indicit Max. Jaffe med. Dr. P. P. 0. ord. med. h. t. De«.
506 Mittbeiloagan und Anhang,
12, Juli. Med. Doctordiss. v. Dr. Georg Sefdlitz (ans Petersburg): die Parthenogenesis
und ihr Verhaltniss zu den übrigen Zeugungsarten im Thierreich. [Neu nur die
Thesen u. Vita, die Abhandig. selbst .der Versammlg. dtscfa. Natnrforoeh. u. Aerate an ihr. SOjähr.
Bestehen gewidmet" erschien Leipzig, Yerlag von E. Bidder. 1872. (31 8. 8.)]
21. Juli. Phil. Doctordiss. v. Ernst Meyer, cand. hist. aus Insterburg: Lambert von
Hersfeld als Quelle zur dtsch. Geschichte in den Jahren 1009—1077. (60 S. 8.)
„Acad. Alb. Regim. 1877. III." Index lectionum ... per hiemem anno 1877 a. d.
15. Octobr. p. p. o. instituendarum. (16 S. 4.) Praemissa est L Friedtaenderi
observationum de Martialis epigrammatis particula I. (S. 3. 4.)
Verzeichniss der ... im Winter-Halbjahr vom 15. Oct. 1877 an zu haltenden Vor-
lesungen u. der öffentl. acad. Anstalten. (4 Bl. 4.)
30. Juli Lectiones cursorias quas . . . Georg. Sefdlitz med. et phil. Dr. über Auf-
gaben der vergleichend. Morphologie u. Entwickelgsgesch. ad docendi facult. rite
impetr. . . . habebit. indicit Max. Jaffe . . .
3. Aug. Med. Doctordiss. v. Hans Meyer, pract. Arzt (aus Insterburg): Beitrage zur
Kenntniss des Stoffwechsels im Organismus der Hühner. (35 S. 8.)
Lyccnm Hosianum in Braunsberg.
(1876-77.)
Index lect. in Lyc. reg. Hosiano Brunsbergensi per hiemem a die XV. Octbr. anni
1876 instituendarum. [h. t ßector: Dr. Franc. Dittrich, P. P. 0.] (15 S. 4.)
Praecedit Prof. Dr. Franoisci Dittrich de Tertulliano christianae veritatis regulae
contra haereticorum licentiam vindice commentatio. Particula I. (S. 3 — 13.)
Ind. lect. ... per aestatem a die IX. April, a. 1877 instituendarum [h. t. ßector:
Dr. Fr. Dittrich] (15 S. 4.) Praecedit Prot Dr. Franc. Dittrich de Tertulliano
. . . Partie. H. (S. 3-12.)
Ind. lect. . . . per hiem. a die XV. Oct. a. 1877 instituend. [Beet : Dr. F. Dittrich]
(22 S. 4.) Praecedit Lic. Julii Marquardt commentatio quid de baptismi, s.
•chrisniatis, ss. eucharistiae sacramentis S. Cyrillus Hierosolvmitanus docuerit.
Partie. L (S. 3—19.) $
Altpre nssische Bibliographie 1876.
Abegg, Dr., üb. Bettgsmittel b. Verblutgsgefahr. [Aus »Schriften d. naturf. Ges. in
Danzig.«] Danz. 1875 (Anhuth.) (10 S. Lex. 8.) —40. (Seit August 1876
im Bchhdl.)
AbramowskI, Mor. (aus Osterode i. Ostpr). d. acute Gelenkrheumatism. u. s. Verhalt.
z. inducirt. Strom. L-D. Berl. (36 S. 8.)
»olf, Hoxl ($feub.) bic Sar3braut. ßraftbluna. Berlin. 3anfe. (IV, 162 ©. 8.)
jtbregftuä f. b. aefammt beutfd?en ©runbbejt&. 5Ra* b. neueft. amtl. Queü. bräa. o.
@. 93eut& u. Otto ftriebel. 1. Sfcü. ^romnj SBeftpr. »>orn. ©alt. Satnbed.
(ö4 6. qx. 8 1. 25.) (^Berlin. 6(mn in ©omm.) baar n. 2.56.
AltpreoMische Bibliographie 1876. 507
Sbre#l»4 bet &U u. SReflb^ftbt. ÄönißSbera f. 1876. R&b$. Würmberaer. (IV, 336
u. 131 6. flr. 8.) 6.—
fcborner, f. b. 3- 1876. 9lad) amtl. Quell, bearb. u. &r3ß. ». & ÜRoiorom&i . •
Sbotn. i'ambed. (136 u. 72 6. ßr. 8.)
Album, Neuestes, von Braunsbg. 8 photogr. Ansichten. Braunsb. Huye. gr. 16. 1.50
von Königsberg. 12 Orig.-Photogr. v. Miohalki. Egsbg. Akad. Behh. qu. 16.
geb. baar n. 3.—
von Thorn. 12 Ansichten in photolith. Manier. Unterschrift, in dtsch., poln.
u. ms8. Spr. Thorn. Lambeck. 1.80.
^ottenbrdßet, De lütt. $olietfd)c3 ffiocbenblabb föt plattbütfcb eprefenbc. (Seb.:
SRob. Äufety.) 9kumart in üöeftpr. 3- Äöpte. (Erschien nur % Jahr lang von
1. Juli bis 19. Dec. 1876 in 25 Nrn.)
Armtt, Wilh., Schrifttafeln z. Gebrauch bei Vorlesgn. u. zum Selbstunterricht. Berlin.
Weidmann in Comm. (25 photolith. Tat Fol. m. 4 S. Text.) 9.—
©eo. Jpeinr. *|kr&. [3m neu. »ei*. 43.]
Sud ben papieren be* 9JMnifterg u. JButßßrafen tjon 2Jtorienbura Zbeobor ö. ©cbön.
[2. £&eü.] 3. »b. 3». 2 Sttb. u. e. Iitfc 3acf. (4 6. in fof.) »erf. g. Stander.
(556 6. ßr. 8.) 14.— 0eb. 15.— . . . [2lnlaaen «im 2. ZbeiL — ©AarnborfL]
4. 93b. 2R. 1 Sitfr. u. 1 diu).) f$acf. (IV, 608 8.) 14.- ßeb. 15.- (1-4.
ßeb.: 51.50.)
Babucke, Dr. (Bückeburg) Bibliographisches (z. ostfries. Spr.) [Korrespondenxblatt
d. Vereins f. niederd. Sprforschg. No. 3.]
Zur Gesch. d. Krieges geg. Frankreich v. 1672—74. [Ztechr. f. pr. Gesch. u.
Ldsk. 13. Jahrg. S. 237—249.]
Baenttz, Dr. C, Lehrbuch d. Zoologie in popui Darstüg. Nach method. Grdaatz. f.
gehob. Lehranstalt. . . . Mit . . Holzschn. Berlin. Stubenrauch. (VIII, 2808.
S. 8.) 2.-
hrb. d. Physik ... 4. verm. u. verb. Aufl. Ebd. (XVm, 178 S. gr. 8.) 2.—
gtaumgatt, Dr. £erm., bie Hamlet «Sragöbie u. it?re flritif. flß*bß* i. $r. 1877 (76.)
Öarruiiß. (VIII, 165 6. ßr. 8.)" 4.—
Bamg&rten, Dr. Paul (Prosector in Königsbg.), Ophthalmolog.-histol. Mittheilgn. I.
[Graefe's Arch. f. Ophthalmol. 33. Bd. 2. Abth. S. 185—203.1
©ebinaungen f. b. SBeleaunfl wm UÄünbel* u. $fleßf<baftS--©clber<t bei b. fteidtfbanf.
Cöbau. 6rrjecget. (3)eutf4 u. poln.) (8 6. 8.) baat —10.
&c(rc!tb, GommeräiemSR., ber perfekte ®eruf. (Sine Seeßefd)i<Jbte. Sortr., geaalt, am
25. 3an. 1876 im faufm. herein in (Slbinß. [Nltpr. 3ta. 9to. 23.]
Behrend, Paul, üb. d. Einwirkg. von Sulrurylchlorid auf Alkohole. [Berichte d. dtsch.
ehem. Ges. z. Berl. 9. Jahrg. No. 15. S. 1334 — 38 J
8ettrftQ, ©in, g. ttöfunß b. (Sbauffeebaufraße in Oft* u. SBcjtpr. ffletltn, $uttfammer
& OJlübibrtHtt. (31 6. ßr. 8.) —60. [®e«nfAtift gg. bie in *Bf*g. etf*. $tcföttre:
„3** Sfftrbcrg. bet fcfranffee&aufrage in b. $tot>« $renB. tc]
Sergau, SR., bie ^ra*tau% t>. gRkbefonßeto'S @ebid)ten. [3>ic ®renjboten 2.] 3teife.-$riefe
ö. Hart Salier r>. Saüerftetn. [7. 8.] 3»ei ©über $>an$ feolbein beä Kelteren.
[15.] 3)er enßllfdje ©rufe ». Seit 6tcjj in b. fioren^Äircbe }u Nürnberg. [25.]
2lu3 b. Saßebucbe & öaller'3 t>. £aQerMein [33.] Der angebliche Sobald Schon-
hofer. [Repertor. f. Kunstw. red. v. F. Schestag. I. Bd. 4. Hft. S. 399—400.]
Ist d. Sakramenthausch. zu Schwabach ein Werk des Adam Kraffb? [Ebd.
5. 401—404.] Die Stadtmauer von Nürnberg. [Ztschr. t Bauwesen. Jahrg.
XXVI. Hft. 1/3. Sp. 133—136.] ftoeb einmal b. 3uaenbbtlb ftembranbt* im
iHatbbaufe 3. «Rürnberfl. ßeitfdmit f. bilbenbe Äunjl. 12. 3abtß. 1. oft. 6- 32.1
Rur ^tnife b. SRürnb. ©olbfcbmiebefunft. |@bb. ^unftebronit XI. ^abra. 9lo. 14.]
3ob. Kb. allein. oJtetro(.) [@bb. 17.1 ^upferftt<be t). SÖenjel 3amt»er. [@bb. 30.]
3ur ^enntnife ber 91ürnbeia. ©olbfcbmiebe b. 16. 3abrb. I@bb. 40]
Bericht üb. d. Handel u. d. Schiffahrt von Königsberg im J. 1875. Kbg. Härtung.
(IV, 91 S. foL) 3.—
Bericht üb. d. 4te Gen.-Vsmlg. d. Vereins v. Lehrern höh. Unterr.-Anstalten d. Prov.
Preussen, geh z. Braunsberg am 6. Juri 1876. . . Kbg. Dalkowsü. (41 S. gr. 8.)
Beseel, Frdr. Wüh., Abhdlgn. hrsg. v. Rud. Engelmann. Bd. II, III. Leipz. Wilh.
Engelmann. (VIII, 404 u. X, 504 S. 4.) 18.— u. 22.—
508 Mitteilungen und Anhang.
Biitfttr, gotftm. t>., in ÄnSog. SibStoübe fron, eine Sfoßfanbfrrede auf b. bftnifA. 3toW
Seelanb. [ jotftl. SBlätt. 31 3. 5. 3a&ra. 6. 8—10. 77-83.]
Blas«. Plutarch's ausgewählte Biographien. Für d. Schulgebr. 1. Bdch. Philopoemen
u. Titus Quinctius Flaminius v. Otto Siefert. 2. Aufl. besorgt v. Frdr. Blass.
Leipz. Teubner. (IV, 83 S. gr. 8.) —90.
Bfaurook, Rieh., de oratione quae in Sophoclis Oedipo Rege v. 216—275 exstat
obsenrationes criticae. Diss. Rostochii (39 S. 4.)
Blümner. Lessing's Laokoon, hrsg. u. erläut. von Prof. Hugo Blümner. Hit Holzschn.
(anf 3 Taf.) Berl. Weidmann. (XII, 336 S. gr. 8.) 6.—
— — Zu Plutarch's Perikles [c. 12.] [Neue Jahrbuch, f. Phüol. 113. Bd. 2. Hft.
S. 136—38.]
Böttdjcr, tfqrl, SBunte Sfmen. gebergeiebmmaen. tfoSbö. Wieviel
Bohn. Jahrbuch f. Kinderheilkunde n. phys. Erziehung. N. F. Hrsg. v. Binz, Prof.
Bonn, Bokai ... 10. u. 11 Bd. Leipz. Teubner. a 10.40.
Bedenken geg. d. Contagiositat des Pemphigus acutus neonatorum u. seine Ab-
hängigk. v. d. physiol. Hautabschuppung in d. erst. Lebenswoche. [Jahrb. f.
Kinderheilk. u. phys. Erz. 9. Jahrg. 3. Hft. 1876.]
BrattdHtfö, @eb. 9Reß.*9i 3TO. t>., bie Dröamfation*flefc&te bec inneren SBwalta. f. b.
Skomng. $reu&., SBranbcnba.., $omm., Scfclef. u. Sa<bf. . . Serl. Gar! Jpetomann**
Scrl. (VI, 378 6. ör. 8.) 7.-
Bredsohneider, Walt., Beitrage z. Ktniss d. Vorstuf. d. Harnstoffes u. der Oxydation
aromatischer Verbindgn. im Thierkörper. I.-D. Kgsbg. (Leipz. Kessler. (29 S.
gr. 8.) baar 1.—
Btefcfty, Srof. Dr. $beob., ba3 £«1. tfabettenbauS au @ulm 1776-1876. 3Ra<b urhmb*
heben Quellen bearb. dulm. (IV, 223 6. ar. 8.) [Nicht im Bchhdi. ; in ca. 4ooE*pi.
gedr. u. als Festgabe vertheilt.]
Brlschke, Hptlehr., üb. Hymenopteren-Bauten, [Aus »Schriften d. naturf. Ges. in
Danzig.*] Danz. 1«75 (Anhuth) ( I S. Lex. 8.) —20. [im Bchhdi. seit Aug. 1876.]
Brunne*, Dr. 2B. »., ^ii^ccüe (aus e. alttor. Urfunbe t>. 1249) [3eitf*r. f. ftittöaefd».
12. 39b. 3. oft. 6. 491-92.]
Brannemann, 2)ir. Dr. 6., fiebrbueb b. franjöf. 6prad?e f. Sdjulen [niebt f. b. Selbft-
unterr.], nacb b. 9Jletbobe £ouffamk£anflenfieibt. Jöeftebb. auä 4 Slbtb.: SBor*
fdmle u. 1—3. Äurf. SBerl. 1875. fianaenfebeibt. (XII, 83 6. ar. 8.) —75.
Moliere, ausgewählte Lustspiele f. d ober. Klass. höher. Lehranstalt hrsg. v.
Dir. Dr. K. Brunnemann. 1. Bd. Le Misanthrope. Berlin. Weidmann. (XVI,
77 S. gr. 80.) —90.
Büttner, Ö., Ueb. b. felbftftdnb. Steife, b. oberen SebrftanbeS. ['San*. 3citß. 9945.]
3ui Sraae üb. SlnfteUß. u. ©ebaltöaScenfion b. fieferet an fcöljer. Spulen, [ßbb.
9067.] ©riefe üb. b.. Umaeftaltq. b. böb. G*ul. beb. 1>a$ Untrd>t$fleffc. I — VL
[Gbb. 10041. 51. 59. 65. 77. 93.]
Carnuth, Otto, de etymologici magni fontibus. Altera pars: De iis locis, qui ex
Herodiani iliaca prosodia in etymologicum magnum translati sunt. Berl. Born-
träger. (40 S. gr. 4.) 2.40. (1. u. 2.: 4.—)
S&oUbuiö, $rof. Dr. £. $t*»oiitionen u. Materialien au btf*. Huffäft. ... 1. »beb.
8. nb. Slufl. Seipj. Seubner. (XXIV, 326 6. 8.) 3.60.
Clebsch, Alfr., Vorlesgn. üb. Geometrie; bearb. u. hrsg. v. Dr. Ferd. Lindemann.
M. e. Vorw. v. Fei. Klein. 1. Bds. 2. TM. Leipz. Teubner. (XH, S. 497
bis 1050.) 12.80.
Clericu8. Vierteljahrs8chr. f. Herald., Sphragist. u. Geneal. Hrsg. v. Verein »Herold*
zu Berlin. Red. v. Ldw. A. Glericus. 4. Jahrg. Berlin. Mitscher & Rösteil.
(408 S. gr. 8.) 8. -
Der deutsche Herold. Zeitschr. f. Herald., Sphrag. u. Gen. Organ d. Vereins
»Herold* zu Berlin. Red.: L. Clericus. 7. Janrg. 12 Nrn. (1—1 XU Bog.
gr. 4. m. eingedr. Holzschn. u. Beil.) Ebd. baar 9. —
Conrad, Max, d. Refraktion von 3036 Augen von Schulkindern m. Rucks, auf d. Ueber-
gang d. Hypermetropie in Myopie. I.-D. Kgsbg. 1875. (Leipz. 1876. Kessler)
(45 S. gr. 8.) 2 .— Mit 2 (lith.) Taf. 2. Aufl. Leipz. Kessler. (47 S. gr. 8.) 2.—
Conweirtz, Hugo (aus St. Albrecht bei Danzig) Ueb. d. versteint. Hölzer aus d. nord-
deutsch. Diluvium. L-D. Breslau. (34 S. 8.)
Altprenssiflche Bibliographie 1876. 509
[CopernkMis.] Berti, Dr. Prof. Domenico, Copernico e le vicende del sistema Coperni-
cano in Italia nella seconda meta del secolo XVI e nella prima del XVII con
documenti inediti intorno a Giordano Bruno e Galileo Galilei: Discorso letto
nella B. Universita di Borna in occasione della ricorrenza del IV centenario
di Niccolo Copernico. Borna tipografia G. B. Paravia e Oo. (255 S. gr. 8.)
(Fantor, 2Rorifc, Ueb. bie Nationalität beä (SopernicuS. [Hug9b. %Üq. & r>. 1. Slua.
93cil. au 214.1 Sulla nazionalita del Copernico. Tradnzione dal Tedesco del
Dr. Alfonso Sparagna. [Bnllettino di bibliogr. e di storia delle scienze mat.
e fis. T. IX. Dicembre. p. 701— 7t6.]
Copernic et Galileo. [Ateneum. Novembre 1876.]
Förster, Wilh., Sammig. wissenschftl. Vortrage. Berlin. Dümmler. (V, 197 S.
gr. 8.) 3.-— [Bnth. unt. No. 7 Nicolaus Copernicn«.]
Seoparbi, ©iacomo, ßopemicu«. 2>eutf* ü. $aul öenfe. ISBeftermann'« tfluftr.
btfic 2Ronat$:6fte. 2Kai. 3. %. in, 156—161.]
2>$am, SRicol. (Sopernicu*. [Statur u. Dffbq. 3)ec. 1876.]
€ofa<t, 2Bilbv Materialien j. ©ottbolb @pfer. Seffwa/g fcamburajfö. Dramaturgie. »ufr
fübrl. (Somment. nebft (SinL, &n&. u. SReß. $aberbont. 6cbömnfl&. (VI, 451 6.
ar. 8.) 4.50.
SimphafftmuS. (Sin «Roman b. 17. $a&rb. SBortr. I3)anj. 3tp. 9673. 75. 77.1
Cuno, J. G. (in Graudenz) Zwei gallische Inschrift, ans Oberital. [Nene Jahrbuch,
f. Phüol. n. Päd. 113. Bd. 3. n. 4. Hft. S. 227-234.]
Curtze, Max., d. Handschriften n. seit. alt. Drucke der Gymn.-Biblioth. z. Thorn be-
schrieb. 1. Theil.: Die Hds. u. Incunabeln. Thorn 1875. (Leipz. Qoandt &
Handel 1876.) (40 S. gr. 4.) baar 2.—
Schiaparelli, Dir. G. V., die Vorlauf, d. Copernic. im Alterth. Histor. Unter-
such^. Unt. Mitwirt, d. Verf. ins Deutsche übtrag. v. Max. Curtze. Leipz.
Quandt & Handel. (VIII, 109 S. gr. 8.) baar 2.80
Copernico in Italia. Tradnzione dal tedesco del Dr. Alfonso Sparagna. [Bnl-
lettino di bibliogr. e di stör. d. sc. mat. e fis. T. IX Giugno. p. 315—319.]
Bemerkgn. z. d. Aufsätze Güntfcer's »Zur Gesch. d. dtsch. Mathem. im löten
Jahrb.* [Bepertorium d. lit. Arbeit, auf d. Gebiete cL rein. u. angew. Math.
I. BdL 3. Hft. S. 247.] Beliquiae Copernicanae. [Ebd. 247— 4a et Altpr. M.
XIV, 381] Hat Copernic. d. Einleitg. in sein Werk selbst gestrich.? [Ebd. 249.]
Letztes Wort üb. d. Biblioth. hist.-natur. [Ztschr. f. Math. u. Phys. 21. Jahrg.
5. Hft. Hist-liter. Abth. S. 151—54.] rec. Hankel z. Gesch. d. Math, in Altth,
n. Mittlalt. [Jen. Lit.-Z. 1876. 18.1
©a& 6im., ©ebiite. §tZq. &. £erm. Oefterfoj. Seipa. 1876. $rod$au£. [2>eutf<$e
3)id>t. b. 17. Sabrfc. 9Wit einleitan. u. $nm. br$ß. n. Äarl ©oebefe u. Jjul
Sittmann. 9. 35b.l (LVH, 236 S. 8.) 3.50. aeb. 4^0.
fiafrt, f?cltr, (Sin Jtampf um 9tom. ipiftor. Vornan. 93b. 1—4. Spj. SJreitfotof & fcArtel
SnÜ, 416 6.; 400 6.; 488 6. m. 1 litfr. $lan; 488 6. 8 m. 2 Äatt.) 24.—
önia Stoberid). ®n Xrauerfp. in 3 $lufe. 2te, burebgefefr. iL fcanb. SluSa. 6bb.
(X, 222 6. 8.) 4.— geb. 5.—
2)eutf*. SRetbtöbu*. Gin 6tf eael b. beut, bfiraetl. S*e<6t8 in 2>tfcWb. SWrblina.
1877 (76) »ed. ffcanbbibltotfret f. b. öfitL Seben. 2 SBbJ £fß. 1. (VHI, 96 &"
ar. 8.) cplt in 5 Sfan. a 1.50.
langobardische Studien. 1. Bd. Paulus Diaconus. 1. Abth. Des Paulus Diaconus
Leb. u. Schrift. Leipz. Breitkopf & Härtel. (LVI, 104 S. gr. 8.) 3.50
$te »malunaen. Gm ©ebidtf. (Sbb. (69 6. ar. 8.) 4.-
Sa* Jtriea3Ted>t. Äurge »oU3t&ümli4e 3)arfleUunaen für ^ebermann jumal f.
btfefee Solbaten. [äuSjua, av.3 b. Kerne du droit international.] äBürgburg.
«. 6tuber. —80.
2)en SUamannen u. ©dtfnaben. [Gartenlaube 37.] fiueber* (Senfertonvention. (9tec.)
[Huaeba.SUIa.3« 6. (»etL)] ©riefe au« 3*ule. VHI. IX. f@bb. »eil j. 37 u. 49.]
Dengel) Dr. C. J., Precis de l'hist. de la litterat. Frany. . . 4. ^ait., nouveUem. revue
et corr. Kgsbg. Beyer. 1877 (76). (VI, 162 S. gr. 8.) 2.—
^Denff^Hft ald Chnlabung gu b. gcft0otteßbien[ten am 1. Slbütfonnt. b. 3. 3)ec 1876.
bei b. lOOjabr. äubelf. ber na* b. Sranbe x>. 11. 9to*. 1764 in b. 3. 1765—76
nrieb. erbaut £öbem*tfa>. Kirche. Kbg. Oftpr. 3tgd.« tu SBlg^Sr. (32 6. dt. 8.)
510 Mittheilungen und Anhang.
DoffilNL Aufeeichngn. üb. d. erloschenen Linien der Familie Dohna. Als Mac. gedr.
Berlin. Geb. Obhofbchdr. (XIII, 343, 372 S. gr. 8. m. Anh. Hft. 1—3 enth.
Stammtaf. I — IV, Karte A.-D. U. Ueberaicht 47 S.) Vorwort nntB.: Berlin, April 1876.
Siegmar Graf Dohna, Gen.-Lieut. b. D.]
Sorfseittttift, lanbnrirtMcb. . . fcr$ö.: ©. Äretfe. XIII. 3a&ra. ßbfl. Mab. $8<bb. in
(Somm. 4.—
Dorn, Heinr., Ergebnisse ans Erlebnissen. 5. Folge der Erinnerungen. Berlin. 1877
(76) LiebeL (3 Bl., 179 S. 8.) 3. — [Die vorhergehenden sind: (I.) Aus meinem Leben.
Mnsikal. Skixicu Berlin. Behr. 1870. (2 BI., 32, 69 u. 34 S. 8.) 3 .— (IL) 3u0 mein. Sefcen.
©rinnergn. 0erL ^>au«fccunb»(5fpcb. o. 3. (3 33t, 154 @. 8.) 3.— (III.) ttu* mein. 8 eben.
Crinnctgn. (3. ©ammL) «&b. 1872 (3 »t. 150 6. 8.) S.— (rv.) OfhraciGimi*. (Sin Öeriä>t
ererben aufgetragen, »erlim »ebr. 1875. (2 8L, 119 ©. 8.) 2.—]
Sa« pronifor. Statut b. fönißl. Mab. b. JÄünfte in »crlin beurtb. 2krl. 1875.
SBebr. (15 S. ftr. 8.) baar —25.
Dorr, Oberl. Dr. Rob., üb. d. Gestaltgsgesetz d. Fcstlandsumrisse u. die symmetr.
Lage der grossen Landmassen. 3. Aufl. Vcrra. durch 4 Vertheidiggsschrift.
d. Verf. Liegnitz, Kaulfuss. (VI, 207 S. gr. 8. m. 2 Tai.) 2.25.
Ein Wort üb. d. Citir. der Quellen in wissensch. Büchern. [Der Antikritiker.
Organ f. liter. Vertheidigg. I. Bd. No. 3. S. 54-56.]
£&W fi* bic ©eftalt ber SeftlanbSföften erflftren? [®äa. 9ieb.: Dr. £. JHein.
12. Sabta. oft. 7. SUtpr. 3tn. 109 («eil.) Sreie 2ebrerjeUa. 5 u. a. a. 0.]
fitttf, Dr. 2Ub7 Stimme ber Sttenfcbbeit. Gbriftltdje ©laubenolebre. diu Sebrbucb f.
firdjenfreien SReliaionSunterricbt in ©emembe, Sdjule u. $au& 1. $bcU: Hxit.
®laubeneh*re. Seipj. ginbel. Sfa. 5. 6. (X. u. S. 305-547 <\t. 8.) ä 1.—
flFbett, $olyei*Setr. *c, b. preujj. ^oltaekörehitrobeamte. . . 2. mn. Slufl- ÖraunSbß.
$eter. (213 S. flr. 8.) 3.—
fl£aloffftrftt*3lrtlitten, Äarl ®raf *., ein ©lief auf ©otteS 3öort auf bie flßtoÄrt. emfte
3ett u. ibre ernft. 3«*en. (üJtattb. 1«, 2. 3.) SBerl. »etf. (39 S. 8.) baar —60.
Etohhorst, Prof. Dr. Herrn., über die Diagnose der progressiv, pernieiösen Anämie.
[Deutsche Ztschr. f. prakt. Medic. 33. Gentralbl. f. d. media Wissenschftn. 26.]
Cidbetn, 3. &> bie Reform be« gleifcb-SBertaufeä, ibre SBerecbttfluna. u. »olfSiüirtbfcb.
»cbeutfl. 9Wit 5 Suuffr. San*. flafemann. (24 S. flr. 8.) —60.
Efeentahn-Coursbuch, ostdeutsch., nebst d. anschliess. Posten f. d. Provinz. Preuss.,
Posen n. Pommern. Von Herrn. Smalian. Sommer 1876. Ebd. (16 S. gr. 16.)
baar —30. — Decbr. 1876. (24 S.) baar —25. — Januar 1877. (24 S.) —25.
Erdnann, Ose, Untsuchgn. üb. d. Syntax der Sprache Otfrids. 1. Thl. Die Forma-
tionen d. Verbums in einf. u. in zsgesetzt. Sätzen. Halle 1874. Buchh. d.
Waisenh. (XVIII, 234 S. gr. 8.) 6.— . . . Gekrönte Preisschrift d. ksl. Akad.
d. W. in Wien [Paul HaTsche Stiftg.] 2. Thl Die Formationen des Nomens.
Ebd. 1876. (VIII, 272 S.) 8.—
(9altJ Cbltt, 6m., 3ot>anne3 galf u. bie 9tot&3&erxen rj. Stonjifl. (29 6. flr. 16.)
l©rofd)en»$tbliotb. f. b. btföe »olt. 91r. 9 u. 10. »armen.] a —10.
Flach Dr. Hans, das dialektische Digamma des Hesiodos. Berlin. Weidmann. (VII,
77 S. p. 8.) 2.—
die Kaiserin Eudoxia Macrembolitissa. Eine Skizze aus d. byzantin. Gelehrten-
leben d. 11. Jahrh. Vortrag geh. im Königsbau zu Stnttg. Tübing. Fues.
(38 S. gr. 8.) —50.
Glossen u. Scholien zur Hesiodisch. Theogonie m. Prolegomena. Lpz. Teubner.
(XVI, 432 S. gr. 8.) 8*—
Kuniua, Alb., Etewnetykts ßiptiov xqItov Carminis librum 111. e cod. Tubingensi
ed. Jons. Flach. Tübing. (Fues.) (19 S. gr. 4.) 1.—
— — die neuest. Arbeiten üb. d. Digamma bei Hesiodos. [Neue Jahrb. f. Philol.
113. Bd. 6. Hft. S. 369—75.] rec. K. Brugman, c. Problem d. Homerisch.
Textkritik. [Ebd. 10. Hft. S. 657—62.] Ein codex Tubingensis des Aristoteles.
SSbd. 11. Hft. S. 733—34.] Bericht üb. d. i. d. J. 1874 n. 75 veröffentl., auf
. nachhomer. Epiker bezügl. Arbeiten. [Bnrsians Jahresber. üb. d. Fortachr.
d. class. Altthsw. 2. u. 3. Jahrg. 1. Hft. S. 1— 26J
Fftrttemaim, E. W., Mittheilgn. aus d. Vwaltg. d. kgl. öflftl Biblioth, z. Dresd. i. d.
J. 1871—75. . . Dresd. Burdach. (50 S. gr. 8.) 1.—
Altpreufltucfae Bibliographie 1876. 51 X
Forsteaam, E. W., Enk n. Halm [Areb. f. Litteraturgesch. hrsg. v. Fn. Sciaorr
v. Carolsfeld. V. Bd. 4. Hft. S. 622— 36.] Ueb. deutsche Volksetymologie.
[Ztschr. f. vgl. Spracht Bd. XXIH. Hft. 4. S. 375—384.]
9uebett£üote, SHelißtöf. ©onntaaöblatt f. djriftl. gamilien. iReb. it. SBerf. $Forr. ©roncrfc
Äaäbq. $bß. (Öraun & üöeber.) [$er „fttitbtnmu* tritt t>. l. tfyrtl 1876 ab an bie
©teile be« feit l. 3am 1878 $1« $r«g. »Äat^olif.]
Friedländer, Dir. Dr. Konr., die bürgerl. Bilduug im Johanneum u. d. Anfange d.
Realsch. Hamburg. [Progr. d. Realsch. d. Johanneums, z. Einzüge in d. neue
Schulgebäude. (54 S. gr. 4.)
u. Wüh. Bahnson, Beiträge z. Gesch. d. Bealsch. d. Johann eums. Ebd. (Nolte.)
(81 S. gr. 4. m. 5 Taf.) baar nn. 3.—
Friedländer, Prof. Dr. L., Jahresber. üb. d. röm. Satiriker (ausser Lucüius u. Horatius.)
[Jahresber. üb. d. Fortschr. d. class. Altthsw. 2. u. 3. Jahrg. 1874—75. 4. Hft
5. 207—215.] greifen in Italien in b. iefet. 3 3a&rbb. [$tf*e Sfombfcbau.
2. ftobrß. 8. £ft. 6. 233-251.] tfant in feiner öteQunß jut $olittf. [<§bb.
3. 3abr«. 2. oft. 6. 241—255.]
Fritchbier, H., Preussische Sprichwörter u. Volksthümliche Redensarten. Gesamm.
u. hrsg. 2. Saramlg. Mit e. Glossar. Berl. Enslin. (XII, 264 S. 8.) 4.—
Stbatier, Dr. Karl @mil, SReucftcr Söeatoeifcr bind? Samlanb. 6. Slufl. ftßgbß.
£artunfl. (VIII, 101 6. ßr. 16. mit 1 Acute.) 1.50.
(Bcmcinbe&latt, e»anßeltfa>e$ . . . br$ß. t). £erm. ©Isberßer. 31. 3Mrß. ÄßSbß.
Dftpr. 3tfl«.* u. äßlßSbr.
3fraclitifcbeö. 6pectalorßan f. b. jfib. ©emeinbelcb. . . . brSß. &. Rabbiner Dr.
6<breiber:<S(bina. 1. 3abrß. Abg. $r. u. SBerl. x>. 2. prange & (So. 2Bo*entl.
1 ©oa. 4°. SBiertelj. 1.25.
ßentzen, Assist.-Arzt Felix, Beobachten, am weich. Gaumen nach Entferng. e. Ge-
schwulst in d. Augenhöhle. Kbg. (Leipz. Kessler.) (31 S. gr. 8. m. 2 Taf.)
baar 1.50.
©eorgme. SanbmirtMcbaftl. 3tf*r. . . .' 3abrß. 1876. . 12 9fcn. ä y,— l »oß. ßT. 8.
3nfterba. (©umbinn. 6ter$el.) 3.75.
©ct#, Or. 5- 5- in ©üficlborf, iHeujabrslieb b. Äüdbenbiener m @f?en u. bcS prandium
ber 6borf*ület bafdbft. [3tf*r. b. SBerßifd). ©ef*icbt$öerein3. % g. 11. »b.
6. 101-103J $a$ Setlißtbum t. Gffen. [<§bb. 6. 108— 110-1 £Öfe u. £ofe&
re*te beS ebemal. 6tift$ (Sfien. l@bb. 6. 174—199.] 3>ie S*ule in ßffen.
(Gbb. 6. 102.]
Geeohichtechreiber, die preussischen, d. 16. n. 17. Jahrh. hrsg. v. d. Verein für die
Gesch. d. Prov. Preuss. 1. Bd. Lfg. 1. 2. Leipz. 1875—76. Duncker & Humblot.
[Inhalt: 8imon Grünau 's preuss. Chronik . . . hrsg. v. Dr. If. Perlbach. 1. Bd. Tractat
I— XIV. (VIII S., 8 Bl. u. 755 8. gr. 8.) 15.20.
<Setoetbeblatt f. b. $rm>. $reujien. ... (2. 3afc*fl.) 9teb. p. Simons (52 9trn. a
y2— 1 SBoß. ßr. 4.) Äßäbp. £au*branb. Quart. —75.
Blagau, Otto, d. Börsen- u. Gründgs-Schwindel in Berlin. Gesammelte n. stark ver-
mehrte Artikel der , Gartenlaube \ Leipzig. Frohberg. (XXXVI, 367 S. 8.)
(4 Auflagen.) 5. —
©olbfdjmibt. 8tfat. f. b. ßefammte £anbel3Tea}t btfß. t>. @eb. Sufllfcffl. 3Brof. Dr.
£. ©olbfcbmibt ... 21. S3b. SR. 3. 6. 93b. 4 £fte. (l. u. 2. fcft 348 6. ßr. 8.)
6tuttß. 12.—
®tau, $rof. SRub. 2)et föetoeB bed ©tauben*. UionatSfcbr. . . . unt. leitenb. MU
»irfß. t). 35dlet u. 91. ©tau . . . Safrß. 1876 ob. 12. 83b. ©OterSiob. Wertet*
mann. 8. —
SBibelmett für b. ©emetnbe. 3n Sbbß* m. mebr. euanp. S^eoloß. bearb. u. kte
. . . 9leu. Seftam. Sfß. 1. 2. SBielefelb u. Seingiß. SBelbaßen & Jtlafmß. (IV,
332 6. gr. 8.) a 1.60.
2>er $roloß b. 6DanßeItumS 6t. 3obanm3. 3ob. 1, 1—18. [S)er $bewm be?
©tauben^. 12. »b. 6. 617-633?]
<Sregoroviu3, gerb., ©anberjabre in Stalten. 4. 93b. SBon ftanenna btd 2Rentano.
3. 2lu{l. 2eiw. »rodbau*. (lXf 379 6. 8.) 5.40. geb. 6.—
©eiftitbte ber 6tabt in diom im 9RittefaUer ... 3. »erb. Sluft. 1. So. Stuttß.
1875. Sotta. (IX, 475 S. ßT. 8.) 9.—
512 Mittheilungen and Anhang.
Gregorovlus, Ferd., Storia della citta di Borna nel raedio evo . . . Prima traduzione
italiana delT aYY. Benato Manzato. Vol. VI. VIII. Veneria 1875. 76. AntonelLL
(852 u. 836 S. 16.) L. 8,50 u. 11.
Die histor. Stadien im alten Calabrien, der heutigen Terra d'Otranto. [Sitzgs-
berichte d. philos.-philol. u. bist. Cl. d. k. b. Akad. d. W. zu München 1875.
Bd. II. Hft. 4. S. 409—425.] Sarent. [3m neu. Meid). 17.] $a* 9*ömif*e
6taat$ar*to. IStftor. 3tf*r. 18. 3afrra. 3. oft. ©b. 36. S. 141—173.1
Orimbuttg, bie, bei SBefipreufj. (StfenWtte. 6ep.*2lbbr. au« b. Dffyr. 3tg. ÄaSbß.
Ofrpr. 3tflfr u. 35la8br. (19 6. ar. 8.) —30.
Graenhagen, Prof. Dr. A., Otto Funke's Lehrbach der Physiologie f. akad. Vorlesgn.
und zum Selbststadium, 6., neu bearb. Aufl. I. Bd. Leipzig. Leop. Voss.
(VIII, 711 S. ct. 8.) 15.—
GBterbock, Prof. Dr. Carl, die Entstehgsgesch. der Carolina auf Grund archi?alisch.
For8chgn. u. neu aufgefund. Entwürfe dargest Würzburg. Stuber. (VIII,
300 S. ct. 8.) 8.—
Gutschmkl, Alfr. ▼., Prof. zu Jena, Neue Beitrage z. Gesch. des Alten Orients. Die
Assyriologie in Deutschland. Leipz. Teubner. (XXVI, 158 S. gr. 8.) 4.—
(Beendigt KSnigsb. i. Pr., den 6. Febr. 1876.)
Habracker, Dr. Paul, Madvig's Conjecturen zu den Tragödien des L. Annaeus Seneca.
[Wissenschaftl. Monate-Blatt. No. 8.]
töaaebotn). 8ut görbera. bei (Sfrauffeebaufraae in b. $rot>. $reuf*. unter b. iefeiaen
SBbltniffen . . . Äbß. & 3- 5)alton)$ti. (43 6. ar. 8. m. 1 Tabelle.) 2.—
Äaaen, 2toa., Worica, baS futb nümbera. MoöeQen au* alt Reit 9tad) e. $bfd)r. b.
16. 3aM. 5. bur*aefefc Rufl. Seift, äöeber. (XVIII, 332 6. 8.) 6.-
Äöniain fiouifc in Sieb unb ©üb. [$a&eim. 51.J
Hagen, G., Untersuchgn. üb. d. gleichförm. Bewegg. d. Wassers. Berl. Ernst & Korn.
(IV, 104 S. gr. 8.) 4.-
[Hamann.] Montoro, W., Juan Jorge Hamann. [Bevista contemporanea. 15. Novbr.
Madrid.]
•Joel, ©., 3°k ®eo. Hamann, ber ÜRaauS im Sorben. Qrin Sehen u. SRitt&eilan.
au* f. Scbrift in 2 3Jcil. £ambß. 1874—76. Agentur o. Raub. fcaufe*.
(XV, 438 €. gr. 8. m. 1 $l?otoH4. u. 1 Sab. in qu. 4. u. XVIII, 640 6.)
a6.~
^djtraalicbe* }u ben „^freüunaen au* £/* 6ä)rifien*. @bb. 1877. -4a
$anbt(** u. 04t#fafctögeorau<$c in JföniaSb. i. $r. 3fntßeft n. b. atorftefceramte
b. jtaufmfd). Äba. Wartung. (25 6. 8.)
tymftourg, Dcton.*8i, $)exitfd?e lanbnrirt&f*. ffeeffe . . • 3. 3a&rß. (104 SRrn. ä >/s
big 1 Sog. ar. Sei.) Berlin. aBießanb, fcempel u. $areü. äJiertelj. 5 —
«aufcÄalenbet für b. $rot>. Ereufr., $omm., $of. u. 6d?lef. f. b. 3. 1877. 9. 3afrg.
2Jttt mel. (einaebr.) fcoUfan. Äbß. »euer. (192 6. ar. 16.) —50.
feimltcft, Ärei*aer.s9i in Xtlftt, 3u § 52 Slbfafc 3 ber %urmunbfd)aftö«Oibnuna x>vm
5. 3uli 1875. [@rud?ot'* Settraße g. 6d. b. btf*. 9te*t*. 91. g. V. 3. u. 4>$ft.
S. 425-26.]
#ctaers, Dr. ©>., ®efd?id)te jBreu&en*; bearb. u. ö. 3afre 1867—71 fottaef. p. Dr.
<L 3. Smtbiett. 7. Sluff. . . . 2. StL Abg. 9ltab. a9d)6. (XXV, 607 6. ar. 8.)
5.— (cplt.: 6.50.)
gebrannte lleberftdjt b. tjaterl. <$efä). SBoQftbg. umßearb. . . . n. Dr. gr. Ärefta.
17. «. 18. »ufL (IV, 80 6. 8. m. 1 Mftor. (lift. u. color. Äarte.) —60.
Hejnowski, Leonh. v. (aus Tarzno i. Westpr.), die Lohnzahlgsform. u. Lohnsrsteme
in d. Landwirthsch. Leipz. L-D. Thorn. Buszczyiiski. (74 S. gr. 8.)
Neiarich. Docent ln.9 Grammatik d. dtsch. Stenographie. Eine Veranschaalichg. d.
Grandzüge d. Grabeisberg. Systems. 2. Aufl. Egsbg. Akadem. Buchhdlg.
£V, 16 S. gr. 8.) —60.
esebuch t d. Elementar-Unterricht in d. dtsch. Stenographie nach Gabeis-
bergers System. Zur y Gramm, d. dtsch. Stenogr.* Ebd. in Comm. (2 BL,,
32 S. gr. 8.) 1.—
Heiaze, Dr. fl. (Marienburg), Jahresbericht über Plutarch's Moralia für 1874 u. 75.
EJahresber. üb. d. Fortschr. d. claas. Alterthumsw. 2. u. 3. Jahrg. 7. Hft.
J, 676—586.]
AHpreuBsische Bibliographie 1875. 513
§ er bort, 3?ob. Sriebr., pübaaoflifdje Scbriften. 1. 99b. Mgem. ^äbaaoajf u. tttttrifc
päbaoofl. Sorlefan. 9Wtt Surnerf. u. Grtäut. nerfeb. &. flarl 9M*ter. oft. 1—8.
Cl. «b. XCVI u. 400 6. or. 8.) flßäbafl. sBibliotb. • . . fcrSß. t>. Äarl tHtc^ter.
£ft. 64-71. Seipj. Sieatemunb & SBolteninfl.] ä -50.
Staublungen, päbafloa., d. ÜJtitfllieb. b. roifftnfdjaftkpfibaaoa.. $racticumg an b.
Uninerf. £eip^ta, Mfl. n. $rof. S. Strümpell. 2. #ft.: (Sine fteftgabe Jttt
Öerbartfeiec. gbb. (109 6. «r. 8.) a 1/20.
Drobtech, Mor. Wilh.; üb. d. Fortbildg. d. Philos. durch Herbart. Akad. Vorles.
z. Mitfeier sein. lOQj. Geburtstags geh. zu Leipz. am 4. Mai 1876. Lpz.
Voss. (40 S. gr. 8.) 1.—
$cmria, £ebr. ©. 21., 3ob. griebv. £erbart. gu fm. 6äcularfleburt*taa. nadj fm.
Sehen u. fr. p&bafl. SBcbeutß. batflefteüt in 4 Vortrag.] [änü „Sdjulblatt
für b. $rot>. tränten bürg."] tfpri&. (Sehnig. SiefliSimmb & Stoiteninß.
(57 6. or. 8.) 1.—
3iifc Dr. £. 6., bie goribilbfl. ber tfantifä. Gtbif bur* fcerbart. ©efrönte $rei&
f*rift. ©tfena*. SBacmeiftcr. (1 81., 39 ©. 8.) |$ttag. Srub, &r*g. *.
Dr. SBÜb. Wein. 5. 6ft.J —90.
Lazarus, M., Rede auf Herbart, bei d. Enthüllg. des Denkmals in Oldenburg z.
lOQjahr. Geburtstage am 4. Mai 1876 gehalt. Berlin. Dümmler's Verl.
(16 S. gr. 8.) —40.
Schneider, Dr. Gern., die metaph. Grdlagen d. Herbartsch, Psychol. dargest. n.
krit. untersucht. L-D. Erlangen. (58 S. 8.) I.—
Zimmermann, B., Perioden in Herbart's philos. Geistesgang. [Aus »Sitzgsber. d.
k.k. Akad. d. Wiss.«] Wien. Gerolds Sohn in Comm. (58 S. Lex. 8.) —80.
Scrbct**, 3feb. ©ottfr., SBette. 17. ®b. (XXXII, 736 6. at. 16.) 18. »b. (LXIV,
720 6.) [National; 93tbliotM fämmti. btfd). Glaffifet. I. tnoblf. tt. üollftb.
3lu$a. ibr. SWeifteroerte. Berlin. Tempel. 2fg. 501. 506. 510. 512. 513.
518. 520. 523. 531. 542. 543. 545. 547—549. 651.] ä —25.
Contes choisies des feuilles de palmier; par Herder et Liebeskind; pubL a?ec
des notes en franc. par J. Fortwengler. Paris. Berlin. (III, 207 S. 12.)
Bärenbach, Frdr. v„ Herder als Vorgänger Darwin's u. d. modern. Naturpfcilot.
Beiträge z. Gesch. d. Entwicklgslehre im 18. Jahrh. Berlin 1877 (76).
Grieben. (71 S. gr. 8.) 1.50.
4&effe, Dr., bem Slnbenfen 3ob. ©ottfr. ßerbet'S. gcftrebe gefcalt. ju SBeimar am
©rabe fcerber'3 b. 2. Oct. 1876. [^roteftant. Äircbenjig. 42.]
SWotrcS, 6b., Beiträge *. SBflrbiaung ». perber'ä SßÄbagogtt. 8eip*. 3nauayS)iff.
Setp*. 3)rud *>. g«*er & SBittia. (2 23L, 56 6. gr. 8.)
Dr. ßb., Öerber aU $Abaaog. [$äbaaoa, 6tub. &r«g. ü. Dr. ©ilfc. Mein«
9. <&ft. ©fenaaj. ©acmeifter. (60 6. gr. 8.)] 1.50.
®d>mibt, Sultan, SRotig: trit. ©efammtauSa. Berber'« r>. Dr. Supfran, Htaeaft.
3a&rbü4. 37. ob. 5. oft. 6. 566—67.]
Wegener. Theod., Herder's Forschgn. üb. Sprache u. Poesie. Potsdam 1675.
(Progr. d. städt. Bealsch.)
^erquet, Dr., bad Söreüe be3 $apfted Sttnoceng VL t). 3. 1355 an ben Sonoeat ju
Sibobofii. [©ocbenbl. b. 3obannit.=Orb.^aUep SBranbenba. M 5.]
Herrendoerfer, Gfr., physiol. n. mikroskop. Untsuchgn. üb. d. Aussoheidg. t. Pepsin,
L-D. Kgsbp. 1875. (Leipz. Kessler.) (31 S. gr. 8.) 1.50.
Herstowski, Felix (aus Pestün L Westpr.), zur Theorie d. Jacobisch. Thetafunctwowi.
Breslauer I.-D. Leipz. Teubner. (32 S. 8.)
Hesse, Otto, Vorlesgn. üb. analyt. Geometrie d. Baumes, insbes. üb. Obfläch. 2. Ordng.
Bev. u. m. Zusatz, verseh. t. Prof. Dr. S. Gundelfinger. 8. Aufl. Leipzig.
Teubner. (XVI, 546 S. gr. 8.) 13.—
Vorlesgn. aus d. analyt. Geom. d. Kegelschnitte. [Ztschr. f. Math. n. Phys.
21. Jahr^f. 1. Hft. S. 1—27.] Aufgabe. [8. 73—74.}
HHdebrandt. Die neue gynäkolog. Universitätsklinik und Hebammen-Lehranstalt zu
Kgsbg. i. Pr. Bericht unt. Beihilfe sr. Assistenzärzte Dr. Bluhm, Dr. Münster,
Dr. Weger bearb. n. hrsg. v. Prof. Dr. Hildebrandt. Mit 3 (lithj Grdrissen
m gr. 4 ) Leipz. Breitkopf n. Härtel (IV, 132 S. gr. 8.) 5.—
Geburtshülfe. [Jahresber. üb. cL Leistgn. u, Fortschr. in d« gesammt, Medic.
X. Jahrg. Ber. f. d. J. 1875. 2. Bd. HI. Abth. S. 683-625.]
Altpr. MoiwUMhrift Bd. XIV. Hft. 5 u. 6. 33
514 Mittheilungen und Anhang.
Hipler, Prot Dr. F., die Chorographie d. Joach. Bheticus. Mit e. Einleitg. ans d.
Autographon des Verf. hrsg. [Aus »Ztschr. f. Mathem. u. Phys.«] Dresden.
fBraunsberg, Huye.) (26 S. m. 1 Steintaf. in qu. Pol.) 1.—
Copernico in Bologna. Traduzione dal tedesco del Dr. Alfonso Sparagna.
[Estratto del Bullettino di bibliogr. e di stör, delle sc. matem. e fis. T. IX.]
Hirsch, Prof. Dr. A„ das Auftreten u. d. Verlauf d. Cholera in d. preuss. Prov. Posen
u. Preuss. währdL d. Monate Mai bis Sept. 1873. Beise-Ber. Im Auftrage d.
Cholera-Komm. bearb. u. an d. Beichßkanzl.-Amt erstatt. 2. Aufl. Mit 3 lith.
Tat gr. fol. [Berichte d. Cholera-Komm. f. d. dtsche Reich. 1. Hft. Hey-
mannT8 Verl. 44 S. gr. 4J
Jahresber. üb. d. Leisten, u. Fortschr. in d. gesammt Med. hrsg. v. Virchow
u. Aug. Hirsch. ... X. Jahrg. Ber. f. d. J. 1875. Berlin. Hirschwald. 2 Bde.
a 8 Abth. hoch 4. 37.—
— — Deutsche Vierteljahrsschrift f. öffentl Gesdhtspflege hrsg. v. Göttisheim, Prof.
Dr. Aug. Hirsch ... 8. Bd. Braunschw. Vieweg & Sohn. (VIII, 776 S. gr. 8.) 15.—
— — Media Geogr. u. Statistik. Endemische Krankhtn. [Jahresber. üb. d. Leistgn.
u. Fortschr. in d. ges. Med. X. Jahrg. Bd. I. Abth. 2. S. 393-437.] In-
fections-Krkhtn. [Ebd. Bd. II. Abth. 1. S. 8—52.] Was hat Europa in d.
nächst. Zeit v. d. oriental. Pest zu furchten? [Dtsche Vierteljahrsschrift f.
, öffentl. Gesdhtspflege. 8. Bd. 3. Hft. S. 377—392.]
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d. Ovariotomie. L-D. Greifswald. (27 S. 8.)
Jacobson juxt., Jul„ üb. d. Auffindg. des Apriori. Bede, geh, am 12. Febr. z. Feier
v. Kant's Sterbetage Berlin. G. W. F. Müller. (24 S. gr. 8.) —60.
3oco&9, $tof. Dr. $erm., bte Siturgif b. Reformatoren. 2. 9b. Uiturajt 3Jtelanc&t&on$.
©ot&a. a*ert&e*. (X, 299 S. ar. 8.) 6.—
SaeniC SCIb. (6bef«9teb. b. $r.*£it 3tfl.)/ Sieb unb Seib. 4 Honetten. 2 33be. Salin.
aBebetinb & 6*tmeaet. (351 u. 355 6. 8.) 8.-
Jaenlcke, Arth. (aus Graudenz), Senile Herzveranderungen. L-D. Bresl. (59 S. gr. 8.)
Ottftetftlt&en, grau ».) $feubon.: ®. *• Äotfrcnf el$, £aibeblumen. Roman. 2. SlufL
3 3*Ie. in 1 ©be. ©erlin. 3<mte. (VHI, 541 6. ar. 8. m. b. $ort ber Serf.
in Mjfdm.) 4.—
Jordan, H., C. Sallustii Crispi Catilina, Jugurtha, histonarum reliquiae potiores, in-
certi rhetoris suasoriae ad Caesarem Senem de re publica, flenr. Jordan iterum
recognovit. Accedunt incerti rhetoris invectivae Tullii et Salustii personis
tributae. Berl. Weidemann. (XVHI, 162 S. gr. 8.
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latin. supplem. Vol. HL Fase. 1. p. 57—73.] Steinmetzzeichen auf d. Ser-
vianisch. Wallmauer. [Hermes. X. Bd. 4. Hft. 8. 461—64.1 navale u. navalia.
[Ebd. XL Bd. 1. Hft. S. 122—23.] die Invectiven des Sallust u. Cicero. (Ebd.
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3otbati, 2öil&., epifdbe Briefe. Sranlf. a. 9R. SelbftoerL (270 6. gr. 8.) 5.—
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Novellen zu Homeros. 9. Die Farben bei Homeros. [Nene Jahrbb. f. PhiloL
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3oTban, SBoIfß. 2lrt^ur, etubettt unb S)ic%ter. (Sine 2)id)tung. Saftenburg 1875.
64lemm. (IV, 55 6. gr. 16.) 1.—
3Mttß, 2llcr., eine Anthropologie ü. toSmofcolit. Sragmeite. ISTOagaj. f. b. Süeratut b.
SluSlbä. 22.] 3ur »eiteren (S&aralteriftif b. 2)iimft. u. »urggtaf. n. äRarienbg.
£nu p. 6d)ön. [@bb. 29.]
ättjtc, 6u»erint. $fr. 3ÖU&., Dr. Start, Sut&er'S Hein. Äateätenu aufgelegt. 6. Aufl.
ägäbg. ©räfe. (44 S. 8.) cart. —25.
Aalettber, neuer u. alter oft- u. toeftyr., auf b. 3. . . . 1877 . . . JtgSbg. Wartung.
(92 6. gr. 16.) —40. je.
Heiner »reufe., auf b. 3. 1877. ebb. (60 6. 16.) -20.
illuftr. tfönigSberger, f. 1877. flgSbg. S3e*er. (76 6. 4.) -50.
S
Eine werthvolle Sammlung von Büchern, Manuscripten und Antographen kommt
am II. Oetober bei Lepke in Berlin anter den Hammer. Das von J. A. Star gar dt
in Berlin vortrefflich redigirte Verzeichniss (Preis 50 Pf.) enthält auf 84 Seiten
900 Werke und ca. 250 Manuskripte. Wir heben besonders hervor : Nr. 11 Weinreichs
Danziger Chronik hrsg. v. Hirsch u. Vossberg, Pergamentdruck (es wurden nur zwei
Exemplare auf Pergament gedruckt), Nr. 29 ein Sammelband, unt. and. enthaltend
ein Unicum Joh. Hevelius Brief über die von ihm im J. 1652 beobachtete Sonnen-
finsterniss. Nr. 448 J. Briessmann Sermon von Anfechtung des Glaubens gepredigs
zu Königsberg in Preusseu 1524 (2ter Königsberger Druck). Nr. 468 Eyn sermon
des würdigen Herrn Georgen v. Polentz Bischoff zu Samland am Christtage yn der
Thumkirche zu Königsberg gepredigt 1524 (3ter Königsberger Druck). — Stamm-
bücher, Fehde- und Ablassbriefe, Diplome, Msc. mit Miniaturen. Unter den Anto-
graphen befindet sich auch ein Brief Kaut's an Motherby vom 28. März 1799« —
Za Hern Dr. Perlfcach's Kritik.
Hinsichtlich der an der ersten Lieferung meiner Kreisgeschichte gemachten
Ausstellungen kann ich nur auf meine »Abwehr* verweisen, welche sich auf dem
Deckblatte der zum Drucke bereits fertig gestellten zweiten Lieferung befindet
Doch seien mir für die Leser dieser Zeitschrift noch einige Zeilen gestattet
Meine Kulmer Kreisgeschichte ist und will nichts anderes sein, als eine
Lokalgeschichte. Wenn sich dieselbe in der ältesten Zeit mit der Landesgeschichte
vielfach berührte, so war dieses unvermeidlich. Sie spitzt sich aber mit jedem Jahr-
zehnt mehr zu und verengt sich in gleichem Maasse, als Kulm von seiner politischen
Bedeutung zurücktritt. Wer wüsste nun aber nicht, wie reich gerade unsere Pro-
vinzialgeschichte an Hypothesen der mannigfachsten Art ist, sodass die eine kaum
überwunden ist, während die andere nachdrängt. Mein Becensent hingegen, noch
5X6 Mittheilwtgen und Anhang.
yoll der Errungenschaften aus seiner Ausgabe S. Grunau's, stellt alles dasjenige
als falsch, schief etc. hin, was mit seinen vermeintlichen Resultaten nicht überein-
stimmt Die günstige Beurtheilung, welche er seitens seiner Special-Fachgenossen
erfahren, hat ihn in diesem Bewnsstsein gestärkt. Es ist nun allerdings für mich
als Nicht-Historiker erfreulich, das enge Zusammenhalten der preussischen Historiker
zu beobachten, wie Alle für Einen aufzutreten bereit sind; wie sie unangenehm be-
rührt werden, wenn Einem unter ihnen Unrecht geschieht; wie sich beispielsweise
Herr Dr. Perlbach in seiner Recension der Jenaer Literaturzeitung auf Dr. Töppen's
Uebereinstimmung beruft; mein Becensent in Zarncke's Centralblatt, ohne meine Ent-
gegnung abzuwarten, sich seinem Yorrecensenten blindlings in die Arme wirft; wie
sich Herr Dr. Perlbach wiederum mit solcher Wärme des Dr. Toppen annimmt: —
allein Yf. ist nun einmal gewöhnt, sich auf eigene Fasse zu stellen und überall
selbst xu prüfen; er ist einmal nicht im Stande, sich durch Autoritäten imponiren
zu lassen, noch weniger sich um die Gunst solcher zu bewerben. — Leider habe
ich nun Herrn Dr. Perlbach's Ausgabe von S. Grünau für meine erste Lieferung
nicht mehr benutzen können, doch habe ich geglaubt mich über dieselbe hinweg-
setzen zu können, nachdem sich der Autor derselben durch seine Abhandlung über
die ältesten preussischen Urkunden als Hyperkritiker in die preussische Geschichte
eingeführt hatte. Hätte er in Kulm angeklopft und sich nach späteren Yerleihungs-
urkunden an Kulmer Bischöfe umgesehen, so wäre er bei den wiederkehrenden Aus-
drücken cum omni jure . . . dominio . . . proprietate . . . anderen Sinnes geworden.
Schon mancher Wissensdnrstige hat sich in jüngster Zeit hierher gewandt (München,
Göttingen, Leipzig, Königsberg, Danzig, Marienwerder) und man ertheilt gerne Jedem
Auskunft. Mancher schwere Irrthum wäre dieser Abhandlung, wie auch den preussi-
schen Regesten erspart geblieben.
Die erste Lieferung meiner Kreisgeschichte bietet an neuem Material verhältmes-
mässig nur sehr wenig; die jetzt erscheinende zweite enthält dessen schon viel mehr.
Um dasselbe für die preussische Geschichte überhaupt nutzbar zu machen, habe ich
die neu auftretenden Urkunden und historischen Nachrichten wörtlich unter dem
Texte abdrucken lassen. Wie natürlich stand mir hiebei eine grössere Müsse zur
Verfügung, als in jener beschränkten Zeit, da ich in wenig Tagen hunderte von
Seiten auf dem Geh. Archiv zu copieren hatte und Irrthümer um so leichter unter-
laufen konnten, als die Tragweite der einzelnen Urkunden sich mir erst später er-
öffnete. Die in Arbeit befindliche dritte Lieferung, welche nur die inneren städti-
schen Verhältnisse bis zum Jahre 1479 behandeln soll, beruht nur auf einheimischem,
bisher unbenutztem Material Ob durch diese beiden folgenden Lieferungen der
preussischen Geschichte ein guter oder schlechter Dienst erwiesen wird, darüber wird
sich Herr Dr. Perlbach gewiss in nächster Zeit wiederum aussprechen.
Kulm den 13. Juli 1877. Dr. Fr. Schnlti.
Entgegnung von Voelkel und Thomas. 517
Entgegnung.
Da es uns darum zu thun ist, mit unserem »Taschenwörterbuch* ein wirk-
lich zuverlässiges Hilfsmittel zu bieten, so können wir es nur dankbar anerkennen,
wenn Jemand mit dazu hilft, dass Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten ans den Ar-
tikeln ausgemerzt werden. In der kleineren Ausgabe: Die Aussprache der Geogr,
Namen aas dem Bereiche der Schule — haben auch bereits von der Kritik gemachte
Ausstellungen Berücksichtigung gefunden. Andererseits darf man es uns nicht ver-
argen, wenn wir unbegründete Vorwürfe zurückweisen und, wo man unsere richtigen
Angaben durch notorisch Falsches verdrängen will, ein solches Verfahren ans Licht
ziehen. Dies zur Begründung gegenwärtiger Entgegnung auf eine mit ]) unter-
zeichnete, in diesen Blättern S. 355 — 360 enthaltene Besprechung unseres T.-W.
Die auf dem Gebiete der entlegneren, namentlich asiatischen Sprachen gegebenen
Verbesserungen sind zum Theil orthographischer Art, worauf wir erwidern, dass wir
uns, gegenüber der durch blosse Transskription morgenländischer Zeichen in die
abendländischen Buchstaben erzielten Schreibweise, an die Orthographie allgemein
gebräuchlicher Lehrbücher der Geschichte und Geographie halten zu müssen glaubten,
da wir »für das allgemeine Bildungsbedürfnis* schrieben. In Uebereinstimmung
mit Stoll, Erz. a. d. Gesch. IV, 45. Weber, Allg. Wertgesch. V, 118 ff. Knochen-
hauer, Lehrb. d. Weltgesch. II, 76. haben wir daher »Ab derrhaman* geschrieben.
Die gerügten Formen Chandernagor, Chandernagore finden sich u. a. bei
Daniel, Handb. I, 291); Kairwän bei Daniel I, 451, Kiepert, Neu. Handatlas, Berl.
Bl. 33, und sogar Eirwän ib. Bl. 35; Kerman in den Atlanten von Kiepert, von
Lichtenstern u. Lauge, 27. Aufl. Braunschw. 1875* in den geogr. Lehrbb. von Daniel,
v. Seydlitz, Guthe; Bassora in den DanieFschen Lehrbb, d. Geogr. Ebenso sind
die Formen Palibotra, Warakadu, Bugdahd populären Büchern und Zeitschriften
entnommen. Balfrusch als »bahl-fernhsch* erscheint uns zweifelhaft, vgl. Kiepert 28:
Bärrurusch, 26: Barferusch, Lichtenstern 34: Bälfurusoh. Die bei Daniel, Guthe,
v. Seydlitz sich findende Form Balfrusch kann nicht gut bahl-fertthsch gesprochen
werden. Als falsch müssen wir zurückweisen »Udschain = Udien (in beiden Formen
zweisilbig)*, Egli, Nomina Geogr., giebt Udschain, daher haben wir udxa-in figurirt;
femer: Bahrein nach Globus XXXVII, 157; Dehli nach Egli; Kambodja nach
Bastian, Geogr. u. Ethnol. Bilder S. 436. Von Sahara kennt auch Wappäus (vgl. eine
Recension unseres T.-W. in Gott. Gel. Anz. 1877. S. 1055 f.) zweierlei Aussprache. Was
die Bemängelung der durchaus üblichen Form »Kairo* (S. 359) besagen will, verstehen
wir nicht. Bei China haben wir die von dem geehrton Herrn Kritiker verlangte Aus-
sprache: tschina S. 173 selbst gegeben. In Bezug auf die für Ahriman, Brahmaputra,
Brahmanen, Dehli, Bahrein aufgestellte Forderung : »mit konsonantisch hörbarem h*
zu sprechen — wird man uns zugeben, dass eine derartige Bemerkung keinen Werth
hat», so lange das Einem nicht wirklich vorgesprochen ist, in einem populären Werke
513 Mittheilungen und Anhang,
wäre sie müssiger Prunk. Parias ist absichtlich, der Kürze wegen, als Kaste be-
zeichnet worden. Hydaspes = Dschelam (S, 359 urgirt) will sagen, dass D. der
moderne Name für jenen Fluss ist. Rhone und Tiber sind deutsche Flussnamen,
und wolle uns d. g. H. K, erlauben, dieselben auch ferner, mit Bitter, geogr. Leiikon,
Peter, röm. Gesch. etc. etc., als Femininum zu gebrauchen. Cynoscephalä und
Cyazares (S. 357) sollen als künoskeffalä und küaxares bezeichnet werden. Dass die
Römer c wie k gesprochen haben, gilt als ausgemacht und ist wol allgemein be-
kannt, vgl. Zumpt, Lat Spracht 10. Aufl.* S. 6; wir überlassen es dem g. H. K. die
auf unseren Gelehrtenschulen gangbare Aussprache des Lateinischen zu reformiren.
Zu den »mehr allgemein zugänglichen Sprachen* dürften in erster Linie
wol das Französische und Englische, ferner das Polnische und Spanische gehören,
Sprachen, auf deren Gebieten Ausstellungen gemacht worden sind, die in Verbindung
mit den allgemeinen Bemerkungen S. 358 über das Französische unser Buch in den
Augen des Lesers stark herabzusetzen geeignet sind, da derselbe sich sagen muss:
wenn die Verfasser nicht einmal für das Französische eine richtige zuverlässige Aus-
sprache bieten, was wird man da in anderen Sprachen erwarten dürfen? Dem gegen-
über sind wir in der angenehmen Lage, das Urtheil eines kompetenten Gelehrten
anzuführen. Herr Prof. B. Schmitz bezeichnet unser Buch, nachdem er es »eine Zeit
lang in Gebrauch gehabt*, also nicht aufs ungefähr hin, als »eine sehr nützliche und
recht sorgfältige Arbeit*. Von welchem Werthe die bei den Namen Babelais und
Rousseau gemachten Verbesserungen: rabelä (siclj, rüßo für rablä, mhßo sind, wolle
man aus folgendem Citate ersehen: »Wer da behauptet, dass die Namen Rabelais,
Pascal, Fenelon, Bossuet, Boileau, Voltaire, Rousseau, Chateaubriand, Guizot, Musset
u. s. w. in Frankreich von jedem Gebildeten jederzeit mit einer irgend wie merk-
baren Betonung der letzten Sübe gesprochen werden, der hat gebildete Leute diese
Namen wohl selten selbst aussprechen hören, oder er ist, als er nach Paris kam,
von der ihm in Deutschland eingeimpften Accentregel, die keine Ausnahme haben
soll, bereits dermassen eingenommen gewesen, dass er in diesem Punkte zum unbe-
fangenen Hören überhaupt nicht mehr fähig war/ Ploetz, Anleitung. 9. Aufl. S. 10.
Wenn sich d. g. H. K. bei den Namen Beuregard, Beaurevoir, Gemappe, Geneve
veranlasst fühlt, über eine »stiefmütterliche Behandlung4 zu klagen, die wir dem e
in noch vielen anderen Namen zu Theil werden lassen, so müssen wir ihm entgegen-
halten, dass wir dies in Uebereinstimmung mit den Autoritäten auf diesem Gebiete
thun; vgl. Mätzner, Schmitz, Ploetz, Toussaint-Langenscheidt, Benecke, Sachs. Was
derielbe aber über die silbenbildende Kraft des stummen o sagt, klingt naiv, denn
1) sind die Wörter Gemappe, Geneve u. ä. nicht zweisilbig, wie er behauptet, son-
dern gelten dem Franzosen als dreisilbig; 2) giebt beispielsweise Sachs in seinem
Wörterbuch Geneve (z'nähw), das Wort wird also einsilbig gesprochen; 3) fällt
die 8ilbentheilung in Orthographie und Orthoepie nicht immer zusammen, z. B.
tris-tes-se (spr. tri-fltäß), nous avons (nu-sawohng1), vgl. Ploetz, Anl. S. 16; 4) haben
Entgegnung von Voelkel und Thomas. 519
wir bei dem Bestreben, die Aassprache mit deutschen Bachstaben anter möglichster
Vermeidung diakritischer Zeichen, die den nicht sprachlich Geschalten oft verwirren
wiederzugeben, von dem Rechte Gebrauch machen müssen, wo es galt, einen Vokal
als kurz oder geschärft zu bezeichnen, entweder den folgenden Konsonanten zu ver-
doppeln, wie bei dem engl, river (riwwer), oder Bachstaben, die eigentlich den An-
laut der folgenden Silbe bildeten, zur vorhergehenden zu ziehen, daher das polnische
Modlin mit modl-ihn bezeichnet ist, was wir dem von d. g. H. K. empfohlenen
modlin entschieden vorziehen, weil darin der o-Laut nicht richtig und deutlich an-
gegeben ist, vgl. bourg mesfcre (bur-gmäßtr) bei Ploetz, Anl. S. 68, mother (m5dh-er)
bei Schmitz, Engl. Eiern. 5. Aufl. S. 4 u. s. w. Wie man Viscount (walkdunt) in
wiskaent verbessern kann, begreifen wir nicht. Die von ans gegebene Aassprache
ist zwar alt, aber nicht veraltet. Walker, Pronoancing Dictkraary, London 1819,
figurirt vi'- könnt and verweist auf die Principles etc., wo anter 458 (S.66) wörtlich
zu lesen ist: >S is silent in . . . viscount.* vgl. Schmitz, Engl. Ausspr., Berl. 1849
S. 90; Mätzner, Engl. Gr. I, Berl. 1860, S. 68. Darby (dabe) müssen wir anver-
ändert aufrecht erhalten, ebenso Newgate (njuhgeht), Newmarket (njuhmarket), New-
port (njnhpohrt) und Varzin (farzihn), das wir an Ort und Stelle so gehört haben.
Auf einem Lokaltermin könnte sich d. g. H. E. auch von der Richtigkeit unserer
Angabe: Erotoschin (genauer: krottoschihn) überführen. So wird der Name faktisch
von den Deutschen gesprochen. Die Aussprache Erotoschin (besser: krottosch-inn),
würde sich an den polnischen Namen anlehnen, der aber nicht Erotoszin, wie
d. g. H. E. irrthümlich angiebt, sondern Erotoszyn geschrieben wird. Der beschränkte
Raum verbietet uns auf Alles einzugehen, aber Eins dürfen wir nicht verschweigen.
S. 359 belehrt man uns: »Ueberhaupt hat im Spanischen ch immer den Laut des
deutschen seh, nie tsch*. Dass hier kein Druckfehler vorliegt, beweist der Fall mit
Don Quichote [tief statt: Quixote, Quijote] de la Mancha, wo der gelehrte Eritiker
unsere richtige Aussprache (mantscha) in die falsche (mancha) ändert. Das klingt
allerdings spanisch, oder vielmehr gar nicht spanisch ! Diez, Gramm, d. rom. Spr., I,
Bonn 1836, sagt S. 97 ch entspricht dem ital. ce, und 20 Jahre später heisst es in
der 2. Aufl. desselben Werkes I, 363: »Sein Laut (ch) entspricht ungefähr dem des
deutschen tsch, wobei man jedoch den ganzen vorderen Theil der Zunge gegen den
Gaumen drücken muss.* Man vgl. ferner Franceson, Gramm, d. sp. Spr., Berl. 1822,
S. 6: »Diese Verbindung von Buchstaben (ch) hat ungefähr den Ton des ital. c vor
e und i, d.h. des franz. ch mit vorhergehendem t, oder der deutschen Buchstaben-
verbindung tsch.* Fr. Martinez, Gramm, de la langue espagn., Bordeaux 1818,
p. 8—11; D. J. Lindner, Vergl. Gramm, d. lat., ital., span. etc. Spr., I, Lpz. 1827,
S. 19; Fr. Funck's Span. Gr. nach Ollend. Meth., 2. Ausg., Frkft. a/M. 1855, S. 1 ;
Boltz, Neuer Lehrg.d.sp. Spr., 1851, S.2; G. de Lopez, d. Spanier, Hamb. 1850, S. 1.
Wir werden demnach eine Verbesserung in den Artikeln: Chimborazo (tschimboraflo),
Mancha (mantscha). Pichincha (pitschintscha) u. dergl. dankbar ablehnen müssen.
520 Mlttheilungen and Anhang.
Zum Schliias zählt d. g. H. E. 31 antike Namen auf, die wir durchaas richtig
gegeben hatten, und fügt die Bemerkung hinzu: »Einen ganz besonderen Dank haben
die Herren Verfasser noch zu erwarten von den Besitzern unvollständiger lateinischer
Wörterbücher, denen ihr Werkchen Gelegenheit bietet, in den bezeichneten Wörter-
büchern die darin fehlenden Artikel nachzutragen/ Wir freuen uns dieser neuen
Perspektive, wollen uns im übrigen aber völlig damit begnügen, dem »allgemeinen
Bildungsbedürfnis* zu dienen.
Tilsit, im August 1877. Voükel ä Thomas.
Briefkasten der Redsetion*
Herrn Geh. Staate-Archrvar Dr. Max Lehmann in Berlin. Ihnen wird durch den
einfachen Abdruck Ihres Schreibens wol am besten gedient.
Berlin W„ Regentenstr. 21
20. August 1877.
An die Redaktion der Altpreussischen Monatsschrift.
In dem anonymen, »Der 24. Januar 1813 in Königsberg* überschriebenen Artikel
Ihres 3. 4. Heftes, welches mir leider erst jetzt zu Gesichte kommt, findet sich auf
S. 299 der Satz :
»Die konventionelle Geschichtschreibung, welche das mot d1 ordre empfangen
hatte* xl s. w.
und auf S. 300: »Diese Taschenspielerei ist mit grosser Kunst in der bis-
herigen Geschichtschreibung durchgeführt* In der Folge werden die Vertreter der
»konventionellen* resp. der »bisherigen* Geschichtschreibung aufgezählt: Fr. Förster,
Parts, Droysen, und zuletzt auf 8. 302 der Unterzeichnete.
Da es mir, an nnd für sich und besonders in meiner Stellung als Redakteur
der »Historischen Zeitschrift*, nicht gleichgültig sein kann, wenn ich in Ihrer Zeit-
schrift als ein von oben herab beeinnusster Literat dargestellt und der Künste von
Taschenspielern bezichtigt werde, so ersuche ich die geehrte Redaktion hierdurch
ganz ergebenst, sich Öffentlich in dem nächsten Hefte Ihrer Zeitschrift von den oben
bezeichneten Behauptungen Ihres Mitarbeiters loszusagen.
In vorzüglicher Hochachtung
Ihr
ganz ergebenster
Dr. Max Lehmann,
Och. 8Uat»-Arehlw.
Mnekt in *tr Albert Roibaeh'wdMB B«ehdni«k«c«l In Känigtberf.
Einiges über Yorstädtische Gerichtsbarkeit
von
Dr. Franz Schultz.
Dass mehrere Vorstädte Preussens eine von der Stadt selbst ge-
sonderte Gerichtsbarkeit besasssen und nur mittelbar von den städtischen
Behörden ressortierten, ist schon an sich eine merkwürdige Erscheinung;
dieselbe nimmt unser Interesse deshalb noch um so mehr in Anspruch,
weil sie sich nicht gerade bei den grössten Städten des Landes findet
und auch da, wo sie vorkommt, meist nur von kurzer Dauer gewesen.
So scheint in Danzig keine Spur eines vorstädtischen Gerichtes zu
ermitteln; wir erfahren im Gegentheile, dass der Hauskomthur als
Vorsitzender des altstädtischen Gerichtes auch über alle Bechtsßlle
entschied, die auf dem zur Ordensburg gehörigen städtischen Gebiete
vorgekommen1). — Anders in Thorn, woselbst bereits im Jahre 1346
eines vorstädtischen Gerichtes gedacht wird, und im Jahre 1388 so-
gar eine neue Ordnung eingeführt wurde, nach welcher der Vorsitzende
des vorstädtischen Gerichtes aus der Mitte des Eathes, die 8 vorstädti-
sehen Schoppen aber aus der Gemeine gewählt werden sollten1). Wie
lange dasselbe freilich bestanden hat, ist nicht ersichtlich; es müsste
zu diesem Behufe das Thorner Kürenbuch (auf dem Geheimen Archive
zu Königsberg befindlich) um Aufklärung angegangen werden. Doch
nach dem Schweigen des Thorner Forschers Wernicke zu schliessen,
dürfte es kaum das Ende der Ordensherrschaft erreicht haben. — Jo-
hannes Voigt hat im sechsten Bande seiner preussischen Geschichte
zwar eine zum Theil eingehendere Darstellung des städtischen Gemeine-
») Scr. r. Pr. IV, S. 310.
*) Wernicke, Geschichte der Stadt Thorn S. 111.
Altpr. MonaUMhrift Bd. XIV. Hft. 7 u. 8. 34
522 Einiges Aber vorstäd tische Gerichtsbarkeit
wesens geliefert, allein seine Mittheilung über die vorstädtische
Gerichtsbarkeit beschränkt sich auf folgende Worte: „Die städtische
Gerichtsbarkeit — sagt er — dehnte sich zugleich auch über die ganze
Stadtfreiheit, also über die in ihr liegenden Dörfer und Höfe aus. In
Kulm und wahrscheinlich auch in andern Städten sass neben dem
Stadtschultheissen noch ein besonderer Richter der Stadtfreiheit d. h.
des Stadtbezirkes143). — In der That ist Kulm wohl die einzige Stadt
Preussens, bei welcher sich unter ganz eigenthümlichen Formen und
Verhältnissen eine vorstädtische Gerichtsbarkeit schon im 14ten Jahr-
hunderte nachweisen und bis zum Jahre 1772 verfolgen lässt. Da
nun auch diese Seite des Gemeinlebens einige Ansprüche auf unsere
Beachtung hat, so soll im Anschlüsse an urkundliche Nachrichten eine
wenn auch nicht vollständige, so doch der Mehrzahl der Leser ver-
muthlich neue Darstellung der vorstädtischen Gerichtsbarkeit, wie sie
sich zunächst in Kulm entwickelt hat, versucht werden. Ausser einigen
vereinzelten Angaben sind dabei zu Grunde gelegt:
1. Die Handfeste von Schöneich v. J. 1364 (Geheimes Staatsarchiv
A. 78 S. 90 und 92).
2. Liber Scabinorum libertatis Culmensis a. 1407 compilatus et
inceptus — reichend bis zum Jahre 1457 (Geh. Archiv A. 71).
3. Die Kulmer Willkür v. J. 1430 (Städtisches Archiv zu Kulm).
4. Die städtische und vorstädtische Willkür v. J. 1589 (Städtisches
Archiv).
5. Das kulmer Kürenbuch (Abschnitt im Manuale Bitschins) v. J.
1430 bis in das sechzehnte Jahrhundert* hinein (Städtisches
Archiv).
6. Die Akten de3 vorstädtischen Schöffengerichtes zu Kulm v. J.
1559 an, welche bis z. J. 1624 in deutscher, von 1624—53 in
polnischer, von da bis 1666 in lateinischer, demnächst wieder
in polnischer und vom Jahre 1726 an bis zum Eintreffen Friedrichs
des Grossen halb in polnischer, halb in lateinischer Sprache ab-
gefasst sind (Städtisches Archiv).
*) Voigt 6, & 710,
▼od Dr. Frans Schnitt. 523
Die Uebervölkerung der Städte, welche den sog. Neustädten, hat
auch den Vorstädten ihren Ursprung gegeben, indem sich diese von
jenen nur dadurch unterscheiden, dass sie verkümmerten ehe sie es bis
zur Stadtgerechtigkeit gebracht hatten. Nun konnte es aber bei den
grossen Vorrechten, mit welchen namentlich die Stadt Kulm ausgerüstet
war, nicht ausbleiben, dass ein bedeutender Zuwachs von aussen selbst
dann noch kam, als der erste Andrang von „Pilgerinen* schon über-
wunden war. Da nun die Gewinnung des städtischen Bürgerrechtes
meistens auch den Kauf oder das Miethen eines Erbes nach sich zog, ja
manche Erwerbsquellen geradezu an den Besitz eines Eigenthums ge-
knüpft waren, so reichten bald die Grundstücke in der Stadt nicht mehr
aus: man musste sich ausserhalb umsehen, wo die Stadt selbst eine
Menge von Zinserben gegen ein angemessenes Geschoss an das Bath-
haus zu vergeben hatte. Wer ein solches ausserhalb der Stadt befind-
liches Grundstück nicht selbst bewirthschaften wollte, war berechtigt,
einen Hofmann oder Gärtner einzusetzen; nur durfte dieser nicht zugleich
ausserhalb der Stadtfreiheit Eigenthümer sein. Es war somit der Be-
gründung und Erweiterung der Vorstädte in ausreichendem Masse Vor-
schub geleistet. Sollten sich dieselben aber zu einer Neustadt gestalten,
so waren noch andere Bedingungen erforderlich.
Wo nämlich der Zuwachs der städtischen Bevölkerung sehr be-
deutend und zugleich das Terrain günstig waren, da konnten sich die
vor den Thoren neu Angesiedelten um so eher zu einer neuen Stadt-
gemeinde zusammenthun, als sie gegen die ursprüngliche oft eine er-
wünschte Rivalin und Nebenbuhlerin bildete. Wo sie aber örtlich ge-
trennt, ja zerrissen waren, und wo auch die Verschiedenartigkeit des
Gewerbes oder der Nationalität das Hand in Hand gehen verboten, da
konnte auch eine Neustadt nicht gedeihen. Dieses Letztere war auch
in Kulm der Sali. Die Stadt hatte auf drei Seiten zum Theil recht
steile Abhänge. Beinahe jede der vier Vorstädte lag aber nach einer
anderen Sichtung: Die Bewohner der einen, der Aldenstadt, waren
nur Fischer; später wurde es geradezu zum Gesetz erhoben.4) Die
4) In der Willkür von 1689 heisst es: »Wir willkühren auch, dass vorhin Nie-
34*
524 Einiges über vorstädtische Gerichtsbarkeit
Vorstadt Fröbyn, an dem etwas sanfteren Südabhange war fast aus-
schliesslich von Wein- und Hopfenbauern bewohnt. Die Bewohner
der grossen und kleinen Kohrgasse waren überwiegend Gemüsebauern
und nur die Vorstadt Pantkensee unbestimmten Charakters. Ausser
diesen in der Kulmer Willkür namentlich aufgeführten Ortschaften
gehörten noch eine ganze Menge anderer Strassen und kleinerer Häuser-
gruppen dazu, welche in eben jener Kuliner Willkür mit der bündigen
Bezeichnung „und dobey* abgefertigt werden. Aus allen diesen eine
Neustadt zu gestalten, wäre fast unmöglich geworden; es sei denn,
dass man die ursprüngliche Stadt am Fusse des Hügels wie mit
einem Ringe hätte umlegen wolleu, was sich die Bewohner Kulms,
die ihre Sicherheit gerade in ihrer isolierten Lage und ihren schroffen
Abhängen suchten, ebenso verbeten, als es die Umwohner selbst
verschmäht haben würden, deren Beschäftigung und Ansiedelung mehr
einen ländlichen Charakter an sich trug. So hatte es also bei den
Vorstädten sein Bewenden: dieselben participierten aber weder an
den sonstigen Vorrechten der Stadt noch an deren Vermögen, sondern
standen unter der unmittelbaren Jurisdiction des Käthes. Als aber
später Verwaltung und Gericht, Bathmannen und Schoppen sich trennten
und sogar mehre dörfliche Gemeinden auf städtischem Territorium einen
gewissen Grad von Selbstständigkeit erlangten, da konnten auch die
Vorstädte nicht zurückbleiben und mussten eine der städtischen Ver-
fassung wenigstens parallel laufende erhalten. Die nahen Beziehungen
der Vorstädte zu der eigentlichen Stadt brachten es mit sich, dass sie
bald geradezu als ein integrierender Theil der Stadtbevölkerung ange-
sehen wurden. Für sie wurden bestimmte polizeiliche Verordnungen
erlassen, welche ihre Aufnahme hinter der städtischen Willkür fanden;
und die für die Vorstadt cooptirten sog. vorstädtischen Schoppen wurden
bald hinter den städtischen aufgeführt. In welche Zeit die Anfänge
der gesonderten vorstädtischen Gerichtsbarkeit zurück zu verlegen sei,
ist heute nur noch schwer zu ermitteln. Jedenfalls ist es unwahr-
mand auf der Fischerei wohnen soll, der nicht ein Fischer ist* Die Fischerei ist
die neue Bezeichnung für die Altstadt.
von Dr. Franz Schnitz. 525
scheinlich, dass schon in dem ältesten Weichbildsrechte, das in dem
Jahre 1267 erwähnt wird, auf die Bewohner der Vorstadt irgend welche
Rücksicht genommen sein sollte, da dieses nur für die Stadtbewohner
ausgestellt zu sein scheint. 6) Mit annähernder Bestimmtheit lässt sich
eine Art vorstädtischer Gerichtsbarkeit erst in der zweiten Hälfte des
vierzehnten Jahrhunderts nachweisen. Es ist dieses dieselbe Zeit, in
weicher auch in dem benachbarten Thorn gleiche Erscheinungen her-
vortraten und gleiche Kechte den Vorstädtern bewilligt wurden; es ist
die Zeit, in welcher auf dem Gebiete der Kulmer Stadtfreiheit auch
eine Anzahl von Dorfschaften gegründet wurden, welche vom Bathe der
Stadt zu gleichen Bechten ausgethan, wie die vom Orden angelegten,
bald zu bedeutendem Wohlstande gelangten. Einen sicheren Anhalt
gewährt uns die Schöneicher Handfeste vom Jahre 1364. In derselben
wird dem Dorfe freie Gerichtsbarkeit zugestanden, doch (heisst es darin)
solle von den eingelaufenen Strafgeldern der dritte Theil der Stadt,
der dritte dem Waldmeister, der dritte dem Dorfschulzen zufallen.
Wer war nun dieser Waldmeister? Was verlieh ihm diese Bedeutung?
Wie gelangte er zum Vorsitze des vorstädtischen Gerichtes?
Waldmeister ist die gangbare Bezeichnung für solche Beamten,
welchen der Schutz und die Pflege der Porsten anvertraut war. Wir
finden solche ebensowohl im Dienste des deutschen Ordens wie auch
im kommunalen Dienste. Die Ersteren waren Ordensbrüder und den
benachbarten Komthuren untergeordnet, wobei es oft eine blosse Titulatur
gewesen sein mag, welche man gerne beibehielt, wenn auch die Function
schon aufgehört hatte.6) Die Waldmeister der Städte waren Rath-
mannen; so wie der Kämmerer die Kasse, der Kirchvater die Verwal-
tung des Kirchenvermögens, der Schulze den Vorsitz bei den Schoppen
zu führen hatten, so übernehmen diese die Aufsicht über die der Stadt
5) In der Urkunde des Jungfrauen-Klosters vom Jahre 1267 (Geh. Arch. A 78
S. 66) heisst es: Vendent dietas areas secularibus personis quae similiter omne jus
civitatis adimplebunt, quod wichbilde vocatnr.
6) Vgl. Toppen, Geographie S. 164 u. 165: »Die Komthureien zerfielen in
kleinere Bezirke, welche von Vögten, Pflegern, Hanscomthnren, Waldmeistern und
Fisch meistern verwaltet wurden.* Er hätte vielleicht auch noch den Kellermeister,
z. B. von Sobbowitz mit auffuhren können*
526 Einiges über vorstSdtiBche Gerichtsbarkeit
zugehörigen Waldungen als Obliegenheit.7) Nun bestand aber das der
Stadt Kulm in der berühmten Handfeste zugewiesene Gebiet zum
überwiegenden Theile aus Waldungen,8) an deren Ausrodung und Ko-
lonisirung man nur langsam heranging. Erst am Anfange des vier-
zehnten Jahrhunderts scheint man sich dieser Aufgabe mit Ernst unter-
zogen zu haben und die Ortschaften Köln und Podigest (später Podwiesk,
heute Podwitz) sind vermuthlich die Ersten gewesen, welche Dorf-
gerechtigkeit erhielten (1322). 9) Noch blieb aber der ganze nordwest-
liche Winkel des Kulmer Stadtgebietes übrig, welcher nachweislich am
längsten mit schönen Eichenwäldern besetzt war und auf welche sich
die Thätigkeit des Waldmeisters vornehmlich erstreckt haben muss.
Durch solche „Aus Satzungen" von Ortschaften wurden immer grössere
Landstriche urbar gemacht, mit einer selbstständigen Verwaltung aus-
gerüstet und so der Botmässigkeit des Waldmeisters entzogen. Ent-
weder um ihn für den Ausfall der ihm zustehenden Gebühren schadlos
zu erhalten, oder weil er auch über die neu gegründeten Dorfschaften
noch immer die Stelle eines Vogtes vertrat, wurden ihm bei Gründung
des Dorfes Schöneich im Jahre 1364, einer Ortschaft, welche ihren
Namen nur von den schönen Eichenwaldungen erhalten haben soll, i0)
der dritte Theil aller eingelaufenen Strafgelder zugewiesen. In einer
wenig jüngeren Urkunde, das Bischofsgetreide betreffend, werden schon
neun selbstständige Ortschaften der Kulmer Stadtfreiheit namentlich
aufgeführt, darunter einige recht bedeutende. ") So musste denn die
Function des Waldmeisters allmählig nach jener Seite hin zusammen-
schrumpfen ") und zwar um so mehr, als man, auch bald besondere
*) Ueber den Waldmeister im städtischen Dienste läset sich Joh. Voigt folgender-
massen ans (Bd. 6, S. 708): »Was die dem Bathe obliegende Verwaltung des städti-
schen Eigenthums betrifft, so waren mit dem eigentlichen Verwaltungsdienste der
Kämmerer und Unterkämmerer, ein Waldmeister, Kirchväter und ähnliche Be-
amte der Stadt beauftragt.*
8) Priv. Culm §. 4: Supra dicta tarn in silvis quam in pratds et agris etc.
°) üssatzung der Dorffer Coln und Podigest a. 1322. Geh. Arch. A 78 S. 90.
10) Vgl. meine Geschichte des Kulmer Kreises S. 334.
") Von des Bischoffs getreydes 1396 Geh. Archiv A 78 S. 45.
") Die neun in der Kulmer Stadtniederung aufgeführten Ortschaften zinseten
dem Bischöfe im Ganzen von 15 Pflügen. Die Ortschaft Schöneich mit 80 Hufen
von Dr. Franz Schalt». 527
Stadtdiener anstellte, denen die Beaufsichtigung der städtischen Forsten
auferlegt wurde. ,3) Doch was ihm nach der einen Seite an Thätigkeit
und Bedeutung verloren ging, erwuchs ihm auf der andern Seite neu.
Während in einiger Entfernung von der Stadt die selbstständig ge-
wordenen Ortschaften seiner unmittelbaren Jurisdiction entzogen wurden,
entstanden vor den Thoren der Stadt blühende Vorstädte, denen er
seine ganze Aufmerksamkeit widmen musste. Es war deshalb nur die
Macht der Gewohnheit und das Pesthalten am Althergebrachten, wenn
derjenige städtische Beamte, dem nunmehr als Hauptthätigkeit die
Bechtspflege der Vorstädte zufiel, in der Erinnerung an seine ehemaligen
Functionen immer noch den Titel eines Waldmeisters führte, ein
Ausdruck, der übrigens nur im Deutschen beibehalten wurde, während
die lateinische Bezeichnung von Anbeginn judex foris civitatem oder
judex suburbanus war. ")
Es liegt auf der Hand, dass der Waldmeister in ältester Zeit, als
die Bevölkerung noch eine dünne und das soziale Leben wenig ent-
wickelt war, in unumschränkter Vollmacht seine richterlichen Obliegen-
heiten ausgeübt haben wird. Nachdem die Vorstädte aber eine der
städtischen Verfassung adäquate erhalten hatten, gestaltete sich das
allein von 2 Pflügen. Würden wir dieselbe als Maassstab nehmen, so müssten die
genannten neun Ortschaften 600 Hafen umfasst haben, etwa so viel betrug aber
nur die ganze Stadtfreiheit, bei «reicher ausser den Vorstädten und Kirchenhafen
noch ein bedeutendes Areal für die Wiesen and für die erhaltenen und gepflegten
Waldangen in Abrechnung gebracht werden muss. Es scheint demnach, dass die
Ortschaft b'chftieich höher als die andern besteuert war.
13) Schon die Kulmer Willkür, deren Bestimmungen zum grösseren Theil ins
vierzehnte Jahrhundert zurückreichen, enthält einen Paragraphen: Von der Wald-
furster missehandelunge: Wir wellen auch, das welch man der Stat waldfurster adir
Jmand anders In der Stat dinste inissehandelt, der sal nicht wissen was her vor-
burt, gleicher weise als ob her eynen wechter missehandelte In der Stat wache.
t4) Die Thatsache, dass ursprüngliche Waldgerichte einen ausgedehnteren Wir-
kungskreis erhielten oder ihrer ursprünglichen Bestimmung untreu wurden, steht
nicht vereinzelt da. Ich erinnere nur an die sog. Zeidelgerichte, welche ur-
sprünglich nur die Controle der Bienenstöcke zu üben hatten, später Waldfrevel
überhaupt überwachten, endlich die Gerichtsbarkeit über ganze Gütercompleze (sog.
Zeidlergüter) umfassten. Dieselben sind auch an der Westgrenze unserer Provinz,
sowie in der Provinz Brandenburg in Thätigkeit gewesen. — Aehnlich der Wald-
richter in Scheffels Trompeter von Säckingen XI. Stück S. 168.
528 Einiges über vorstädtitfche Gerichtsbarkeit
vorstädtische Gericht etwa folgendermassen: Es wurden aus der Gemeinde
zwölf Männer als Schoppen gewählt , denen einer der städtischen Eath-
mannen, der Waldmeister, — durchschnittlich war es der siebente —
als Vorsitzender übergeordnet wurde. Es entsprach diese Einrichtung
der städtischen, bei welcher ebenfalls durchschnittlich zwölf Schoppen
in Thätigkeit waren, über welche der Scholze, gewöhnlich der vierte
Eathmann, den Vorsitz führte. Mögen einige Jahrgänge aus dem Kulmer
Kürenbuche die Belege liefern. Im Jahre 1430 war Scholze (also Vor-
sitzender des städtischen Schöppengerichtes) Lorenz von der Leynau,
zugleich sechster Eathmann; Waldmeister (also Vorsitzender des vor-
städtischen Schöppengerichtes) Nikolaus Koler, zugleich achter Eathmann.
1431: Scholze: Lorenz König, sechster Eathmann; Walmeister:
Mertin Peyser, achter Eathmann.
1432: Scholze: Johannes Plote, sechster Eathmann; Waldmeister:
Nicolaus Koler, neunter Eathmann.
1433: sind nur die Eathmannen und der Scholze Lorenz von der
Lynow (oben Leynau) sechster Eathmann aufgeführt.
1434: Scholze: Lorenz von der Lynow, vierter Eathmann; Wald-
meister: Jobann von Sclodsee, zehnter Eathmann.
1435: Scholze: Bartholomäus Eosenick, fünfter Eathmann; der
Waldmeister ist durch ein Versehen des Schreibers ausgefallen.
1436: sind nur die Eathmannen und der Scholze Martin Peyser
(fünfter Eathmann) genannt.
1437: Scholze: Lorencz von der Leynow, fünfter Eathmann; Wald-
meister: Niclos Koler, siebenter Eathmann.
1438: Schultiss Bartholomäus Eosenick, fünfter Eathmann; Wald-
meister: Hans von der Schlodzee sechster Eathmann.
1439: Schultheiss Mertin Peyser fünfter Eathmann; Waldmeister:
Johann von Schlodsee sechster Eathmann u. s. f.
Die vorstädtischen Schoppen scheinen bei Weitem der Mehrzahl
nach ebenfalls aus der eigentlichen Stadtgemeinde genommen zu sein;
wenigstens möchte man es daraus schliessen, dass i. J. 1450 bei dem
jüngsten Schoppen Lorenz Doryng es als besonderer Vermerk hinzu-
gefügt ist, dass er in der Vorstadt Pantkensee ansässig gewesen sei.
von Dr. Frans ßchultz. ^29
Im Uebrigen waren es der Mehrzahl nach Männer von geringem Ein-
flüsse. Denn während die städtischen Schoppen sich gewöhnlich bis
zur Stufe eines Rathmanns, oft zu der eines Bürgermeisters emporarbeiten,
gelingt es den vorstädtischen Schoppen nur selten; und wenn dieses
der Fall ist, müssen sie zuvor die Stufe der städtischen Schoppen durch-
machen. So lernen wir i. J. 1435 den ersten vorstädtischen Schoppen
Michel Segemundt kennen, welcher nach dreijähriger Verwaltung dieses
Postens 1439 unter die städtischen Schoppen aufgenommen wird und
i. J. 1445 als letzter Rathmann fungiert. Im Jahre 1454 ist er Scholze,
fünfter Rathmann, und schwindet als vierter Rathmann aus dem Küren-
buche. Eine solche Ausnahme bestätigt aber nur die Regel. Es konnte
nun natürlich nicht ausbleiben, dass sowohl in Bezug auf die Anzahl
der Schoppen, als auch ihre Bezeichnung, wie endlich auch auf ihre
richterlichen Functionen die Reihe der Jahrhunderte manche Veränderung
im Gefolge hatte. So wurde im sechzehnten Jahrhunderte der erste
Schöppe des städtischen ebensowie die des vorstädtischen Gerichtes,
Scheppmeister genannt, der zweite hiess sein Compe. Der Schepp-
meister war zugleich Vertreter des Waldmeisters. Auch begnügte man
sich, vermuthlich weil es bei der dürftigen Anzahl von Bewohnern an
geeigneten Persönlichkeiten fehlte, oft mit neun und noch weniger vor-
städtischen Schoppen. Hienach sah ein Register aus dem Jahre 1555
folgendermassen aus:
Scholze: Urban Tobelbyr (judex)
1. Scheppmeyster, Bartel Trypmacher.
2. Sein Compe Thomas Grosse.
3. Gregor Scheffer,
4. Andres Barthke,
5. Brosien Rosmüller,
6. Hans Scholcze,
7. Blasien Hancke,
8. Mertin Radau,
9. Christoff Molwytcz,
10. Bartel Bornmann,
11. Matz Nitcze,
Geschworene Scheppen
uff dy czyth.
530 Einiges über rorstEdtisohe Gerichtsbarkeit
Waldmayster: Niclas von Sabin.
1. Scheppmayster: Bernhart Gassner,
(vicescultetus judicii suburbani)
2. Sein Compe : Niclas von der Leutte,
3. George Varoge,
4. Heiiger Scholcz, \ Scheppen des
5. Michel Grünwaldt, / Vorstetter-Gerichtes.
6. Urban Braunsbergk,
7. Valten Silber,
8. Thomas Enapptwargk,
9. Urban Krasse,
In noch späterer Zeit, als die städtische Freiheit illusorisch geworden
war, sah man von den vorstädtischen Schoppen ganz ab und begnügte
sich mit einem vorstädtischen Richter, welcher nebst einem Bürger-
meister, einem Burggrafen, einem Vicebürgermeister, einem bis zwei
Kämmerern und einem städtischen Richter den Vorstand bildete (1719).
Um sich nun von der Thätigkeit des vorstädtischen Gerichtes ein
vollständiges Bild zu entwerfen, wäre es nothwendig, die Akten des-
selben einzusehen. Dieselben fehlen aber leider für ein Jahrhundert
vollständig (1467—1555); auch sind sie nur kümmerlich angelegt und
setzen mancherlei Lokalkenntnis, sowie eine eingehende Bekanntschaft
mit den gerichtlichen Verhältnissen und Formalitäten voraus. — Die
Vorstädte waren nämlich durchweg die Stiefkinder der Städte. Sämmt-
liche Verordnungen der Landeswillkür sowie der Städtischen Willkür
galten auch für sie; ausserdem aber waren eine ganze Anzahl von
Paragraphen speziell an sie adressiert und darauf berechnet, sie in
einer beständigen Vormundschaft zu halten. Mögen nur einige der-
selben ihre Stelle finden. Es war ihnen speziell verboten, sich nach
der Zeit, da die Thore geschlossen waren, in der Stadt aufzuhalten,
es sei denn, dass ein ehrliches Geschäft sie zurückhielte. Nur den
Bürgern der Stadt war es erlaubt, Kuthen in der Stadtfreiheit zu
schneiden. Die Berechtigung der Holznutzung war für die Vorstädter
eine beschränkte, sie mussten sich mit den sog. Afterschlägen begnügen.
Hatte* ein Bewohner der Vorstädte das Unglück, dass seine Schweine
von Dr. Frani Schultz. 531
in den Gemeindeacker einbrachen, so verlor er nicht nur die Schweine,
sondern musste auch seinen Wohnsitz, aufgeben. Die Geschosse von
Zinserben wurden mit grosser Härte eingetrieben; ja es wurden die-
selben sogar oft von der Stadt zum Verkaufe gebracht. — Nach allen
diesem will es den Anschein haben, als sei es nicht einmal sehr ehren-
werth gewesen in einer der Vorstädte zu wohnen; sondern man liess
ein solches Grundstück, mochte es nun Weinberg, Hopfengarten, Kraut-
garten, Schabernack oder sonst ein Erbe sein, lieber von Dienstleuten
und Tagelöhnern bewirtschaften, welchen letzeren ihr Lohn in der
Willkür ein für alle Male bestimmt war. Ganz abgesehen von den
Fischern, welche fast in einer Art von Leibeigenschaft gehalten wurden,
waren die Vorstädter namentlich Abends nicht gern gesehene Gäste.
Sie machten sich nächtlicher Holzdiebstähle verdächtig; ebenso Nach-
schlüssel zu einzelnen Stadtthoren angefertigt zu haben. Der Viehstand
war wenigstens den Bewohnern der Fischerei eingeengt. Alle Erträge
ihres Gewerbes oder Ackers mussten die Bewohner der Stadtfreiheit
auf dem Kulmer Marktplatze zum Verkaufe bringen und vieles Andere
mehr. — Entsprechend dieser im Ganzen etwas gedrückten Stellung der
Vorstädter war auch ihre Gerichtsbarkeit, welcher eigentlich jede Selbst-
ständigkeit fehlte und welche nur in ihrer äusseren Zusammensetzung
der städtischen ähnelte. Zwar versammelte sich auch das vorstädter
Gericht gleich dem städtischen und dem Landgerichte „vor gehegtem
Dinge"; der Waldmeister nennt sich gern der „vorstädter Scholze*, auch
beliebte man wohl für das vorstädter Gericht die Bezeichnung „vor dem
Bürgerdinge % jedoch wo es auf Genauigkeit ankam und man "Misver-
ständnissen vorbeugen wollte, gab man ihm die richtige, gebührende
Bezeichnung, und dann hiess es: das vorstädter Gericht, das
Afterding, das Beiding, die vorstädter Bank. Auch die sonstigen
Formalitäten waren dieselben wie beim städtischen Gerichte: Wald-
meister und Schoppen waren speciell für ihr Amt vereidigt, und die
geladenen Parteien erschienen „vor gerechtem und gehegtem Dinge*
oder „vor vollmächtigem Gerichte und gehegtem Dinge*. Man unter-
schied wie beim Landdinge zwischen ordentlichen und ausserordentlichen
Sitzungen. Demungeachtet ist dasselbe nur ein Untergericht des städti-
532 Einiges über vorstädtische Gerichtsbarkeit
sehen; auch geht seine Thätigkeit hauptsächlich auf die Eegelung der
Besitzverhältnisse, Verkauf, Erbschaft, Belastung von Grundstücken und
Aehnliches. Schon das ganze Gericht erscheint nur als eine Commission,
welche vom Bürgermeister zu diesem Behufe eingesetzt ist; denn wenn
der Waldmeister behindert ist zu erscheinen, so überträgt der Bürger-
meister das Gericht einem Andern der vorstädter Schoppen, gewöhnlich
dem Scheppmeister als dessen natürlichen Vertreter („welchem im Mangel
des Waldmeisters vom Herrn Bürgermeister das Gericht übergeben ist").
Kriminalfälle, also die ganze höhere Gerichtsbarkeit, waren von dem
vorstädtischen Gerichte in ältester Zeit überhaupt ausgeschlossen; nur
die niedere Gerichtsbarkeit übte es aus. Wahrscheinlich fielen dem
Waldmeister von derselben ein Theil der eingelaufenen Strafgelder zu,
wie wir es bei der Dorfschaft Schöneich kennen gelernt. Ausserdem
gab es aber eine grosse Anzahl von Fällen, in denen Bürger der Stadt
ihre Sache aus dem vorstädtischen in das städtische Gericht hinüber-
bringen konnten; wie denn überhaupt die beiderseitigen Befugnisse oft
schwer auseinander zu halten waren, da die meisten Besitzer vorstädti-
scher Grundstücke in der Stadt ansässig waren. Da mussten denn die
beiden Gerichte einander in die Hände arbeiten. Einem solchen Falle
hat aber schon die alte Kulmer Willkür vorgesehen. Wird nämlich
ein Bürger der Stadt vom vorstädtischen Gerichte zn einer Summe ver-
urtheilt, deren Zahlung er verweigert oder nicht zu leisten vermag, und
liegt sein Hauptbesitz innerhalb der Stadt, also ausserhalb des Bereiches
des vorstädter Gerichtes, so begiebt sich der Waldmeister mit zwei
Schoppen aus gehegtem Dinge vor den Schultheiss der Stadt, legt
Zeugniss ab, worauf dann dieser aus seinem Gerichte ihm Boten mit-
giebt, um die Auspfändung zu bewerkstelligen. ,6) Aber noch weiter:
Das städtische Gericht hat von Anbeginn als eine höhere Instanz für
das vorstädtische Gericht gegolten. Sei es nun, dass das vorstädtische
1S) Kulmer Willkür: »Wie man eynen us eynem Gerichte in das andere sal
brengen. Ab uff ymanden in der Stat freiheit Gerichte! Geld adir Gut erfurdert
wurde, das her in ghenem Gerichte nicht hette zu vorpfanden, der doch unsir
Barger were, des sal der Waldmeister mit zween Scheppen us gehegtem Dinge vor
den Schultheiss in die Stat komen und das gcczeugen, so sal denn der Schultheiss
us diesem Gerichte helffen uspfenden mit sienem Boten/
voh Dr. Frans Schnlti. 533
Gericht kein eigenes Schuldgeföngniss hatte, sei es, was noch wahr-
scheinlicher ist, dass das städtische Gericht dem andern übergeordnet
war, — eine alte Bestimmung gestattete dem Gläubiger, welchem ein
Schuldner zur Schuldhaft übergeben war („mit der Hand geantwortet
war"), denselben in das städtische Gericht zu bringen und ihn daselbst
zurückzuhalten, so lange es überhaupt gesetzlich freistand. 18) Dieses
Instanzen-Verhältnis wurde in späterer Zeit, als Kulm Bischofsstadt
geworden, noch schärfer begrenzt und bestimmt. Es bestand nämlich
der gesammte Magistrat der Stadt aus vier Factoren : den zehn Rath-
mannen (deren erster der Burgermeister), zehn städtischen Schöffen unter
dem Vorsitz eines Scholzen, zehn vorstädtischen Schöffen unter dem
Vorsitze eines Scultetus suburbanus, und zehn Gemeindevertretern; an
der Spitze des Ganzen stand der Burggraf, welcher je nach den Zeit-
umständen mit dem Bürgermeister um den Vorrang stritt. Während
nun von den städtischen Schoppen in Fiscal-Sachen nur eine Appella-
tion an den Bischof, in den übrigen der übliche Instanzenweg des
polnischen Keiches gestattet war, galt für das vorstädter' Gericht als
nächste Instanz der Magistrat, vom Magistrate an den Bischof etc.
Uebrigens wurde dem vorstädter Gericht das jus gladii zugestanden,
doch nur im Beisein des Burggrafen. ") Es finden sich denn auch
mehrfache Appellationen an das städtische Gericht, so z. B. im Jahre
1568, wenn es von einem Erkenntnisse heisst: „Von diesem einem Er*
baren Gerichtsspruch der Herr Niclas Bayerski appellieret hat an eine
E. Stadt, welche Appellation ein E. Gericht nachgegeben.* Als eine
Appellation an die dritte Instanz (da der Starost von Althausen des
Bischofs perpetuirlicher Vertreter war) ist vermuthlich folgender Pro-
") Kühner Willkür: »Wenn eyner dem andern geentwerdt wirdt mit der Hand
vor schulden. Wer dem andern geentwerdt wirdt mit der hand vor schulden in dem
Gerichte vor der Stat, den mag ghener brengen in der Stat Gerichte en dorinne
haldende als eyn recht ist/
n) Der Abschnitt ans der späteren bischöflichen Städteordnnng über das vor-
städtische Gericht lautet: Ordo Scabinorum subnrbanorum, qui itidem numero sunt
decem; his praesidet scultetus suburbanus, Jus gladii suburbani habens, illud etiam
sine Hagi8tratus Praeside Borggrabio non exequitar. Appellatio ab eo ad Magistratum;
a Magistratu his qui Jure Civitatis tantum gaudent ad IUnstrissimum,
534 Einiges aber voratädtische Gerichtsbarkeit
test anzusehen aus dem Jahre 1580: „Der ehrbare Michael Scholtz hat
gerechtlich protestiret kegen und wider des Ersamen Georg Schmiedes
gethanes Arrestes, sich femer anzeigende, dass er sich hierkegen des
Herrn Hauptmanns auf Altenhaus Decrets halten will. * — Es will uns
als selbstverständlich erscheinen, dass die Acht, wenn sie von einem
der beiden Gerichte, oder richtiger dem städtischen Gerichte, ausge-
sprochen war (weil das vorstädtische hiezu allein kaum die Befugniss
gehabt haben wird), auch für den ganzen Stadtbezirk galt; dennoch fand
man es für nöthig, dieses in einem besonderen Paragraphen noch auf-
zuzeichnen: «Alle, die in der Stat achte seyn, die sullen auch seyn in
der Stat freiheit achte; wer aber zu besserung wil komen, der sal den
schaden bessern in der Stat, do der schade ist gescheen, domete sey
her gelediget von beyden ochten." So lange Kulm unter dem deutschen
Orden unbedingte Selbstständigkeit genoss, gipfelten beide Gerichte im
Bathe der Stadt; sie mussten Hand in Hand gehen. Als aber später
der bischöfliche Burggraf das Heft allein in Händen hatte und beiden
Gerichten die Ausübung des jus gladii unter seinem Vorsitze gestattet
ward, da konnte auch eine Achterklärung einseitig vorgenommen werden.
Als einen niederen Grad solcher Aechtung haben wir ein Protokoll an-
zusehen, welches sich nur in dem vorstädtischen Gerichtsbuche ver-
zeichnet findet, in dem städtischen nicht. Ein mehrfach bestrafter
Verbrecher muss den Eid leisten, das Kulmer Stadtgebiet nie wieder
betreten zu wollen: „Ich Brosien Bartnick bekenne öffentlich vor Tder-
menniglich, wes Standes der sein mögen, ungenötiget, das ich wegen
meiner geübeten Frefeltheit und Ungehorsamb bin in Gefenknis vorhattet,
so denn aus diesem vorloffen, dadurch ich des E. Bats und Bichters
und Scheppen Autoritet hefftigk verletzet und dornach eynem Fischer
einen Kenen sambt etczlichen Kledern entwandet und seine Fische
dorzu genommen, durch welches ich nach Ausweisung göttlichen und
beschriebenen Rechtes die Halsstrafe vordienet, weyl der Ersame Bat
mir aus milder Gute das Leben geschenkt und zur Besserung gefristet,
welches ich nach höchstem Vermögen in allem Besten zu vordienen
mich verpflichte, aber das Alles ich dieser Stadtfreiheit verschwere,
(lorin nimmer zu kommen bei voriger vordienter Strafe und mit Yder-
von Dr. Frans Schalte. 535
menigklichen gelobe ich ewigk und fridlich zu leben so warlich mir
Gott helffe und das heylige Evangelium. * —
Es wurde in späterer Zeit das vorstädtische Scheppengericht für
den Kulmer Bischof eine namhafte Einnahmequelle, indem bei Contrakt-
brüchen Verpfändungen und Aehnl. die Hälfte der Strafe ihm zufiel;
so heisst es in einer Verhandlung vom 22. Juni 1602; „und er hat
dies zu halten bei Verlust von 200 Mark preussisch halb Ihrer Hoch-
würdigsten Gnaden, der andern Helfte dem beleidigten Part." Aehnliche
Bestimmungen finden sich* in grosser Anzahl. Bei allem dem sind aber
die Schöppenbücher des vorstädtischen Gerichtes im Vergleiche zu den
städtischen nur wenig voluminös; bei zunehmender Verarmung und
nach Kriegsverheerungen überwiegen bei Weitem die Regulierungen der
auf den Grundstücken lastenden, den Besitzer erdrückenden Schulden-
lasten. Interessant werden sie für die specieüe Stadtgeschichte da-
durch, dass eine Menge grösserer und kleinerer Ortschaften und
Liegenschaften darin vorkommen, und weil gerade die Patrizier-
familien als Inhaber solcher Grundstücke darin auftreten. Mancher
ßathmann wusste sich in den Besitz einer fetten, städtischen Pfründe
zu setzen.
Das Amt eines vorstädtischen Richters sinkt, je länger je mehr,
zu dem eines executiven Polizeirichters zurück, was der Waldmeister
ursprünglich gewesen war, wie ihm denn auch schon in der zweiten
Kulmer Willkür nur noch eine Anzahl untergeordneter polizeilicher
Maassnahmen übertragen werden z. B. die alljährliche Anordnung einer
Umzäunung der Niederungsgrundstücke, von welcher es heisst: „Und
wenn das vorstädter Gerichte die Zeit anordnen wird, welcher dann nicht
bei seinem Stücke und Zaune sein wird, der verbüsst des ersten Tages
5 Groschen, des andern 10, des dritten 15; des vierten soll ihm dies
Jahr dasselbige Stück genommen werden.'
Der grosse Aufruhr zu Danzig im Jahre 1525.
Von
I>r. Johannes Strebitzki.
Der 1874 erschienene fünfte und letzte Band der Scriptores Herum
Prussicarum herausgegeben von Dr. Theodor Hirsch, Dr. Max Toppen
und Dr. Ernst Strehlke bietet neben vielen anderen wichtigen Quellen-
editionen für die Geschichte unsrer Provinz, speciell für die Geschichte
der Stadt Danzig am Ende des fünfzehnten und am Anfang des sech-
zehnten Jahrhunderts in der Fortsetzung der Danziger Chroniken ein
ausserordentlich reichhaltiges, von ihrem Herausgeber Hirsch vorzüglich
erklärtes Quellenmaterial, das namentlich über die ersten reformatorischen
Bewegungen in Danzig und den mit diesen zusammenhängenden Aufruhr
im Jahre 1525 eine Reihe der genausten Nachrichten bringt. Der
Verfasser der nachstehenden Abhandlung war gerade damit beschäftigt
diese Chroniken zu studiren, allerdings nur um eine kultur-historische
Skizze jener Zeit zu geben, als ihm folgendes Urtheil des Historikers
Winkelmann1) über jene den Aufruhr des Jahres 1525 in Danzig be-
richtenden zeitgenössischen Chroniken zu Gesicht kam, welches der-
selbe gelegentlich einer Besprechung des V. Bandes der Scriptores r. pr.
fällt: „Ueber den Verlauf dieser merkwürdigen kirchlich -politischen
Bewegung wird hier und in den vom Herausgeber hinzugefügten An-
merkungen, dann in Berat Stegmanns Chronik vom Aufruhr 1525
p. 544 fT. und in einigen kleineren zeitgenössischen Aufzeichnungen,
welche als Beilagen zu derselben p. 577 — 591 abgedruckt sind, ein
überaus reiches und zum Theil noch nicht verwerthetes Material bereit
') Historische Zeitschrift von H. v. Sjbel 1875. 4. Heft 437 ff.
Der grosse Aufruhr zu Danzig im Jahre 1525. 537
gelegt. Die patricische und demokratische Anschauungsweise, Vertreter
des alten Glaubens und Anhänger des neuen kommen nach einander
zu Worte und in solcher Lebendigkeit, dass man sich wundern müsste,
wenn nicht bald ein preussischer Historiker diese Bewegung zum Gegen-
stand einer Monographie machte, welche wegen der Beziehungen zur
allgemeinen Reformationsgeschichte auch weitere Kreise interessiren
würde."
Zwar wird wohl Winkelmann nicht unbekannt sein, dass Th. Hirsch
in seiner Geschichte von St. Marien, in einem Buche das unter diesem
bescheidenen Titel eigentlich die ganze Kirchengeschichte Danzigs
kritisch erzählt, auch diese Partie in seine Darstellung verwoben hat,
aber das neu edierte, so ausserordentlich reiche Material scheint in
Winkelmann, und wie ich glaube in manchem Geschichtsfreunde, den
Wunsch wachgerufen haben, dass dasselbe zu einer neuen Erforschung
und Darstellung jener Zeit verwendet werde. Ich bin diesem Wunsche
willig gefolgt und bringe diese Abhandlung hiemit zur Publikation,
hauptsächlich auch deshalb weil ich in nicht unwesentlichen Punkten von
den bisherigen Darstellungen ahweiche.
Der Aufruhr des Jahres 1525 zu Danzig in seiner Veranlassung
und in seinen Polgen ist uns glücklicher Weise in so vielen Quellen
überliefert, dass wir uns über denselben ein ausserordentlich treues
Bild entwerfen können. Die genaueste und umfangreichste Quelle über
diesen Gegenstand ist Bernt Stegmanns Chronik vom Aufruhr 1525 *).
Obwohl sie mit den Worten: „Eczwas zcu schreiben von der zcweytracht,
parteye und auffrur der borger und eynwoner der gutten stadt Dantczike
und wellet mir nicht vor obel haben, ab ich etczwas dy alten hobete
mitte anrure, szo ich doch ungerne imande wolde cze noe schreiben,
das do were an seyne ere ader gelymppfe, ader das dy unworheit were
und nicht gescheen* beginnt und die Veranlassung dieses Streites aus
Ursachen, die viele Jahre früher liegen ableitet (»Das yst gesehen lengk
wen XX jar vor dissem auffrur, ee das is eynen vortgangk krigete, in
der ezeyt, do do lebeten und regirten dy stadt Dantczike dy iiij borger-
*) Scr. V, S. 544—577.
Altpr. Monatsschrift Bd. XIV. Hft. 7 n. 8» 35
538 Der grosse Aufruhr zu Danzig im Jahre 1525
meisters also mit namen her Hynrich Falke, her Jürgen Bück, her
Hynrich von Suchten, her Jolian Pcrfer, bei den gezceiten quam dy
erste zcweytracht und parteye mangk dy eldesten und vormemeaten
der stadt Dantczke*), so ist doch diese Arbeit, wie ihr Herausgeber
Prof. Dr. Hirsch im fünften Bande der Scr. rer. Prus. mit Recht sagt,
eine tendenziöse Parteischrift, die im Sinne der städtischen Aristokratie,
die nach jenem Aufruhr zur Herrschaft gekommen mit tyrannischer
Härte die selbstständigen Regungen der Bürgerschaft auf politischem
und religiösem Gebiete unterdrückte, gleich nach der Dämpfung jenes
Aufstandes zwischen den Jahren 1526—30 geschrieben ist. Den Beweis
bietet die Art und Weise, wie Stegmann die Veranlassung des Auf-
standes characterisiert. Während er im ersten Theil seiner Chronik be-
hauptet, des Aufruhrs Gründe lägen in den Verhältnissen und Ereig-
nissen früherer Zeiten, in der Verfeindung der grossen patricischen
Geschlechter unter einander, in dem Auftreten des Bürgermeisters
Eberhard Ferber gegen die Stadt, in den Bannflüchen der verschiedenen
geistlichen Gerichte, wird er auf einmal anderer Gesinnung und macht
von dem Zeitpunkte an, wo er der Einführung der reformatorischen
Lehren in Danzig gedenken muss, nur die Reformatoren und ihren
Anhang für den Aufruhr verantwortlich, ja seine bis dahin decent ge-
haltene Erzählung artet an manchen Stellen in rohe Schimpfereien
gegen die der reformatorischen Lehre Anhängenden aus. So bietet
gerade seine Chronik in gewisser Weise viel Gelegenheit zu einer ge-
rechten Beurtheilung der damaligen Zeit.
Die zweite Quelle über das in Rede stehende geschichtliche Er-
eigniss ist gerade von entgegengesetzter Seite, von einem Anhänger
der reformatorischen Lehren, der nach den Bemerkungen am Ende der
Schrift zn schliessen im Juli 1526 aus Danzig vertrieben wurde, gleich
nach dieser Zeit verfasst. Sie ist von Hirsch in einem Sammelbande
der ehemaligen Schlieffschen Bibliothek vor einigen Decennien erst
aufgefunden und neuerdings ebenfalls in dem fünften Bande der Scr*
rer. Pr. von Hirsch veröffentlicht. 3) Sie beginnt mit den Worten:
») Scr. V, S. 577-587.
Von Dr. Strebitzki. 539
„Im jähr 1525 sind diese nachbeschriebene geschieht und auffruhre
zwischen dem raht und der gantzen gemeine geschehen und solte ein
solch blutvergiszen worden seyn, das auch vor nie gehöret wäre, seit
Danczig gestanden hatte, so es der allerhöchste Gott, dem allezeit danck,
lob und ehre sey, durch seine gottliche gnade nicht gewehret hätte,
das doch sonst kein mensch nicht hätte können stören. * Auch dieser
Bericht ist ein ausserordentlich genauer, ja was die Aufstandstage
angeht, wohl der genaueste, er beginnt aber erst mit der Schilderung
des Aufstandes selbst mit dem 22. Januar 1525 und reicht bis 1526,
während Stegmann auch die Ereignisse der vorhergehenden Jahre,
namentlich von 1523 an sehr genau berichtet.
Nächst diesen beiden sehr umfangreichen Quellenschriften enthält
die Perberchronik4) sehr zuverlässige Angaben über den Aufruhr. Die
Ferberchronik ist auf den Bürgermeister Eberhard Ferber, der bis 1522
in Danzig seines Amtes waltete, zurückzuführen, aber nicht von ihm
selbst verfasst, sondern auf seine Veranlassung geschrieben, wie sie
denn auch den letzten Theil einer auf seine Anregung damals ver-
fassten chronikalischen Sammlung bildet. Ich theile jedoch nicht die
Ansicht ihres Herausgebers Hirsch, dass nämlich der zweite Theil von
demselben Verfasser geschrieben sei, wie der erste. Mir scheint der
zur reformatorischen Lehre sich hinneigende, trotzdem aber völlig un-
parteiisch schreibende Autor der Reformationsbewegungen in Danzig
ein ganz andrer zu sein, als derjenige der kurz vorher in dieser Chronik
die Seeunternehmung Danzigs gegen Dänemark im Jahre 1520 so leb-
haft mit kriegerischem Mitgefühl schildert.
Die nächst wichtige Quelle ist der betreffende Abschnitt aus dem
Chronikenwerke des Kaufmanns Jacob Melmann,5) der 1487 geboren
wurde und 1528 starb. Nach Hirsch Ansicht hat er den Stegmann-
schen Bericht in seine Chronik aufgenommen, aber als evangelischer
Christ die gegen die Reformatoren beleidigenden Stellen gemildert.
Meiner Ansicht nach zerfällt dieser Bericht in zwei Theile, in dem ersten
giebt Melmann eine Schilderung im Sinne der Stegmannschen Auffassung,
4) Scr. V, S. 529—543. 6) Scr. V, S. 589—591.
35*
540 Der grosse Aufruhr su Dansig im Jahre 1525
im zweiten eine neue, nach seinen eigenen Urtheilen gemodelte. Denn
während er im ersten Theile die Bestrebungen der Reformatorischen
Partei („das lose volk"), wie er sie nennt/) verwirft, gesteht er im
zweiten Theile offen ein, dass selbst der Bath zum grossen Theil der
Anschauung jener Bürger sei und dass derselbe nur warten wolle, bis
man sähe, wohin sich „die gemeine Christenheit und die Königl. maj.'7),
der König von Polen, werde hinkehren.
Eine fünfte Quelle bietet der Bericht, den Herr Mathis Lange
„burgermeister in Danczke in sein haubtbuch 1522 eingeschrieben.11 Es
ist ein verhältnissmässig kurzer Bericht, der auch nur zwei Aufstands-
tage umfasst.
>
Ausser diesen chronikalischen Quellen haben wir noch eine Reihe
urkundlicher; zunächst die Notizen der „libri missivi" aus jenen
Jahren, die Hirsch in seiner Geschichte von St. Marien im Auszuge
mittheilt, dann die eben dort zum ersten Male abgedruckten Urkunden
aus dem Archive des Generaldirectoriums zu Berlin: 1) den Artikelbrief
der Danziger Gemeinde von 1525; 2) die Danziger Instruction vom
Jahre 1526 für die Gesandten der Stadt an den König Sigismund;
3) die Vollmacht der Stadt Danzig an ihre Gesandten an König Sigis-
mund, ebenfalls aus dem Jahre 1526; 4) der Versicherungsbrief König
Sigismunds an die Danziger, auch vom Jahre 1526; 5) zwei Lieder
aus der damaligen Zeit, eins im Sinne der reformatorischen Partei,
schliessend mit den Worten:
»Dies Lied ist uns gesungen von einem Studenten gut
Der Wohnung ist er entrannen, die man zu Dantzke geben thut
Der Teufel mag sie begehren, ihr Oele ist zu roht
Damit sie ihre Priester schmieren, die Platten scheeren sie zu grot.*
zweitens ein Papistenlied vom Aufruhr mit folgender Andeutung über
den Verfasser:
»Dies liedlein ist gesungen zu Redlau in dem Kruge
Von einem Landsmann jungen.«
Einen urkundlichen Werth haben ferner die Berichte des über
imitationum, die uns Hirsch ebenfalls im V. Bande der Script rer. Pr.
•) Vgl. Scr. V, S. 689. 7) Vgl. a, a, 0. S. 590.
von Dr. Strebitaki 54 1
S. 559 ff. auszüglich mittheilt. Auch die mittlere olivensische Chronik,
wie kurz sie in annalistischer Weise die Nachrichten auch einzwängt,
bietet uns für die chronologische Bestimmung an einer Stelle Aushilfe.
Dieses reiche Quellenmaterial fesselt noch mehr die Aufmerksamkeit
des Forschers, wenn er die Darstellungsweise der einzelnen zeitgenössi-
schen Chronisten beachtet und bemerkt, wie bei ihnen trotz der schein-
bar naivsten Ausdruckweise doch die religiösen und politischen Motive
der Aufrührer eine vollständig entgegengesetzte Beurtheilung erfahren.
Von der einen Seite wird der Aufruhr des Jahres 1525 als ein Auf-
stand gegen alle gute Ordnung, nur als eine Revolution der untersten
Klasse gegen den Bath und alle conservativen Elemente geschildert,
in der andern erscheint er als eine Erhebung für die Durchführung der
Lehre vom Worte Gottes, d. h. der reformatorischen Bestrebungen.
So entgegengesetzt denn auch hie und da die Angaben erscheinen, sie
lassen sich doch bei ihrer Menge combiniren und kritisch sichten, so
dass die historische Wahrheit wohl aufzufinden ist. Nicht unter dem
Deckmantel der Religion suchte man politische Vorrechte, sondern zu-
r
gleich mit der verlangten Aenderung des religiösen Bekenntnisses ver-
band man das Bestreben auch das politische Regiment der Stadt zu
verändern, um jenes neue religiöse Bekenntniss mehr zu befestigen.
Schon im fünfzehnten Jahrhundert hatten die Missbräuche in der
damaligen Kirche sich auch in Danzig offen gezeigt. Unter diesen
Missbräuchen war einer . das bürgerliche und öffentliche Leben am
meisten, aber auch am nachtheiligsten berührende, die Möglichkeit, in
einem weltlichen Processe das Urtheil eines geistlichen Gerichts als
einer höhern Instanz anrufen zu können. Sehr oft kam es vor, dass
die eine Partei dieses, die andere jenes geistliche Gericht anrief und
dass dann beide Parteien nach einander mit dem Banne belegt wurden,
dessen Folge es war, dass jeder Gottesdienst in der Stadt so lange
eingestellt wurde, bis die Gebannten dem Urtheile des geistlichen Ge-
richts sich unterworfen hatten.0) Es bedurfte daher auch in Danzig
•) Vgl Hirsch, Geschichte v. St Marien. I. Bd. S. 222 ft
542 ^er &roö8ü Aufruhr su Dan zig im Jahre lf»2ö
der kräftigen Intervention des Bathes, einmal auch selbst des Königs
von Polen, um Buhe und Frieden in der Stadt wieder herzustellen. So
z. B. wurde ein solcher Process in Danzig um die Mitte des fünfzehnten
Jahrhunderts zwischen den Patricierfamilicn Hake und Eklinghof geführt.
Nachdem die erstere Familie beim geistlichen Gericht in Danzig Becht
erhalten hatte, wendete sich die verurtheilte an das höhere geistliche
Gericht zu Born und erreichte es, dass sie 1475 Becht erhielt, die
Hake's aber verurtheilt wurden. Hierauf wurde uun die Familie Hake»
die sich diesem neuen Urteilsspruche nicht fügen wollte, und der mit
ihr verschwägerte Bürgermeister Bischof aus der Stadt getrieben, Hake
selbst als Gebannter von Wegelagern ermordet. Als darauf der Bürger-
meister Bischof die Stadt betrat, stellten die Geistlichen, da ein Ge-
bannter sich im Bezirke der Stadt befand, alle ihre geistlichen Hand-
lungen ein, und es entstand eine Aufregung und ein Unwille unter der
Bürgerschaft, so dass der König von Polen, Casimir, die Pfarrer Danzigs
nach Marienburg citieren lassen und ihnen die Aufnahme der kirch-
lichen Handlungen unter Androhung der Amtssperrung gebieten musste.
Erst jetzt fugten sie sich und die Buhe ward wieder hergestellt.9) —
Im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts mehrten sich solche Ban-
nungen, so im Processe des Moritz Ferber gegen Max Pilomann, und
in dem des Sebald Becher gegen Berthold Hake. ,0)
•) Vgl. Scr. IV, S. 712 und Altpr. Monatsschr. Bd. XI. meine Abhandlung über
Lubbe's Chronik S. 242 ff.
10) Beide Processe schildert eingehend Stegmann in seiner Chronik vom Aufruhr,
ich führe den letzteren nach dem Berichte seiner Chronik hier vor: Item es war auch
eyn erlicher reycher borger in der stadt mit namen her Tydeman Gyse. Noch abe-
gange desselbigen, seyne nochgelossen hauszvrawe vortrawete irer beyder tochter
eynem gesellen von siechten erlichen elderen geboren, auch eynes borgers son not-
dorfft habende. Do sy beyde etczliche zeeit beyeynander gelebet hatten, und sy
eyn junges meyedeleyn von ym hatte, ich weys nicht was der jungen vrawen mutter
feylete an derselbigen irer tochter man, Bertolt Haken, das sy mit irem manne
Sebalt Becher in abwesen des selbigen irer tochter man Bertolt Haken, nomen sy im
aus seynem hawse, seyn weyb und kynt mit etlichem irem gesmeyde dy mutter in ir
haus, also das sy auch bei irer mutter storb und quam nicht widder zeu irem manne.
Dis weyb und kyntnement fasseten dy jungen gesellen vor und machten davon
eyn fastnachtspil offenbar auf dem merkete aus, also men den fastelabent eynholete.
Hy quam vele arges aus, dis mocht bey wertlichem gerichte nicht entscheden werden,
sunder dy sache quam zeu Roma ins geistliche recht, der grosse ban quam zeu
von Dr. Strebitzki. 543
So bildet sich denn allmählig eine Abneigung gegen Priestermacht
und Priesterherrschaft aus, dass die reforraatorische Lehre einen günstigen
Boden in Danzig finden musste. 1!) Dazu kam, dass die Pfarrherrn in
den einzelnen Pfarreien ihre Pflicht versäumten und ihre reiche Pfründe
in ganz entfernten Orten verzehrten. So hielt im Anfange des sechs-
zehnten Jahrhunderts Dr. Scultetus, der Pfarrherr von St. Marien sich
zu Kom auf, der Pfarrherr von St. Johann, Johann v. Suchten (1509—16)
war zu gleicher Zeit Domherr von Prauenburg und Eeval. Der Pfarr-
herr von St. Catharinen, Albrecht Bifchof, hielt sich eine Zeit lang in
Born, dann an andern Orten, nur nicht in seiner Pfarrei in Danzig auf.
Dantczke, dar wart interdickt geleget, das men nicht syngen ader gotisdynst halden
mochte offenbar. Bartolt Hake mit seynem anhange mästen bannes halben aus der
stat. Bertolt Hake irlangete hulffe und quam aus dem banne, der bannete do das
anderteyl jo so sere, dy musten widder aus der Stadt, der borgermaister her Philippus
Bischof, der war der Tideman Giseschen bruder, muste auch bannes halben aus der
Stadt. Dar wart trefflich gros gelt und gut vorzceret von beyden teylen, Bertolt
Hake muste durch armute vorkawfen seyne legende gründe, sunderlich eyn erbe in
der lange gasse, das kawfte Berndt Tüle. Disser Bemdt Tüle und ander mee
wurden von Bartolt Haken wegen aus der stadt gebannet, Haus Lutkeherc starb
aussen der stadt in des babistes banne, des geleichen Berndt Töle sterb auch aussen
der stadt in des babestes banne, Herman German zcogk auf zeu Borna und lis sich
do aus dem banne absolviren, Sebolt Becher war auch lange zeeit zu Borna.
Do sy sich undereynander lange zceyt gejaget hatten, und Bertolt Hake vor-
zceret hatte alle seyn gut und habe, das her sam nichtis behilt, do musten sy von
beyden teylen aufhören.
Sulliche geschefte, eynem manne seyn weyb undc kynt zeu nemen, eyn den
anderen zeu bannen, aus der stadt zeu treyben, aussen der stadt in deme banne zeu
sterben, das synt alle dynge, dy schaden eynbrengen; dis machet alle böse blut,
iieyt und has in den gesiechten, dy is antreffende ist. Scr. V, S. 548.
") Is yst gescheen in der fasten auff eynen sontagk noch der vesper vorsam-
melte sich eyn hawffe von dem gemeynen volke in dor pferre u. 1. v. kirche und
wolden haben dem stadthalder der kirchen, her Kirstianus genant eyn hundefell ge-
zcogen. Bsunder er entquam in dy dresekamer und lis sich darinne beslissen. Szo
quam der obersten publicus eyner, eyn schottisch pfaffe, her Hynrich genant; alse
sy den wolden angreifen, so weech er in eyn gestulte bey sant Jürgens altar; do
zeogen sy in mit macht daraus, das auch der stuel zeubrach und ym do eyn gros
hundefeil; zeum letezten res er aus und liff aus der kirchen und quam in eynes
borgers haws zeu seynem gelucken, sust were her todt geslagen wurden. Hy
quam nicht guttis aus, dy kirche wart entweiget, der pfaffe treb is auch hogk.
Solde dis versonet werden, so most der here bisschoff von derKoye personlich komen
und weygen dy kirche aufs newe und vorsonen auch dy sache mit dem pf äffen; dis
kostede auch nicht eyn kleyn gelt. Scr. V, S. 552.
544 Der grosse Aufruhr so Danzig im Jahre 1525
Ebenso verhielt es sich mit den Pfarrverwesern von St Bartholomäi,
Niederhof, und von Petri und Pauli, Tideman Giese. Ausser diesen
ihres Amtes ganz vergessenden Seelenhirten erregten in Danzig auch
die Ablasshändler, die wie die heil. Geist- und Antonius-Brüder aus
der Fremde kamen und gegen baare Zahlung oder Leistung von Na-
turalien die Ablässe veräusserten, Widerwillen gegen die alte Kirche.
Reformatorische Ideen pflegten dagegen in Westpreussen die Brüder
des gemeinschaftlichen Lebens, die im Jahre 1508 in Eulm ein Institut
errichtet hatten, in dem sie freie Künste, besonders Philosophie lehrten,
dann aber namentlich jene Männer, die von Danzig aus ihre höhere
Bildung auf den nächsten Universitäten Wittenberg und Frankfurt ge-
sucht hatten. Dennoch kann man nicht genau sagen, wann und durch
wen die ersten Anregungen zur neuen Lehre gekommen seien. Der
früheste Bericht über das Auftreten reformatorischer Ideen findet sich
in Hans Grunewegs Familienchronik. Gruneweg erzählt hier, dass der
Pfarrverwalter von St. Peter, Jacob Knode (oder Knade), 1518 ein
Freund und Verkünder der lutherischen Lehre und der erste Priester
in Danzig gewesen sei, der geheirathet hätte. Der interessante Bericht,
der von einem Anhänger der alten Lehre geschrieben in parteiischer
Auffassung nur die Neigung zum Heirathen als den alleinigen Beweg-
grund für die Hinneigung Knode's zur Reformation bezeichnet, lässt
deutlich erkennen, wie gross unter den Würdenträgern der alten Kirche
die Furcht vor den reformatorischen Ideen war. 12)
Während nun auffälliger Weise dieser Vorgang des Jahres 1518,
so viel wir wenigstens aus den Quellen entnehmen können, keinen Ein-
fluss zur Nachfolge in der Bürgerschaft ausübte, sehen wir vier Jahre
später auf einmal Prediger der reformatorischen Lehre auftreten, die
namentlich beim gemeinen Bürger grosse Unterstützung und zahlreichen
Anhang finden. — Zu der Unzufriedenheit mit der alten Kirche ge-
sellte sich aber bei dem gemeinen Bürger auch Unzufriedenheit mit
der städtischen Verwaltung und diese beiden Beweggründe sind es, die
die Bürgerschaft zu jenem Aufruhr des Jahres 1525 führte.
») Scr. IV, S. 721 ff.
von Dr. Strebittki. 545
An der Spitze der Stadt stand seit dem Jahre 1510 der Bürger-
meister Eberhard Ferber, der grösste Repräsentant des grossen Danziger
Ferbergeschlechtes, der 1497 auf einer Reise nach dem heiligen Grabe
mit dem Herzoge von Pommern von diesem den Ritterschlag erhielt
und neben seinem städtischen Amte auch noch die Würde eines Haupt-
manns von Dirschau bekleidete. Mit ihm gerieth im Jahre 1522 die
Stadt in Zwist, Der Grund desselben ist in den Quellen nicht klar
angegeben, vielleicht deshalb nicht, weil die damaligen Chronisten sich
scheuten das mächtige Geschlecht der Ferber zu verletzen. Indess, so
viel wird klar, dass der Bürgermeister Ferber, als er 1522 bei einer
Kriegsgefahr erklärte, die Stadt habe kein Geld, von der Bürgerschaft
gezwungen wurde, Rechenschaft über die pekuniäre Lage der Stadt ab-
zulegen. Obgleich er dies versprochen hatte, so verliess er doch plötzlich
nach Anheftung einer Vertheidigungsschrift an die Marien-Pfarrkirche
und den Artushof am 19. November 1522 die Stadt und begab sich
nach Dirschau. Bei seiner Abreise hatte Ferber noch Schreiben an
die Handwerke geschickt, welche diese aufforderten, in seinem Streite
gegen die Stadt nicht gegen ihn Partei nehmen zu wollen. I3)
Die fluchtähnliche Abreise des ersten Bürgermeisters rief natür-
lich eine grosse Aufregung in der Stadt hervor und am Tage darauf
fand eine Versammlung der anderen drei Bürgermeister des Rathes und
der Gemeinde statt. Man beschloss gegen Eberhard Ferber seitens der
Stadt vorzuge Im und am 21. November wurde im Namen des Rathes
bekannt gemacht, dass die Verwandten Eberhard Ferbers, Jacob Rees,
sein Schwiegersohn, und sein Bruder Hildebrand Ferber, die Stadt
zu verlassen hätten, da sie „wider der stadt reces und wilkor*
13) Scr. V, S. 65' \ Her hatte den tag zcuvor gesant in etczliche hantwerko
briffe also lawtende: ab sy vornemen, das er mit etlichen in der Stadt was zcn
handclen hatte, do sullen sy stille zcu sitczen und keren sich nicht daran, went is
were auf sy nicht geton. Dis quam mangk dy borgers, do von wart eyn gros romor
in der stadt, von der gemeyn auf den radt, so das beynoch dy radtklocke were zcn
storine geslagcn. Bsunder Got halff und frome lewte, das is nicht geschagk; so
men gestormet hette is hette villeichte mennygen seyn lebent gekostet. Got gab,
das das volk nüchteren was, went is war Vormittage und fasteltagk unser lieben
vrawen tempelopperunge ....
546 ^er ß1"0880 Aufruhr an Damig im Jahre 1525
gehandelt hätten. Zu gleicher Zeit wurde vom Ratbe eine Verteidigungs-
schrift gegen die Anklagen Eberhard Ferbers an den Artushof ange-
schlagen. Am 22. November übernahm des Burgermeisters Compan,
Mathis Lange, Eberhard Ferbers Stelle und an Jacob Rees Stelle, der
Schulze gewesen war, trat Hennynk Summe. Kurze Zeit hierauf,
am 3. December, beschloss Rath und Gemeinde zusammen über die
Handlungsweise Eberhard Ferbers bei dem Schutzherrn Danzigs, dem
Könige von Polen, Beschwerde zu führen, und einige Tage darauf
reisten die Deputirten der Stadt (seitens des Rathes der Bürgermeister
Mathis Lange, der Rathmann Eberhard Nyderhof, der Schöppe Ebert
Rocke und der Stadtschreiber Jacob Forstenberger, seitens der Bürger-
schaft Hans Krakau, Hans Nymetz, Hans Aptishagen, Hans Angermünde)
nach Krakau ab, um dort vor dem Könige die Klage anzubringen.
Die Deputation kehrte am 12. April 1523 zurück und überbrachte auch
den Wortlaut der Gegenklage Ferbers dem Rathe mit.
So stand noch im April 1523 Rath und Gemeinde fest zusammen,
ja zum Zeichen jener Einigkeit wurde eine Münze geschlagen, die
Melmann in seiner Chronik die lutherischen Schillinge nannte. Aber
die Anzeichen des drohenden Zwistes Hessen nicht lange auf sich warten,
denn am 14. August desselben Jahres erhob sich ein junger Bürger,
Gregor Matterne von Langgarten, aus der St. Barbara-Pfarrei, um das
Rath haus zu stürmen. Den Grund dieses Angriffes erfahren wir aus
den Quellen nicht, wohl aber, dass die Volksaufregung durch die so-
fortige Verhaftung Gregor Matterns und «seine Enthauptung niederge-
halten wurde. ") Vielleicht war eine solche Stimmung unter den Bür-
gern dadurch hervorgerufen, dass die Verhandlungen der Stadt in dem
Processe gegen Ferber sich sehr in die Länge zogen, auch die Depu-
tationen ein bedeutendes Stück Geld kosteten. Nachdem auf der Tag-
fahrt zu Marienburg am 18. August 1523, zu der der Bürgermeister
Mathis Lange deputiert war, die Sache an den König von Polen verwiesen
war, musste die Stadt nun zur Vertretung ihrer Interessen den Secre-
tarius Ambrosius Sturm an den König absenden, dem dann im folgenden
M) Scr. V, S. 551.
von Dr. Strebitaki. 547
Jahre zum 3. Februar, dem Tage der Klagebeantwortung in Krakau
vor dem Könige von Polen der Licentiat beider Rechte Philipp Holkener
und Jacob Forstenberger nachgesandt wurden, aber ohne Erfolg. ,5)
Diese misslichen Verhältnisse in der Verwaltung der Stadt mochten
wohl im gemeinen Manne manche Zweifel an der Aufrichtigkeit des
Käthes wachrufen, und die so zur Unzufriedenheit gegen alte Kirche
und städtische Verwaltung geneigte Menge war um so empfänglicher
für die Predigten der nun auftretenden reformatorischen Geistlichen.
Als der erste, der nach Knade und fünf Jahre später als er im Sinne
der Reformatoren in Danzig wirkte, wird der weltliche Priester Jacob
Hegge genannt, ,fi) in den officiellen Papieren immer unter diesem Na-
men vorkommend, von Melmann Finkenblock, von der mittleren oliven-
sischen Chronik Kanblok genannt. Er versammelt zum ersten Male
am Margarethentage 1522 eine grosse Zuhörerschaft auf dem Hagels-
berge ") um sich, vor der er die Einrichtungen und die Geistlichkeit
der alten Kirche arg tadelt. Sein Anhang wuchs so, dass ihm nach
einiger Zeit die heil. Leichnamskirche eingeräumt wurde und, da auch
diese die Menge der Hörer nicht fasste, predigte er auf dem Gertruden-
kirchhofe unter freiem Himmel. Nachdem Hegge, wie früher Knade,
geheirathet hatte, gaben ihm seine Anhänger die nöthigen Mittel, da-
mit er sich zu Wittenberg, in der Stadt des grossen Reformators, zum
Predigtamt weiter bilde. Schon nach einem halben Jahre kehrte er
von dort zurück und wurde zum Hohne der Mönche mit aus den drei
Mönchsklöstern geliehenen Wagen und Pferden von einem Bürger Hans
Pellichen feierlich eingeholt, in die Pfarrkirche geführt und hier auf-
gefordert die Kanzel zu besteigen. Diese Predigt, welche am 27. Sep-
tember 1523 stattfand, muss besonders auf die Menge eingewirkt haben,
denn der Rath berichtet über dieselbe am 28. September in einem
Missive an den Bischof von Cujavien oder Leslau, dem Vorgesetzten
,6) Scr. V, S. 552. ,fl) Vgl. a. a. 0. S. 553.
") Stegmanns Chronik (Scr. V, S. 553) sagt am Magarethentage 15*23 sei dies
gewesen. Hirsch weist a. a. 0. Anm. 2 nach, dass dieses früher gewesen sein müsse,
die mittlere olivensische Chronik (Scr. V, S. 642) giebt aber auch richtig an: Anno
1522 in festo s. Magarethae ....
548 ^er g*0880 Aufruhr zu Danzig im Jahre 1525
der Danziger Geistlichkeit. ") Stegmann nennt in seinem Zorne diesen
Hegge nie anders als den „Schendcrprediger*.
In jene Zeit fallen denn auch einige Edikte des Königs von Polen
an den Rath der Stadt, die eine scharfe Inquisition und Verfolgung der
Anhänger Luthers anordnen. Aber diese Androhungen fruchteten nichts,
vielmehr wandte sich die Erregung der Bürger noch mehr gegen den
Bath der Stadt. —
Im nächsten Jahre zur Fastenzeit trafen auf Sendung des Königs
Sigismund von Polen, der Erzbischof von Gnesen und der Bischof von
Leslau in Danzig ein, um in Gemeinschaft mit den Bevollmächtigten
des Markgrafen von Brandenburg und des Herzogs von Pommern, die
in Danzig anwesend waren, jene Unregelmässigkeiten der Geistlichen und
der Gemeinde abzustellen. Als diese Bischöfe aber nach einem Verhör
mit einem der Geistlichen (nach dem Bathsdenkeboek von 1524 ist es
Paul Gronewalt) denselben wegen Ungehorsams verhaften und in einem
Keller des Pfarrhofes einsperren hatten lassen, entstand am nächsten
Morgen ein Auflauf der Bürger und, da der Bürgermeister auf Ersuchen
einer an ihn gesandten Deputation den Verhafteten nicht sofort befreien
wollte, drang der Haufe der Bürger auf den Pfarrhof, vor die Wohnung
des Bischofs und erreichte durch offene Drohungen und durch Stein-
und Messerwürfe gegen die Fenster seiner Wohnung endlich die Frei-
lassung jenes Geistlichen. Dieses Auftreten soll namentlich nach der
Angabe Stegmanns den König von Polen erzürnt haben. ") Im Spät-
sommer dieses Jahres organisierte sich die Partei derjenigen, die der
reformatorischen Lehre anhingen. Eine Versammlung auf dem Elisabeth-
kirchhofe wählte 12 Bürger, welche für die Einführung der neuen reinen
Lehre sorgen sollte. Der oberste derselben war der Lic. Johann Wend-
land, ihr Sprecher der Grobschmied Peter Konig (oder König) auf der Alt-
stadt (nach den Angaben Stegmanns in der Chronik Melmanns wird Conrad
von Suchten als Führer genannt.) Eben diese Versammlung wählte auch
fünf Prediger, welche das Wort Gottes ohne alle Menschenlehre und
Zusatz predigen sollten.20) Diese fünf Prediger waren Jacob Hegge
") Vgl. a. a. 0. S. 553. 19) VgL a. a. 0. S. 554.
t0) Vgl. Ferberchronik a. a. 0. S. 538.
von Dr. Strebiteki. 549
zu St. Catharinen, Jacob Molner (oder Müller) zu St. Barbara, Am-
brosius Hitfeld zu St. Petri, Hans Paulus zu St. Johannis und Mathias
Bienwald zu St. Bartholomäi. Aus dieser Wahl, die von den Gemeinden
acceptirt wurde, und dem Umstände, dass der Rath in äusserst zuvor-
kommender Weise den fünf Predigern und den 12 Deputirten einen be-
sondern Platz auf dem Pfarrhofe zu ihren Berathungen einräumt, scheint
mir klar hervorzugehen, dass die Majorität der Bürgerschaft der neuen
Lehre zugethan war, dass sie eine zu respectierende Macht besass und
dass nur die Mönche in den drei Mannsklöstern, die Karmeliter (die
weissen), die Dominikaner (die schwarzen) und die Franziskaner (die
grauen) Mönche auf der entgegengesetzten Seite standen. Während
des Herbstes bis zum Beginn des nächsten Jahres 1525 müssen jene
Gemeinde-Deputierten sehr thätig gewesen sein, denn nachdem unter
Bewilligung des Käthes das Silberzeug aus den Klöstern (mit Ausnahme
der zum Messecelebrieren nöthigen Kelche) eingezogen und in der
Wohnung des Bürgermeisters Wiese deponiert war, wurde nach sorg-
fältiger Berathung mit dem Ralhe, den Kaufleuten und Gewerken ein
Edikt verfasst, welches sich namentlich gegen die Mönche wandte und
die Kirchenordunng neu festsetzte. Am 15. Januar wurde dieses Edict
(Artikel genannt) von allen Kanzeln zur Nachachtung verkündet. Am
einschneidendsten waren die Bestimmungen über die Mönche, die der
neuen Lehre entgegengesetzt blieben und eine Disputation am 12. Ja-
nuar ausgeschlagen hatten.51)
Sf) Vgl. die Berichte der Ferberchronik (Scr. V, S. 539 ff.): Zcum ersten: sie
soUen in der stat nicht predigen noch heimlich noch offenbar in beiwesen unser
burger; die betteley sal in der stat in undersaget und Vorboten seyn. It. aus den
clostern man und frauenbilde mag ein ider der do wil austreten und nimand Vor-
boten werden daraus zcu gehende, auch von dem obersten mit geczwange nicht
davon gehalten werden. It. nimand sal von in in dieselbigen closter genommen
werden oder hinein geczogen werden. It. auch sal denselbigen mennern der kloster
underaagt sein zcur zceit das beichtehorent Domitte sal die beichte nicht aufge-
haben sein, dovon man protestiret Item in die heuser der burger sallen sie nicht
gehen, auch nicht gift ader zcwitracht seen, es sey heimlich ader offenbar mit Worten
noch mit Schriften. Die messe und ander gezceite sal in zcugelaseen sein; bsonder
aber vigilien zcu singen in der burger heuser sol inen gancz vorbotten sein, auch
bey nachtzceiten keine glock leuten aber des tages ein zceichen zcur messe. Item
zcur completen und andern gezceiten keinesweges einige glocke raren lossen; und
550 D°r grosse Aufruhr zu Dan zig im Jahre 1525
Der erste jener Artikel das Verbot des Predigens der Mönche
bietet nach den uns vorliegenden Quellen den Anlass zu dem grossen
Aufruhr in den folgenden Tagen. An der Pfarrkirche, so erzählen sio,
wirkte damals als Prediger ein gelehrter Mönch des Franziskanerordens,
Dr. Alexander, versöhnlicher Gesinnung und, wie man allgemein an-
nahm, der reformatorischen Lehre Freund. Auch dieser hatte am
15. Februar jenes eben erwähnte Verbot des Predigens der Mönche
abgekanzelt, bestieg aber am folgenden Sonntage am 22. Februar mit
der Mönchskappe, und nur daran nahm man Anstoss, wiederum die
Kanzel. Da trat ein junger Mann, Bernt von Eyten, an ihn heran und
fragte, indem er auf seine Kappe deutete, wie er unter solchen Verhält-
nissen, da er sich doch als Mönch geriere, dazu käme, angesichts jenes
Verbots die Kanzel zu besteigen. Dr. Alexander wies ihn mit kurzen
Worten ab, aber dieser Auftritt muss sonst in der Kirche grosses Auf-
sehn erregt haben, denn bald darauf wurde Bernt von Eyten auf Befehl
des Baths ergriffen und ins Geföngniss gesetzt. S2)
Das ist nach der genausten als auch parteiischsten Quelle, der
die grosse glock der schwarczen manchen sal abgethan sein. Sonst sollen sie alles
dasjenige nachlassen, das irrungen zcwitracht und Widerwillen stiften mochte in
disser konigl. stat Disse handlangen und was also ondersagt ist sollen die closter-
leute strax halten bis also lange, das sie iren orden und wesen ans gottlicher schrift
ausfuren and erhalten. Des wü e. e. r. and die gancze nachbarschaft dieser konigl.
stat durch alle stende bey der ganczen weit and idermenniglich geprotestirt haben,
und protestiren das feierlich, das sie denselben leuten nichts vorbiten oder verboten
wollen haben, das aas gütlichen Worten mag erhalten werden and beschirmet ....
") Vgl. Scr. V, S. 557: Es yst gesehen vitf tage darnoch anno Dni XVCXXV.
ime rrijsten tage in Januario und war der sontagk vor sant Pawels bekerange, do
gefeyert auf eynem mittewoche, in demselbigen sontage Vormittage alze derselbige
monnich doctor Allexander wolde auf den predickstuel geen, quam eyner aas des
parteyschen pfaffen anhange, derselbige war genant Berndt von Eyten, eyn los ge-
selle ane hawsfrawe auch keyn borger, derselbige greyf den doctor an und zcog ym
doselbest in der kirchen bey seyner kappen and sprach: »here, wo wellet ir hyn?«
Antwert der doctor: >ich wil hyn and predigen das wort Gotis.* Sprach der geselle:
»Seyt ir doch eyn monnich, wy wellet ir denne predigen? habet ir doch abgekundiget
im negest vorgangen sontage von dem predigstole, is solle keyn monnich predigen,
wie wellet yr denne predigen? Der doctor sweygk stille unde gab ym keyn antwort
und gyng seynen wegk. Dis quam von standen an in den radtstuel vor den radt,
dy sauten ire dyner aas and lissen den vorgedochten Berndt angreyffen and setezten
in gefenglich in dy tralge.
ron Dr. Strebitski. 55 X
Chronik Stegmanns, das Signal zum Aufstande. Nach der Nachmittags-
predigt, die von einem Geistlichen der reformatorischen Partei, in der
St. Marienkirche gehalten wurde, versammelte sich der Bath mit seinem
Anhange auf dem langen Markte, die Anhänger der Gemeinden auf
dem Fischmarkt, nachdem der Bossmann Johann Schultze, so wird er
in der Stegmannsehen Chronik, in der Melmannschen und in dem
Hauptbuch des Burgermeister Lange genannt, dazu in der Kirche
aufgefordert hatte. Dieser Bericht ist denn auch in die meisten neuern
Darstellungen der Geschichte Danzigs in jener Zeit übergegangen, in
Löschin und Gralaths Geschichte Danzigs, ja selbst in Hirsch, Geschichte
von St. Marien, und doch muss diese plötzliche, feindliche Stellung
uns überraschen, wenn man die Vorgänge vorher in Erwägung zieht
Wenn man nämlich erwägt, dass noch im August 1524 offen unter
den Augen des Bathes eine Versammlung der reformatorischen Partei
abgehalten wurde, dass die hier neu eingesetzten Pfarrer vom Bathe
aeeeptiert wurden, ja ihnen zu ihren Berathungen mit den zwölf Ge-
meinde-Deputierten vom Bathe ein eigener Platz auf dem Pfarrhofe
angewiesen wurde, dass mit Genehmigung des Baths die scharfen Ar-
tikel gegen die Mönche ausgearbeitet und auf Befehl des Baths ver-
kündigt wurden, so muss es auffallen, wie es gekommen, dass acht
Tage nach jener Abkündigung plötzlich die reformatorische Partei, die
unzweifelhaft die Majorität unter der Bürgerschaft hatte, dem Bathe,
der bis dahin mit ihr Hand in Hand gegangen, mit den Waffen in der
Hand gegenüber tritt. Man kann nicht annehmen, dass das oben ge-
schilderte Bencontre des jungen Bernt von Eyten mit dem Pred. Dr.
Alexander so die Bürger erregen konnte, und es müssen tiefliegendere
Gründe gewesen sein, die einen solchen Biss herbeiführten; ich glaube
vielmehr, dass eine Schwenkung des Bathes zu der mönchischen Partei
wahrscheinlich auf Grund einer Warnung seitens des Königs von Polen,
der allerdings in den Quellen übergangen ist, den innern Anlass zu dem
nun folgenden Aufruhr geboten hat. Darin bestärkt mich auch die
Stelle in der Melmannschen Chronik: „Wiewol der alte rath und die
bürgerschaft auf dem marekt waren, nie nicht und wolten auch nicht
wesen wider der wort Gottes, sondern wolten königl. mandaten
552 Der grosse Aufuhr zu Danzig im Jahre 1525
gnugthun und alle dinge beruhen lassen, bis man sehge, wo sich die
gemeine Christenheit hinkehret und auch die königl. maj.ß ") Jeden-
falls fällt danach die von gewisser Seite beliebte Darstellung, als seien
die der reformatorischen Lehre ergebenen Bürger nur unter dem Pöbel
der Stadt zu finden gewesen, in sich zusammen.
So standen um die Mittagszeit des 22. Januar 1525 im Gebiete
der Rechtstadt die Bürger in zwei feindlichen Lagern sich gegenüber;
auf dem Markte stand der Anhang des Bathes besonders das Fleischer-
gewerk in voller Rüstung „mit Harniseh und Gewehr" und „buxen*,
Geschützen, auf dem Damme und der Breitengasse stand der Anhang
der Gemeinde oder wie die in der Schlieffschen Bibliothek aufgefundene
Quelle sagt, die Anhänger des wortes Gottes. 2I) Um einen blutigen
Zusammenstoss zu vermeiden beschloss die Gmeinde Abgesandte auf
den Markt zu senden um zu unterhandeln, aber die Abgesandten der
Gemeinde der Grobschmied Peter Konig von der Altstadt und der
Brauer Hans Netak aus der Breitengasse, wurden, auf dem Markte an-
gelangt, sofort verhaftet. Dies erregte natürlich noch mehr den Un-
willen des Volkes, und in der Absicht ihre Anzahl zu verstärken, rückte
man gegen das Hausthor vor, das der Rath, wie alle andern Thore,
die zur Alt- und Vorstadt fährten, um eine Verbindung mit den Alt-
und Vorstädtern zu verhindern, hatte verschliessen lassen, warf es aus
den Haken und vereinigte sich mit den Altstädtern, so dass die An-
zahl der Gemeinde über 4000 Mann betrug. Diese imposante Zahl
und dann auch wohl die unentschiedene Stellung einiger Rathsmitglieder
bestimmte den Rath zur Nachgiebigkeit. Noch an demselben Tage
um 4 Uhr Nachmittags kamen 2 Rathsherrn als Abgesandte des Raths
auf den Damm und eröffneten den Bürgern, dass der Rath gesonnen sei
die Gefangenen den Grobschmied Eonig und den Brauer Nytak herauszu-
geben, wenn sie die wirklichen Rädelsführer Hans Joachim und Hans
Schulz ausliefern würden. Darauf ging jedoch die ihrer Kraft sich
wohl bewusste Bürgerschaar nicht ein, vielmehr machten sie sogar
Miene die beiden Rathsherrn als Pfand für ihre Abgesandten fest-
») Scr. V, S. 590. f4) vgl Scr. V, S. 577.
von Dr. Streb itzki. 553
zunehmen und entliessen diese erst, als sie versprochen hatten mit Leib
und Gut für die Befreiung der beiden Gemeindeabgesandten zu wirken.
In der Nacht rückte die Gemeinde auch gegen die andern innern
Stadtthore vor und vermittelte durch das Einwerfen des Ketterhager-
und Fischerthores das Heranrücken der Vorstädter, durch das Einwerfen
des heil. Geistthores die weitere Beihilfe der Altstädter. Nun suchte
der Rath zu unterhandeln und verlangte nur eine Abbitte seitens der
Gemeinde, aber auch das wurde den beim Volke nicht unbeliebten Ab-
gesandten Coi t von Suchten und dem Magister Zimmermann abgeschlagen.
Unter solchen Verhandlungen verging die Nacht von Sonntag auf Mon-
tag den 23. Januar; auf dem langen Markte wurden während der Nacht
die Feuerpfannen angesteckt, Bier herumgereicht, aber auch dieSchaaren
auf dem Damme, die immer an Zahl zunahmen, hielten aus, ja sie
nahmen sogar einige von der Rathspartei gefangen. Da auch die Vor-
städter erklärten für die Befreiung der Gefangenen Leib und Blut ein-
zusetzen, gab der Rath, der sich der Zahl der Gemeine gegenüber
machtlos sah, morgens um 4 Uhr am Montage die beiden Abgesandten
und Bernt von Eyten frei. 26)
Nachdem der Rath sich so schnell ergeben hatte, wuchs das Selbst-
vertrauen der Bürger immer mehr und man stellte am folgenden Tage
an den Rath durch Herbert Kemraerer ganz bestimmte Forderungen,
die sie in der Nacht zuvor in Goldeners Hause auf dem Damme be-
schlossen hatten. Der Rath, in der Niederlage, musste, wenn auch
zögernd, auf dieselben eingehen und schob nur die feierliche Aner-
kennung in einem Edikt an den nächsten Tagen immer hinaus, viel-
leicht nicht ohne die geheime Hoffnung, dass schon in kürzester Frist von
irgend einer Seite Hilfe eintreten könne. Auch noch am Dienstage, den
24. Januar zögerte der Rath mit seinem Versprechen die Beschlüsse
der Gemeinde öffentlich anzuerkennen, ja man erzählte sich sogar in
der Stadt, er habe nach Marienburg um Hilfe gegen die aufständischen
Bürger geschickt. Obwohl der Rath verbürgte, dies sei nicht der Fall,
a&) Vgl. die Schilderung der Stegmannschen Chronik a. a. 0. S. 558, die der
lutherischen Quelle a. a. 0. S. 577.
Altpr. Monatsschrift Bd. XIV. UfL 7 u. 8. 36
554 Der grosse Aufuhr su Danzig im Jahre 1525
so wurden doch die Thore der Stadt verschlossen und nun dringlichst
die Anerkennung ihrer Beschlüsse des sogenannten Artikelbriefes verlangt.
Da erschien der Stadtschreiber Jörgen Zimmermann vor dem Rathhause,
las dem Volke eine Copie des verlangten Briefes vor, fragte an, ob
alles der Gemeinde so gefalle und versprach dann die feierliche An-
erkennung, die Versiegelung werde Tags darauf am 25. Januar Vor-
mittags von 8— 9 Uhr auf dem Markte stattfinden. Zu gleicher Zeit
wurde den Nonnen und Mönchen in den verschiedenen Klöstern eröffnet,
dass es von nun an ihnen gestattet sei hinzugehen, wohin sie wollten,
diejenigen, welche ihrer klösterlichen Pflicht nicht entsagen wollten,
sollten sich alle zusammen im Kloster der Karmeliter aufhalten. Am
25. Januar Vormittags fand die feierliche Versiegelung des Artikel-
briefes auf dem Markte statt. 26)
*e) Das interessante Schriftstück, für die Beurtheilung der damaligen Zustände
äusserst wichtig, war, da es bald darauf nach Krakau an den König von Polen ein-
gesandt wurde, allen Chronisten unbekannt, doch 1817 von Polen nach Berlin ge-
bracht, ist es im Archiv des Gcneraldirectorimns aufbewahrt und von Hirsch zum
ersten Male in seiner Geschichte von St. Marien abgedruckt. Ich hebe daraus
folgende Stelle besonders hervor (vgl. Beilage X. Hirsch, Gesch. v. St. Marien S. 26
des Anhanges). Es beginnt wie folgt:
Alenn vnnd Itczlichen, Eegenwertigenn vnnd Zuckunftigenn, denn dyeser ojfenner
Brieff vorkumptt zeu seenn, Horenn oder Lesenn, Sey künde vnnd uffennbar. Nach
deme an deme vergangennen Szuntage cyn Unwylle zewisschen dieser lobelichenn
Burgerschafft sich erhabenn het, Szo das eynn kegenn den andenin uffgerisenn»
weicherenn zeu stillenn vnd abczulegenn durch gottliche hulffe fyle handeis auss
beder parte perssonen yrschien; uff das alle dynngk mit der bannherezickeit gotes
zum kristlichenn eynickeit, freuntschafftt vnnd bürgerlichem! cyntracht gedeyen mochtt
vnnd reychen, Szo yst durch szunderliche schickunge des allerhogestenn gotes der
begriffen ne Unwylle ane eynige verserunge eynes menschen oder bluttsturtczunge
hingeleget vnd gestyllett. Und was nu zeu dyeser Zceitt oder vorhin bas off dieszen
heutigenn tagk gescheen yst, das alles, nichts nicht auszgenommenn, szoll gannz vnd
gaer, Reyn Lauter vnd ausz eynem guttenn herezenn Vergeben, Ycrgessenn ynd vff-
gehabenn sein.
Ynd derwegenn szo habenn wir Burgermeistere, Radttmanne, Scheppen vnd
ganeze gemeynheit der stadtt Danntzick zeu gotes eren vnd wolfartt dieser statt
folgende artikell vffgerichtet.
Ueber kirchliche Angelegenheiten enthält er namentlich folgende Bestimmungen:
Dieszcr stadt pfarrere (ausgenommen zeu vnser lyebenn Frauen) szollen schrifltt- .
lieh vormanett werden, sich zeu gestellen ynwennigk eynes Monots; Vnnd yre eygenne
schafe noch der Ordnnnge Christi weyden, Vnnd myt deme worte gotes, wye sie
schuldick, Vorsorgen, Wo eye aber nicht in den beenanten Monte sich gestellen, ader
von Dr. Strebitzki. 555
Die einzelnen Bestimmungen dieses Briefes wurden im Auftrage
des Käthes später noch besonders verkündigt, wie uns das ebenfalls
von Hirsch auf dem Archive zu Danzig gefundene über imitationum,
das Buch der öffentlichen Abkündigungen beweist.")
So hatte die Gemeinde den Sieg errungen, sie hatte zugleich
den Kath genöthigt ihre Forderungen, kirchliche und communale, in
umfangreichen Masse anzuerkennen. Aber, wie gewöhnlich, bei so
plötzlichem Umschwünge blieben die Führer der Menge bei dem als
noth wendig Erstrebten nicht stehn, sondern sie suchten statt des
Theiles alles zu erlangen, um alles zu verlieren. Von nun an, so
stimmen alle Quellen überein, ist es der Bossmann Hans Schultze, der
sich an die Spitze derjenigen stellt, die das ganze Regiment der Stadt
in den Händen der Menge sehen wollen. Noch an dem Tage der
Versiegelung des Artikelbriefes am 25. Januar Nachmittags versammelte
er und sein Anhang den Kath, die Gemeinde und die zwölf von der
zcur Stete fugen wurden, szollen sye alsdenne yrer pfarrenn entsatczt vnnd beroubett
szeynn, Vnd czur stunt andere dögentliche perszonen des Wortes gotes wolkundick
in yre stelle gesatezt werden.
Ueber communale Bestimmungen enthält er folgende Anordnungen:
Nu aber noch diesem tage nicht mehr wollen sein ein heuffechen folek. Vnn-
sern Nahmen aber gunck zeu thuende, alszo lautende, von den genadenn gotes
Danntczker, Vnnd seint szo bestricktt gewestt mit zeween Netczenn, Nu noch dyesem
tage rnd nymmer mehr, vormittelst der hulffe gotes nicht nick habenn wollen noch
dyesem tage diso Netcze, als nemelych die Thore zcwysschen den Steten, Wyer wollen
lossen eynen Badtt eynen Radtt seyn, Aber mit solcheym beschede, das dye lobe-
liche gemeynheitt, alle die burger seynn, Das dye dye Wele szollen habenn, als dye
kristlichen Menner noch deysem tage feste wollen gehalten habenn wye vorlautende
yst, Das dye gemeine dye wale zcoll habenn Scheppen, Badttleute, Burgermeistere
zeu welen vnnd aller offener ammachtsleute.
Alle dye uberbieter des kauffes, szollen dasselbige gudtt vorfallen seynn. Der
üerde von fysschen vnnd fögeln, ouch Wylttbrete szall frey seynn in vnser gebietenn.
Persönliche Auszeichnungen erhalten die Führer der Volkspartei:
Hans nyetack szoll holmeister szeyen, Hans schultcze szall die grosse wage
haben, Joachim nyeman szall den hoppenscheffell habenn.
*27) So wird z. B. am 12. Februar veröffentlicht: To weten, dat eynem elken
borger dieser kgl. Stadt frey und ungehindert zien zall in der «tat fryheit unde
ehren watern to fischen efte fogele, idt zie enten, kricken ader anuer wilt to fangen,
allein to zinem dische und notturft unde sust nicht anders uthgenamen de jacht up
der Neringe, der sick ein elck entholden sal, dwile desulvige kgl. maj. unsem
allergn. erfiieken herren thokumpt. Vgl. Scr. r. Pr. V, S. 542, 559 ff.
36*
556 ^er grosse Aufruhr zu Danzig im Jahre 1525
Gemeinde^ erwählten Männer und fragte, fassend auf eine Bestimmung
des Artikelbriefes, an, ob die Versammlung noch länger den alten Rath
haben wolle? Die Majorität der Versammlung verneinte diese Frage
und sofort beauftragt dieselbe die früher gewählten zwölf Männer die
Neuwahl des Rathes vorzunehmen, "nachdem sie sich durch je zwölf
Männer aus der Rechtstadt, Altstadt und Vorstadt cooptiert hatten.
Diese achtundvierzig Männer gehn schon am nächsten Tage an die
Wahl des Rathes. Nur solche Bürger sollten gewählt werden, die der
gemein zu rechter liebe und nach dem wort gottes sotten vorwesen. 2B)
Nachmittags schon wurde der neue Rath auf dem langen Markte ver-
kündigt. Am genauesten ist in der Angabe der Namen die Ferber-
chronik. *9) Danach bleiben nur drei der alten Rathsherrn im Rathe
der Rechtstadt, Philipp Bischof, Curt von Suchten, Herwert Kemmerer,
auf der Altstadt nur Peter Braun. 30) Am nächsten Tijm riHff1 wuiluluii
der alte Rath abgetreten war, die Vereidigung des neuen öffentlich auf
dem langen Markte statt, der Rath schwor der Gemeinde, die Gemeinde
dem Rathe; man schwor: bey dem wort Gottes lebendig und tod zcu
bleiben, und unserm aller gnedigsten herrn Konige von Polen, Sigis-
mundo getreue undersassen zcu sein und seine Königl. majestaten vor
ihren erbherrn zcu haltende, dergleichen e. e. r. disser konigl maj.
stat Danczke gehorsam zcu wesende. 3I)
Zu gleicher Zeit wurde zur Warnung und Abschreckung mitten
auf dem langen Markte ein Galgen und ein Rad errichtet und oben
an dem Galgen ein Schwert angenagelt, wie die Ferberchronik sagt:
„zcu schrecken und straf der bösen und hant zcu haben und zcu be-
schirmen die frumen und gutten. 3S) Am folgenden Tage wurden die
") Vgl. a. a. 0. S. 581.
20) Scr. V, S. 541 u. 542. It. am donnerstag noch conversionis Pauli, den
XX Vj tag im Januari, wart der gancze aide rat nud die scheppen von der gemein
abegeseczt, desgleichen auch die eltisden und die scheppen von der Altenstat und in
der rechten stat. Wurden aufs neue widergekoren her Philippus Bischof, Conrad
v. Suchten und Herbert Kemerer.
30) Vgl. Ferberchronik a. a. 0. S. 542.
8I) Vgl. Ferberchronik a. a. 0. S. 542.
n) a, a. 0. S. 643.
von Dr. Strebitzki. 557
Mitglieder des alten Rathes auf das Katbhaus geladen und mussten
liier eine Erklärung unterschreiben und untersiegeln, in der sie zugeben,
dass sie allein an dem Aufrühre der vorhergehenden Tage schuldig
sein. Diese Erklärung wurde am folgenden Tage von den Kanzeln
aller Pfarrkirchen abgekündigt und jeder Burger zur Mässigung aufge-
fordert. 33) Dann wurden die Verhandlungen über den Verlauf des
ganzen Aufstandes an den König von Polen gesandt.
In verhältuissinässig kurzer Zeit war also das Erstrebte erreicht,
die Buhe war hergestellt und in dem Wahne, dass die Gegenpartei,
besonders die mönchische, beim Könige von Polen nichts durchsetzen
werde, ging man an den Ausbau der reformatorischen Lehre. Die
Nonnenconvente wurden aufgelöst, das Schwarzmönchen (Dominikaner)-
Kloster zu einem Hospitale und das Graumimchen (Franziskaner)-
Kloster zu eiuer griechischen Schule eingerichtet. Der Prediger Dr.
Alexander, der den Unwillen in seiner Gemeinde durch Beibehalten
der Mönchskappe erregt hatte, wurde aus der Stadt verbannt. Seine
Stelle suchte man durch einen tüchtigen im Sinne Luthers wirkenden
Prediger zu besetzen und sandte zu diesem Zweke den Pfarrer von
St. Barbara Jacob Bonholt an Luther nach Wittenberg, damit er den
Danzigern einen tüchtigen Prediger in der Person des Dr. Bngenhagen
aus Wittenberg mitbringe. Doch gelang es Bonholts Bemühungen nicht
diesen Mann zu gewinnen, sondern einen gewissen Dr. Michael Hän-
lein, der bald darauf als Prediger an der Marienkirche eintritt. Während
der Fastenzeit (1525) desselben Jahres wurden die lateinischen Gesänge
in den Kirchen abgeschafft; die deutsche Sprache bei Messe und Vesper
eingeführt, die Anbetung des Altarssacramentes und die Verehrung der
Bilder aufgehoben, die Appellation an ein geistliches Gericht verboten
und einige Bestrafungen auf dem Rechtsgebiete geändert. 3i) Die
33) Scr. V, S. 582.
' 3I) Scr. V, S. 5C3. Sy taste ton auch in keyserrecht sprechende, inen solde
keynen getawften menschen totten umb dybereye willen. Ist ys gesehen in der
zceyt, wen ymant stacl, der noch wertlichem rechte in galgen zen hangen vor-
dynet hatte, den mäste men nicht hangen, bsunder men spannete yn umb beyde
beyne eyscren fesscr und schickete in yn das feit zeu arbeyten, dy graben auf zeu
rewmen, do solden sy denne arbeyten all ir leben langk; do quam Yele arges aus.
558 ^er £ros8e Aufruhr zu Danaig im Jahre 1525
Sicherheit, in die sich die reformatorische Partei gewiegt hatte, uud
die Gewissheit, der König von Polen werde mit ihren Aenderungen
einverstanden sein, blieb aber nicht lange bestehen. Dass der König
von Polen nicht sofort auf die Beschwerden der mönchischen Partei
einschritt, lag an den Zeitverhältnissen, er fürchtete, dass durch eine
renitente dem Orden günstige Stellung der Stadt Danzig, der bevor-
stehende Friede zu Krakau, (der am 8. April wirklich abgeschlossen
wurde) in Frage gestellt werden könnte. Und in der That müssen
schon um diese Zeit von den Anhängern der alten Lehre Versuche
gemacht worden sein an massgebender Stelle eine Abstellung der
neuen Lehre durchzusetzen. Das geht aus einer Bemerkung Steg-
manns in seiner Chronik hervor,35) ebenso weist hierauf die unsichere
Lage der Bürger hin, die sich gerade zu dieser Zeit der erkämpften
Kühe mit den auf dem Rathhause befindlichen Waffen bewaffneten.
Nach dem Abschluss des Friedens zu Krakau aber nahm der
König von Polen feste Stellung zu den Neuerungen in Danzig ein, um
dieselbe Zeit (im April 1525) wurde auch der Process Eberhard Ferbers
zu Ungunsten der Stadt entschieden und bald traf der bestimmte
Befehl in Danzig ein die Neuerungen abzustellen. Natürlich gerieth
die Bürgerpartei darüber in die grösste Aufregung, man versammelte
sieh auf dem Hofe der grossen Mühle und dachte daran mit gewaffneter
Hand dem König von Polen gegenüber zu treten und die Stadt möglichst
zu befestigen. 36) Nur iu soweit fügte man sich, als auf den Befehl
Dy dibe vorlissen sich darauf und stolen frey getrost, so das dibereye und mort ge-
meyne wart, dy auch denne aus den fcsseren gespannet ausbrachen unde entliffen,
der wurde etczliche vele argir; und hetto dis alzo lange gestanden, man hette nicht
dorst sicher aus dem stadtthoer geen.
35) Vgl. a. a. 0. die Chronik Stegmanns S. 562: Dy edelen lewte alse her
Jürgen von Baysen und her Zceme und her Balinsky auf Marienborgk mit sampt
anderen fromen cddelingcn, die sich in dy saclic legeten, is wolde als nicht
helfen ....
3fl) Vgl. a. a. 0. Stegm. Chronik S. 562 . . . do gyngen sy zeu rote auf dem
molehoffe, do sy gemeynlich ire radtslege hilden und beslossen is also, das do wurden
gebawet auf der Vorstadt auf den wal ij buxen hewser, eyns bey das karrenthor das
ander bey den newen torm. Do wurden karrenbuxen und ander gros feltgeschos
eyngeleget kegen den wegk und gebergete. Hans Nytack der molemaister hatte den
ron Dr. Strebittki. 55g
des Königs von Polen am 22. Juni das Ead nnd der Galgen mit dem
Schwerte entfernt wurden. 37)
Anfangs Juni beschlossen nach längerer Berathung sämmtiiehe
Handwerkerzünfte, die Brauer und Schiffleute den König von Polen
auf Grund einer von ihnen ausgearbeiteten Schrift die Forderungen
der Gemeinde zu genehmigen. Von diesem Ersuchen schlössen sich
nur die Kaufleute aus,38) aber ohne einen Einfluss dadurch auszuüben,
denn am 13. Juli reiste die zu diesem Zwecke ernannte Deputation,
bestehend aus dem Bürgermeister Jürgen Zimmermann, Badmann Jacob
Flint, den beiden Schoppen Hans Ostendorp und Jürgen Kloke (bei
Ferber Kluge genannt) und dem Grob3chmied Peter Konig mit jenem
Schriftstück nach Krakau ab. — Aber, was man wohl nicht erwartet
hatte, der König empfing die Deputation höchät ungnädig, ja er liess
die Mitglieder derselben in ihren Wohnungen gefangen halten. Wenige
Wochen hierauf am 31. August sandte der König von Polen „Lade-
briefe" an die Stadt, in denen Jacob Hegge „der Schenderprediger*,
der Prediger Hans Frank, der Molemeister Hans Nytak, der Bosmann
Hans Schultze nach Krakau vorgeladen wurden, eine gleiche Ladung
erhielt der ganze alte Rath mit der Weisung am Hofe Aufschlüsse
über den Aufstand zu geben. Von den Rathsniitgliedern folgten einige
diesem Befehle, die Prediger aber und jene Führer der Bürgerpartei
erklärten demselben keine Folge zu leisten, denn, wie sie glaubten,
„were disse ladunge gesehen ane wissen und willen des koniges *.39)
Doch nach einiger Zeit schon wurden sie kleinmüthiger und baten in
Rücksicht auf die weite Reise und ihre beschränkten Mittel von einer
Ladung nach Krakau abzusehen, im Preussenlande würden sie sich
vor dem Könige oder einem seiner Bevollmächtigten gern stellen.
molehoff mit buxen and bagek chos und ander zeubehorunge zeu buxen auch mee
ander were wol besorget, desgelcichen auch Hans Scholtzce der bosraan .... hatte
sich auch wol besorget mit gewerc, buxen und ander zeuhehorunge, desgelcichen
auch dy vornemesten ires anhanges.
3") Scr. V, S. 563 oben.
38) a. a. 0. S. 564.
3») Vgl. Scr. V, S. 564.
560 ^er 8roS8e Aufruhr zu Danzig im Jahre 1525
Auf bliese Entschuldigung folgt dann ein Schreiben des Königs, welches
den llath auffordert die Güter jener zur Verantwortung gezogenen
Bürger einzuziehen und mit Beschlag zu belegen, den Artikel- und den
sogenannten Schandbrief (in dem der alte Rath zugestanden hatte, er
sei an dem Aufrühre allein Schuld,) nach Krakau einzusenden. Hier-
auf traf ein vom 15. December ausgefertigtes Mandat dos Königs von
Polen am 25. December in Danzig ein, das iu ausserordentlich strengen
Worten der Stadt Danzig befahl, zum 8. Januar des künftigen Jahres
1526 Abgeordnete der Stadt nach Petrikau an das Hofgericht des
Königs zu senden, widrigenfalls die Stadt ungehört verurtheilt werden
würde, dieses Mandat wurde lateinisch und deutsch an die Marienkirche
angeheftet.
In dieser Noth eutschloss sich die Stadt ihre gewandtesten Leute
den Bürgermeister Philipp Bischof und den alten Kathssccretarius Am-
brosius Sturm nach Petrikau zu senden und ein Schriftstück auszu-
arbeiten, in dem demüthigst seitens der Stadt gebeten wurde das Urtheil
aufzuschieben. Auch diese interessante historische Urkunde ist uns im
Archive des General-Directoriums zu Berlin erhalten und von Hirsch
zum ersten Mal abgedruckt worden. 10) Sie bemüht sich nachzuweisen,
dass die Massregeln gegen die Mönche und Nonnen durchaus nicht so
strenge gewesen sind, wie es seiner Majestät mitgetheilt worden, denn im
Brigittinerkloster lebten noch sechsunddreissig Jungfrauen und Mönche,
in den anderen Mönchsklöstern seien auch noch überall Mönche, „den och
gestattet und nochgegeben ist, ir leben und "Religion tzw fureu vnd
halten, wie In der geist gotes tzwtregt." Sie schliesst dann mit der
Bitte: „So dy koningl. Majestät wirt ausz gnaden vnserer bethe noeh-
geben, So ist Ire Majestät antzufollen, einen adder mehr herren ko-
ninglichs Roths, hieher tzu vns Iun dy Stadt tzu kommen." Die
Urkunde ist unterzeichnet von allen Gewerken, den Schiffern, Brauern
und Kaufleuten und ihr angehängt sind sechsunddreissig Pergament-
faden, an deren jedem mehrere Siegel hängen. Der König durch diese
Deputation besänftigt schob das Urtheil auf, und versprach in eigener
40) Vgl. Hirsch, Geschichte vou St. Marien, Beil. XI.
von Dr. Strebitzki. 561
Person nach Danzig zu kommen und die Sache zu ordnen. Diese Nach-
richt erregte in Danzig grosse Sensation, die Gemeinde versammelte
sich wieder auf dem Mühlenhofe und dachte darauf die Stadt, für den
Fall, dass der König heranziehe, zu vertheidigen. Indess, als im
Jahre 1526 der König Sigismund nach Marienburg gekommen war,
wurden die dorthin aus Danzig citierten Bürger freundlich aufgenommen
und bald entlassen. Kurz darauf am 12. März begab sich der Bürger-
meister Bischof nochmals zum Könige und unterhandelte mit ihm auf
Grund einer seitens der Stadt ihm gegebenen Vollmacht. Auch dieses
Schriftstück, die Plenipoter.tia Civitatis Gedanensis suis delegatis ad
regem Sigismundum ist uns im Archive des General- Directoriums er-
halten. u) Es ist nicht von allen Gewerken unterschrieben, ja wohl den
meisten unbekannt geblieben, denn es enthält die vollständig ausge-
sprochene Unterwerfung der Stadt unter den König. Hierauf kamen
am 3. April 1526 als Abgesandte des Königs von Polen der Woywod
und erste Kanzler von Polen, Herr Christophorus von Schidlouijecz,
der Woywod von Sandomir, Andreas von Thanczyn, der Woywod von
Marienburg, Georg von Baysen nach Danzig. Da ihre Ankunft grossen
Schrecken erregte und man fürchtete, es könne abermals ein Aufstand
des Volkes entstehn, so erlassen diese Namens des Königs eine Ver-
sicherungsurkunde, in der sie feierlichst denen, die S. Majestät dem
Könige von Polen gehorsam sich erweisen würden, versprechen, dass
er gegen diese wohlwollend und milde sein werde, wie es einem christ-
lichen Fürston gezieme. Aber in dieser Versicherung werden zugleich
alle geheimen Zusammenkünfte bei Todesstrafe verboten, und befohlen
die Kanonen von den Mauern und Thürmen zu entfernen. vi)
Doch traute man dieser Versicherung keineswegs, ja noch wenige
Tage vor der Ankunft des Königs in Danzig in der Nacht zwischen
dem 15. und 16. April sollte nach den Beschlüssen der Volkspartei die
Gesandten des Königs und die Führer der Gegenpartei gefangen ge-
nommen werden. Aber sowohl die Gesandten, als auch der Bürger-
4!) Vgl. Hirsch, Geschichte von St. Marien, Beil. XII. S. 39 des Anhanges.
42) Vgl. Hirsch, Geschichte von St. Marien, Beil. XIII. S. 40 ff.
562 Der 8™*** Aufruhr zu Danaig im Jahre 1525
meister Philipp Bischof, der von -nun an vollständig auf Seiten des
Polenkönigs steht, hielten durch grosse Aufmerksamkeit den Aufstand
nieder, und am nächsten Tage war es schon für eine solche Unternehmung
zu spät, denn der Herzog Jürgen von Pommern und der Bischof von
Kamin rückten mit grossem Gefolge „alle im blanken hämisch* in die
Stadt und verstärkten die Macht der königlichen Partei. So wurde die
Volkspartei von ihren Plänen* abgehalten hauptsächlich durch die vor-
sichtige, ja schlaue Handlungsweise des Bürgermeisters Philipp Bischof.
Er ist es, den die lutherische Quelle mit herben Worten der Mantel-
trägerei bezichtigt und zum Beweise dafür anführt, dass er, als der
König mit grosser Macht heranzog und die Gemeinde die Absicht hatte
die Thore zu schliessen und die Geschütze in Bereitschaft zu halten,
durch eine beruhigende Rede die Gemüther besänftigte und die ver-
söhnliche Gesinnung des Königs gegen die Stadt verbürgte. 43)
So viel wenigstens wird klar, Bürgermeister Bischof und die Partei
des alten Baths hatten, um die Herrschaft des Volks zu beseitigen,
einen Compromiss geschlossen, bei dem einige Rathsherrn und patricische
Familien, die im Herzen wohl der neuen Lehre zugethan waren, zu
Gunsten einer patricischen Regierung der Stadt ihr religiöses Bekenntniss
zum Opfer brachten.
Der König von Polen trat nach seinem feierlichen Einzüge in
Danzig am 17. April, zuerst sehr milde auf, gleichsam als ob er sich
seine Stellung erst sichern wollte, denn es wurden Briefe an die Kirchen-
thüren angeschlagen „mit königl. sccret, dass keiner sich solle fürchten,
auch die Schuldner nicht, was vergeben were, soll auch vergessen sein
bey seiner königl. ehren*. n) Ob es nun vornherein in der Absicht des
") Vgl. die in der Schlieffschen Bibliothek gefundene Chronik a. a. 0. S.584:
Lieben treuen bürger, das vornehmen stellet ab und kehret ench nicht an das grosze
volck, das mit kg], maj. komet. Ich schwere es bei meiner secle sehligkeit, darzu
mit meinem leib und gut, das kgl. maj. nit anders komt denn wie ein vater zu
seinen kindern und will ftied und einigkeit «wischen euch und dem radte und in
alleu parten uffrichten. Die und ander viel, wie oben berurt ist, viel verheischungen
hat eine gemeine zufrieden gestelt. Aber wie das Philipp Bischof mit dem herzen
hat gemeint, ist offenbar.
«») Vgl. a. a. 0. S. 584.
von Dr. Strebitski. 563
Königs gelegen hat die alten Zustände mit Gewalt wieder herzustellen,
oder ob der alte Rath und die patricische Partei darauf hindrängte,
ist aus den Quellen nicht zu ersehen.
Am 3. Mai 1526, nachdem der König etwa zwei Wochen in Danzig
verweilt hatte, an demselben Tage als der Herzog Albrecht von Preussen,
der ja soeben mit Genehmigung Polens zur protestantischen Kirche
übergetreten war, in Danzig zum Besuche eintraf, wurde der neue Rath
plötzlich auf das Rathhaus geladen. Hier wurde er von dem alten
Rathe wegen jenes Aufruhrs angeklagt und in Folge dieser Anklage
der Bürgermeister LicT Hans Wendland, drei Rathsherrn, der Gold-
schmied Hans Myke, der Schneidermeister Ludicke Foss, der Brauer
Kasper Nyman, der Sekretär Hans Nymetz, aus der Gemeinde Hans
Nytak, der Bosmann Hans Schultze, der Brauer Lorenz Balhagen und
einige andere, im Ganzen achtzehn Mann, gefönglich eingezogen. Ebenso
erging es den Predigern Michael Hänlein von der Pfarrkirche, dem
Prediger von St. Bartholomäi und Jacob Molner, dem Pfarrer zu St.
Barbara, während Jacob Hegge, der Pfarrer zu St. Catharinen und der
Pfarrer zu St. Johann die Flucht ergriffen. In den beiden folgenden
Wochen zwischen dem 3. und 18. Mai wurde dann die alte kirchliche
Lehre auf Befehl des Königs von Polen wiederhergestellt, am 17. der
Orden der schwarzou Mönche und am 18. der der grauen Mönche durch
den Bischof v. Gujavien Mathias und einen Vertreter des Raths in
ihr Kloster wieder zurück geführt. Unterdess hatten die zum Besuche
in Danzig eingetroffenen hohen Herrschaften am 8. Mai der Herzog
Jürgen von Pommern, am 26. der Herzog Albrecht von Preussen die
Stadt verlassen, und nun ging der König an die Bestrafung der vom
alten Rathe Beschuldigten. Am 13. Juni erfolgt dann die Verkündiguug
des Todesurtheils gegen sechs der Beschuldigten: den Brauer Kaspar
Nymetz, den Goldschmied Hans Myke, die Brauer Joachin Nymann
und Hans Nytak, gegen Lorenz Balhagen und Lorenz Otte. Nachdem
das Volk durch diese Massnahmen eingeschüchtert war, fand am 18ten
Juni ein besonderer Huldigungsact der Stadt Danzig dem Könige von
Polen gegenüber statt, bei dem viele Mitglieder des restituierten Rathes
an der Spitze der Bürgermeister Philipp Bischof, der zum Königlichen
564 ^er Srosse Aufruhr zu Danzig im Jahre 1525
Burggrafen ernannt worden war, auch der kurz vorher in Folge seines
gegen die Stadt gewonnenen Processes zurückgekehrte Bürgermeister
Eberhard Ferber, der aber der Bürgermeisterwürde entsagte, zu Kittern
geschlagen wurden. Vier Wochen nach jener ersten Vcrurtheilung am
19. Juli, wenige Tage vor dem Atmigc Sigismunds aus Danzig wurden
noch sieben an dem Aufstände des Jahres 1525 betheiligte Personen,
Hans Fischer, der Bürgermeister Lic. Johannes Wendland , der Gold-
schmied Hans Brusekorn, der Bötticher Karsten Schlaff, der Brauer
Hans Scholze, der Brauer Andreas Heyke vom Damme, Niclas Schuze,
ein Bäcker wohnhaft in der Tobiasgasse und schliesslich der Bosmann
Hans Schultze mit dem Tode der Enthauptung bestraft. Am Tage drauf
fand denn auch die Enthauptung des Grobschmieds Peter Konig von
der Altstadt doch nicht in Danzig, sondern in Marienburg statt. ib)
Ausserdem wurden viele Bürger gefangen gesetzt, viele für immer
aus Danzig verbannt, zu den letztern gehörte unter andern der Stadt-
sekretär Georg Zimmermann, Jacob Flint, Jorge Klocke und Hans
Osterdag, von den gefangenen Predigern, die nach Polen transportiert
wurden, entkamen drei; welche ist nicht angegeben. Ja sogar an den
Leichnamen Verstorbener nahm man Strafe, so wurde der Leichnam
des Nadlers und Kathmanns Biosyn German aus der Nadlergasse, der
15) Interessant ist es die Berichte der beiden entgegenstehenden Quellenschriften
über diese Verurtheilung zu hören. Jene im reformatorischen Sinne geschriebene
Quelle sagt (Scr. V, S. &Ö5j: Nacli etlicher zeit wurden 6 bürger entheupet und
14 tage danach 7, die alle ohn verurtheilen und antwort wurden uff dem marekt
gebracht, die jämmerlichen gepeinigt waren, und hatten müssen bekennen alles, was
ihnen wart vorgestimmet, sonst nit ehe mit der pein wolten uffhören, ehe sie das
zuvor bchärthen, das sie alles widerrieften öffentbahrlich do für alle weit bey dem
todte, den sie nun leiden sollen und bey ihrer scelen seeligkeit. Einer von den uff
an kgl. maj. geschickten, mit namen Peter König, der zwischen dem radte und ge-
meine viel böses gewehrt hatte, ward zu Marienborg mit dem schwerdte gerichtet,
das war seine belohnunge.
Bernt Stegemanns Chronik bemerkt darüber (S. 57.5): Des anderen tages dar-
noch wart zeu Marienborgk Peter Konigk dor grobsmyt burger zeu Dantczke, wan-
haftigk anf der Altenstadt, seyn howbet abgehawen, der war im aufrur der vornomeste
und fürte das wort ime rynge, do men den radt ausstis und eynen newen radt
seezte auch in anderen ireu ratsiegen meer. Szo seyn irer in der summa xiiij
burgers offenbarlich gerichtet mit dem swerte von des aufrures wegen. Got vorgebe
yn alle ire sunde amen.
von Dr. Strebitzki. 565
sich an der Einführung der reformatorischen Lehre hervorragend be-
theiligt hatte-, aber vor der Ankunft des Königs von Polen schon
gestorben und auf dem St. Katharinenkirchhofe begraben war, ausge-
graben und von jenem Kirchhofe weggeschafft. 40)
Am 20. Juli erliess der König, um die kirchliche und weltliche
Verfassung der Stadt zu ordnen und zu befestigen die sogenannten
Statuta Sigismundi. 47) Diese verordneten znnächst, dass die alte Kirche
und deren Gebräuche wieder eingeführt würden, dass diejenigen Bürger,
die sich diesen Vorschriften nicht fügten, innerhalb 14 Tagen, die
Mönche und Nonnen aber, die sich dem alten Ritus nicht unterwerfen
wollten, innerhalb 24 Stunden das Gebiet der Stadt zu verlassen hatten.
Ferner wurden die alten Gesänge und Liturgien wieder eingeführt, alle
lutherischen Bücher und Schriften verboten, alle den vorigen Auf-
stand betreffenden Keden, ebenso alle geheimen Zusammenkünfte aufs
Strengste untersagt. Dem Königl. Burggrafen wird die erste Stelle in
der Stadt und der Vortritt vor den Bürgermeistern eingeräumt, die
Uebungen der Bürger im Schiessgarten wurden auf drei Tage um -die
Pfingstzeit eingeschränkt, jedem Bürger wurde erlaubt die Kaufmann-
schaft zu betreiben, dagegen durfte niemand ein Handwerk betreiben,
der nicht nachgewiesen hat, dass er die Meisterschaft darin erlangt
hätte. Für das von der Stadt Danzig früher ohne Berechtigung er-
hobene Pfahlgeld, den Besitz von Heia, die Zueignung gestrandeter
Güter und die Hinterlassenschaft solcher Personen, die ohne Erben
gestorben waren, wurde dem Könige eine Summe von viertausend ge-
ringen Mark Preussisch zahlbar in zwei Terminen bestimmt, dafür fer-
tigte der König ein eigenes Privilegium der Stadt aus, wonach die
Stadt nun mit Fug und Recht jene Vorrechte ausüben konnte. Für die
Beilegung der Unruhen aber musste die Stadt dem Könige die Accise
von Malz und Getreide auf zehn Jahre bewilligen. —
So endete der grosse Aufstand des Jahres 1525 in der Stadt
Danzig. Scheinbar war die reformatorische Lehre mit Gewalt unterdrückt,
46) Vgl. a. a. 0. S. 574.
47) Vgl. Dogiel, codex diplom. Poloniae IV.
566 ^er £r0fi8e Aufruhr zu Daneig im Jahre 1525 von Dr. Strebiteki.
in der That aber haftete sie fest in den Herzen der Bürger, die sie
vertheidigt, in den Herzen der Partricier, die zufrieden waren, auf diese
Weise die Herrschaft des Volkes gestürzt zu haben. Und nach sieben-
undvierzig Jahren erlangte die Stadt 1573 ebenfalls von dem vorge-
setzten Schutzherrn, dem Könige von Polen, bereitwilligst die Genehmi-
gung zur Ausübung des Augsburgischen Bekenntnisses, selbst in den-
jenigen Kirchen der Stadt, über welche der König von Polen das
Patronatsrecht sich vorbehalten hatte.
lieber die Verleihung PommereUens
an Herzog Przemyslaw von Gross-Polen 1282.
Von
Dr. W. Ketrzynski.
Es ist heute allgemein bekannt und auch durch Documente er-
wiesen, dass Herzog Przemyslaw von Gross-Polen durch eine Schenkung
Herzogs Mestwin in Besitz von Pommerellen gelangt ist. Die Schenkungs-
lirkunde war jedoch bisher völlig unbekannt und daher auch die Aus-
Stellungszeit derselben nicht sicher. Die neueren Gelehrten, wie Voigt
und Boepell nehmen auf Grund urkundlicher Zeugnisse, nach welchen
1284 Przemyslaw zum ersten mal in Mestwins Documenten als successor
auftritt, das Jahr 1284 als das der Ausstellung an; sie haben sich
aber, wie wir sehen werden, um zwei volle Jahre geirrt.
Auch was die Form der Schenkung anbetrifft, sind die Zeugnisse
an sich widersprechend. Von den Zeugen im grossen Processe wider
den deutschen Orden (1320) meinten einige, es hätte zwischen beiden
Fürsten ein Vertrag bestanden, nach welchem der Ueberlebende der
Erbe des Besitzthum3 des Anderen sein sollte; andere Zeugen jedoch
behaupteten, Herzog Mestwin habe durch eine donatio inter vivos
Pommerellen dem Herzoge Przemyslaw verschrieben. Dass während
des Processes man sich in dieser Beziehung auf Zeugen berief und die
Schenkungs-Urkunde selbst nicht vorlegte, darf als Beweis gelten, dass
das Original im Jahre 1320 nicht mehr existirte. Dasselbe war wohl
während der Katastrophe des Jahres 1296, in welcher Przemyslaw ums
Leben kam, zu Grunde gegangen.
568 lieber die Verleihung Pommerellens an Herzog Przemysläw
Dass diese Schenkungs-Urkunde von eminenter Bedeutung sowohl
für die polnische als auch für die preusshche Geschichte ist, wird wohl
Niemand bestreiten und allen, welche sich für die Geschichte jener
Zeit interessiren, wird die Nachricht gewis willkommen sein, dass es
mir gelungen ist, eine Abschrift dieses Documents aufzufinden.
Diese Abschrift stammt aus dem fünfzehnten Jahrhundert und be-
findet sich auf einem Blatte Papier, das einstmals zu irgend einem
Codex gehört haben muss. Jede Seite des Blattes enthält zwei Co-
lumnen und am Schlüsse des Documents findet sich noch eine Nach-
schrift des Schreibers. Da das Original- 1320 sicher nicht mehr existirte,
so haben wir hier nur eine Abschrift einer Copie, die entweder direct
oder indirect aus dem Original geflossen ist; es ist daher nicht zu
verwundern, wenn der Text etwas verderbt ist, besonders da in der
Mitte, wie es scheint, der Abschreiber eine Linie übersprangen hat,
so dass ein langer und wichtiger Satz nicht ganz verständlich ist
Dies wichtige Blatt fand ich unter den Papieren des vor einem
Jahre verstorbenen Directors der Ossolhiskischen Bibliothek in Lemberg,
August v. Bielowski, der als Historiker und Herausgeber der Monumenta
Poloniae historica in weitesten Kreisen rühmlichst bekannt ist.
Aus dem Texte der Urkunde ergeben sich zwei wichtige Re-
sultate : '
1. die von Mestwin für Przemysläw ausgestellte Urkunde war
eine „ donatio inter vivos";
2. die Schenkung erfolgte schon am 15. Februar 1282 in Kempen
(Kgpno), einem festen, an der schlesischen Grenze gelegenen
Schlosse Herzogs Przemysläw.
Mestwin war damals also bereits auf dem Wege nach Milien, wo-
hin der päpstliche Legat Philipp, Bischof von Firmano, den Orden,
Herzog Mestwin und das Kloster Oliva wegen einer Streitsache über
das Land und Gebiet von Mewe geladen hatte.
Da ich an dem Docurnente nichts verdächtiges wahrgenommen habe,
so beeile ich mich, dasselbe den Freunden der Geschichte mitzu-
t heilen.
von Dr. W. K§trzj>iiski. 569
Xn nomine domini amen. Quum ea, que aguntur in tempore,
labantur1) tempore a memoria homiuum [et]2) euanescant, nisi testibus
uel scriptum autentica fuerint perhennata : Vt super ducatum Pomoranie
omnis quo et quouis [modo]3) materia euitetur et scandalum, quod
inter plures post nostrum decessum in posterum valeat subhorriri,
nobis viuentibus disponere voluimus, quod per nos posset, morle super-
ueuientc, variis et diuersis casibus pretermitti et ideo, preliberacione
prouida prehabita, ad presentem donacionom inter viuos faciendam
venimus et de tranquillo statu atque pacifico dicti ducatus intendimus
ex infrascripta donacione singulariter singulis et vniuersaliter vniuersis
bominibus predicti ducatus veraciter pronidere; idcirco nos Ssciwy [sie]*)
diuina prouideneia dux Pomoranie notum faeimus tarn presentibus quam
futuris presentem paginam inspecturis, quod nos non vi uel metu coacti,
sed proprio motu et spontaneo pro nobis nostrisque successoribus et
hcredibus tytulo vere et pure donacionis inter viuos damus, tradi-
mus et concedimus dileclo filiolo*) nostro, inclito prineipi Premisloni
dei gracia duci Polonie totam terram nostri ducatus scilicet Pomoranie
cum omnibus ciuitatibus, castris, villis, vasallis, ecclesiis, patronatibus,
dominus, terris, possessionibus cultis et incultis, nemoribus, aquarum
decursibus cum accessibus et egressibus suis, censibus suis, fewdis, per-
tineneiis et seruitutibus vniuersis, item et iurisdiciones omnesque ac-
ciones reales et personales, duras, vtiles siue mixtas, que et quas
habemus uel habere possemus in ducatu et ciuitatibus et aliis supra-
dictis ex quaeunque occasione seu causa competencia et competitura,
ad liabendum, tenendum et possidendum et quidquid sibi et suis here-
dibus deineeps placuerit, perpetuo faciendum, et constituimus dictum
ducatum cum omnibus aliis supradictis ipsius .P. nomine possidere,
donec corporalem aeeeperit possessionem, quam aeeipiendi sibi omni-
modam concedimus licenciam atque damus, vt autoritate propria intrare
f) Im Texte steht »labcntur*; gewöhnlich sagt man jedoch »elabantur cum
tempore. 2) fehlt im Texte. 3) Ursprünglich stand »modo*, doch hat es der
Schreiber in »materia* umgeändert. 5) Der polnische Namen Mestwin's ist Msciwoj;
dem Schreiber, der das wenig hörbare ,M* ausliess, schwebte vor den Augen daß
Wort »msciwy* (rachsüchtig), dessen Stamm allerdings auch in »Msciwoj* enthalten
ist. a) Ueber die Verwandtschaft der beiden Fürsten siehe Script, r. Pruss. I, 796.
Altpr. Monatasohrift Bd. XIV. Hft. 7 a. 8. 37
570 Ueber die Verleihung Pommerellena an Hersog Prsemyslaw
possit de nostra licencia et concessione, vt amodo prefatus .P. dux
Polonie possit de dicto ducatu et omnibus supradictis agere, experiry,
excipere et replicare et ipsum ducatuin et iura ipsius teuere et possi-
dere et omnia et singula facere, que nos met ipse faceremus et exercere
possemus nunc et in futurum, ponentes eum in ius et locum nostrum
et eum in rem suam procuratorem constituimus et promittimus ei oc-
casione dicte donacionis facte nee alia qualibet causa litem aliquam
uel controuersiam non facere uel inferre nee inferenti conssentire et
dictum ducatum uel partem ipsius non dabimus alicui nee faciemus
huic donacioni coutrarium uel dampnosum, etsi dieta donacio modum
excederet, donamus et tot volumus esse donaciones, quot sunt summe,
seeundum quas donari potest. Quam quidem donacionem et omnia et
singula supradieta promittimus nos dictus Sciwy [sie] pro nobis nostris-
que heredibus et successoribus dicto .P. duci Polonie pro se suisque
heredibus et successoribus stipulanti attendere, obseruare et adimplere
et contra ipsam donacionem non facere uel uenire ipsamque non re-
uocare pretextu ingraütudinis uel quia legitdmum modum excedat uel
qualibet alia causa et contra predietam uel aliqua predictorum non
facere uel venire vllomodo, et tactis sacrosanetis ewangeliis prestamus
super hoc corporale sacramentum, renunciantes excepeioni dicte dona-
cionis non facte et omni legum et iuris auxilio canonici et ciuilis, con-
suetudini fori, privilegio, condicioni indebite et sine causa appellacionis
remedio cuiuslibet, tempori seriato, legi dicenti generalem renunciacionem
non valere, eunetis legibus editis uel edendis et constitucioni de dueibus
dictis edite in concilio generali, conuencioni locorum et iudicum . . . . 6)
si quas nomine ipsius .P. literas apostolicas contigerit impetrari et Om-
nibus aliis excepeionibus et defensionibus, que contra predietam dona-
cionem obicy possent uel oponi, et insuper de predictis omnibus et
qualibus predictorum promittimus nos .M. dux Pomoranie eidem .P.
duci Polonie facere confessionem, in quaeunque curia sibi placuerit, ad
sensum ipsius sapientis.
6) In der uns vorliegenden Abschrift ist der Text nicht unterbrochen; doch
scheint hier etwas ausgelassen zu sein.
von Dr. W. Kejryyriaki. 57 J
Testes ad hoc rogati et vocati Wasyl Pomoranie,7) Benyamim
Poznanie et Arkemboldus 8) Gneznensis palatini, Nicolaus Poznaniensis,
Andreas Kalisiensis iudices, frater Petrus ordinis predicatorum et alii
inulti reguläres et seculares clerici et layci. Vt autem hec dicta do-
nacio robur obtineat firmitatis, presentem literam nostri sigilli muni-
mine fecimus comuniri. Actum et datum in Campno9) anno domini
M° ducentesimo octuagesimo secundo in crastino Valentini martyris. ,0)
Dem Documente fugte der Abschreiber noch folgendes hinzu:
Hec sunt cause, quarnm [.nc] clux Pomoranie donat ducatum suum
duci Polonie, qui[a]n) progenitores ducis Polonie semper fuerint fau-
tores, defensatores et protectores ducatus Pomoranie; item quia dux
Premislyus ipsum tarn in defendendo quam in tuendo ducatum pre-
dictum se opposuit viriliter hostibus pro eodem ducatu et ipsum ducem
Pomoranie habet pro patre et reueretur tamquam patrem et omnia
seruicia sibi et suo ducatui nsque ad sui et suorum effusionem sangwinis
exhibendo etc.
Eine spätere Hand fügte darauf noch folgende ^Worte hinzu:
in landem, in laudem; Manus scribentis hoc pium scriptum sit bene-
dicta in secula seculorum. Amen.
7) In pommerellischen Doonmenten wird Wasyl gewöhnlich palatinus Getanen sis
genannt; es liegt hier möglicherweise eine Lizenz des Abschreibers vor, da in der
zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts Pommerellen und Danzig vielfach als
gleichbedeutend genommen wurden; so heissen z. B. die Wojewoden und Castellane
von Danzig, auch Wojewoden und Castellane von Pommerellen. 8) im Texte Arlcem-
boduldns*. °) Heute Kempen im Schildberger Kreise, nicht weit von der schlesischen
Grenze. ,0) 15. Februar. !l) im Texte ,quic.
S7*
Friedlich der Grosse, ein Mehrer des Reichs im Osten.
Bede am Geburtstage des Kaisers und Königs 1872 gehalten
von
Bernhard Suphan.
Eine einzige grosse Festgenossenschaft bildet heute das deutsche
Volk. Von der Hütte im Hochgebirge bis- zur Hütte am Meeresstrande
ein Zug der Herzen, vom Bodensee bis zum Belt, ein brausender
Jubelruf, ein stiller Segenswunsch: Gott erhalte den Kaiser! — Und
uns, die wir diesem allgemeinen Segensspruche unsern eigenen alt-
gewohnten anschliessen: Heil unserm Könige ! — uns schwillt das Herz
vor Freude, uns ergreift ein stolzes Entzücken, wenn wir auf diese all-
weite Genossenschaft hinblicken, wenn wir unsere deutschen Brüder in
Verehrung und Liebe für dasselbe hehre und teure Haupt mit uns
vereinigt sehen.
Wie es gekommen ist, dass unser Königliche Herr des* deutschen
Volkes Kaiser geworden, in welchem Kampfe er das lichte Kleinod
errungen hat, das nun über unserm Lande strahlt — das ist auch dem
Jüngsten unter uns mit unvergänglichen Zügen ins Gedächtniss ge-
graben. Denn auch der Jüngste, der sie mit erlebt hat, diese grosse
Zeit, der die Wacht am Bhein von begeistertem Munde gehört und mit
begeistertem Munde eingestimmt hat, er hat seiner Seele ein Bild
eingeprägt, das an jedem Gedenktage mit unvergänglicher Frische auf-
lebt Es bedarf der Worte nicht, dies Bild heraufzurufen. Auch
dünkt mich, vermöchten dies Worte nicht. Denn die Bede, die es um-
fassen und darstellen wollte, was in den Jahren 1870 und 1871 zwischen
den beiden Geburtstagen unsers Königs inne liegt, die müsste wahrlich
jenem Biesenkinde aus Elsass gleichen, das, wie die Sage meldet, von
Friedrich d. Gr., ein Mefarer des Reichs im Osten von B. Snpbao. 573
Berg zu Thal niedersteigend Boss und Mann und Männerwerk im Spiele
aufraffen und hurtigen Laufs davontragen konnte.
So sei es denn der Phantasie, dem Biesenkinde, überlassen jenem
Siegesläufe souder gleichen nachzueilen, in dem die köstlichste Beute
erjagt worden ist. Sei es ihr überlassen den herrlichen himmelan-
strebenden Bau auszumessen, unter dem wir mit stolzer Freude als ein
mächtiges, glückliches Volk uns zusammenfinden. Aber die Grund-
mauern dieses Baues zu prüfen und zu sehen, wie tief sie iip Erdreich
wurzeln, das gibt unserer Freude Halt und Zuversicht.
Nicht schöner wussten die Griechen den Helden zu erheben, der den
höchsten Ehrenpreis errungen hatte, als wenn sie seine Grosstaten
ableiteten von der Tüchtigkeit und den Werken der Vorfahren. Unseres
Königs schlichtes Heldentum, die hohe Bescheidenheit seines Wesens
und seiner Bede, sie weisen unsere Festbetrachtung auf denselben Weg.
„Nun ist die Kette wieder voll4*, so begann die Inschrift am
Postament der Germania, die in den Tagen des Einzugs unseres sieg-
reichen. Heeres vor dem Hauptportal des Schlosses thronte. Ihr zur Seite
standen die beiden wiedergewonnenen Kinder, Elsass und Lothringen;
durch unsern König sind sie dem Vaterlande wieder zugeführt. Unten
aber am Fusse des Postaments lagerten die Gottheiten der deutschen
Ströme um den Vater Rhein. Er und sie alle zeugen mit beredtem
Munde von dem Wirken der Fürsten aus dem Hohenzollerngeschlechte
zu Deutschlands Ehre und Deutschlands Heil; dass sie deutsch ge-
blieben, dass sie wieder deutsch geworden, wem anders als ihnen ist
es zu danken? Da erschien auch auf ihr Buder gelehnt unter den
Stromgottheiten das Bild der Weichsel. Dass der östliche Strom aus
den Händen der Fremden befreit, Deutschland zurückgegeben ist, das
ist das Werk des grossen Königs, dessen Bild als ein Wahrzeichen
ächter Hohenzollernart unseren Königen vor Augen steht.
Die Geschichte des Weichsellandes Westpreussen — wie es deutsch
geworden, wie es verloren gegangen, und wie es vor nun hundert Jahren
für Deutschland wiedergewonnen worden, diese soll uns als ein Vor-
spiel, als ein Gegenbild der jüngsten Buhmestat, die dem deutschen
Beiche den Vollbestand seines Gebietes und unserm Könige die Herr-
574 Friedrich der Grosse, ein Mehrer des Reichs im Osten
schaft über das deutsche Reich zugebracht hat, in dieser Stunde be-
schäftigen. Friedrich der Grosse als „ Mehrer des Reichs* im Osten —
ein Bahribrecher zu dem Kaisertum der Hohenzollern.
Unbezweifelbare, unveräusserliche Rechte hat die deutsche Nation
auf das Land an der Ostsee diesseit und jenseit der Weichsel.
Der deutsche Orden, der jüngste von den drei morgenländischen
Ritterorden, durch Schenkung des Kaisers und Papstes zum Herrn des
Landes an der Ostsee jenseit der Weichsel bestellt, hat sich in mehr
als fünfzigjährigem Kampfe gegen die heidnischen Bewohner die Herr-
schaft an dieser Stätte errungen. Aber nicht die Macht des Schwertes
war es, welche schliesslich die unbedingte Unterwerfung der alten Be-
völkerung herbeiführte. Wol ist im Feuer erbitterten Vernichtungs-
kampfes, auflodernder Empörungsglut die alte Volksmasse gewaltsam
umgeschmolzen und in die deutsche Form gezwungen; aber völlig zu-
sammengeschmolzen sind die beiden feindlichen Volkselemeute erst in
dem gemeinsamen Kampfe gegen die Macht gemeinsamer Feinder gegen
die Meeresflut und den tückischen Strom. Diesem das fette Ackerland
abzukämpfen, den Wald zu lichten, prangende Städte und reiche Dörfer
der Wildniss abzugewinnen, das lernte der mit arbeitseligem offenem
Sinne begabte Preusse dem Deutschen ab; in dieser Schule gab er mit
dem Heidentume zugleich seine Nationalität auf, entwönte er sich /zu-
letzt seiner alten Sprache. Nicht die hohe Tapferkeit der Ordensritter
vollendete den Sieg des deutschen Wesens, sondern der ausharrende,
tatkräftige Geit der Städter und Bauern, die der Orden ins Land rief.
„In Gottes Namen fahren wir**, mit dem Gesänge kamen sie aus
den Städten und Landen Norddeutschlands, ein rüstiges, tatenfrohes
Geschlecht: Bauern aus den gesegnetsten Gauen am Unterlaufe der
deutschen Ströme, Bürger aus den blühendsten, handelsmächtigsten
Städten. Ihre Betriebsamkeit fiel auf ergiebigen Boden. Um die Burgen
des Ordens, an den Flüssen erhoben sich die neuen Städte, deren Wol-
stand durch den Anschluss an die deutsche Hansa mächtig wuchs.
Diese Städte förderten am treuesten das Wachstum des deutschen
Lebens: sie verliehen das Burgerrecht, das Recht in Zünfte und Ge-
werke einzutreten nur dem, der der deutschen Sprache mächtig war.
r
von B. Suphan. 575
Der Ordensstaat stand in seiner höchsten Blüte, als er, seine bis-
herige Westgrenze überschreitend, das Land Pommerellen, den Haupt-
teil von Westpreussen, an sich zog. Das Gebiet, das er achtzig Jahre
nach seiner Niederlassung in Preussen zwischen Weichsel, Leba und
Netze erstritt, war von slawischem Volke bewohnt; nur vereinzelt sassen
Deutsche in dem alten Handelsorte Danzig. Nach dem Friedensschlüsse,
der dem Orden endgiltig das Besitzrecht verlieh, hat das jüngstge-
wonnene Gebiet kaum fünfviertel Jahrhunderte den Deutschen gehört;
aber die Hälfte dieser Zeit hat dazu ausgereicht, dass die deutsche
Cultur auch hier gründlich Wurzel fasste.
Ein neues, schöpferisches Zeitalter hob mit der Herrschaft des
Ordens für das in öder Buhe verkommene Land an. Gerade damals
hatte der Hochmeister seinen Sitz nach Preussen verlegt, und edle,
hochstrebende Männer nahmen nach einander den Meisterstuhl ein.
Unter ihren Begententugenden glänzte nicht zum mindesten die, welche
der Dichtermund an dem herrlichsten, Winrich von Kniprode, preist
sie waren Freunde der Städte und der Bauernschaft. Unter ihrer milden
Herrschaft gedieh das neuerworbene Land zu höchstem Wolstande:
Danzig wurde die mächtigste unter den östlichen Hansestädten. Unter
Winrichs Herrschaft wurde die Marienburg vollendet. Unfern dem
Lande des linken Weichselufers thronte sie am Strandender Nogat weit-
hin sichtbar mit ihren hohen Zinnen, in ihrer schlichten Majestät, in
der Kühnheit ihres Innenbaues ein sichtbares Bild des erhabenen, kühnen
und reinen Sinnes, der das Werk der Bekehrung und Germaüisierung
vollbracht hatte.
Was waren es aber für Gaben der Cultur, die unter dem Schutze
des schwarzen Kreuzes iu dem Ordenslande gediehen? Das Heidentum
haben die deutschen Herren aus dem Lande getrieben, dem Christentum
und damit der milderen menschenfreundlichen Sitte den Weg gebahnt;
aber sie haben auch dafür gesorgt, dass in ihrem Lande die Macht
des Clerus nicht in der Weise steigen konnte, wie anderwärts in deut-
schen Landen. Hier verfing nicht der Bannstral des Papstes, hier gab
es weniger Klöster, hier wurden weniger Heilige verehrt, als sonst in
Deutschland. Ein freierer, milderer Geist, abhold der päpstlichen
576 Friedrich der Grosse, ein Mehrer des Reichs im Osten
Tyrannei, frischer — wie die Luft im Norden — herrschte iiu Ordens-
lande. Und noch lange nach dem Verfall der Ordensherrschaft hat
diese dem Aufschwung der Geister günstige Strömung sich erhalten.
Hier haben, frei von geheiligtem Aberglauben, Copernicus und Hevelius
zu den Sternen aufgeschaut; hier hat, als ein neuer Morgen für das
Christentum in Deutschland tagte, der neue Glaube seinen Einzug ge-
halten mit so siegreicher Schnelligkeit, dass Luther frohlockte: ,Nach
Prcussen eilt das Evangelium mit vollem Lauf und ausgespannten Segeln!*
Förderer der Kunst und Wissenschaft war der Orden. Zahlreich
waren die Bibliotheken im Lande; nirgends gab es, so rühmt ein allerer
Geschichtsschreiber, so viele weise, verständige, gelehrte, rechtserfahrene
Leute, als in Preussen, derohalben viel Herren, Ritter uud Knechte den
Orden zu sehen begehrten und mit Macht nach Preussen kamen. Der-
selbe edle Hochmeister Winrich, der eine Reehtsschulc zu Marienburg
gründete, verordnete auch, dass jedes Dorf von sechszig Familien seine
eigene Schule besitzen sollte.
Kein Land im deutschen Reiche war vorzüglicher verwaltet, als
das des Ordens. Die Einrichtungen, die die Hochmeister zur Blute
und zur Sicherheit des ganzen Landes trafen» hoben zugleich die per-
sönliche Tüchtigkeit des Einzelnen, erzogen die Einwohner zu tüchtigen
Kriegern, Bürgern, Landbauern. Im Ordenslande bestand die allgemeine
Wehrpflicht, als sie in Deutschland langst durch den Ritterdienst des
Adels verdrängt war. Ein gemeinsames, nationales Recht herrschte im
Lande zu einer Zeit, wo in Deutschland die Sonden-echte in Blüte
standen und Verwirrung anstifteten.
Aber eine harte Dauerprobe hat die deutsche Cultur in Preussen
auszustehen gehabt. So mächtig waren die Stände des Landes unter
der Ordensherrschaft geworden, dass sie dieser Herrschaft eutwachsen
zu sein glaubten. Das unseligste Mittel wählten sie, um die alte
Landesherrschaft zu verdrängen — den Anschluss an den Fremden,
den Landesfeind. Ein wüster Krieg brach aus, der die Blüte des Landes
verzehrte. Und auch der Friede, zu dem endlich der Orden gezwungen
war, brachte den Abtrünnigen keinen Segen. Die Osthälfte des Landes
mit der Hauptstadt Königsberg verblieb dem Orden. Die Westhälfte
von B. Suphan. 577
fiel an Polen : nicht blos die Landschaft an dem linken Ufer der Nogat
und Weichsel. Das Kulmerland, von wo des Ordens Herrschaft aus-
gegangen war, die Eesidenz und Hauptfeste Marienburg, Elbing, endlich
das ganze Ermland wurde vom Ordenslande losgerissen. Die reichsten
Landschaften, die stärksten Festungen, der wichtigste Stromlauf, die
besten Häfen waren dem Feinde verfallen. Jene Osthälfte, das spätere
Herzogthnm Preussen, wie eine Insel von polnischem Gebiete um-
schlossen und als Lehen von der Krone Polen abhängig, hat ihren
deutschen Character leichter zu wahren vermocht. Als bei dem Aus-
sterben des Herzogshauses die Hohenzollerischen Kurfürsten Herzöge
des Landes wurden, war die Gefahr polnisch zu werden* beseitigt. Für
alle Zeit, als der grosse Kurfürst Preussen aus dem Lehnsverhältniss
löste und zu einem souveräneu Herzogthume machte.
Schwerer ist es den Westpreussen geworden ihre deutsche Natio-
nalität gegen das übermächtige Slawentum zu erhalten. Politische
Selbständigkeit, Glaube und Sprache, diese drei teuersten Güter hatten
sie in ungleichem Kampfe zu verfechten. Ihre Selbständigkeit, die sie
in arger Verblendung selbst verraten hatten, konnte ihnen auch der
zäheste Widerstand nicht retten. Glauben und Sprache haben sie unter
harter Bedrückung sich erhalten.
Hundert Jahre nach dem Friedensschlüsse, der Preussen mit Polen
vereinigte, wurde den Preussen ihre politische Selbständigkeit genommen.
Mit den polnischen Magnaten sollten hinfort die Abgeordneten des
Preussenlandes auf den gemeinsamen polnischen Eeichstagen erscheinen.
Zwanzig Jahre später verstummte die deutsche Sprache in den Pro-
vinziallandtagen, und das Polnische wurde als Amtssprache eingeführt.
Die deutschen Ortsnamen wurden slawisiert, deutsche Adelsgeschlechter
wurden vermocht, polnische Namen anzunehmen. Aber erfolgreich
wehrten sich die Städte gegen Unterdrückung des deutschen Wesens
und der deutschen Sprache. Besonders wacker zeigten sich die Bürger
in Thorn, am gefährdetsten Orte. Und überall, wo der Bing der Stadt-
mauer das deutsche Leben schützend einschloss, erhielt es sich iraver-
fälscht; ohne Ausnahme in den Städten des Weichseltales, wo nur
deutscher Fleiss und deutsche Kraft im Stande war, Grund und Boden
578 Friedrich der Grosse, ein Mehrer de« Reiche im Osten
gegen den Strom zu schützen. Weniger glücklich konnte sich das
Deutsche im offenen Lande behaupten, am wenigsten da, wo noch von
Alters her und wenig berührt von der ersten Colonisation das Slawische
sich erhalten hatte. Wo noch heute in Westpreussen die polnische
Sprache geredet wird, dahin ist auch unter der Ordensherrschaft das
Deutsche nicht vorgedrungen.
Der evangelische Glaube hatte sich in Polnisch-Preussen zu gleicher
Zeit als im Herzogtum?, verbreitet. Die Städte und die meisten Land-
gemeinden wurden evangelisch; nur Ermland ist ganz katholisch ge-
blieben. Auch in Polen fand Anfangs der evangelische Glaube viele
Anhänger. Als aber hier mit Einführung des Jesuiten-Ordens die
Gegenreformation mächtige Fortschritte machte, und besonders der Adel
sich dem Eatholicismus wieder zuwandte, war der evangelische Glaube
den ärgsten Verfolgungen ausgesetzt. Blutgierige Banden durchstreiften
das Land, mordeten, mishandelten Geistliche und Sehullehrer, brannten
die evangelischen Kirchen nieder. Neue Kirchen zu bauen war den
Protestanten untersagt. „Veia Lutheranum, dabit tlialerum", das war
der Grundsatz der katholischen Edelleute. Am unerträglichsten wurde
er geübt im letzten Jahrhundert der polnischen Herrschaft
Der rechtlose Zustand, die Gräuel der Anarchie, die in Polen
herrschten, verpflanzten sich nach Preussen; der Bauernstand verkam
in der Leibeigenschaft, für ihn gab es kein anderes Recht, als die
Peitsche des polnischen Starosten. Wie konnte dabei die Blüte des
Ackerbaues fortdauern, die in der Ordenszeit den Wohlstand des Landes
geschaffen hatte? Was der wetterfeste, im Kriegsdienst zum Bewusst-
sein seines persönlichen Wertes gelangte Bauernstand des Ordens ver-
mocht hatte, das konnte und wollte der in Knechtschaft verkommene
polnisch -preussische Bauernstand nicht leisten. Die Landstädte ver-
ödeten, aber auch grössere und befestigte Orte, in denen zur Ordens-
zeit eine wolhabende Bürgerschaft gesessen hatte, verfielen. So gab
es in Culm Strassen, von deren Häusern nur die Keller als Wohnräume
übriggeblieben waren; die meisten Häuser an dem grossen Marktplatze
standen herrenlos, ohne Türen und Fenster, ohne Dach und Fach.
Nach den dreihundert Jahren polnischer Herrschaft drohte das Land
von B. Suphan. 579
wieder in den Zustand zu versinken, aus dem es durch die Kraft und
•
Tüchtigkeit des deutschen Stammes gezogen war. Hohe Zeit war es,
dass der rechtmässige Besitzer wieder in sein Erbteil gelangte. Der
rechtmässige Besitzer — denn was erteilt einer Nation das Recht ein
Stück Erde als ihr Eigentum anzusprechen? Nicht die Dauer der Zeit,
die die Vorfahren darin gehaust haben, sondern die Tiefe der Furche,
welche ihre Culturarbeit dem Boden eingedrückt hat. Westpreussen
ist deutsch; denn es verdankt den Deutschen seine Cultur! Die Polen
haben es weder vermocht, dem Lande eine Cultur zu geben, noch die-
jenige zu erhalten, zu der es unter deutscher Herrschaft gediehen war.
An ihnen selbst musste sich das Wort erfüllen, das der polnische König
auszusprechen gewagt hatte, indem er Besitz nahm von dem geraubten
Lande: „Die Preussen wären zu ihrem Abfalle nach menschlichem und
göttlichem Eechte befugt gewesen, da Niemand einer ungerechten und
Böses verübenden Obrigkeit Gehorsam schuldig sei."
Friedrich der Grosse hat Westpreussen mit seinem Staate ver-
einigt — er hat es damit für Deutschland zurückgewonnen. Friedrich
hat Westpreussen zu einem würdigen Gliede seines Staates zu er-
heben vermocht, — er hat es getan, indem er der deutschen Cultur
darin wieder eine Stätte bereitet hat.
Schon als Jüngling hat er in einem Aufsatze, den er während
seiner Haft zu Cüstrin verfasst hat, sich über die Notwendigkeit der
Zurücknahme Westpreussens geäussert. Er wiederholt den Gedanken
mit derselben Bestimmtheit in seinem sogenannten politischen Testamente
vom Jahre 1752. „Eine uneigennützige Macht mitten zwischen ehr-
geizigen müsse untergehen** fügt er hinzu, und mit dieser politischen
Sentenz hat er selbst die Rechtfertigung des Verfahrens gegeben, das
zur Wiedererwerbung der Provinz geführt hat.
Am 5. August 1772 wurde zu Petersburg zwischen Russland,
Oesterreich und Preussen der Vertrag über Besitzergreifung bisheriger
polnischer Gebiete abgeschlossen. Durch diesen Vertrag erhielt Friedrich
Polnisch -Preussen mit Ausschluss von Thorn und Danzig, dazu den
Netze-District. Ohne Widerstand nahm der König vom Lande Besitz.
Am 27. September, — demselben Tage, au dem Strassburg wieder
580 Friedrich der Grosse, ein Mehrer do* Reichs im Osten
unser ward — traten die Stände der Provinz in der Marienburg zu-
sammen und leisteten in dem grossen Ordensremter, dem Hauptsaale
der Burg, den Huldigungs-Eid. „Regno redintegrato praestata fides*
— der wiederhergestellten Herrschaft ist der Treuschwur geleistet —
lautet die Umschrift der Denkmünze, die Friedruh auf den Tag hat
prägen Jassen.
Die Wiederherstellung der alten deutschen Herrschaft,
sie bedeutete für das Land die Wiederherstellung seines alten Wol-
standes, seiner alten Cultur.
Mit unermüdlicher Fürsorge hat Friedrich die Culturarbeit zur
Hebung des armen verkommenen Landes eingeleitet schon Jahr und
Tag vor der Besitznahme, in Angriff genommen an dem Tage, wo
er seine Herrschaft proclamieren liess, gefördert die vierzehn Jahre
hindurch, die ihm zum Wole seiner Länder noch vergönnt waren.
Glaube Niemand, dass der grosse König sein Culturwerk nur als ein
Geschäft getrieben hat, das seinem Unternehmer die Auslagen reich-
lich wieder einbringen würde. Die Ehrenpflicht eines deutschen
Regenten hat er darin geleistet. „Es war billig, dass ein Land, das
den Copernicus hervorgebracht hat, nicht länger in jeder Art von Bar-
barei schmachtete, in welche mächtige Tyrannen es gestürzt hatten" —
mit diesem Gedanken begab er sich ans Werk. „Man hat mir einen
Zipfel Anarchie gegeben, den ich in Ordnung bringen muss* — so
kennzeichnet er die Grösse der Aufgabe, der er sich unterzog.
Er selbst, mit der ganzen Macht, mit dem ganzen Feuer seiner
Persönlichkeit. Ein Wort über die alles umfassende, alles durchdringende
Tätigkeit Friedrichs, aufgezeichnet von einem Manne, dessen Blick auch
alles durchdrang, alles umfasste, ein Wort Goethe's kommt uns in den
Sinn. Er spricht von der grossen Walze mit gar vielen Stiften und
Häkchen, Fridericus Rex gezeichnet, die unermüdlich sich drehend, das
ganze künstlich feine Triebwerk rege und reguliere. Nirgends spüren
wir mehr von der wunderbaren Triebkraft der Walze, als bei der Ver-
waltung Westproussens. Persönlich kümmerte sich der König um £lle
Massregeln zur Wiederaufrichtung des Wolstandes ; bis in das Einzelnste
erstreckte sich seine wahrhaft hausväterliche Sorgfalt. Täglich empfing
Ton B, ßaphan. 581
er Berichte seiner Beamten über die Provinz. Es waren die geschick-
testen, die er für sie ausgewählt hatte; mit ihnen correspondierte er
unausgesetzt, und die zahlreichen Cabinetsordern und Handschreiben
sind gar beredte Zeugnisse von seiner treuen Hingabe.
Unverdrossen war der sonst so sparsame Monarch, bedeutende
Summen zu bewilligen zum Aufbau der Städte. Culm, das traurig ver-
ödete, wurde fast eine Neugründung Friedrichs. Reichlich flössen die
Mittel aus den Königlichen Kassen zur Wiederherstellung der Deiche
und Wasserbauten; zur Hebung des Handels und Verkehrs wurde der
vierthalb Meilen lange Bromberger Canal gebaut ; des Königs Ungeduld
trieb die Beamten an, ein Jahreslauf musste zur Vollendung genügen,
und schon im Sommer des zweiten Jahres sah der König zu seiner
Freude beladene Oderschiffe der Weichsel zufahren.
Was Friedrichs rastloser Eifer in kurzer Zeit ins Leben gerufen
hat, ist mit denselben Mitteln gelungen, wie die Culturschöpfungen des
Ordensstaates. Colonisten rief der König ins Land, aus den Gegenden
Deutschlands, wo der betriebsamste Menschenschlag wohnt. Viele kamen
aus denselben Gegenden, denen die Pfleger der ersten Culturblüte des
Weichsellandes entstammten. Viele kamen aber auch aus Süddeutsch-
land: Baiem, Schwaben, auch das Elsass entsandte seine Kinder nach
Westpreussen. Wol Elftausend sind in den vierzehn Jahren der Frie-
dericianischen Aera eingezogen. Eine keimkräftige Saat streute Friedrich
über das ganze dünn mit Bewohnern besetzte Land; je nach Bedürfniss
der Ortschaften vertheilte er die Einwanderer. Am liebsten warf der
König die neue Bevölkerung in die echt polnischen Landstädte, am
liebsten gründete er die deutschen Dörfer mitten unter den elenden
Hütten der polnischen Bauern. Und damit hatte er einen doppelten
Zweck im Auge, Hebung des materiellen Wolstandes und Ausbreitung
der Civilisation. „Es müssen gleich ganze Dörfer und Colonien — so
lautet eine seiner Instructionen — mitten unter dem groben Zeuge
angelegt werden, die ganz allein wohnen und ihre Nahrung und Ge-
werbe für sich treiben, damit das hiesige Volk um so besser siehet und
gewahr wird, wie jene sich einrichten und wirthschaften. Wenn sie
sodann den Nutzen davon sehen, so werden sie nach und nach sich
582 Friedrich der Grosse, ein Mehrcr den Reichs im Orten
auch schon gewöhnen, fieissiger und ordentlicher zu werden." Aber
nicht nur Vermittler des materiellen Wohlstandes sollten die deutschen
Colonisten werden. Es galt in dem verkommenen Landvolke das Be-
wusstsein der Menschenrechte, die Würdigung der persönlichen Freiheit,
die Liebe zur Bildung zu erwecken. Die alte Woltat eines gemein-
samen Rechtes, die diesem Lande schon einmal zu Teil geworden war,
sie sollte wiederum empfunden werden. Die Leibeigenschaft hob der
König auf; aber das arme Landvolk musste erst begreifen lernen, was
ihm damit beschert war. „Sie werden die Woltat der aufgehobenen
Leibeigenschaft nicht nach ihrem wahren Werte einsehen — schreibt
der König. Das sicherste Mittel, um diesen sklavischen Leuten bessere
Begriffe und Sitten beizubringen, wird immer sein, solche mit der Zeit
mit Deutschen zu meliren, und wenn es auch nur anfänglich mit zwei
oder drei in jedem Dorfe geschehen kann."
Als ein anderes, sicher durchgreifendes Mittel zur Durclifüruiig
seiner humanen Ideen erkannte Friedrich die Schulen. Unablässig
trieb er darum seine Beamten, das Capital, das er zu Besoldung von
Lehrern ausgesetzt hatte, vorteilhaft anzulegen, damit die Zahl der
Stellen fortwärend gesteigert werden könnte. So wurden mehr als zwei-
hundert Schulen gegründet. Nicht invalide Unterofficiere und Hand-
werker, wie an manchen andern Orten der Monarchie, sondern wolge-
schnlte, selbst von Universitätslehrern vorbereitete Volksschullehrer
brachte der König in seine neue Provinz. Auch an den Orten, wo blos
polnisch gesprochen wurde, sollte der Schullehror deutsch verstehen.
Doch nicht um das Zurückdrängen der polnischen Sprache und Na-
tionalität war es dem Könige in der ersten Reihe zu tun; er dachte nicht
an Bevorzugung der deutschen Sprache. Von den Vorzügen der deutschen
Sprache war er selbst noch zu wenig durchdrungen. Deutsch denken
und fühlen, deutsch arbeiten lernen sollten seine Westpreussen, damit
sie aus Irokesen — so nannte er sie im Scherz — zivilisierte Menschen
würden. Und das ist ja auch die Hauptsache der Germanisierung :
Ablegung der alten slawischen Unsitten, der Trägheit, des Hanges zur
Gesetzlosigkeit, der staatsfeindlichen Wilkür, der bildungsfeindlichen
Glaubenswut.
von B. Saphan. 5gg
Der Glaubenswut, dem unduldsamen Fanatismus war von dem
Tage der Besitznahme an ein Ende gemacht. „Unter denen kathol. und
evangel. Untertanen* ordnete Friedrich an »muss nicht der allermindeste
Unterschied gemacht werden.* Gewissens- und Glaubensfreiheit wurde
gewärt; jetzt atmete auch die evangelische Kirche wieder auf. Ihr, der
lange und schwer unterdrückten, wandte der König besondere Sorgfalt
zu. Er unterstützte reichlich den Bau evangelischer Kirchen; er brachte
Ortschaften, in denen der evangelische Glaube durch die katholische
Gutsherrschaft verfolgt wurde, käuflich an sich, um die Einwohner in
ihren teuersten Interessen schützen zu können. — So ist der grosse
König unermüdlich für sein liebes Westpreussen bis zu seinem letzten
Krankenlager besorgt gewesen. Eine seiner letzten Gabinetsordern be-
schäftigt sich mit dieser Provinz.
Und ihm ist noch bei Lebzeiten der schönste Lohn für seine landes-
väterlichen Sorgen geworden. Er konnte noch wenige Monate vor
seinem Tode mit herzlicher Befriedigung an einen hohen Beamten
der Provinz schreiben: „Demnächst fangen die Preussen an, etwas in-
dustrieuser und aufgeklärter zu werden, und es hat mich dieses sowol,
als der Fortgang der Fabriken überhaupt gefreut. *
Basch und eng ist Westpreussen mit den alten Gliedern des preussi-
schen Staates zusammengewachsen. Schon zwanzig Jahre nach Fried-
richs Tode hat es sich wacker bewärt. Als im Jahre 1806 die nach
Friedrichs Tode erworbenen polnischen Landesteile von der Monarchie ab-
fielen, wankte Westpreussens Treue nicht. Unter den wenigen Festungen,
die damals den Buhm der preussischen Tapferkeit wahrten, steht Grau-
denz herrlich da. Und als im Jahre 1813 von Ostpreussen der Ruf
zur Erhebung ausging, fand er in Westpreussen kräftigen Widerhall.
Die erste grössere patriotische Gabe aus dem Jahre 1813 ist ein Ehren-
zeugniss für die jüngste Provinz.
Wenn im September dieses Jahres im Huldigungssaale der Marien-
burg die hundertjährige Zugehörigkeit von Westpreussen zum Hohen-
zollernstaate begangen wird, so wird die Bedeutung dieser Feier über
die Grenzen der Provinz, über die Grenzen unserer preussischen Monarchie
hinaus empfunden werden. So weit geschichtliches Yerständniss reicht,
584 Friedrich d. Gr., ein Mehrer des Reichs im Osten von B. Suphan.
wird man im ganzen deutschen Vaterlande erkennen, wie hoher Dank
dem grossen Friedrich gebürt, der dort im Osten die Kette wieder voll
gemacht hat.
Wie sollten wir es uns versagen, von dieser Errungenschaft Fried-
richs hinüberzuschauen nach den beiden köstlichen Schlussgliedern, die
unser König der Kette des deutschen Volkstums wieder eingefugt hat,
den herrlichen Westmarken an Rhein und Mosel? Ist doch die Weise,
mit der jene und diese dem deutschen Volke entwandt worden sind,
sind doch die Listen, die hier wie dort der Feind angewandt hat,
deutsche Sprache und Sitte zu ertöten, einander so ähnlich. Ja auch
die Landesfeinde selbst, der Slawe im Osten, der Wälsche im Westen,
sind nicht so gar verschiedenen Charakters.
Aber noch lieber möchten wir die Zukunft und Entwicklung der
durch unseren König wiedergewonnenen Landesteile vergleichen mit
der Periode der Wiederbelebung von Westpreussen. Drei Lustra der
Regierung des grossen Königs haben ausgereicht zur innigen Verbin-
dung von Jung- und Altpreussen. Friedrich selbst hat sich noch des
neuen Geistes gefreut. Kräftig und emsig wird unter der Obhut des
erhabenen Kaiserlichen Schirmherrn das Werk getrieben, Pflanzschulen
deutscher Gesittung und Gesinnung in den neuen Reichslanden anzu-
legen. So möge denn auch unser König den Tag schauen, da man
in Elsass und Lothringen ihm in Treuen dankt für die Wiedergeburt
zum deutschen Leben. Dazu wolle ihn der Höchste erhalten; ja möge
es bei seinem Volke fürderhin, wie bisher durch Gottes Gnade von dem
teuern Fürsten heissen dürfen: „Seiner Augen Glanz ist nicht dunkel
worden, und seine Kraft ist nicht verfallen.* —
Der preussische Landberg , das älteste Romowe.
Von
Adolf Rogge.
Lange ist das einstige Dasein eines Nationalbeiligthums in der
Gegend von Heiligenbeil bezweifelt worden. Da die Nachricht von
einem solchen bisher lediglich auf einer Notiz Gronaus beruhte,1) die
freilich dem polnischen Schriftsteller Miechow entnommen war, so
konnte solchen Zweifeln ihre innere Berechtigung nicht abgesprochen
werden.* Dennoch dürften sich die Nebel, welche Jahrhunderte lang
über dem alten Göttersitz gelegen , durch den einfachen Nachweis
lichten, dass sämmtliche Namen der östlich an Heiligenbeil stossenden
Ortschaften so deutliche Beziehungen zum Curche- oder Perkunsdienst
verrathen, dass man aus ihnen noch heute die Grenzen des heiligen
Gebietes mit Sicherheit feststellen kann.
Den Schlüssel zu unserer Untersuchung liefert die von uns bereits
in diesen Blättern2) dargelegte Wahrnehmung, dass die Namen Per-
kunos und Gorcho mit ihren Nebenformen ursprünglich nichts wie eine
Bezeichnung für den „Eber* seien, dessen Bild nach Tacitus bei den
Aestiern göttliche Ehre genoss. Der erste dieser Namen ist auf eine
slavische Wurzel „prB, die auch in „kr", im littauischen in „szr*
(szernas, der Eber) umschlägt, der zweite auf eine nordische „br*, die
sich in den verschiedenen nordischen Sprachen in fr, gr, pr, jr, wr
*) Ausgabe von Perlbach I, S.80.
8) Urpreuesen, Altpr. Mtsschr. XIV, 8. 251—96. Ueber das Wort Eber siehe
Gebr. Grimm, deutsches Wörterbuch 3. Bd. Leipzig 1872, 8p. 17. üeber den Wechsel
von b und w siehe ebenda I, S. 1054 und Bacmeister, alemannische Wanderungen.
Altpr. MoMtwetirift Bd. XIV. Hit. 7 u. 8. 38
586 Der pro maische Landberg, das älteste Ilomowe
abwandelt, Beide Wurzeln dürften jedenfalls auf eine gemeinsame
Quelle [zurückzuführen sein und aus der Urform „vr" hervorgegangen, die
in , Varaha", so hiess Wischnu in der Eber-Awatare, und dem lateinischen
„verres* am reinsten erhalten ist. Auf preussischem Gebiete finden wir
die slavische Wurzel angedeutet in den Stämmen Per, Cur, Scur, die
nordische in den Stämmen Bar, Ber, Gar, Ger, Gor, Jor, Jur, War,
Wer, Wor, Wur. Beiläufig bemerken wir noch, dass auch die gothische
Form „baia- z, B. im Kamen der Natangachen Hauptfestnng Beisleiden
(Beselede) vertreten ist.
Betreten wir nun das Heiligthum bei dem, südlich von Heiligenbeil
gelegenen, Dorfe Wermten, so deutet uns noch eine Urkunde ans dem
Jahre 1615 die Bedeutung seines Namens an. In der Damerau zwischen
Wermten und Birkenau hiess damals noch eine Wiese „die Schwein*.1)
Wermten 1404 Wermitten, 1478 u. 1560 Wormithen, 1534 Wermenith,
1547 zuerst mit seinem beutigen Namen genannt,') bedeutet offenbar
nichts anderes als Wormditt, welches 1308 Wormedith, 1312 Warme-
dith, 1330 Wormedythin und 1351 Wurmdith beisst.*) Dieser Name
bedeutet „Ebersitz". Die slavische Form für denselben Namen finden
wir nach zwei Seiten hin ausgeprägt, sobald wir die Bahnau (BaisenawP)
und Jarft (Eberfluss) überschreiten und die an diesen Flüssen gelegenen
Ortschaften Thomasdorf und Schirten betreten. Dieselben haben beide
eine lange merkwürdige Geschichte und bilden eine der reizendsten
Gegenden unserer Provinz. Beide Ortschaften wurden 1262 dem Prenssen
Gedun anfGedilgen verschrieben. Die erste hiess damals Pralsede, die
andere Scurbenite wird 1482 noch SMrtain genannt.") Zur Erklärung
des letzten Namens ziehen wir wohl am besten die littauische Bezeich-
nung für den Eber „szeraas" heran, ausserdem ist eine Uebersetzung
desselben im Namen der angrenzenden Ortschaft Jürkendorf gegeben,
») No. 307 der von uns in diesen Blättern Bd. VI, 167—508 n. VII, 97-135
(viertes n. fünftes Kapitel von ,Du Amt Balga') veröffentlichten Urknnden-Änszüge,
von denen wir künftig nur die Nuramor anfahren.
*) No. 44, 91, 197, 224 n. 307.
') Enal. Zeitschr. I, 8. 23 Anm. 2.
*) Vgl. meine Abhandlung .Der alte Qedan* Altpr. Mtsschr. XII, 299—309:
von Adolf Rogge» 587
die noch 1619 Jurkendorf genannt wird.7) Die Ortschaft Pralsede führte
später den Namen „Bischofen Thomasdorf *, in welchem wir nur eine
Hinweisung auf den Bischof Anseimus sehen können, der nach einer
Sage, die sich leicht zur Geschichte gestalten kann, die heilige Eiche
bei Heiligenbeil fallen liess. Hier stellen wir nur fest: Wermten, Pral-
sede, Scurbenite sind drei Namen, welche dieselbe Bedeutung , Ebersitz*
haben und sobald wir diesen Fingerzeig beachten, dürfen wir nicht
mehr weit nach dem Throne des Donnerers suchen.
Zwischen den Ortschaften Thomasdorf und Schirten am linken Ufer
der Jarft steigt jäh eine circa 200 Fuss hohe Bergwand empor, be-
grenzt von zwei Schluchten, die sich von dem südlicher gelegenen
Grünwalde zum Jarftthal herunterziehen. Noch jetzt ist auf der circa
450 Schritte langen und abwechselnd 350—400 Schritte breiten Hoch-
ebene, welche sich über dieser Bergwand erhebt, eine 80—100 Fuss
hohe Umwallung zu erkennen. Ein oft nur 10 Schritte breiter Berg-
grat verbindet dieselbe mit dem aus dem Grunde des Jarftthals circa
200 Fuss hoch emporsteigenden sogen. Schlossberg, auf dessen oberer
170 Schritte langen, 70 Schritte breiten Fläche noch zwei Haupt-
abtheilungen (Vorburg und Hauptburg?) bemerkbar sind, während der
Nordrand dieses Berges zwei künstlich aufgeworf ene Wälle zeigt. s) Von
diesen wunderbar schön gelegenen Höhen streift der Blick nach SW.
bis zu den Elbinger Beigzügen, nach NW. bis zu den sandigen Dünen
hin. Dieselben haben einen so ausgeprägt geschichtlichen Gharacter,
dass wir auf ihnen das Bauschen der Sage in den Baumwipfeln zu hören
glauben, während aus wild zerrissenen Schluchten die Heldenschatten
der Vorzeit emporsteigen. Knaben, die Schüler der ehemaligen lateini-
schen Schule zu Heiligenbeil, welche hier ihre Feste und unblutigen
?) No. 824. Vom Worte Szernas ist auch die litt Bezeichnung für das Be-
gr&bnissmahl Szermenys, szermens (Zarm) hergenommen. Ein Beweis mehr für
unsere in »Urpreussen* aufgestellte Behauptung, dass man auch bei der Todten-
bestattung nur an Perkunos, nicht an Pikollos dachte.
•) Wir folgen der Beschreibung des Ober-Steuer-Inspectors v. Winkler, der in
seinem Aufsatz »Die Yesten der Vorzeit im Ermlande', 2ter Artikel, Erml. Zeitscbr.
II, 652—664, zuerst auf die wunderbare Schönheit dieser Gegend und auf ihre Be-
deutung im Alterthume hingewiesen«
38*
58 8 ^er preussische Landberg, das älteste Romowe
Kampfspiele feierten, haben merkwürdiger Weise dieser Stätte, die den
verzweifelten Todeskampf eines gewaltigen Volkes gesehen, den Namen
„Latemerberg" gegeben und sich dadurch, wenn auch unwissentlich, an
der Geschichte ihres Vaterlandes schwer versündigt. Viel Schweiss und
Mühe wäre manchem Geschichtsforscher erspart, wenn der Berg für
ihn den rechten Namen an der Stirn getragen hätte. Das Sesam,
welches die Geheimnisse desselben enthüllt, ist mit verblassten Zügen
auf ein einzig Pergament gezeichnet. Noch im Jahre 1430 nannte man
diesen Berg den „Lantberg*9) d. i. Landesberg. Von ihm verkündeten
einst die lodernden Flammen, weit in die Nacht hineinleuchtend, dem
anbetenden Volke die Sonnenwende und der wilde Jubel der Eresze
und Sabotuka klang durchs Land, wenn nun mit Zauberschnelle ein
Berg nach dem andern im Glanz der Fanale erstrahlte, welche mit
feurigen Zungen das neue Licht des alten Gottes verkündeten. Hier
sammelten sich die Wetter und wenn düsteres Gewölk über dem Berges-
gipfel lagerte, sah das Volk mit Schrecken den leuchtenden Eberzahn
durch dasselbe hindurch fahren und hörte aus dem rollenden Donner,
der sich an den Bergen brach und die Schluchten durchtobte, die
zornige Stimme seines Gottes heraus. Als dieser den Landesberg ver-
lassen und weiter ins Innere des Landes geflüchtet war, blieb noch die
Eiche, deren Laub ihn gedeckt, deren Frucht ihn genährt, und mahnte
das Volk an den heiligen Boden, auf dem er gestanden. Es wäre un-
natürlich gewesen, wenn derselbe nicht Schritt für Schritt vertheidigt
und anders als mit Strömen Bluts getränkt, dem siegenden Feinde in
die Hände gefallen wäre. Hatte ihn doch die Natur selbst zur stärksten
Festung gemacht. Obschon wir bisher der von Voigt ") als möglich
hingestellten Ansicht nicht beistimmen mochten, dass die Wehrburg,
welche Markgraf Dietrich v. Meissen 1272 beim Eingange in Natangen
vorfand und nach blutigem Kampfe eroberte, u) an dieser Stelle zu
suchen sei, so möchten wir nach nochmaliger Prüfung der Sache diese
Ansicht als die einzig richtige hinstellen. Ganz abgesehen von der
*) No. 51. ,0) III, S. 315 Anm. 2.
,l) Dusb. III, 133. Ser. r. Pr. I, 116. ßogge, Beiträge z. (frech, des Heüigen-
beiler Kreises, Altpr. Mtsschr. VIII, S. 333 Anm. 33.
von Adolf Rogge. 589
religiösen Bedeutung des Ortes, waren die Preussen bei ihrer Verteidi-
gung auf denselben durch seine natürliche Lage hingewiesen. Man stösst
sich daran, dass er, nach bisher gangbaren geographischen Begriffen, in
Warmien und nicht in Natangen gelegen, doch dürfen wir dabei nicht
vergessen, dass die altpreussische Geographie noch keineswegs so sicher
begründet ist, dass wir auf die bisherigen Forschungen auf diesem Ge-
biete uns mit voller Zuversicht stützen könnten. ,s) Schon die einfache
Thatsache, dass der Orden die Gegend zu Natangen rechnete, muss
ihre inneren Gründe gehabt haben und es ist nicht zu schwer, dieselben
zu ermitteln. Bereits früher haben wir nachgewiesen, dass das Gebiet,
in dem der Landesberg lag, den Namen »Natangen* schon in der Heiden-
zeit fahrte ,3) und wir können uns der Vermuthung nicht entschlagen,
dass dieser Name zum Heiligthume in naher Beziehung stand. Ohne
vorläufig weitere Schlüsse zu ziehen, wollen wir nur an das litauische
Wort „dangus, Himmel* erinnern. Warraia, das man bisher immer
scharf von den übrigen Gauen geschieden, ist ein Name, so allgemein
wie Prucia und Barcia, und bedeutet nichts als „Eberland".
War nun die Wehrburg (propugnaculum), der Landesberg, so hat
man nicht nöthig, wie bisher geschehen, das Ende von Dietrichs Kreuz-
zug in die Gegend von Dexen nach Görken zu versetzen. u)
Aus dem Wortlaut des Dusburgschen Berichts scheint uns hervor-
zugehen, dass das Kreuzheer nicht allzuweit in Natangen eingedrungen
sei. ") Die ganze Gegend, um die es sich bei uns handelt, hiess Goerken
in dieser oder jener Form und die Lesart „Cierkin" in der Hartknochschen
Ausgabe weist deutlich genug auf Schirten hin. Es ist nicht annehm-
bar, dass damals am Zusammenfluss der Bahnau und Jarft keine An-
siedelung bestanden und die grösste Wahrscheinlichkeit spricht dafür,
dass das Heer des Markgrafen vom nachmaligen Heiligenbeil aus, Na-
tangen, das heilige Land verwüstet habe.
Doch wir verlassen den Landberg und wandern über Schuten nach
,2) Toppen, Geogr. S. 16: »Von . . . Warmia darf man wohl annehmen !€
,3) Altpr. Mtsschr. V, S. 123.
") Voigt HI, 316.
") Dusb. in, 133. Intrans terram Nattangie usque ad forum qtjod dicitur Gerkin.
590 **er Preu8*i8Ch6 Landberg, das älteste Bomowe
Norden hinauf, vorüber an Stein dorf, das zum ersten Male 1476 16) er-
wähnt wird und neuern Datums zu sein scheint, nach Bregden hinauf, das
1374, 1430 und 1487 „Pobreyden", im letzten Jahre auch „Bobreyden V)
1533 „Pobreyen* '•) genannt wird. Der Ausdruck hat offenbar die Be-
deutung „am Ebersitz* und dass wir uns in derselben nicht irren, be-
zeugt das im NO. dicht angrenzende Perschein, noch 1522 ,9) „Persal*
d. i. Pralsede.
Noch nördlich hinaus über Perschein zog sich der heilige Wald,
über Wangnicken, 1662 Plotemeiten, dann Wangnieskeim 20) geheissen,
nach Komansgut, noch 1575 „Regitten", und Newecken, wo urkundlich
noch die Bezeichnung Werzowald „Eberwald* 1303 gebraucht wird.21)
Die natürliche nordöstliche Grenze des heiligen Gebietes bildete
die bei Lauk entspringende Fedderau. Die kurz vor derselben gelegenen
Ortschaften Grund, Mickühnen und Bolbitten, zusammen „Palapita* ge-
nannt, lagen nach einer Urkunde vom Jahre 1284 22) in Warmia. Ziehen
wir von der Haffküste aus an den „steilen wildschönen zum Theil be-
wachsenen Abhängen*23) der Fedderau (1521 Widderaw) hin, so stossen
wir auf Bejoten, Buttlitten (früher Potlitten von „Pota" Saufgesellschaft)
und Warnekam, welches noch unter dem Markgrafen Albrecht eine Be-
güterung bildete mit Lauk, Ködersdorf, Schönrade und Freudenthal.
Hier an der Ostgrenze liegt ebenso wie an der Westgrenze unter dem
gleichen Breitengrade eine Ortschaft Eeimkallen, 1262 Keimal,24) ein
Wort, das sich aus dem litt, „kiem&is, Dörflein* erklärt und die Grenze
des Heiligthums bezeichnet.
Ueber Freudenthal liegen uns ältere Urkunden nicht vor, doch
könnte der deutsche Name die Uebersetzung eines altpreussischen sein.
Wir wollen wenigstens nicht unterlassen beiläufig darauf hinzuweisen,
dass Prätorius25) „Rykoiot* von rykiauti oder rykaujoti, „Wohlleben*
lö) No. 86. ") No. 33, 51, 108. ") No. 193. ») No. 180.
so) Nicht zu verwechseln mit dem heutigen nördlicher gelegenen Wangnieskeim.
at) No. 9.
**) Abgedruckt Altpr. Mtsschr. V, 6. 125 Anm. 36.
*3) v. Winkler, Bomowe in Warm. Erml. Zeitschr. m, S. 525.
") Altpr. Mtsschr. V, S. 127 Anm. 39.
*•) Schaubühne hrsg. v. Pierson S. 16.
von Adolf Rogge. 59 \
herleitet und Eikoioth mit „Freuden- oder Saufhaus" übersetzt, wobei
dann Freudenthal sein Pendant im nördlich gegenüberliegenden Potlitten
haben würde. Die von Prätorius vorgeschlagene Ableitung Hesse sich
mit der von Brikis, Herr" übrigens wohl vereinen, denn das Herren-
leben jener Tage bestand in Preussen im keineswegs immer massigen
Essen und Trinken. Wir wollen auch noch erwähnen, dass ein anderes
altnordisches Wort, welches buchstäblich einer gothischen Bezeichnung
für den Eber entspricht, das Wort „iöfur" nur in der Bedeutung von
„rex oder princeps" vorkommt, sodass Eberland und Herrenland identische
Begriffe werden konnten. Dieser Auffassung verdankt vielleicht das im
Kreise des Heiligthums befindliche, 1504 zuerst erwähnte, 2fl) Königsdorf
seinen Namen. Aehnlich erklärt sich vielleicht das russische „Czar".
Wenn wir die Lage der bisher besprochenen Ortschaften übersehen,
so haben wir ein stattliches Gebiet für den Sitz des alten National-
götzen gewonnen, das vom Omaza, der Bahnau und Fedderau umzogen,
sich im Osten an einen Wald lehnte, der erst in der Ordenszeit ge-
lichtet ward. Ursprünglich hatte dasselbe sicher einen Namen, der
sich noch in allen Namen der Ortschaften spiegelt, in die es zerstückelt
ward, wobei die verschiedenen Dialecte der Landesbewohner zur Geltung
kamen. Merkwürdig ist es, dass kein einziger der Namen, die wir bis-
her betrachtet, auf die landesübliche Bezeichnung für das Heiligthum
„Romowe" klar hinweist. Wir finden jedoch den Stamm dieses Wortes
noch in den Namen der benachbarten Ortschaften an der Haffküste,
Bossen (Bussen), Runenberg und Rosenberg, sowie in der ursprünglichen
Bezeichnung für Romansgut, „Rogiten oder Roitten", welche noch an
das littauische „rojus* (Paradies) deutlich erinnert. Romowe heisst
wahrscheinlich nichts anderes, als „Landesberg", „der Berg0 in ganz
besonderem Sinne. Wir halten das Wort Romowe für ein Urwort, dessen
Stamm im lateinischen Roma, robur (Eiche), rogus (Himmel) hervor-
tritt und nicht nur bei den Indogermanen und Slaven, sondern selbst
bei den Semiten im Gebrauch war. Auch im hebräischen heisst „rom*
oder „rüm* die Höhe.
2e) No. 152.
592 ^er Prosaische Landberg, du iiltesle Roidowo von Adolf Bogge.
Geschützt war das Heiligthum auf der Westseite durch die „Eber-
burgen" Partegal und Parteinen, hinter welchen sich ein undurchdring-
licher Sumpf nach der Haffküste zog, deren Ufer noch besonders durch
die „Snmpfburg* (Balga, Wolga, Wolitta) bewehrt waren. Südlich von
derselben befand sich ein uraltes Dorf Beynis (ßeinschhof), das 1262
der Keimkallcnschen Begüterung zugetheüt wurde und dessen Namen
wir nicht zn erklären wissen. Am übrigen Theil der Haffküste deckt«
der „Bey stern* (Büsterwalde) mit geheimniBsvollem Dunkel das heutige
Schettnienen, dessen Namen sich ans dem litauischen gleichfalls mit
szernas zusammenhangenden Worte Bsze"tonas' (Teufel) erklären lässt.
Sobald sieh der Schlüssel, den wir gefunden, als echt erprobt, fällt
nicht nur ein neues Liebt auf die verschiedensten Orte und Gegenden
unserer Provinz, sondern auch auf die Urgeschichte der europäischen
Volksstämme. Germanen,") Kelten, Sarmaten, Pruzen, Warmier, Barter
waren sammt und sonders einst Eberanbeter.
Iu unserer Provinz ging die Sonne des europäischen Heidenthums
unter, das sich noch einmal matt in ihren letzten Strahlen spiegelt.
Der edle Varaha, der einst mit den Spitzen seiner gewaltigen Bauer
die Erde dem Abgrund enthoben und auf die Wasser gewälzt, ist zum
Gorcho geworden, die Biesengestalten, welche das Himmelsgebirge er-
zeugt, versinken ruhmlos als matte Schemen im Cbronos.
s:) ,Ger* heisst jedenfalls .Speer* erat in abgeleiteter Bedeutung. Der Ursinn
des Wortes war erst Eber, dann Blitz. Achnlich bei den Kelten,
Nach Absendung des Mannscripts theilte mir noch Herr Pfarrer
Kleist- Bladiau mit, dass sich in Jurkendorf wie in Newecken und Wind-
keim gesprengte Opfersteine gefunden. „Uebrigcns", sagt er, „giebt es,
glaube ich, kein Dorf, wo sich noch so zu laugen Wällen zusammen-
geschobene grosse Feldsteine finden, wie iu Jurkendorf." Ein zu Thomas-
dorf gehöriges Gütchen heisst noch heute „Eichwald", obgleich keine
Eichen da stehen.
Immanuel Kants
Ansichten über das weibliche Geschlecht.
Tischrede am 153. Geburtstage des Philosophen, den 22. April 1877
in der Köuigsb erger Kant- Gesellschaft gehalten
von
I>r. Benno Boforik.
Hochgeehrte Festgenossen !
Der grosse Denker, dessen 153sten Geburtstag in herkömmlicher
Weise zu feiern wir uns heute hier vereinigt haben, lebte, wie Ihnen
Allen bekannt ist, im Cölibat. Einzelne seiner Zeitgenossen hielten ihn
geradezu für einen Feind des Ehestandes. Dieser Umstand schien mir
an und für sich verlockend, seine Lehren und Ansichten Aber das weib-
liche Geschlecht, wie sie uns theils in seinen eigenen Schriften, theils
in Aufzeichnungen seiner Freunde erhalten sind, zusammenzustellen.
Dazu kam, dass sich hierbei Gelegenheit fand, Kant's Grundsätze über
Erziehung und Bildung der Frauen kennen zu lernen, was gerade in
unseren Tagen, in denen man der besonders von Amerika und Kuss-
land ausgehenden Strömung folgend eifrig bemüht ist die von Natur
gesteckten Schranken weiblichen Erkennens und Wissens zu durch-
brechen, von allgemeinerem Interesse zu sein versprach. —
Wollen Sie, meine Herren, die Wahl dieses Themas, bei dessen
Ausführung es sich, wie ich schon andeutete, nicht sowohl um eine
kritische Beurtheilung, als vielmehr wesentlich um eine Wiedergabe
Kant'scher Ideen, zumeist mit seinen eigenen Worten handelt, damit
entschuldigen, dass ich, dessen ganzem Wirkungskreise eingehendere
Beschäftigung mit Philosophie für gewöhnlich fern liegt, nicht durch
eigene Initiative, sondern durch Laune des Schicksals auf diesen einem
Würdigeren gebührenden Ehrenplatz gefuhrt bin.
594 Immanuel Kants Ansichten aber das weibliche Oeschleefat
Wenngleich, einem physiologischen Gesetze gemäss, „alle Ge-
schlechts Verschiedenheiten nur als Abänderungen identischer, beiden Ge-
schlechtern gemeinsamer Grundbildungen anzusehen sind", so ist doch
in jedem der beiden Geschlechter der Mensch körperlich in so charak-
teristischer Weise modificirt, dass der Inbegriff der dem mannlichen
Körper eigentümlichen Formen uns das prägnante Bild des männlichen
Körpers, sowie die Eigenthümlikeiten des weiblichen Körpers das Bild
der Weiblichkeit geben. Während beim Manne der ganze Bau des
Körpers auf Kraftentwickelung und grössere Wirkung nach Aussen be-
rechnet ist, zeigt die Organisation des Weibes eine auffällig zartere und
schwächere Beschaffenheit, mit welcher eine vermehrte Sensibilität un-
zertrennlich verbunden ist. Der ganze Bau desselben ist berechnet auf
innere Bildung und Aufnahme äusserer Einflüsse.
Dem entsprechend besteht auch ein bestimmt ausgesprochener
Unterschied der Geschlechter in geistiger Beziehung. Während aber
die eigentümlichen Anlagen des Mannes sich unter den verschiedensten
Verhältnissen offenbaren, bedürfen die des Weibes, um sich zu entwickeln
und kennbar zu werden, des begünstigenden Einflusses der Cultur. Denn
„im rohen Naturzustände kann man sie" — wie Kant meint1) — .ebenso
wenig erkennen, als die der Holzäpfel und Holzbirnen, deren Mannig-
faltigkeit sich nur durch Pfropfen oder Inoeulireu entdeckt.* Immerhin
sind diese weiblichen Beschaffenheiten nicht durch die Cultur hinein-
gebracht, sondern Naturanlagen. Wenn man daher zu einer Charak-
teristik des Weibes gelangen will, muss man darauf zurückgehen, welchen
Zweck die Natur hei Einrichtung desselben gehabt hat. Dieser Zweck
ist nach Kant'): .die Erhaltung der Art und die Cultur der Gesellschaft
und Verfeinerung derselben durch die Weiblichkeit *
„Als die Natur dem weiblichen Schoosse ihr thenerstes Unterpfand,
nämlich die Species, in der Leibesfrucht anvertraute, durch die sich
die Gattung fortpflanzen und verewigen sollte, so fürchtete sie gleich-
sam wegen Erhaltung derselben nnd pflanzte diese Furcht, nämlich
') Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. 2. Aufl. Königs-
berg 1800. S. 283.
') Ebenda S. 287.
von Dr. Benno Bobrik. 595
vor körperlichen Verletzungen und Schüchternheit vor dergleichen
Gefahren, in ihre Natur; durch welche Schwäche dieses Geschlecht das
männliche rechtmässig zum Schutze für sich auffordert.
«Da sie auch die feineren Empfindungen, die zur Gultur gehören,
nämlich die der Geselligkeit und Wohlanständigkeit, einflössen wollte,
machte sie dieses Geschlecht zum Beherrscher des männlichen, durch
seine Sittsamkeit, Beredheit in Sprache und Mienen, früh gescheut, mit
Ansprüchen auf sanfte höfliche Begegnung des männlichen gegen das-
selbe, so dass sich das letztere, durch seine eigene Grossmuth, von
einem Kinde unsichtbar gefesselt, und wenngleich dadurch eben nicht
zur Moralität selbst, doch zu dem, was ihr Kleid ist, dem gesitteten
Anstände, der zu jener die Vorbereitung und Empfehlung ist, ge-
bracht sah.* —
Gebührt den Frauen in Ansehung ihrer geringeren körperlichen
Stärke gegenüber den Männern der Namen des schwachen Geschlechts,
so kommt ihnen mit nicht geringerem Rechte die Bezeichnung schönes
Geschlecht zu. „Denn,0) ohne in Erwägung zu ziehen, dass ihre Ge-
stalt überhaupt feiner, ihre Züge zarter und sanfter, ihre Miene im
Ausdruck der Freundlichkeit, des Scherzes und der Leutseligkeit be-
deutender und einnehmender ist, als bei dem männlichen Geschlechte:
ohne auch dasjenige zu vergessen, was man für die geheime Zauber-
kraft abrechnen muss, wodurch sie unsere Leidenschaft zum vortheil-
haften Urtheil für sie geneigt machen: so liegen vornämlich in dem
Gemüthscharakter dieses Geschlechts eigentümliche Züge, die es von
dem unseren deutlich unterscheiden, und die darauf hauptsächlich hin-
auslaufen, sie durch das Merkmal des Schönen kenntlich zu machen.1
„Die Frauen haben ein angeborenes stärkeres Gefühl für Alles,
was schön, zierlich und geschmückt ist.* „Sie ziehen das Schöne dem
Nützlichen vor." „Sie haben grossen Sinn für Reinlichkeit und Ab-
scheu vor Allem, was Ekel verursacht. * „Sie lieben den Scherz und
sind von Natur überhaupt mit einem heitern Lebenssinne ausgestattet. *
3) Immanuel Kant, Beobachtungen Über das Gefühl des Schönen und Erhabenen,
Vermischte Schriften 2. Bd. 1799. S. 386 ff.
596 Immanuel Kants Ansichten über das weibliche Geschlecht
„Sie haben sehr früh ein sittsames Wesen an sich, wissen sich einen
feinen Anstand zu geben und besitzen sich selbst.11 „Sie sind von sehr
zärtlicher Empfindung in Ansehung der mindesten Beleidigung und
überaus fein, den geringsten Mangel der Aufmerksamkeit und Achtung
gegen sie zu bemerken. * — Schamhaftigkeit gehört zu ihren schön-
sten — Bescheidenheit zu ihren liebenswürdigsten Eigenschaften.
Selbst manche ihrer Schwachheiten, wie die Eitelkeit, in sofern
sie nur nicht in närrisches oder aufgeblasenes Wesen ausartet, ist als
ein Antrieb, das eigene Bedürfniss des Schönen zu befriedigen und in
grösserem Masse zu gefallen und zu erfreuen, nur — so zu sagen —
„ein schöner Fehler*. Thränen des Schmerzes oder solche, die wegen
Beleidigung oder Unglück vergossen sind, würden den Mann verächtlich
machen, das Weib verunzieren sie nicht.
Es wäre thöricht anzunehmen, dass das Weib mit geringeren
Kräften des Verstandes ausgestattet sei, als der Mann. Derselbe ist
aber von anderer Beschaffenheit. Während des Mannes Verstand ein
umfassender, durchdringender, tiefer sein soll, hat das Weib einen
«schönen Verstand", „der zu seinen Gegenständen alles wählt, was
mit dem feineren Gefühle nahe verwandt ist, dagegen abstracte Specu-
lationen oder Kenntnisse, die nützlich aber trocken sind, dem emsigen,
gründlichen und tiefen Verstände überlässt.'
Verstand und Herz sind gewissermassen bei ihnen eins; oder das
letztere ist vielmehr das Organ für die Offenbarungen des ersten.
Die Stelle von Grundsätzen, deren Kant das sohöne Geschlecht
kaum für fähig hält, vertreten bei ihnen Empfindungen des Mitleidens,
dea Wohlwollens und der Gefälligkeit, welche an und für sich zwar
nicht die Grundlage wahrer Tugend sind, aber indem sie das Gefühl
einer unmittelbaren Lust an schönen Handlungen enthalten, Gründe
zu solchen werden können, daher gewissermassen Supplemente der
Tugend bilden und wegen dieser Verwandschaft mit der wahren Tugend
von Kant als adoptirte, auch schöne Tugenden bezeichnet werden. 4)
„Die Frauen vermeiden das Böse, nicht weil es unrecht, sondern
4) a. a. 0. S. 367, 368, 392.
von Dr. Benno ßobrik. 597
weil es hässlich ist und tugendhafte Handlungen bedeuten bei ihnen
solche, die sittlich schön sind."
Jeder Zwang, jeder Befehl, alles Sollen, Müssen, Schuldigsein ist
ihnen unleidlich. „Sie thun etwas nur darum, weil es ihnen so beliebt,
und die Kunst besteht darin, zu machen, dass ihnen nur dasjenige be-
liebe, was gut ist*
Während des Mannes Ideal das Grosse, Edle, Erhabene ist und
er Sinn für Schönheit fast nur gegen das Weib hat, schätzt und be-
wundert dieses die Grösse im Manne, seine eigene Sphäre aber findet
es in der Welt des Schönen.
Diese in der Natur begründeten eigentümlichen Geistes- und
Gemüthsanlagen, verbunden mit dem Gefühl körperlicher Schwäche und
dadurch bedingter Schutzbedürftigkeit machen das Wesen der Weiblich-
keit aus. Sie in harmonischer Weise der Art zur Entwickelung zu
bringen, dass der Charakter der Weiblichkeit rein erhalten bleibt, dass
nach keiner Seite hin die Absichten der Natur ignorirt, ihre vorge-
schriebenen Wege und Grenzen überschritten werden, ist die alleinige
Aufgabe aller Erziehung und Unterweisung. Um mich eines Bildes zu
bedienen, besteht also nach Kant das Wesen weiblicher Bildung darin,
dass der von der Natur gewissermassen in grossen Umrissen vorge-
zeichnete Carton in sorgfältigster Weise ausgeführt, dabei aber strenge
vermieden wird, irgend welche neuen Ideen hinzuzufügen.
Weil die Frauen immer nur Dasjenige vollständig verstehen, wo-
bei das Herz nicht weniger empfindet, als der Verstand denkt, so ist
bei ihrer Unterweisung jeder „kalte speculative Unterricht* zu vermeiden,
vielmehr immer an „Empfindungen" anzuknüpfen, »und zwar an solche,
die so nahe wie möglich bei ihtem Geschlechtsverhältnisse bleiben/ 6)
Aus diesem Grunde werden sie „keine Geometrie lernen*, sie werden
nicht über das innere Wesen und die Ursachen der Dinge grübeln,
„sie werden in der Geschichte sich nicht den Eopf mit Schlachten Und
in der Erdbeschreibung nicht mit Festungen anfüllen; denn es schickt
sich8 — nach Kant — „für sie ebensowenig, dass sie nach Schiesö-
•) a. a. 0. S. 392.
598 Immanuel Kants Ansichten über das weibliche Geschlecht
pulver, als für die Männer, dass sie nach Bisam riechen sollen.*6)
»Der Inhalt der grossen Wissenschaft der Frauen ist vielmehr der
Mensch, und unter den Menschen der Mann.8 —
«Man wird daher ihr gesammtes moralisches Gefühl, und nicht
ihr Gedächtniss zu erweitern suchen und zwar nicht durch allgemeine
Kegeln, sondern durch einiges Urtheil über das Betragen, welches sie
um sich sehen. Die Beispiele, die man aus anderen Zeiten entlehnt, um
den Einfiuss einzusehen, den das schöne Geschlecht in die Weltgeschäfte
gehabt hat, die mancherlei Verhältnisse, darin es in anderen Zeitaltem
oder in fremden Landen gegen das männliche gestanden; der Charakter
beider, sofern er sich hierdurch erläutern lässt, und der veränderliche
Geschmack der Vergnügungen, machen ihre ganze Geschichte und Geo-
graphie aus/ — „Ebenso werden sie von dem Weltgebäude nichts mehr
zu kennen nöthig haben, als nöthig ist den Anblick des Himmels an
einem schönen Abende ihnen rührend zu machen, wenn sie einiger-
massen begriffen haben, dass noch mehr Welten , und daselbst noch
mehr schöne Geschöpfe anzutreffen seien. Gefühl für Schildereien vom
Ausdrucke und für die Tonkunst, nicht insofern sie Kunst, sondern
Empfindung äussert, alles dieses verfeinert oder erhebt den Geschmack des
Weibes und hat jederzeit einige Verknüpfung mit sittlichen Regungen.*
Da es „zur Schönheit aller Handlungen gehört, dass sie Leich-
tigkeit an sich zeigen, und ohne peinliche Bemühung scheinen voll-
zogen zu werden, so schicken sich tiefes Nachsinnen und eine lange
fortgesetzte Betrachtung nicht wohl für die Frauen.*7) „ Mühsames
Lernen oder peinliches Grübeln* — meint Eant — „wenn es gleich eine
Frau darin hoch bringen sollte, vertilgen die Vorzüge, die ihrem Ge-
schlechte eigentümlich sind, und können dieselben wohl um der Selten-
heit willen zum Gegenstande einer kalten Bewunderung machen; aber
sie werden zugleich die Beize schwächen, wodurch sie ihre grosse Ge-
walt über das andere Geschlecht ausüben.*
Gelehrsamkeit verträgt sich eben so wenig mit der Natur als der
Bestimmung des Weibes. Alles Wissen, welches der Stimmung, dem
*) a. a. 0. S. 889 ff. *) a. a. 0. S. 388 fL
von Dr. Benno BobrJlc. 59$
Gefühle, dem Wunsche fremd bleibt, ist eitler Flitterstaat und ver-
unstaltet das Weib, bei dem „ungezwungene Beize nichts anders, als
eine schöne Natur zeigen sollen. ■
Wenn Kant auch nicht so unhöflich sich ausdrückt, wie der Frei-
herr von Knigge8), welcher gesteht, „dass ihn immer eine Art von
Fieberfrost befällt, wenn man ihn in Gesellschaft einer Dame gegen-
über oder an die Seite setzt, die grosse Ansprüche auf Schöngeisterei
oder gar auf Gelehrsamkeit macht", so sind ihm die gelehrten Frauen
doch eben so wenig sympathisch.
Borowski9) ist überzeugt davon, dass Kant von einem weiblichen
Wesen, das ihn an seine Kritik der reinen Vernunft erinnert, oder über
die französische Revolution, davon er sonst in männlicher Gesellschaft
sich leidenschaftlich unterhielt, mit ihm ein Gespräch hätte anketten
wollen, sicher augenblicklich sich weggewandt haben würde. —
„Ein Frauenzimmer,* — sagt Kant10) — „das den Kopf voll
Griechisch hat, wie die Frau Dacier, oder über die Mechanik gründ-
liche Streitigkeiten fuhrt, wie die Marquisin von Chätelet, mag nur
immerhin noch einen Bart dazu haben; denn dieser würde vielleicht
die Miene des Tiefsinns noch kenntlicher ausdrücken, um welchen sie
sich bewerben.*
An einer anderen Stelle ") meint er in Betreff der gelehrten Frauen,
„sie brauchen ihre Bücher etwa so wie ihre Uhr, nämlich sie zu
tragen, damit gesehen werde, dass sie eine haben; ob sie zwar gemeinig-
lich still steht oder nicht nach der Sonne gestellt ist*
„Einmal liess er*, wie Borowski11) erzählt, „gegen eine vornehme
Dame, die durchaus mit ihm ganz gelehrt sprechen wellte und, da sie
bemerkte, dass er immer auswich, fortwährend behauptete, dass Damen
doch auch wohl eben so gut gelehrt sein können, als Männer, und dass
8) Adolph Freiherr von Knigge: »Ueber den Umgang mit Menschen*. 4* Aafl.
1792. 2. Theil. S. 112.
9) Ludw. Ernst Borowski, Darstellung des Lebens und Characters Immanuel
Kants. Königsberg 1804. S. 147.
10) Imm. Kant, Beobacht. üb. d. Gel <L Schönen u. Erhab, S. 389.
u) Imm. Kant, Anthropologie S. 290.
la) Borowski Lc8, 147.
600 Immanuel Kants Ansichten über das weibliche Geschlecht
es wirklich gelehrte Frauen gegeben hätte, sich den freilich etwas
derben Ausdruck entfallen: Nun ja, es ist auch darnach. u
Wenn ein langjähriger Freund Kant's, der Kriegs- und Domänen-
rath Heilsberg an Kraus schreibt "): „Kant behauptete, dass die Frauen
nirgends als in ihrem Hause durch häusliche Tugenden Achtung ver-
dienten *, so ist das in manchen Beziehungen vielleicht zu viel gesagt,
trifft aber doch im Ganzen das, was Kant über Bildung und Bestim-
mung des Weibes dachte. Es fixirt zugleich den Standpunkt, welchen
Kant der heute zum Theil schon in practischer Lösung begriffenen
Frauenfrage gegenüber unzweifelhaft eingenommmen haben würde. Dass
dieser ein verneinender gewesen wäre, davon bin ich durchaus über-
zeugt, verhehle auch nicht, dass es mein eigener Standpunkt ist.
Wer, meine Herren, würde nicht mit Freuden und mit Dank jede
Gelegenheit begrüssen, welche für die zahllosen — auf ihren eigenen Ver-
dienst angewiesenen Mädchen und Frauen das Feld ihrer Thätigkeit in
angemessener Weise erweiterte? — Aber die unerlässliche Bedingung
dabei ist, dass dieses Feld immer innerhalb der dem Weibe von der
Natur gezogenen Grenzen bleibt. Sobald den körperlichen Kräften des
Weibes dabei Zumuthungen gemacht werden, denen sie nicht gewachsen
sind, sobald die dem Weibe angeborene Schüchternheit — sobald sein
Zartgefühl ignorirt, sobald die Regungen und Empfindungen des
Herzens denen des kalten Verstandes vollständig untergeordnet werden
sollen, kurz, sobald das Weib aus seiner weiblichen Sphäre heraus-
treten muss, wird damit einerseits die schöne Natur des Weibes ver-
nichtet, — andererseits ist nicht zu erwarten, dass das Weib den ihm
obliegenden Verpflichtungen werde gerecht werden. — Werfen wir nur
einen flüchtigen Blick auf ein Studium, welches den Frauen in manchen
Ländern bereits zugänglich gemacht ist und dessen sie sich dort mit
einer Art von Gier bemächtigen — ich meine das Studium der Medizin.
»Dem Schönen ist* — nach Kant ") — „nichts so entgegengesetzt,
als der Ekel.* Welche Fülle von Ekel erregenden Eindrücken muss
,3) »Kantiana*. Beiträge sra Imm. Kant's Leben und Schriften herausg. von
Dr. Bad. Reicke. Königsberg 1860. S. 50.
") Kant, Beobacht. üb. d. Gefühl d. Schönen u. Erhab. S. 395.
ton Dr. Benno ßobrik. gQ^
das für alles Schöne von Natur so empfängliche Geniüth des Weibes
beim Studium und bei Ausübung dieser Wissenschaft überwinden!
Welche Beleidigungen seines Zartsinns muss es sich gefallen lassen!
Welche Kegungen des Mitgefühls muss es zeitweise zu unterdrücken,
wie ganz allein bei seinem eingreifenden Handeln immer nur diejenige
Indikation im Auge zu behalten verstehen, welche es auf dem Wege
ruhiger Reflexion als die allein richtige erkannt hat!
Ich zweifele keinen Augenblick, es wird einzelne Frauen geben,
welche, durch männliche Anlagen unterstützt, mit .männlichem Sinn
dieses Alles ermöglichen werden. Aber in Kant's Augen würden sie
dadurch sich nicht über das Weib erhoben haben, sondern tief unter
dasselbe gesunken sein. Die Beize, mit denen die Natur ihren Gemüths-
charakter ausstattete, und mit denen sie des Mannes Herz bezaubern,
sind verloren gegangen, dem Princip der Natur, welches sie zur Gattin,
zur Mutter — kurz für das häusliche Leben bestimmte, ist Hohn
gesprochen. —
Weil eben alle unterscheidenden Anlagen des Geistes und Herzens
bezeugen, dass das Weib für das Haus bestimmt ist, verlangt Kant,
dass die Frauen ihrer allgemeinen Ausbildung unbeschadet, sich auch
für die speciellen Zwecke als Gattin und Hauswirthin gehörig ausbilden
sollen, um ihre künftige Bestimmung ganz zu erfüllen. Zu dem Ende
hielt er es, wie Jachmann schreibt, l5) für räthlich, dass man seine
Tochter ebenso von einem Koch eine Stunde in der Kochkunst unter-
richten lassen möchte, als von dem Musikmeister in der Tonkunst, weil
sie sich bei ihrem künftigen Manne, er sei, wer er wolle, Gelehrter
oder Geschäftsmann, weit mehr Achtung und Liebe erwerben würde,
wenn sie ihn nach vollbrachter Arbeit mit einer wohlschmeckenden
Schüssel ohne Musik, als mit einer schlechtschmeckenden mit Musik
aufnehmen möchte. — Als Jemand Kant erzählte, dass in Schottland
in den besten Häusern der Gebrauch, den Töchtern in der Kochkunst
von einem Koche Lectionen geben zu lassen, wirklich stattfinde, hörte
") Reinh. Beruh. Jachmann : Imm. Kant geschildert in Briefen an einen Freund.
Königsberg 1804. 15. Brief. S. 171 ff.
Altpr. MonAUMhrift Bd. XIV. Hft. 7 o. 8. 39
602 Immanuel Kants Ansichten über das weibliche Geschlecht
er nicht allein mit Vergnügen zu, sondern pflegte diese Erzählung auch
öfters zur Bekräftigung seines Bathes anzuführen, um jeden Hausvater
zur Benutzung dieses Bildungsmittels bei seinen Töchtern desto ge-
neigter zu machen.
Ueberhaupt kam Kant in der Unterhaltung mit Frauen gerne
auf Angelegenheiten, die sich aufs Haus- und Küchenwesen beziehen.
Einmal , erzählt uns Borowski, ,6) als eben sein Gespräch über Zube-
reitungen der Speisen etwas ausführlich ward, sagte ihm eine würdige,
auch von ihm sehr geschätzte Dame: „Es ist doch, lieber Herr Pro-
fessor, wirklich, als ob sie uns alle blos für Köchinnen ansehen8. Und
da war es nun eine Freude zu hören, mit welcher Gewandtheit und
Feinheit Kant es auseinandersetzte, dass Kenntniss des Küchenwesens
und die Direction davon jeder Frau wahre Ehre sei; — dass durch
Erfreuungen und Erquickungen des Mannes, der von seinem geschäfte-
vollen Vormittage nun müde und matt an den Tisch käme, sie eigentlich
sich selbst Erfreuungen für ihr Herz, erheiternde Tischgespräche u. s. f.
verschaffe. Wirklich, er zog die Herzen aller Damen durch diese
Auseinandersetzungen, die er lebhaft und launig vortrug, ganz an sich.
Jede wollte nun von ihrem Manne das Zeugniss an den Professor haben,
dass sie eine solche Frau sei; jede in der Gesellschaft bot sich dazu
an, ihm, wenn er Fragen, die zum Haus- und Küchenwesen gehörten,
ihnen vorlegen wollte, diese willig und prompt zu beantworten. —
Doch, meine Herren, um die Charakteristik des Weibes nach Kant
zu vervollständigen, müssen wir dasselbe noch in seinen Beziehungen
zum Manne betrachten.
„Zur Einheit und Unauflöslichkeit einer Verbindung", sagt Kant "),
„ist das beliebige Zusammentreten zweier Personen nicht hinreichend;
ein Theil musste dem andern unterworfen und wechselseitig einer
dem andern irgend worin überlegen sein, um ihn beherrschen oder re-
gieren zu können. Denn in der Gleichheit der Ansprüche zweier,
die einander nicht entbehren können, bewirkt die Selbstliebe lauter Zank.
Ein Theil muss im Fortgange der Cultur auf heterogene Art über-
") Borowski LcS. 148. ") Kant, Anthropologie S. 283 ff.
von Dr. Benno ßobrik, g03
legen sein: der Mann dem Weibe durch sein körperliches Vermögen
und [seinen Muth, das Weib aber dem Manne durch ihre Naturgabe
sich der Neigung des Mannes zu ihr zu bemeistern."
„Die Natur will, dass das Weib gesucht werde, daher verhält sich
das Weib weigernd, der Mann bewerbend; ihre Unterwerfung ist
Gunst.* „Daher musste sie selbst nicht so delikat in der Wahl nach
Geschmack sein als der Mann.8 — „Eine Frau ist darüber wenig
verlegen, dass sie gewisse hohe Eigenschaften nicht besitze, dass sie
furchtsam und zu wichtigen Geschäften nicht aufgelegt ist u. s. w. —
sie ist schön und nimmt ein, und das ist genug. Dagegen fordert sie
alle diese Eigenschaften vom Manne, und die Erhabenheit ihrer Seele
zeigt sich nur darin, dass sie diese edlen Eigenschaften zu schätzen
weiss, sofern sie bei ihm anzutreffen sind. Wie würde es sonst wohl
möglich sein, dass so viele männliche Fratzengesichter, ob sie gleich Ver-
dienste besitzen mögen, so artige und feine Frauen bekommen könnten.11 ")
„Er liebt den Hausfrieden und unterwirft sich gerne ihrem
Regiment, um sich nur in seinen Geschäften nicht behindert zu sehen.
Sie scheut den Hauskrieg nicht, den sie mit der Zunge führt, und
zu welchem Behuf die Natur ihr Redseligkeit und effectvolle Beredheit
gab, die den Mann entwaffnet. Er fusst sich auf das Recht des
Stärkeren, im Hause zu befehlen, weil er es gegen äussere Feinde
schützen soll, Sie auf das Recht des Schwächeren: vom männlichen
Theile gegen Männer geschützt zu werden und macht durch Thränen
der Erbitterung den Mann wehrlos, indem sie ihm seine Ungross-
müthigkeit vorwirft. • ,8)
9Der Mann bewirbt sich in der Ehe nur um seines Weibes,
die Frau aber um aller Männer Neigung; sie putzt sich nur für die
Augen ihres Geschlechts aus Eifersucht, andere Weiber in Beizen oder
im Vornehmthun zu übertreffen: der Mann hingegen für das weibliche;
wenn man das Putz nennen kann, was nur soweit geht, um seiner Frau
durch seinen Anzug nicht Schande zu machen/10)
") Kant, Beobacht. üb. d. Gefühl des Schönen u. Erbab. S. 406.
") Kant, Anthropologie. S. 284.
>0) Ebd. S. 289 ff.
39*
604 Immanuel Kants Ansichten über das weibliche Geschlecht
„Der Mann ist eifersüchtig, wenn er liebt, die Frau auch, ohne
dass sie liebt.8
„Der Mann hat Geschmack für sich, die Frau macht sich selbst
zum Gegenstande des Geschmacks für Jedermann.*
„Die Ehre des Mannes besteht in der Schätzung seiner selbst, die
des Weibes in dem Urtheil Anderer;1421) denn: »Was die Welt sagt,
ist wahr und was sie thut, gut, ist ein weiblicher Grundsatz.*")
„Der Mann ist leicht zu erforschen, die Frau verräth ihr Geheim-
niss nicht, obgleich anderer ihres (wegen ihrer Sedseligkeit) schlecht
bei ihr verwahrt ist.*
„Der Mann beurtheilt weibliche Fehler gelind, die Frau aber
(öffentlich) sehr strenge und junge Frauen, wenn sie die Wahl hätten,
ob ihr Vergehen von einem männlichen oder weiblichen Gerichtshofe
abgeurtheilt werden solle, würden sicher den ersten zu ihrem Richter
wählen.* —
„Sie ist empfindlich — Er empfindsam; sie setzt der Unge-
rechtigkeit Thränen — Er Zorn entgegen."
„Sie fragt nicht nach der Enthaltsamkeit des Mannes vor der Ehe;
ihm aber ist an derselben auf Seiten der Frau unendlich viel gelegen.*
„Das Weib wird durch die Ehe frei — der Mann verliert dadurch
seine Freiheit.*
„Des Mannes Wirthschaft ist Erwerben, die des Weibes Sparen.*
„Die Frau will herrschen, der Mann beherrscht sein (vornehmlich
vor der Ehe).*
Wer soll denn aber den oberen Befehl im Hause haben? Denn
nur einer kann es doch sein, der alle Geschäfte in einen mit diesen
seinen Zwecken übereinstimmenden Zusammenhang bringt. Kant sagt:
„Ich würde in der Sprache der Galanterie (doch nicht ohne Wahrheit)
sagen: die Frau soll herrschen — und der Mann regieren; denn
die Neigung herrscht und der Verstand regiert.*
S1) Kaut's Fragmente aas seinem Nacblass hrsg. von F. W. Schubert. 11. Thl.
1. Abth. S. 221. Bemerk, zu d. Beobacht. üb. d. Gefühl d. Schönen u. Erbab.
") Kant, Anthropologie. S. 290 ff.
Ton Du Benno Bobrik* gQ5
„Im Uebrigen soll in dem ehelichen Leben das vereinigte Paar
gleichsam eine einzige moralische Person ausmachen, welche durch den
Verstand des Mannes und den Geschmack der Frau belebt und regiert
wird. Es ist in einem solchen Verhältnisse ein Vorzugstreit läppisch,
und wo er sich ereignet, das sicherste Merkmal eines plumpen oder
ungleich gepaarten Geschmacks. Wenn es dahin kommt, dass die Bede
vom Rechte des Befehlshabers ist, so ist die Sache schon äusserst
verderbt: denn wo die ganze Verbindung eigentlich nur auf Neigung
errichtet ist, da ist sie schon halb zerrissen, sobald sich das Sollen
anfängt hören zu lassen/29)
»Das Weib in jedem Alter wird für bürgerlich - unmündig er-
klärt: der Ehemann ist ihr natürlicher Curator. Wenn sie aber mit
ihm in getheilten Gütern lebt, ist es ein Anderer. Denn obgleich das
Weib nach der Natur ihres Geschlechts Mundwerk genug hat, sich und
ihren Mann, wenn es aufs Sprechen ankommt, auch vor Gericht (was
das Mein und Dein betrifft) zu vertreten, mithin dem Buchstaben nach
gar für übermündig erklärt werden könnte, so können die Frauen
doch, so wenig es ihrem Geschlechte zusteht in den Krieg zu ziehen,
ebensowenig ihre Bechte persönlich vertheidigen und staatsbürgerliche
Geschäfte für sich selbst, sondern nur vermittelst eines Stellvertreters
treiben, und diese gesetzliche Unmündigkeit in Ansehung öffentlicher
Verhandlungen macht sie in Ansehung der häuslichen Wohlfahrt nur
desto vermögender, weil hier das Recht des Schwächern eintritt, welches
zu achten und zu vertheidigen sich das männliche Geschlecht schon
durch seine Natur berufen fühlt."24)
Es geschieht garnicht selten, dass Aeusserungen berühmter Männer,
welche von diesen gelegentlich einmal hingeworfen oder auf einen
ganz speciellen Fall bezüglich gethan worden sind, von irgend einem
Zeitgenossen uns als deren allgemein gültige Meinung mitgetheilt werden,
wodurch bei Jedem, der nicht in der Lage ist der Sache prüfend näher
treten zu können, sehr leicht ganz verkehrte Vorstellungen über die
") Kant, Beobacht üb. d. Gefühl d. Schönen u. Erhab. S. 293.
") Kant, Anthropologie. S. 135.
ßQß Immanuel Kanta Ansichten über das weibliche Geschlecht
eigentliche Ansicht Jener erzeugt werden können. So theilt Professor
Metzger mit is): „Kant war Misogyn d. h. er hatte keine günstige Meinung
von dem Glück des Ehestandes und der Gabe des Weibes dem Manne,
wenn sie will, Blumen auf den Pfad seines Lebens zu streuen. Er
behauptete, das conjugium beweise schon hinlänglich, dass beide Ehe-
leute an einem Joche tragen; und in ein Joch gespannt sein, könne
doch keine Glückseligkeit genannt werden." — Ferner schreibt Jach-
mann "): „Uebrigens dachteer über den Ehestand ganz wie der Apostel
Paulus 1. Chorinter 7, 7—8 und bestätigte dies noch durch das Ürtheil
einer sehr verständigen Ehefrau, welche ihm öfters gesagt hatte: ist
Dir wohl, so bleibe davon.* —
Doch, meine Herren! es wäre falsch, wenn man aus diesen, vielleicht
bei Tische einmal hingeworfenen Aeusserungen des sechszig- bis siebzig-
jährigen Mannes schliessen wollte, dass Kant überhaupt ein abgesagter
Feind des Ehestandes gewesen sei. Er hielt den Ehestand nicht nur für
ein noth wendiges Bedürfhiss, sondern er rieth selbst seinen Freunden,
die er durch eine gute Parthie zu beglücken wünschte, und deren Stand
die Ehe räthlich machte, die Heirath an und sorgte sogar selbst für
eine gute Wahl. Allerdings hatte er dabei seine eigenen Grundsätze.
Er war der Meinung dass, wenn man bei der Wahl einer Gattin noch
auf ein sinnliches Motiv sehen wolle, man lieber auf Geld Bücksicht
nehmen möchte, weil dieses länger, als alle Schönheit . und aller Beiz
vorhalte, zum soliden Lebensglücke sehr viel beitrage und selbst das
Band der Ehe fester knüpfe, weil der Wohlstand, in welchen sich der
Mann dadurch versetzt sieht, ihn wenigstens mit liebenswürdiger Dank-
barkeit gegen seine Gattin erfülle.27) — „Er pflegte öfters anzufahren:
ein verständiger Mann, Herr C, habe zweimal geheirathet, die erste
Frau, welche nichts weniger als wohlgestaltet gewesen, habe er vor-
züglich ihres Vermögens wegen gewählt; die andere, ein schönes Frauen-
zimmer, habe er aus herzlicher Liebe genommen; am Fnde aber doch
gefunden, dass er mit beiden gleich glücklich gewesen wäre.*18) —
SB) »Aeusserungen über Kant, seinen Charakter u. seine Meinungen. Von einem
billigen Verehrer seiner Verdienste.* 1804. S. 10—11.
»«) Jachmann 1. c. S. 94. *7) Ebenda. *•) Ebd. S. 98.
von Dr. Benno Bobrik. 607
Für einen Bruder Jachmann's hatte er schon mehrere Monate
vor dessen Zurückkunft aus England, Demoiselle B. — damals eines
der reichsten Mädchen in Königsberg ausgesucht, und schon am ersten
Tage seines Besuches legte ihm Kant diese Wahl mit solcher Theil-
nakme an's Herz und erbot sich selber so dringend als Freiwerber,
das3 jenes Geständniss, er habe bereits nach seinem Herzen gewählt,
ihm wirklich unangenehm war.29) —
Er selbst konnte dagegen Aufmunterungen zum Heirathen gar-
nicht leiden und ging mit Unwillen aus einer Gesellschaft in welcher
ihm auch nur zum Scherz dazu Vorschläge geschahen.30) Dabei will
ich nicht unerwähnt lassen, welchen höchst sonderbaren Heirathsplan
der Pfarrer Becker mit Kant noch in seinem 69. Lebensjahre hatte. 31)
Eines Tages kommt Becker zu Kant und fängt an dem Greise das
Angenehme und Wünschenswerte des ehelichen Standes auseinander-
zusetzen. Wie Kant versichert, dass er dieses Alles ffir Scherz auf-
nehme, so zieht Becker eine kleine gedruckte Piece aus der Tasche,
betitelt: „Raphael und Tobias oder das Gespräch zweier Freunde über
den Gott wohlgefälligen Ehestand", überreicht sie dem Professor mit
der Versicherung, dass er sie hauptsächlich für ihn habe drucken lassen
und zwar in der Hoffnung, dass der Inhalt dieser Abhandlung ihn
noch zur Ehe bewegen würde. Kant, welcher mit Freundlichkeit den
Raphael und Tobias annahm und den Verfasser für gehabte Mühe und
Druckkosten entschädigte, hatte seine grosse Freude an dieser Geschichte
und gab sie später in launigster Weise seinen Tischgenossen zum Besten.
Es liegt hier ausserordentlich nahe, zu fragen, ob Kant selbst denn
niemals geliebt habe oder ob etwa sein Hang nach metaphysischen
Speculationen und wissenschaftlichen Beschäftigungen ihm anriethen
der Ehe zu entsagen?
Meine Herren! Kant hat geliebt, — Er hat zweimal die ernste
Absicht gehabt sich zu verheirathen ; aber allerdings war er damals nicht
mehr im Jünglingsalter, wo man sich schnell bestimmt und rasch wählt.
") Jachmann 1. c. S. 95.
«0 »Kantiana«: Wald's Gedachtnissrede, S. 12.
31) Jachmann 1. c. S. 55. 6. Brief.
ßOg Immanuel Kants Ansichten über das weibliche Geschlecht
Einmal fiel seine Neigung auf eine junge schöne und sandte
auswärtige Wittwe, welche zum Besuche ihrer Angehörigen hergekommen
war. Er läugnete nicht, dass es eine Frau wäre, mit der er gerne
leben würde, berechnete Einnahme und Ausgabe und schob die Ent-
Schliessung einen Tag nach dem andern auf. Die schöne Wittwe be-
suchte noch Freunde im Oberlande und gab dort einem rechtschaffenen
Manne ihre Hand, der. schneller als Kant im Entschliessen und Zusage-
fordern war.
Das zweite Mal rührte ihn ein hübsches Westphälisches Mädchen,
welches als Beisegesellschafterin einer Edelfrau, die in Preussen Be-
sitzungen hatte, mitgebracht war. Kant war mit dieser artigen, zu-
gleich häuslich erzogenen Person gerne in Gesellschaft; und liess sich's
oft merken, säumte aber wieder so sehr mit seinen Anträgen, dass er
sich vornahm einen Besuch bei ihr abzustatten, als sie mit ihrer Ge-
bieterin sich schon an der Westphälischen Grenze befand.33)
Nach einer Anmerkung von Kraus zu Wald's Gedächtnissrede auf
Kant33) scheint es, dass Kant noch einmal Lust verspürt hat sich zu
verehelichen und zwar mit einer Königsbergerin — und ich habe Grund
anzunehmen, dass dieses Mädchen die am 12. August 1826 im Alter
von achtzig Jahren verstorbene verwittwete Frau Obereinnehmer Louise
Rebecca Ballath geb. Fritz gewesen ist.34) Von dieser ist mir durch
eine sehr ehrenwerthe Dame*), in deren älterhchem Hause die Frau
Ballath ein- und ausging, die Mittheilung zugegangen, dass sie oft und
viel und immer mit stolzem Rühmen davon erzählte, dass Kant sie
einst geliebt habe.
Was Kant selbst darüber fallen liess, ging — nach Kraus — dar-
auf hinaus, dass bei näherer Ansicht das Gleissende sehr geschwunden
sei d. h. dass Kant eine seiner würdige weibliche Seele da nicht ge-
funden habe.
32) »Kantiana4 : Wald's Gedächtnissrede, S. 12. — Aus einem Brief Heilsbergs
S. 51. Vgl. auch Borowski 1. c. S. 146.
«) »Kantiana« S. 12 Anm. 16.
M) Dieselbe wohnte nach einer ans dem Todtenregister der Haberberger Kirche
entnommenen Notiz: Steindamm rechte Strasse No. 120.
*) Die verw. Frau Major Amalie von Eatzeler.
▼on Dr. Benno Bobrik. 609
Wenn Kant also auch selber nicht verheirathet war, so hatte er
doch selbst in seinem höchsten Alter noch Sinn und Gefühl für weib-
liche Schönheit und Beize. — An einer jungen Engländerin (Miss A.)
— welche sich einige Zeit im Hause seines Freundes Motherby auf-
hielt und für dessen ältesten Sohn zur Braut bestimmt war, fand Kant
noch in seinem siebzigsten Jahre ein so besonderes Wohlgefallen, dass
er sie bei Tische stets auf der Seite seines gesunden Auges Platz zu
nehmen bat. 35) — Ueberhaupt liebte er den Umgang mit gebildeten
Damen und Hess sich gerne in Unterhaltung mit ihnen ein und war
überzeugt davon, dass Nichts so geschickt sei die letzte Hand an die
Bildung eines Jünglings zu legen, seine Sitten zu verfeinern und zu
veredeln, als der Umgang mit gebildeten und gesitteten Frauen. Ja,
er hielt die Benutzung dieses Bildungsmittels für ebenso nothwendig,
als die Sorge für die Ausbildung des Geistes und für die Vermehrung
von Kenntnissen und Geschicklichkeiten und war daher der Meinung,
dass ein junger Mann, der sich für die Welt ausbilden will, Gesell-
schaften gebildeter Damen so oft besuchen müsse, als nicht besondere
höhere Pflichten es ihm verbieten. Kant selber hatte den Ton des
feineren Umganges, den er für sein ganzes Leben fest hielt und in
allen Beziehungen des bürgerlichen Lebens, des Lehrers und des Schrift-
stellers in Handlung und Ausdruck durchblicken liess, ferner die Kunst
des gefälligen Erzählens, mit der er auch weniger Gebildete auf eine
überraschende Weise zu fesseln verstand, lediglich dem langjährigen
Umgange in Häusern zu verdanken, in denen er mit den feingebildetsten
Frauen damaliger Zeit in nächste Berührung kam. ") Keine Frau hat
jedoch einen so sichtlichen Einfluss in dieser Beziehung auf Kant ge-
übt, als die Gräfin von Kayserling, eine Dame, von der er selbst be-
hauptete: „dass sie die Zierde ihres Geschlechts war.*
Als der Beichsgraf Heinrich Christian von Kayserling, ein Mann
von den ausgezeichnetsten Eigenschafben des Geistes und Herzens,
welcher in Leipzig, Halle, Frankfurt a. M. studirt, demnächst eine
35) Jachmann 1. c. S. 96.
") Friedr. Wilh. Schubert, 1. Kants Biographie, sämmtliche Werke. 11. Theil.
2. Abtii. S. 82.
610 Immanuel Kants Ansichten über das weibliche Geschlecht
glänzende diplomatische Carriere in sächsischen, österreichischen und
rassischen Diensten durchgemacht hatte, nach der ersten Theilung
Polens sich von den Staatsgeschäften zurückzog und seit 1772 fast
ausschliesslich in Königsberg lebte, war Eant, welcher ursprünglich
als Erzieher des Stiefsohnes desselben engagirt war, der tägliche Gast,
— später Freund der gräflichen Familie. — Die geistvolle Gemahlin
des Grafen, Caroline Charlotte Amalie geb. Gräfin Truchsess von
Waldburg, welche mit der einnehmendsten Liebenswürdigkeit des Be-
nehmens die feinste geistige Bildung verband, welche u. A. die Philo-
sophie Gottscheds ins Französische übersetzt, auch Antheil an den von
ihrem Manne 1781 herausgegebenen „Nachrichten aus dem Monde" hatte
und in der Malerei ein so hervorragendes Talent bewies, dass sie von
der Berliner Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften
zum Ehrenmitgliede ernannt wurde, — diese Dame war damals die
Tonangeberin für die Gesellschaft der höheren Stände in Königsberg.
In dem gastlichen Kayserling'schen Palais, demselben, welches
gegenwärtig dem Commandirenden General als Dienstwohnung dient,
versammelte sich Alles, was Königsberg und Umgegend von hervor-
ragenden Talenten und Persönlichkeiten besass. „Der Unterschied des
Standes vermochte niemals die heitere Geselligkeit zu stören, denn einem
jeden der Gäste wurden die ihnen gebührenden Aufmerksamkeiten mit
gleicher Achtung erwiesen und so mit zarter Sorgfalt innere und äussere
Harmonie geschaffen und erhalten. ■ Der vertrauteste Umgang mit den
gelehrtesten Männern jener Zeit, einem Kant, Hamann, Hippel, Scheffher
und anderen wurde von Kayserling und seiner Gemahlin 9 nicht gesucht,
um sich den Schein von Beschützern der Wissenschaften zu geben,
sondern dieser Umgang war ihnen Bedürfhiss, in den begabten Dienern
der Wissenschaft ehrten sie diese selbst. •")
Kant bildete bald die belebende Seele des Geist durchwehten Lebens
in diesem Hause und die Reichsgräfin fand an seiner Gesellschaft so
ausnehmendes Gefallen, dass Kant bei Tische immer auf der Ehren-
*7) Stammtafeln, Nachrichten and Urkunden von dem Geschlechte derer von
Keyserlingk, zusammengetragen v. H. A. L Freih. v. Keysexlingk. Berlin 1853. S. 66.
von Dr. Benno Bobrik. g21
stelle unmittelbar der Gräfin zur Seite sitzen musste, falls nicht zu-
fällig ein ganz Fremder da war, dem man convenienzmässig diese Stelle
einräumen musste.39) Die Frau von der Recke schreibt: „Oft sah ich
Kant hier so liebenswürdig unterhaltend, dass man nimmer den tief
abstracten Denker in ihm geahnt hätte, der eine solche Revolution in
der Philosophie hervorbrachte. Im gesellschaftlichen Gespräche wusste
er bisweilen sogar abstracto Ideen in ein liebliches Gewand zu kleiden
und klar setzte er jede Meinung auseinander, die er behauptete. An-
muthtsvoller Witz stand ihm zu Gebote und — bisweilen war sein
Gespräch mit leichter Satyre gewürzt, die er immer mit der trockensten
Miene anspruchslos hervorbrachte."30)
Der mannigfachste Stoff aus der französischen, italienischen und
englischen Litteratur, wie aus den Wechselfällen des politischen Lebens
bildete die tägliche Nahrung für die Tischgespräche im Kayserling'schen
Hause und diese Art von Tischunterhaltungen in fortwährendem Wechsel
über Gegenstände der Wissenschaft und der Tagesgeschichte wurden
von dieser Zeit ab Kaut's liebste, späterhin fast seine einzige Unter-
haltung, der er auch bei der grössten Hinfälligkeit seines Greisenalters
nicht entsagen mochte. Sie wissen ja Alle, meine Herren, dass Kant
in den letzten Jahren zu dem Ende sich taglich einige seiner Freunde
zu Tische lud. —
Es war eine schöne und eines treuen Freundes würdige Idee, dass
Motherby dieser Lieblingssitte Kant's dadurch eine bleibende Erinnerung
bereitete, dass er nach dem Tode des grossen Weisen an der ersten
Wiederkehr seines Geburtstages am 22. April 1805 die Männer, welche
Kant im Jahre vorher zu Tische um sich versammelt hatte, zu einem
geselligen Mittagsmahle berief, „zum Erinnerungsfeste seines Werthes
als Mensch und Freund B — und mit ihnen die jährliche Feier dieses
Tages beschloss. —
Wenn Motherby in der Einladung dazu sagt:40) »Kant wird als vor-
züglicher Denker der Welt unvergesslich bleiben — möge Er von
38) »Kantiana« S. 60.
39) Borowski 1. c. S. 150.
40) Aoten der Gesellschaft der Freunde und Verehrer I. Kant's in Königsberg.
612 Immanuel Kants Ansichten üb, d, weibK Geschlecht t. Dr. B. Bobrik.
uns, die wir ihn handeln sahen, nie vergessen werden * — so knüpfe
ich daran den Wunsch, mag Er auch uns, die wir uns im Sinne der
einstigen Stifter dieser Liebesmahle alljährig hier vereinen und die wir
leider des Glückes nicht mehr theilhaftig gewesen sind den grossen
Mann »zu kennen, welcher so lebte, wie er lehrte, mag Kant auch uns
ewig unvergesslich sein! —
Seinem Andenken weihen wir dieses volle Glas!!
Heber die Lage von Truso nnd über die Möglichkeit,
dieselbe wieder aufzufinden.
Vortrag gebalten in der Alterthamggesellschaft in Elbing am 6. Dezember
von
I>r. Anger.
Wulfstan sagt in seinem Bericht: Thonne cymedt Ilfing eastan in
Estmere of tham mere the TrÜso standedh in stadhe, d. h. „Dann
kommt der Elbing gegen (im) Osten in's Estenmeer ans jenem Meere,
an dessen Gestade Truso steht".
Unser verehrte Mitbürger, der vor einigen Jahren verstorbene Stadt-
rath F. Neumann, hat in einer grösseren Abhandlung: „Ueber die Lage
von Wulfstan's Truso, Wislemund und Witland* (Preussische Pro-
vinzialblätter VII, p. 291) die mit gewichtigen Gründen unterstützte
Ansicht ausgesprochen, dass jenes Wulfstanische Truso da gelegen
habe, wo jetzt das Dorf „Preuschmark* steht. Das wahre Grundwort
in dem Namen sei nicht „Mark*, sondern „Markt"; denn so nennen
ihn zuerst zwei Urkunden vom Jahre 1349 (in villa nostra Pruschin-
markt), deren Originale sich im hiesigen Archive befinden. Auch auf
dem Preuschmarker Kirchenkelche laute die Inschrift „preu sehen marcht
1504*. Neumann vermuthet nun, dass das Wort „Markt* nur eine
Uebersetzung des Wortes Trüso sei; denn im Lit. bedeute trüsas „an-
gestrengte Bemühung in Geschäften* (auch im russ., poln., böhm., serb.
bedeute trud „Arbeit, Mühe, Beschwerde*). Eine Bestätigung dieser
Ansicht findet Neumann in dem Umstände, dass das Dorf „Neuendorf*,
welches nur V4 Meile von Preuschmark entfernt liegt, in einem Zins-
bucht aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts „Dutschendrusen vel
6X4 Heber die Lage von Trnso
Nuedorff8, ein andermal nur einfach .Deutschindrusen" genannt werde.
Letzteres habe nur deutsche Bewohner und deutsches Hecht gehabt
Anstatt eines Truso hätten wir nunmehr deren zwei; nämlich
1. das alte, zur Zeit der Einwanderung des deutschen Ordens (1228)
noch nicht zerstörte Truso, einen von den heidnischen Preussen besuchten
Marktplatz, welcher allmählich an Bedeutung verlor und schliesslich
in das unbedeutende Preuschmark sich verwandelte, und 2. ein deutsches
Trnso, einen von Deutschen erbauten und mit deutschem Rechte aus-
gestatteten Markt. Vielleicht sollte derselbe dem preussischen Markte
Goncurrenz machen.
Man kann nun sehr wohl der Ansicht beitreten, dass „ Preuschmark*
zur Zeit der Einwanderung des deutschen Ordens wirklich ein von den
heidnischen Preussen besuchter Marktplatz gewesen sei, ohne dass man
darum genöthigt wäre, in ihm jenes alte, am Gestade des Drausensee's
gelegene Truso Wulfstan's zu erkennen. Denn weder liegt jetzt noch
lag zu Wulfstan's Zeit die Stelle, wo heute Preuschmark sich befindet,
,am Gestade* des Drausensee's, sondern mindestens 3/g Meilen da-
von entfernt und zu dem noch 325 Fuss über dem Seespiegel. Es wäre
doch sehr seltsam, wenn Wulfstan einen so weit vom Drausensee ent-
fernten Ort als »am Gestade11 des Drausensee's liegend bezeichnet
hätte. Kein Seefahrer von heute würde z. B. Dambitzen an das Ufer
des Elbing, oder das Dorf Lenzen an das Gestade des Haffs versetzen.
, Aber vielleicht hat der Drausensee zu Wulfstan's Zeit einen erheblich
grösseren Umfang gehabt; vielleicht hat der Spiegel des Drausensee's
viel höher gelegen?11 Darauf ist zu antworten: Nach Süden, Westen
und Norden hin hat sich der See ganz bestimmt weiter ausgedehnt, als
heute, nicht aber nach Preuschmark zu, also nach Nordosten, wenigstens
nicht in erheblichem Grade. Der Umfang des See's kann unmöglich
grösser gewesen sein, als er es bei der letzten Ueberschwemmung ge-
wesen ist, in keinem Falle kann er zu Wulfstans Zeit und auch in den
vorhergegangenen 5—7 Jahrhunderten das heutige Neustädter Feld be-
deckt haben, — man müsste denn, da wir auf diesem Felde ein aus«
gedehntes Leichen- und Urnenfeld vorfinden, annehmen, dass die heid-
nischen Bewohner so unverständig gewesen wären, die Beste ihrer Todten
▼on Dr. Anger. 615
in's Wasser zu legen. Und weiter: Wir wissen aus historischer Zeit,
mit welcher Schnelligkeit die Alluvionen an der Mündung des Elbing
anwachsen. Zur Zeit der Einwanderung des deutschen Ordens (1228)
hat das Haff sicherlich bis zum heutigen Bollwerkskruge gereicht, und
zu Wulfstan's Zeit dürfte das Haff kaum eine Meile von dem heutigen
Elbing entfernt gewesen sein. Legen wir nun den Spiegel des Drausen-
see's erheblich höher, so bleibt von dem Elbingflusse fast garnichts
übrig. Der Drausensee würde dann nur als ein Theil des Haffs
erscheinen, welches nur durch eine sehr schmale und ganz kurze
Abschnürung — den kaum noch zu nennenden Elbingfluss — vom
Drausensee getrennt erschiene. Wulfstan aber nennt den Ilfing, den
Elbing, ganz bestimmt, und aus der Art und Weise, wie er ihn nennt,
geht ganz klar hervor, dass er in ihm einen Fluss erkannt hat: „Dann
kommt der Elbing gegen Osten in's Estenmeer B, In Summa: Entweder
hat Wulfstan sich sehr ungenau ausgedrückt, — oder Neumann's
Identificirung des Dorfes Preuschmark mit dem Truso Wulfstan's
ist unrichtig.
Aber nehmen wir an, Wulfstan's Bericht sei ungenau, — die Mög-
lichkeit ist wenigstens nicht ausgeschlossen — wie erklärt es sich denn,
dass man gerade in Preuschmark äusserst selten Funde aus vorhistorischer
Zeit gemacht hat, dagegen sehr viele und sehr werthvolle in Grünau,
Meislatein, Wöcklitz, Bapendorf und nicht die schlechtesten — bei
Elbing? Eolberg leitet in seiner Schrift: Wulfstan's Seekurs (Brauns-
berg 1876, p. 40) das Wort Truse von dem litauischen Worte truszai
Bohr, Bohrgegend ab, — woran auch der Name »Drausen- oder Bohr-
krug * erinnert. Es würde in diesem Sinne das Truso Wulfstan's von
dem Drausensee seinen Namen erhalten haben, ähnlich wie Elbing
nach dem Flusse Elbing genannt worden ist. Nun bedenken wir. Im
Jahre 1228 kommt der Orden nach Preussen, im Jahre 1237 wird
Elbing gegründet, — und keine einzige Andeutung wird von jenem
uralten, in der unmittelbaren Nähe Elbing's liegenden Handelsorte Truso
gemacht. Nichts erwähnt wird von einer etwaigen Rivalität zwischen
jenem die Tradition eines mindestens sechshundertjährigen Handels be-
sitzenden Truso, jenes Preussischen Marktes, und dem neu gegründeten)
616 Heber die Lage von Trusö
kräftig aufstrebenden Elbing. Dass Elbing so ohne weiteres den preus-
sischen Handel in die Hände genommen haben sollte, ist für jeden
mindestens sehr zweifelhaft, welcher die Macht der Gewohnheit über
die Menschen überhaupt und besonders über die halbcivilisirten Völker
kennt. — Also drei Bedenken sind es, die wir gegen Neumann's An-
sicht aussprechen müssen: 1. Wulfstan's Bericht müsste ungenau sein;
2. Preuschmark selbst ist arm an Besten aus vorhistorischer Zeit;
3. die ältesten Urkunden schweigen absolut über das alte Truso.
Gehoben werden diese Bedenken, wenn wir annehmen, dass das
Truso Wulfstan's am Gestade des Drausensee's selbst gestanden habe,
in der Zeit zwischen dem Besuche Wulfstan's und der Einwanderung
des deutschen Ordens zerstört worden sei und dass in der Zeit, als der
Orden hierher kam, an der Stelle, wo heute Preuschmark liegt, ein
preussischer Markt bestanden habe.
Dass man nicht genau dieselbe Stelle wählte, wo früher Truso
gestanden, wird ganz gewiss seine guten Gründe haben ; wahrscheinlich
war die Lage am Drausensee nicht sicher genug. Man zog sich daher
mehr auf die Höhe zurück und zwar auf einen Punkt, welcher ähnlich
wie die vielen heidnischen Burgen rings um den Drausensee z. B. wie
die Burg Wöcklitz durch tiefe Schluchten schon von Natur gesichert
und durch Verbaue noch mehr befestigt werden konnten. So hatte
man einen doppelten Vortheil, nämlich den der persönlichen Sicherheit
und den der Gewissheit, dass die Landesbewohner, die seit Jahrhunderten
begangenen Handelswege auch in Zukunft betreten würden. Und sie
wurden betreten, — freilich nicht wie einst von den Händlern des fernen
Italiens, welche die Erzeugnisse einer hochentwickelten Cultur hierher
brachten, um den vielbegehrten Bernstein dafür einzutauschen, dieser
Magnet hatte seine Anziehung zum Theil verloren, zum Theil wurde
seine Wirksamkeit durch die Unsicherheit der politischen Verhältnisse
des 12. und 13. Jahrhunderts geschwächt.
Die Preussen selbst brachten zu Markte, was das Land trug und
die geringe Geschicklichkeit des einfachen Mannes eben produciren
kann, und deutsche Händler brachten die Erzeugnisse der eben erwachen-
den deutschen Industrie herbei Da mag dann der Markt der heidnischen
von Dr. Anger. ßJY
Preussen kläglich genug gewesen sein. Er befriedigte aber nur die aller-
nothwendigsten Bedürfnisse.
Wir dürfen uns daher garnicht so sehr darüber wundern, wenn
die Kitter, als sie in diese Gegend kamen, von dem heidnischen Markt-
platze nicht viel Aufhebens machten. Es war eben nicht viel davon
zu sagen; und als nun die Deutschen gar in unmittelbarer Nähe von
Preuschmark, in dem Dorfe Neuendorf, einen eigenen Markt eröffneten,
da wird der heiduische Markt sicherlich schnell genug eingegangen
sein. Denn die Deutschen konnten mannigfachere, bessere nnd billigere
Waare liefern. — Dass aber das Wort Truso, die Bezeichnung jenes
uralten am See gelegenen Handelsortes, von den Landesbewohnern ohne
weiteres auf den neuen Handelsplatz übertragen wurde, das hat gar-
nicht s auffallendes. Wenn Truso wirklich „Markt, Handel" bedeutet
— nun, so war ja der neue Ort gar nichts anders, als ein Truso, jetzt
zwar nicht ein Truso der Esten wie zu Wulfstan's Zeit, wohl aber ein
Truso der Preussen. Dasselbe ist zu sagen, wenn Truso von truszai
Bohr abzuleiten wäre, eine Ableitung, die freilich ebenso wenig sicher
ist, als diejenige Neumanns. Ein klares Bewusstsein von dem ety-
mologischen Zusammenhange hatten doch nur diejenigen einheimischen
Bewohner, welche die Gründung des Wulfstanschen Truso erlebt hatten.
In späterer Zeit war Truso doch immer nichts anderes, als ein Handels-
platz und zwar der grösste und bedeutendste im weiten Umkreise.
Ebenso selbstverständlich ist es dann, dass der deutsche Handelsort,
jenes „Nuedorff*, welches mit dem Marktrechte ausgestattet wurde,
„Dutschendrusen" genannt wurde.
Anstatt eines Truso haben wir nunmehr deren drei: 1. das Truso
Wulfstan's, 2. das preussische und 3. das deutsche Truso. — Es gilt
nun das Truso Wulfstans aufzufinden. — Wird das möglich, — noch
möglich sein?
Diese Frage ist mit Bestimmtheit natürlich weder zu bejahen noch
zu verneinen. Von absoluter Gewissheit kann hier überhaupt gar nicht
die Rede sein, sondern nur von einer gewissen Wahrscheinlichkeit. —
Was soll nun zunächst geschehen? Zunächst haben die Besitzer in
Preuschmark, da sie im Verdachte stehen, nicht auf der Stelle des
AJtpr. Monatsschrift Bd. XIV. Hfl. 7 u. 8. 40
618 Uebor die Lage von Truso
Truso Wulfstan's zu wohnen, Beweise für das Gegentheil beizubringen.
Wenn es ihnen gelingen sollte, auf den in unmittelbarer Nähe von
Preuschmark liegenden Feldern oder in Preuschmark selbst Küchen-
abfälle, He er ds teilen, Kohlen, Knochen, Zähne, eiserne Gegenstände,
Scherben von alterthürnlichen Gefässen, Schmucksachen und dgl. in
grösseren Massen und auf einem grösseren Gebiete nachzuweisen, so
würde Neumanns Ansicht im Rechte sein, und Preuschmark wäre sicher-
lich Wulfstan's Truso. Möglich ist es, — also gilt es aufzupassen, zu
sammeln und Nachricht zu geben.
Einen höheren Grad von Wahrscheinlichkeit haben die Dörfer
Grünau, Neuendorf, Hansdorf, Kämmersdorf, Plohnen, Meislatein, —
und auch noch Bartkamm, Wöcklitz und ßapendorf. Längs dieses
ganzen Striches sind viele Alterthümer gefunden worden und werden
bei einiger Aufmerksamkeit sicherlich noch gefunden werden. Es ist sehr
möglich, dass hier irgendwo Truso gestanden hat. Bis jetzt sind freilich
dort fast nur solche Dinge gefunden worden, welche von den Heiden
den Todten mitgegeben wurden. Vielleicht sind auch Heerdstellen" auf-
gedeckt worden. Sehr erwünscht wäre es, wenn diejenigen Besitzer in
den genannten Orten, welche sich an die Zeit erinnern, da die Chaussee
und der Bahndamm gebaut wurden, der Elbinger Alterthumsgesellschaft
Mittheilungen über die damals gemachten Funde zugehen Hessen und
wenn sie die Namen der Bauaufseher, welche die betreffenden Strecken
bauten, angeben möchten. Ohne Frage ist damals viel, sehr viel ge-
funden, aber zum Theil zerstört, zum Theil aus Unkenntniss verschleudert
worden. Es liegt eine bestimmte Nachricht vor, dass im Jahre 1822
auf dem Preuschmarker Felde beim Chausseebau Urnen gefunden sind ;
aber weder sind die Stelle noch die Zahl und Beschaffenheit der Urnen
genau angegeben. Doch gerade darauf kommt es an. Sobald in der
Nähe bei den genannten Orten unmittelbar unter der Muttererde Kohlen-
gruben, mit Knochen und Gefössscherben gefunden werden, muss mit
Vorsicht und Umsicht Alles gesammelt werden, was irgendwie auffällt.
Eine kurze Benachrichtigung an den Vorsitzenden der Elbinger Alter-
thumsgesellschaft, Dr. Anger, wird mit Dank angenommen werden, und
an dem rechten Eifer, das Gewonnene zu sammeln und zu vermehren,
von Dr. Anger. g£§
wird es nicht fehlen. — Vor allen Dingen hüte man sich vor jedem
nnzeitigen Bedenken und unbegründeten Zweifel; denn ob aus den Be-
mühungen ein erfreuliches Resultat erwachsen wird oder nicht, das
kann nur die Erfahrung und nur sie allein lehren. Die einzig noch
vorhandenen Urkunden üher Truso liegen in der Erde. Es gilt, dieselben
an's Licht zu bringen. Der Anfang ist bereits gemacht. Herr Besitzer
Bormann aus Rapendorf hat, angeregt durch die Mittheilungen der
Alterthumsgesellschaft, Perlen und Stücke eines Fischskeletts, welches
durch die Einwirkung des Humus und der Kohle eine fischbeinartige
Beschaffenheit angenommen hat, der Gesellschaft übergeben. Nach
seiner Beschreibung der Fundstellen verheisst Rapendorf noch manchen
interessanten Fund. Möchte das gute Beispiel recht bald Nach-
ahmung finden.
Soweit wäre Alles ganz schön, und man müsste nur abwarten,
welche Erfolge die hoffentlich regen und anhaltenden Bemühungen haben
werden, wenn nicht die in letzter Zeit gemachten zahlreichen und mannig-
fachen Funde auf dem Neustädter und Spittelhöfer Felde den unbefangenen
Beobachter stutzig machten. Soviel steht fest: Auf dem Spittelhöfer
Felde zwischen Weingrundforst und Dambitzen hat ein Dorf in heidni-
scher Zeit gestanden. (Vgl. den Bericht der Elbinger Zeitung vom
7. November d. J.) Auf dem Neustädter Felde dagegen befindet sich
ein Urnen- und Leichenfeld, dessen Ausdehnung^ zwar noch nicht be-
kannt ist, das aber nach allem, was man bis jetzt davon weiss, nicht
klein sein kann. Die Fundstelle, so weit sie untersucht ist, zeigt, dass
die Leichen in Reihen und zwar in zwei Etagen übereinander liegen,
in einer Tiefe von 2 m und 1 m. Darüber stehen zahlreiche Urnen
und zwar, wie die letzte Ausgrabung ergeben hat, wenigstens an einer
Stelle, in einem Abstände von I1/2 m- — Diese beiden Fundstellen
sind also da und zum Theil untersucht. Von einer dritten Stelle hat
dem Vorsitzenden der Aufseher Plath, welcher auf dem Neustädter
Felde seit Jahren mit Kiesgraben beschäftigt gewesen ist, die Mit-
theilung gemacht, dass er dort ebenfalls Urnen und an einer Stelle
eben solche Heerdstellen gefunden habe, wie auf dem Spittelhöfer
Felde. Diese Stelle liegt nicht weit von dem Gräberfelde auf dem sanft
40*
620 Ueber die Lage von Truso
abfallenden Hügel, über welchen der Weg von Georgenhöhe nach dem
Viehhofe führt. Eine weitere Nachricht von Herrn Goldarbeiter Borishof
lässt stark vermuthen, dass auch da, wo jetzt das Georgenhospital steht,
Urnen- und Skelettfunde gemacht sein müssen. Denn ihm wurden einst
von den dort mit den Fundamentirungsarbeiten beschäftigten Arbeitern
wiederholt Fibeln, Armbänder u. dgl. zum Verkaufe angeboten. Ver-
folgen wir nun diese Linie weiter, welche im Halbkreise den Hünen-
zug entlang sich nach Nordosten hinzieht, so finden wir auf dieser
ganzen Strecke ebenfalls zerstreute Reste aus jener alten Zeit, — an
keiner Stelle aber soviele, als auf dem Neustädter Felde.
Ferner: die Ausgrabungen auf dem Neustädter Felde beweisen
ganz deutlich, dass, so lange dort Leichen begraben und Urnen beige-
setzt worden sind, niemals ein Wald auf dem Gebiete gestanden haben
kann, denn niemals ist in den Urnen eine Wurzel gefunden worden.
Nun weiss aber ein jeder, welcher mit dergleichen Ausgrabungen zu
thun gehabt hat, dass die Urnen von den Baumwurzeln mit Vorliebe
aufgesucht und dann regelmässig zerstört werden. Auch die Skelette
liegen frei von jedem Wurzelgeflechte in der fetten Muttererde. Es
ergiebt sich hieraus mit Gewissheit, dass das Neustädter Feld ein seit
mindestens fünfzehnhundert Jahren beackerter Landstrich gewesen ist,
ein Eulturfeid ältester Zeit.
Es ist also garnicht auffallend, wenn neben diesem fruchtbaren
Gartenfelde seit vielen Jahrhunderten viele Geschlechter gelebt haben
und dort auch begraben worden sind. Die Wohnungen standen auf dem
sanften Abfalle des Höhenzuges, die Friedhöfe befanden sich in der
Nähe, am Fusse des Abfalles, so hoch über dem Drausensee liegend,
dass die Gräber nicht unter Wasser gesetzt werden konnten; auf dem
Ausgrabungsfelde macht sich eine ganz sanfte Bodenanschwellung
auch noch heute ziemlich deutlich bemerkbar. — Wenn wir dies alles
bedenken und dann noch dazu den Umstand in Erwägung ziehen, dass
die Beigaben reich und mannigfach sind und dass auch Wulfstan die
Bewohner als wohlhabend schildert, so erhebt sich die Frage, ob Truso
nicht vielleicht noch näher an Elbing heranzurücken ist und wie in
diesem Falle Wulfstan's Bericht über die Lage von Truso, als „am
▼on Dr. Anger. 621
Gestade des Drausensees * befindlich, damit in Uebereinstimmung zu
bringen ist.
Die Uebereinstimmung lässt sich herstellen, wenn wir die Annahme
machen, dass der Drausensee von den Stromhäusern und Streckfuss
in wesi nordwestlicher Richtung sich etwa bis zu dem Punkte hiner-
streckte, wo jetzt die Fischau in den Elbing mündet. Man braucht,
um die Annahme wahrscheinlich zu finden, nur einen Blick auf die
Karte zu werfen. Noch heute liegt dieses ganze Gebiet sehr tief,
an den meisten Stellen kaum einen Fuss über dem mittleren Wasser-
spiegel. Es ist nun keineswegs nöthig, die Annahme zu machen,
dass der Spiegel des Drausensee's darum erheblich höher als heute
gelegen habe; vielmehr genügt die auch heute noch zu beobachtende
Thatsache, dass das Land durch die allmählig sich ablagernden Sink-
stoffe sich allmählig aus dem Wasser erhebt. Zwar verkürzen wir
durch diese Annahme den Lauf des Elbings um fast eine halbe Meile,
indessen gewinnen wir auf der anderen Seite einen reinlichen und klaren
Ausflusspunkt des Elbing aus dem Drausensee. Nebenbei wollen wir
noch bemerken, dass zur Zeit der Ritter die alte Nogat etwa an der
Stelle, wo heute die Fischau in den Elbing mündet, sich mit dem Elbing
vereinigte; zur Zeit Wulfstan's mag das anders gewesen sein; vielleicht
mündete die Nogat damals sogar in den Drausensee. In jedem Falle
konnte Wulfstan den flussartigen Charakter des Elbing damals leichter
als wir heute erkennen, weil der Elbing damals auch das nicht unbe-
deutende Wasserquantum der Nogat abzuführen hatte.
Wer diese Annahme gelten lässt, wird- nun vielleicht geneigt sein,
Truso etwas näher bei Elbing zu suchen. Es würde dann Truso etwa
auf einem der nach dem Neustädterfelde zu abfallenden letzten Hügel
des Höhenzuges zu suchen sein, vielleicht auf dem Hügel, auf welchem
die sogenannten Pulverhäuser stehen, vielleicht sogar noch näher nach
Elbing hin. Die Entfernung bis zum Drausensee würde dann noch
ein wenig mehr als f/8 Meile betragen. Wir können es dann auch
verstehen, warum die Ritter die Stadt Elbing gerade da gebaut haben,
wo sie jetzt liegt. Einmal hatte die Stadt das Neustädterfeld, die
fruchtbarste und seit Jahrhunderten am dichtesten bevölkerte Gegend,
J Ucber die Luge, von Truso vun Dr. Anger.
mittelbarer Nähe, ferner lag es au der Wasserstrasse , die nicht
rom Drauseusce, sondern auch von der Weichsel zum Haffe führte,
ins lag es weit genug vom Haffe selbst entfernt, um von den
vässern desselben nicht unmittelbar getroffen zu werden und viertens
es Raum genug zur Ausbreitung. Dass es nicht wie Truso den
I des Höhenzuges suchte, hatte seinen Grund darin, dass es nicht
fruso vorzüglich wegen des Bernsteins gerade auf den Landhandel
viesen war. Elbings ältester Handel war durchaus Seehandel.
Aber stand denn bei dieser Voraussetzung Truso , auf dem Gestade
lee'sp* Kann man denn nun behaupten, dass Wnlfstan sich klar
'drückt habe? — Nun, jedenfalls viel klarer, als wenn Truso da
en hat, wo heute Preuschmark liegt. Bedenken wir ferner, dass
Gestade" gerade beim Drausensee zu den Zeiten Wulfstan's ebeu-
lig eine ganz feste Linie gewesen sein kann, wie heute. Das Stati-
jr ans dem Haffe musste anch damals die unmittelbaren Drausensee-
ebenso sehr verändern , wie es jetzt der Fall ist. Auch damals
gab es ein Vorland, niedrig, zum Theil sumpfig, zum Theil Wiese.
In Summa: Auch die lieben Elbinger werden die Augen anfall-
en haben. Zu finden giebt es genug. Aber nicht nur zu sehen
zu finden, sondern auch zu helfen, dass die Alterthums-Gesellschaft
Zwecke auch wirklich erreicht. Und da können die Herren Be-
■ auf Neustädterfeld sehr wesentlich dadurch helfen, dass sie der
thums-Gesellschaft behufs Feststellung der Ausdehnung des Gräber-
} die Erlaubniss nicht verweigern, an einigen Stellen einen Meter
einen Meter breite und, wenn nöthig, 3—4 Meter lange Gräben
eben. In günstiger Jahreszeit begonnen, könnte eine zweitägige
it von 5 — 7 Männern mit einem Schlage eine ziemliche Gewissheit
die Ausdehnung des Leichenfeldes verschaffen. Selbstverständlich
en die Leiter der Ausgrabungen dafür Sorge tragen, dass bei der
liüttnng der gezogenen Gräben die Muttererde wieder obenauf zn
1 kommt. Und ebenso könnten einige Nachgrabungen auf dein
inten Hügel sehr leicht den Nachweis liefern, dass dort eine Nieder-
ng in heidnischer Zeit bestanden hat. Audi hier gilt es, zu handeln.
Kritiken und Referate.
Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlechte von Gaudecker.
Mit 14 Stamm- und Ahnentafeln, sowie zwei Blättern mit
Wappen- und Siegelabbildnngen. Gesammelt, bearbeitet und
im Auftrage der Familie für dieselbe herausgegeben von
G. A. v. Mülverstedt. Magdeburg 1877. IV u. 121 S.
Eine neue willkommene Gabe des um die Adelsgeschichte hoch-
verdienten Verfassers, zumeist hervorgegangen aus dem reichen Schatze
der Sammlungen, welche derselbe aus Veranlassung seiner historischen
und besonders adelsgeschichtlichen Studien im Provinzialarchiv und
anderen Archiven sowie Bibliotheken zu Königsberg in der Zeit von
1848 bis Ende 1854 zusammengebracht hatte. Man erinnert sich sehr
wohl der für die Adelsgeschichte unserer Provinz Bahn brechenden,
Schlag auf Schlag folgenden Abhandlungen, welche er in jenen Jahren
(1849—1857) in den neuen Preussischen Provinzialblättern veröffent-
lichte. Seine Versetzung nach Magdeburg wies ihm neue Aufgaben,
neue Gebiete der Forschung zu, doch hat er auch in dieser neuen Pe-
riode seiner literarischen Thätigkeit die Adelsgeschichte unserer Provinz
nicht aus den Augen verloren, wie eine Eeihe von Mittheilungen und
kleineren Abhandlungen in verschiedenen Zeitschriften, wie dann nament-
lich das zu Nürnberg 1874 erschienene Wappenbuch des ausgestorbenen
Adels der Provinz Preussen und jetzt wieder in erfreulichster Weise
die zunächst freilich nur für die Familie und ihre Angehörigen bestimm-
ten geschichtlichen Nachrichten von dem Geschlechte von Gaudecker
beweisen. Möchte es nicht die letzte Schrift sein, welche unsere Pro-
vinzialgeschichte seinem Forschergeiste zu verdanken hätte.
ß24 Kritiken und Referate.
Das Geschlecht der Gaudecker vermag seinen Ursprung bis in die
Zeiten des Heidenthums hin zu verfolgen; seine Ahnherrn gehörten zu
den edeln Withingen des Samlandes, und Saraland ist daher auch die
Heimath seines Stammes. Schon in den Zeiten, da es in die Geschichte
eintritt, gehört es zu den ausgebreitetsten seiner Heimath und selbst
beim Beginne des Jahrhunderts, welches das letzte seines Bestehens in
seiner uralten Heimath war, des achtzehnten, zählte es so viele Söhne,
dass sein Erlöschen hier nicht sobald vermuthet werden konnte. Vor
dem Jahre 1740 hat aller Grundbesitz desselben im Samlande aufge-
hört; nach dem Jahre 1764 verklang der Gaudeckersche Name auch
in den übrigen Theilen der Provinz. Aber in eben diesem Jahre wurden
in Pommern diejenigen Güter des Geschlechtes Eigen, welche seitdem
ununterbrochen bis zum heutigen Tage in seinen Händen sind und die
Grundlage seiner heutigen Blüthe und seines Wohlstandes bilden.
Eine vollständige Geschlechts- und Familiengeschichte der Gau-
decker zu liefern lag nicht in der Absicht des Verfassers. Doch han-
delte es sich auch nicht blos um den Abdruck der Stammtafeln und
der aus verschiedenen Quellen gesammelten, chronologisch zu ordnen-
den und regestenartig zu behandelnden Notizen; es wurde auch eine
Einleitung in die Geschlechtsgeschichte hinzugefügt, welche sich mit
den allgemeinen Verhältnissen der Familie, mit der Untersuchung über
ihre Herkunft und Heimath, einer Uebersicht ihres Grundbesitzes und
einer Erwähnung ihrer heraldischen und sphragistischen Alterthümer
beschäftigt. Und diese Einleitung eben ist es, welche von dem Stand-
punkte der allgemeinen Provinzialgeschichte aus ein besonderes Iuteresse
erweckt, um so mehr, als die Zahl derjenigen Glieder der Familie,
welche sich zu besonders hervorragenden und historisch bedeutsamen
persönlichen Stellungen emporgeschwungen haben, nicht eben gross ist.
Dass der Verfasser, wie kein anderer, im Stande und berufen war,
das sehr zerstreute Material für die Schrift zu sammeln, und dass er
das seit Decennien vorräthige Material auch in neuester Zeit noch nach
Möglichkeit zu vervollständigen bemüht war, versteht sich von selbst;
ebensowenig bedarf es der Versicherung des Keferenten, dass er mit
besonderem Geschick und Scharfsinn dieses Material combinirt und ver-
» *
v. Mülverstedt, Geschieht!. Nachrichten von d. Goschlechte v. Gaudecker. 625
arbeitet bat. Die Methode der in der That äusserst schwierigen Unter-
suchung ist im Allgemeinen gewiss als mustergültig anzuerkennen.
Von Einzelnheiten sei nur erwähnt, dass auf die ingenui Withingi
durch v. Mülverstedt's Untersuchungen ein neues Licht fällt. Rogge's
Hypothese über den alten Gedune (Altpr. Monatsschr. XII, 299—309)
verwirft er, wie es mir scheint, mit Recht. Oh der Ausdruck Ambrosius
miles de Wargen (S. 22, 37) zu der Annahme berechtigt, dass das
Geschlecht im Besitze von „Burglehen" gewesen sei, bezweifle ich. Die
Vermuthung, dass die merkwürdige Urkunde mit dem Datum in castro
nostro Marienburg anno d. 1433 ipso die s. Thome apostoli, von welcher
nichts als ein Pergamentstreifen mit dem Datum und 51 Siegeln
preussischer Edelleute erhalten ist, „ein Verbündniss preussischer Land-
stände oder (mit Rücksicht auf den Ausstellungsort) eine Verhandlung
mit dem Orden verbrieft haben möge, die zum Rechtsschutze der Ordens-
vasallen gefasst war*, erscheint mir in der Geschichte der preussischen
Landstände obne Anhalt, ja dem Gange derselben widersprechend. Ich
möchte eher annehmen, dass dieselbe sich auf den Bestand des eben
geschlossenen Waffenstillstandes zu Lanczicz bezogen habe. Dass Hans
Wargel, welcher dem preussischen Bunde von 1440 beitrat, ein Vasall der
ermländischen Kirche, mit deu Wargel-Gaudecker des Samlandes nichts
zu schaffen hat, erkennt v. Mülverstedt (S. 35, 70) an; es kann also nur
ein Versehen sein, tf enn dieser Hans Wargel mit Hans von Candeynen
einem der Ahnherrn des Gaudeckerschen Hauses an einer andern Stelle
identificirt wird (S. 32). Dies zugegeben kommen wir zu der auch an
sich wahrscheinlichen, übrigens durch die Beitrittserklärungen, welche
dem Bundesbriefe von 1440 angehängt sind, direct zu erweisenden That-
sache, dass die Gaudecker dem preussischen Bunde nie angehört haben.
Als anspruchslose Ergänzung zu den Regesten (S. 92) kann ich
anführen, dass Gerlach Gaudecker und Salomo Canitz im Jahre 1603 als
Abgeordnete des Schakenschen Hauptamtes am Landtage theilnahmen.
Auf dem Landtage zu Königsberg 1609 waren Gerlach Gaudecker und
Salomon Kanitz Vertreter des Amtes Schaken, Sebastian Thiesel und
Johann Philipp Gaudecker Vertreter des Amtes Fischhausen.
Dr. M. Toeppen.
ß26 Kritiken und Referate.
Wald- und Feld-Kulte. Erster Theil: Der Baumkultus der Ger-
manen und ihrer Nachbarstämme. Mythologische Unter-
suchungen. Berlin 1875. Zweiter Theil : Antike Wald- und
Feld-Kulte aus nordeuropäischer Ueberlieferung er-
läutert von Wilhelm Mannhardt. Berlin 1877.
Dieses in jeder Hinsicht ausgezeichnete Werk wird am Besten
aus seiner Entstehungsgeschichte heraus gewürdigt. Das Vorwort zu
dem zweiten Bande giebt Mittheilungen über den Werdegang des hoch-
verdienten Verfassers und dieses Buches zugleich — und damit sehr
werthvolle Beiträge zur Entwicklung der Wissenschaft der deutschen
und der vergleichenden Mythologie in den letzten Jahrzehnten. Hören
wir die Worte des Verfassers selbst:
„Schon frühe ist in mir ein Gefallen an mythologischen Gegen-
ständen geweckt worden. Als Knabe lange Zeit an ein Streckbett ge-
fesselt, das dem Uebel, welches das grosse Hemmniss meines Lebens
werden sollte, nur weitere Ausdehnung gab, nahm ich in freien Stunden
die hehre Wunderwelt der griechischen Götter und Heroengestalten in
Beckers meisterhafter Wiedererzählung in die Seele auf, um sie auf
dem Lager mit lebhafter Einbildungskraft in mir weiter zu verarbeiten.
Zudem von Jugend auf durch ungewöhnliche Kurzsichtigkeit einer
scharfen Erfassung der Dinge der Aussenwelt beraubt, ward ich auf
die innere Welt der Phantasie zunickgeworfen und gewöhnte mich, ihre
Gestalten auseinander zu halten und unter verschiedenen Verhüllungen
wieder zu erkennen. Als angehender Jüngling lernte ich im grünen
* Wald und an rauschendem Meeresstrand zugleich Milton, Ossian und
eine nordische Mythologie kennen. Der Wunsch, einem befreundeten
Dänen Widerpart zu halten, der mir, dem gebornen Schleswig-Holsteiner,
als auszeichnenden Vorzug seines Volkes wieder und wieder dessen
herrliche Götterwelt vorhielt, veranlasste mich, Jacob Grimm' s
„ Deutsche Mythologie" heran zu ziehen. Es waren die Sommer-
ferien: der Augustapfelbaum inmitten unseres Gartens warf mir seine
rothbackigen Früchte in den Schos: — so habe ich, damals Sekundaner,
das schwer errungene Meisterwerk von Anfang bis zu Ende golesen —
und die Sichtung meines Lebens war entschieden.*
Wilhelm Mannhardt, Wald- und Feld Kulte. §27
Es werden nun in tief eindringender Erörterung die Eigenschaften
des Ingeniums von Jacob Grimm dargestellt, welche in seltenster Ver-
einung ausgebreitetste Gelehrsamkeit und philologische Akribie mit
einer wunderbaren Kombinationsgabe, mit einem feinfühligen Ahnungs-
vermögen für das Poetische, mit einer lebendigen Aneippfindung der
mythologischen Vorstellungsweise verbanden: — aufgedeckt werden dann
auch die Gefahren und Schranken jener Eigenart: aber in pietätvoller
Weise, wie in deutscher Sprache überhaupt nur von Jacob Grimm
gesprochen werden darf, soll nicht ein Frevel des Undanks begangen
werden. Ohne jene Ausrüstung mit Phantasie, ohne die Fähigkeit,
im Sinne des poetisch gestaltenden Mythen bildenden Triebes an-
zuschauen und vorzustellen, wird keine noch so gelehrte Forschung
auf dem Gebiet der Mythenkunde produktiv wirken können: man darf
ein bekanntes Wort leise ändernd sagen: »auch wer Mythen will ver-
stehn, muss in Dichters Lande gehn". Und das ist es eben, was in
hohem Mass auch unsern Verfasser auszeichnet, was ihn zu mehr als
blos sammelnder, was ihn zu bauender Arbeit in der Mythenforschung,
zur genetischen Konstruction beruft, dass er in einer vielfach an Jacob
Grimm gemahnenden Sinnigkeit der Anschauung die mythenbildende
Thätigkeit der Volksseele nach zu empfinden versteht: ohne solche Be-
gabung hätte auch Ludwig Uhland nicht in seinem „Thor" und
„Odhin" mit so räthsellösender Dichter- Weisheit schaffen können. Der
Verfasser schildert dann, mit grosser Bescheidenheit und in seltener
Selbsterkunntniss begangene Fehler und irrig eingeschlagene Wege auf-
zählend, seinen weiteren Entwickelungsgang unter den Einflüssen von
A.Kuhn, W.Schwartz, Müllenhoff, Steinthal, Th. Waitz u. a.
Das ausgedehnte Gebiet, welches der gelehrte Verfasser beherrscht,
ist aber nicht nur die Welt der Bücher: mit rührender Aufopferung hat
er überall aus dem Munde des Volkes zu schöpfen sich bemüht: so hat
er unermüdlich, trotz der Cholera, welche in den Kasernen und Baraken-
Lagern herrschte, von vielen hunderten von gefangenen Dänen, Juten,
Nordschleswigern im Kriege von 1864, von den Gefangenen aus dem
vielsprachigen Oesterreich 1866, endlich von den zahlreichen, allen
Departements Frankreichs von den Vogesen bis an die Pyrenäen und
ß28 Kritiken and liefern te.
von Dieppe bis nach Marseille angehörigon Gefangenen von 1870
Sagen und Gebräuche von Mund zu Munde gesammelt mit weiser Be-
schränkung zunächst auf Acker und A ernte- Kulto, da ja vor Allem die
bäuerliche Bevölkerung die Heere füllte und die Gefangenen lieferte.
Wir müssen darauf verzichten an dieser Stelle auch nur eine summa-
rische Uebersicht des ausserordentlich reich gehäuften und musterhaft
klar gegliederten Stoffes zu geben und auf das Studium des Buches
selbst verweisen, welches nicht minder Genuss als Belehrung gewährt
und als eine ganz hervorragende Leistung zu rühmen ist. —
Das sehr umfassende Material, welches, in allen sieben rechts-
rheinischen Kreisen Bayerns für König Mai II. besonders von unserm zu
früh verstorbenen Freuude Lentner in mehr als zwanzig dicken Folio-
Manuscript-BBnden gesammelt, unserer Redaktion und Bearbeitung in
dem ethnographischen Theil der „Bavaria* übergeben wurde, hat in
unglaublich vielen Fällen Beläge oder Analogien für die Aufstellungen
des Verfassers geboten. Wir selbst haben Jahrzehnte lang besonders
im Chiem-Gau die Reste heidnischer Ueberlieferung in den Volks-
gebräuchen verfolgt nnd könnten aus eigner Erfahrung gerade für den
Baum-Kult, dann für das Not-Feuer interessante Beiträge zu den
Sammlungen des Verfassers liefern. Davon vielleicht ein ander Mal.
Zum Schluss nur eine leise Andeutung in Betreff der Methode. Der
Verf. zeigt au vielen Stellen, dass ihm eine Klippe, an welcher gerade
die geistvollsten Mythologen am häufigsten scheitern, sehr wohl be-
kannt ist: nämlich die Gefahr in die Mytbenbildiingen eine Folge-
richtigkeit, eine logische Consequenz zu verlegen, welche nur in dem
Gedanken des Mythologen, aber nicht in der frei spielenden arabeskenbaft
den Grundstoff umrankenden Phantasie der Mythen bildenden Volks-
seele vorhanden ist. Widersprüche erträgt unser Forschen nicht, aber
sehr wohl das Objekt unserer Forschung. Nothwendige Folgerungen
ans einer festgestellten Anschauung zu ziehen ist ein Bedürfniss des
Mythologen, aber durchaus nicht der Mythologie. Ganz unerschöpflich
und unberechenbar sind die Verbindungen oder auch die Sprünge und
Lücken in dem Gewebe der mythischen Vorstellungen: sie bilden
nicht ein System. Die Poesie, welche sich frei schaltend der
Anthropologisch» Gesellschaft zu Dans ig. 629
mythischen Stoffe bemächtigt — auch schon die Volkspoesie, nicht erst
die Kunstpoesie — bindet sich an kein Gesetz als an das ihres Schönheits-
bedürfnisses : sie schafft Mythen, welche andern Mythen des gleichen
Stoffes widerstreiten: sie flicht Züge, Eigenschaften, Färbungen in eine
Mythe, welche mit dem Kern, dem Grundgedanken der Mythe gar nichts
zu schaffen haben, vielmehr demselben widersprechen. Deshalb müssen
wir uns hüten, Alles erklären zu wollen: es bleibt sehr oft ein rein
phantasiemässiger Rest. Und hüten müssen wir uns ferner, alle Striche
eines Mythos als aus seinem Centrum gezogene Radien zu erklären:
spielend schlingt die Poesie ihre Banken durch den Kreis, das Centrum
verbergend, die wirklich von ihm ausgehenden Radien ebenfalls ver-
hüllend und ihre graden Linien umwuchernd, zwischen den Radien un-
zählige und unentwirrbare Windungen knüpfend und endlich mit ihren
ausgreifenden Luftwurzeln weit über die Peripherie des Einen Mythen-
kreises nach allen Seiten hinüber langend in benachbarte nicht nur,
nein, oft mit Auslassung der nächst liegenden, in fernab liegende andere
Mythenkreise, deren Zusammenhang in nichts anderem besteht, als in
diesen übermüthig spielenden Arabesken der Phantasie.
Das Alles weiss Meister Mannhardt theoretisch so gut und besser
als wir. Aber er wird vielleicht selbst zugeben, dass er es in seiner
Praxis, im schönen, im heiligen Eifer begeisterter Erklärung hie und
da einmal ausser Acht gelassen hat. Und wir danken ihm dafür.
Denn wer nicht das Wagniss übernimmt, mit der Wünschelruthe auch
einmal neben den verborgenen Schatz zu schlagen, dem versagen die
Götter den Schatz selbst jemals zu treffen. In diesem Werk aber
liegt ein reicher Hort glücklich gehobener Weisheit und Schönheit.
Königsberg, Winter Sunwend 1877. _ _. _ ,
00 Felix Dahn.
Anthrtptltgisehe Gesellschaft n Daniig.
Sitzung den 7. November 1877.
1) Der Vorsitzende legte zuerst die eingegangenen Geschenke vor.
Herr Suter hatte aus Loebcz eine sorgfaltige Beschreibung zweier Stein-
kistengräber und zweier darin gefundener Qesichtsurnen übersandt, Herr
(530 Kritiken nnd Referate.
Pfeffer eine schön erhaltene broncene Pincette aus einem Urnengrabe
bei Mewe, Herr Lampe mehrere sehr schön gearbeitete indianische
Pfeilspitzen aus verschiedenen Theilen der V. St. Nordamerikas, Herr
Sachs aus Cairo vier Mumienschädel und eine Menge in der Wüste
gefundener Feuer stein waffen, Herr Boy aus Katzke endlich den Inhalt
eines Urnengrabes mit interessanten Broncebeigaben.
2) Herr Dr. Mannhardt sprach über mehrere von ihm geleitete
Ausgrabungen in den Kreisen Pr. Stargardt und Danzig. In der Pfingst-
woche dieses Jahres wurde in Gesellschaft des Herrn Gutsbesitzer
Gramms auf Rathsdorf der auf dessen Grund und Boden zwischen
Rathsdorf und Miwodow gelegene, seit Alters so genannte „Schloss-
berg" untersucht. Derselbe bildet ein 9 Meter hohes Doppelplateau
auf einer Halbinsel des Pathensee's, welche durch eine tiefe Schlucht
und einen zur natürlichen Schutzwehr dienenden Hügel auch auf der
Landseite von dem dahinterliegenden Terrain isolirt und von diesem
aus nur durch einen schmalen Erdrücken zugänglich ist. Ausserdem
wird diese Seite der Halbinsel in ihrer ganzen Ausdehnung (70 Meter)
auch noch durch einen 15 Meter über dem oberen Plateau ansteigenden
künstlich aufgeschütteten Wall abgeschlossen und vertheidigt, in welchem
der Spaten unter der oberen Humuslage eine Culturschicht von 70 cm
Mächtigkeit biossiegte. Dieselbe enhält eine spärliche Beimischung von
Holzkohlen und viele zerbrochene Urnenscherben grobkörnigen Materiales,
häufig sehr roth gebrannt, oft mit Verzierungen versehen, die aus ein-
geritzten wellenförmigen oder horizontalen, parallelen •Linien bestanden.
Keine Thier- oder Menschenknochen, keine Metallgeräthe kamen zum
Vorschein. Die ganze Situation entspricht genau den als Wohnsitz
lettischer Edeln in den letzten Jahrhunderten des Heidenthums histo-
risch beglaubigten Burgbergen in Kurland und ähnlichen Anlagen
in Littauen und Ostpreussen. Die Aufschüttung zerbrochener Scherben
von Hausgeräth und die denselben eingeritzten eigentümlichen Ver-
zierungen stimmen dagegen mit dem Typus der Funde in den slawi-
schen Burgwällen, Pfahlbauten nnd Stadtanlagen aus der Zeit des
8.— 12. Jahrhunderts überein. Es war somit der Rathsdorfer Schlossberg
ein Burgberg, d.h. eine nach lettischer Bauweise hergestellte Burg-
Anthropologische Gesellschaft an Danzig. 631
anläge, aber dereinst bewohnt und benutzt von Leuten, welche nach
slawischer Sitte lebten. Diese Mischung ethnographischer Charakter-
zuge entspricht genau der geographischen Lage des Fundorts auf dem
Boden eines slawischen Volksstamms, hart an der Grenze eines lettischen
Volkes, der Pomesanier. Ein Situationsplan und Zeichnungen der ge-
fundenen Töpferei erläuterten diesen Nachweis.
Einige Tage vorher fand die Untersuchung mehrerer Steinkreise am
Schwarzwasserfluss südlich von Bordzichow, gegenüber den Ausbauten von
Ossowo statt. Dieselben erwiesen sich ganz analog den von Dr. Lissauer
bei Krissau und von Sanitätsrath Dr. Behrend bei Meisterswalde unter-
suchten Steinsetzungen. Nur einen einzigen Steinring jedoch erwies die
Nachgrabung als im Innern noch einigermassen intact erhalten.
In einer Tiefe von IV* Meter lagen auf dem gewachsenen Boden
mit den Füssen nach Westen gekehrt, zwei Skelette mit dolichokephalen
Schädeln, deren Masse, so weit eine Feststellung möglich war, mit den
Verhältnissen der Krissauer Schädel und dem Typus der germanischen
Beihengräberschädel übereinstimmten. An der Seite des einen Körpers
lag das auch aus den genannten Fundorten bekannte Eisenmesser. Ob
ein etwas oberhalb gefundenes Fragment einer Broncescheide mit darin
steckender eiserner Dolchspisze zu den Skeletten oder zu den Begräb-
nissen der oberen Lage gehörte, war nicht mehr auszumachen. Ueber
den Skelettgräbern hatte nämlich eine jüngere Zeit mehrere Urnen mit
den Gebeinen ihrer Todten beigesetzt, deren durch eine spätere Um-
wühlung des Bodens auseinandergerissene Trümmer (Scherben, Knochen,
Holzkohlen) bis zu 1 Meter Tiefe sich vorfanden. Die Töpferei war
diejenige der Burgwälle und genau übereinstimmend mit den auf dem
Bathsdorfer Schlossberg gefundenen Stücken. Das sichere Ergebniss
dieser Untersuchung in Verbindung mit den Thatsachen der beiden
anderen genau entsprechenden Fundorte war mithin dies, dass eine Be-
völkerung mit slawischer Cultur es war, welche hier mit einer ge-
wissen Begelmässigkeit ältere (vermuthlich germanische, vor saec. VI
angelegte) Begräbnissstätten aufs neue als Friedhöfe benutzte.
In der Kurve, welche das Radaunenthal südlich von Bölkau macht,
erheben sich (bei Bölkau-Ziegelscheune) drei Hügel von beträchtlicher
632 Kritiken und Referate.
Höhe und bedeutendem Umfange. Der eine derselben, welcher ein
Areal von mehreren Morgen Umfang umfasst, ist die Stätte eines
grossen Heidenkirchhofes. In Folge einer an den anthropologischen
Verein gelangten gütigen Berichtigung übernahm Dr. Mannhardt im
Auftrage desselben die Untersuchung des Platzes, wobei ihn das liebens-
würdige Entgegenkommen des Besitzers Herrn Thaumann fördernd unter-
stützte. Bei mehrmaligen Excursionen, an deren einer die Herren Walter
Kauffmann und Dr. Kestner sich betheiligten, wurden mit Hilfe ange-
nommener Arbeiter Ausgrabungen vorgenommen, aus denen hervorgeht,
dass der ganze Hügel auf seinem oberem Abhänge von einem doppelten,
zuweilen dreifachen Kranze von Steinkistengräbern umgeben war, von
denen der grössere Theil durch den Pflug bereits völlig zerstört, ein
anderer so stark beschädigt war, dass eine genauere Feststellung des
Inhalts nicht mehr erfolgen konnte. Doch gaben selbst an der Stelle
der ersteren die ausser einzelnen Decksteinen zahlreich vorhandenen
Scherben Gelegenheit zu einer interessanten Sammlung durch Ornamente
ausgezeichneter Stücke, welche zu einer vergleichenden Gegenüber-
stellung mit den Formen der Burgwalltöpferei verwerthet werden wird.
Es wurden circa zwanzig Gräber noch unversehrt vorgefunden, doch
i
gestattete die Feuchtigkeit des Bodens, nur wenige Urnen unzerbrochen
ans Tageslicht zu fördern. Die Begräbnisse gewährten durchweg Be-
stätigungen für den bekannten Charakter der Steinkisten. Mehrere der-
selben pflegten aneinander zu stossen, dann folgten andere in 1— 2 m
Entfernung. Ihre Langseite hielt die Kichtung von Nordwesten nach
Nordosten und umgekehrt ein. In jedem Grabe standen mehrere Urnen,
meistentheils zwei bis fünf. Die Mehrzahl war aus grobem Material in
rundbauchiger Gestalt geformt und ohne Verzierungen ; statt des mützen-
förmigen Deckels war vielfach eine zu wirtschaftlichem Gebrauch be-
stimmte Schale über den Obertheil des Gefässes gestülpt. Zwischen
den grösseren Urnen standen zuweilen einzelne kleine (Kinder-Urnen)
mit Knochen und Asche gefüllt. Kunstreichere Gefasse (darunter Ge-
sichtsurnen) von feinerem Thon, besserem Brande, eleganterer Form,
mit Verzierungen und Schmuck von Bronceringen, Glas- und Bernstein-
perlen fanden sich vereinzelt neben den einfacheren Urnen und zwar in
V
Anthropologische Gesellschaft zu Danaig. 633
denselben Gräbern, wie diese, vor; sonstige Beigaben fehlten. Ein be-
sonderes Interesse nehmen drei Urnen in Anspruch: a) Die eine der-
selben aus feinem Thon mit schön geglätteter, in's Schwärzliche spielender
Oberfläche, 40 cm hoch, zeichnet sich durch ihre ausserordentlich ge-
fällige Form und das Ebenmass ihrer Verhältnisse aus. Sie erreicht 8 cm
über dem Boden ihren grössten Umfang (88 cm), der zwei und ein halb
mal so gross als derjenige des Bodens ist. Von da steigt sie allmälig
sich verjüngend mit zierlichem Halse empor, dessen obere Oeffnung
um ein Sechstel hinter der Peripherie des Bodens zurückbleibt. Wiederum
8 cm unterhalb des oberen Randes beginnt um die Brust der Urne
eine Zeichnung von fünf parallelen Strähnen, welche aus je drei parallelen
Linien bestehen, die durch Querstriche fein gefiedert sind. Die Zwischen-
räume werden von zwei zickzackförmigeu Doppellinien ausgefüllt, welche
in der obersten Reihe und unterhalb derselben ebenfalls die federartigen
Seitenstriche zeigen. — Die beiden anderen Urnen gehören zur Klasse
der Gesichtsurnen, deren mehrere weniger bemerkenswerthe zum Vor-
schein kamen, b) Das erste dieser Gefasse, 28 cm hoch, trägt an
•
Stelle der Nase einen einfachen Knauf; die Augen werden durch zwei
Kreise, die Ohren durch platte Erhöhungen mit je zwei Löchern dar-
gestellt, in denen die Ohrringe fehlen. Der Mund ist nicht angedeutet.
Von der Stelle unterhalb der Nase, welche er einnehmen müsste, laufen
drei aus eingeritzten Punkten bestehende Linien bis auf den Bauch der
Urne hinab, die am untersten Ende durch drei kürzere punktirte Linien ge-
kreuzt sind. Wir haben es hier augenscheinlich abermals mit der
Darstellung eines langhinabfallenden, im Uutertheil durch-
flochtenen Bartes zu thun; ein solcher muss, wie der Vortragende
schon früher an der Warmhöfer Gesichtsurne nachgewiesen hat, in dem
Zeitalter der Steinkistenbegräbnisse zur Tracht der hiesigen Landes-
einwohner gehört haben. Der Bart legt sich deutlich über eine andere
Zeichnung in erhabener Arbeit, welche aus kleinen das Obertheil der
Urne umziehenden Strichelchen bestehend den Eindruck mehrerer auf
die Brust herabhängender Halsketten gewährt. Auf dem Hinterkopfe
bemerkt man zwischen einem eigentümlichen, offenbar einen Hals-
kragen abbildenden Ornament die deutliche Darstellung eines Zopfes,
Altpr. Monatsschrift Bd. XIV. Hft. 7 u. 8. 41
(334 Kritiken und Referate.
ein neuer Beweis dafür, dass auch dieser zur Männertracht gehörte.
c) Die zweite Gesichtsurne, 33 cm hoch, ist einfacher; sie zeigt keine
Augen, an Stelle der Nase einen Knauf, in den Ohren je drei Löcher
für Ohrringe; aber sie ist bemerkenswerth durch die Zeichnung von
Halsringen in Gestalt von sechs von Ohr zu Ohr tief eingeritzten Linien.
3) Der Vorsitzende theilte ferner die Kesultate seiner Untersuchungen
über die ethnologischen Charaktere der Kassubenschädel und über die
Skelettgräber aus der Jüngern Steinzeit bei Gross Morin in Cujavien
mit, Untersuchungen, welche ausführlich in der Zeitschrift für Ethnologie
veröffentlicht werden sollen.
[Danz. Ztg. v. G.Decbr. 1877. No. 10691.]
Alterthumsgesellschaft in Elbing 1877.
In der am 11. October abgehaltenen General-Versammlung wurde
nach einer kurzen Begrüssung der erschienenen Mitglieder durch den
Vorsitzenden die Kechnung gelegt und dechargirt und der bisherige
Vorstand durch Acclamation wiedergewählt. — Es gehören demnach
zum Vorstande die Herren: Dr. Anger (Vorsitzender), Rechtsanwalt
Hörn und Gerich tsrath Kaninski (Stellvertreter des Vorsitzenden),
Lieutenant v. Schack (Schriftführer), Buchhändler Meissner (Kassen-
führer), Hauptlehrer Straube (Bibliothekar), Lehrer Kapeller (Con-
servator).
In der darauf eröffneten ordentlichen Sitzung machte der Vorsitzende
eingehende Mittheilungen über mehtere Fundstellen bei Elbing und ent-
wickelte, welche Aufgaben damit der Alterthumsgesellschaft gestellt wor-
den seien. Die Vorzeigung und Besprechung der bei Dambitzen und auf
dem Neustädterfelde gemachten Funde wurde auf die nächsten Vereins-
abende verschoben. Ausführlicher besprach der Vorsitzende die ihm
von Gutsbesitzer Quassowski in Kickelhof bei Elbing übergebenen
Gegenstände: 1) drei eiserne Lanzenspitzen, 2) eine Urne, 3) Ohrringe
aus Broncedraht, 4) einen broncenen Gewandhalter, 5) Stücke eines
7 mm dicken broncenen Armringes. Sämmtliche Gegenstände, sowie
ein Schädel, welchen der Vorsitzende an Prof. Virchow geschickt hat,
Alterthumagesellschaft in Elbing. 635
sind auf dem Acker des Gutsbesitzer Quassowski gefunden. Die Bronce-
gegenstände dürften der eigentlichen Broncezeit, während die vor einiger
Zeit bei Kickelhof gefundenen silbernen Armbänder einer späteren Zeit,
der sogenannten älteren Eisenzeit angehören. Viele Anzeichen sprechen
dafür, dass die Kickelhöfer Feldmark noch andere interessante Gegen-
stände birgt. — Sodann berichtet der Vorsitzende über die von Mit-
gliedern der Alterthumsgesellschaft unternommene Ausmessung des See-
teiches bei Dambitzen, an dessen Rande interessante Alterthümer
gefunden seien (ausfuhr!. Bericht nach der „Elb. Post" s. Altpr. Mtsschr.
XIV, S. 503—505). Die grösste gemessene Tiefe des nur 100 Meter
breiten Teiches betrug gut 15 Meter. Die Möglichkeit, an dem Rande
des Seeteiches noch andere Alterthümer, vielleicht gar Reste von Pfahl-
bauten zu finden, ist, zumal in unserer Provinz Pfahlbauten z. B. bei
Werder am Aryssee aufgefunden sind, nicht ausgeschlossen. Die am
Rande des Seeteichs gefundene und von Gutsbesitzer Hering geschenkte
Kanne (22 cm hoch) wurde vorgezeigt. Die Technik der aus Lehm
mit eingemengten Quarzbrocken vielleicht auf einer Drehscheibe gear-
beiteten, im Ganzen gut geformten grauen, ungebrannten Kanne zeigt
eine gewisse Verwandtschaft mit derjenigen Behandlungs weise, welche
an manchen Gefassen aus den bei Dambitzen aufgefundenen Heerdstellen
bemerkbar ist. — Ausserdem wurden vorgezeigt: 1) ein Sporn, gefunden
bei Steinort (Geschenk von Stadtrath Martens), — 2) von Gerichtsrath
Taureck eine sogen. Pyrmonter Quellennadel, Nachahmung einer von
den vielen bei Pyrmont gefundenen Fibeln, — 3) ein Merkur aus Bronce,
vorgezeigt von Kaufmann Lorenz, — und 4) von Lieutenant v. Schack
eine Uebersetzung des Polybius mit Anmerkungen des Ritters Follard
aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts; das Werk enthält viele inter-
essante Abbildungen.
Am 1. November hielt der Vorsitzende Dr. Anger einen Vortrag
über die auf dem Spittelhöfer Felde bei Dambitzen aufgedeckten Heerd-
stellen eines alten Dorfes aus heidnischer Zeit und über die in den-
selben aufgefundenen Alterthümer. — Nach einer kurzen Uebersicht
über die Resultate früherer Ausgrabungen in Wöcklitz und Meislatein,
41*
636 Kritiken und Referate.
veranstaltet im Jahre 1822 von dem Landrath Abramowski, gib der
Vorsitzende auf Sadowski's Arbeit gestützt, die Stationen von Etrurien
bis zum bernsteinreicheu Samlande, und mit zu Gnindelegung von
Wulfstan's Bericht die Stationen des von Dänemark über die See bis
hierher führenden Handelsweges an. Aus dem lebhaften Handelsverkehre
ist es allein zu erklären, dass die Beigaben in den Gräbern aus heid-
nischer Zeit so zahlreich sind. Der Vortragende versprach, die Re-
sultate seiner Ausgrabungen auf dem Gräberfelde bei Elbing in der
nächsten Sitzung vorzulegen. Danach wendete er sich seiner eigent-
lichen Aufgabe zu und beschrieb die von ihm untersuchten Heerdstellen.
Dieselben befinden sich an der Chaussee zwischen Dambitzen und
Weingrundforst au der Stelle, wo der Spittelhöfer Weg von der Chaussee
abgeht. Das dem Gutsbesitzer Baerecke auf Spittelhof gehörige Terrain
enthält ein Kieslager, welches Maurermeister Schmidt unter der Auf-
sicht des Aufsehers Plath ausbeutet. Durch einen glücklichen Zufall
wurde der Vortragende gerade zu einer Zeit an den Ort geführt, als
mehrere an dem senkrechten Abstiche der 6—10 in tiefen Kiesgrube
deutlich erkennbare Heerdstellen zu sehen waren. Dieselben zogen sich
ziemlich parallel mit der Chaussee hin, etwa 20 — 30 Schritte von ein-
ander entfernt. Jede Heerdstelle lag unmittelbar unter der Huraus-
schicht, war etwa 1 m lang, 0,75 m breit und etwa ebenso tief. Da
sie ganz mit Kohlen gefüllt waren, so hoben sie sich von der Kies
bedeckenden Lehmschicht scharf und bestimmt ab. Der Vortragende
hat mindestens 30 — 40 solcher Heerdstellen selbst gesehen und auf-
decken lassen. Eine weit grössere Zahl dagegen wurde von den Ar-
beitern in seiner Abwesenheit aufgedeckt, mitunter zehn Stellen an
einem Tage. Gewiss sind noch jetzt, nachdem die Kiesgruben ausge-
füllt und das Terrain wieder planirt ist, in dem innersten Winkel
zwischen der Chaussee und dem Spittelhöfer Weg viele Heerdstellen
vorhanden. — Gefunden wurden in diesen Kohlengruben viele Topf-
scherben, aus Lehm oder Thon mit eingemengten gröberen oder feineren
Quarzbrocken gearbeitet, zum Theil auf höchst einfache Art, z. B. mit-
telst Eindrücken eines Fingernagels, verziert, mitunter gebrannt; ferner
ziemlich grosse durch die Einwirkung des Feuers mürbe gemachte oder
Altertbumsgeselltfcbäft in Elbing. 937
an der Oberfläche geschmolzene Steine, Stücke der rothgebrannten Heerd-
platten, Knochen von Thieren, besonders zahlreich Zähne (von Schaf,
Schwein, Rind, Pferd, Bär), Fischschuppen, eiserne Geräthe (Messer,
Trense, Hufeisen, Riemenbeschläge, Sichel), ein aus Knochen gear-
beiteter Doppelkamm, ein knöchernes Messerheft und ein grösseres
Stück eines thönernen roh gearbeiteten Siebes, welches die Gestalt eines
Kelchglases gehabt haben muss. Auffallend ist es, dass dieses Sieb
auf dem Boden ein Loch gehabt hat, von 1,8 cm Durchmesser. Viel-
leicht hat in 'demselben einst ein hölzerner Stiel gesteckt. Der Scherben
ist 10,5 cm lang, 10 cm breit und 0,5 bis 1,5 cm dick. Ebenso inter-
essant ist der Doppelkamm (6 cm lang, 3,7 cm breit, in der Mitte
0,4 cm dick). Derselbe besteht aus drei an einander gelegten recht-
eckigen, an ihren schmalen Seiten ausgezahnten Knochenplatten, welche
auf beiden Seiten mittelst schmaler durch eiserne Stifte festgenieteter
Knochenleisten zusammengehalten werden. Auf jedem der 0,7 cm
breiten Leisten sind merkwürdiger Weise wieder die uralten Kreis-
verzierungen (Kreis mit Punkt in der Mitte) angebracht, und zwar vier
Kreise auf jeder Seite. Der Kamm hat auf der einen Seite 19, auf
der andern 32 Zähne. Er steht in Beziehung auf künstlerische Aus-
führung weit hinter den Kämmen zurück, welche der Vortragende auf
dem Neustädterfelde gefunden hat. Die auf dem knöchernen Messer-
hefte angebrachte Verzierung ist mit der auf einem silbernen bei Kickel-
hof gefundenen Armbande befindlichen fast identisch, nämlich eine
Zickzacklinie, die auf jeder Seite von drei parallelen Einschnitten ein-
gefasst ist. — Die nähere Bestimmung der Zähne und Thierknochen
hat Prof. Benecke in Königsberg gütigst übernommen.
[Elbinger Post v. 8. Novbr. 1877. No. 261.]
Sitzung am G. Dezember. Die erfreulich zahlreich besuchte Sitzung
wurde durch Dr. Anger mit der Vorlesung eines Berichtes eröffnet, welchen
Professor Dr. Virchow in Berlin, nach Briefen des Herrn Dr. Anger,
der anthropologischen Gesellschaft über die Alterthumsfunde auf dem
Neustädterfelde bei Elbing und in Kickelhof bei Cadinen abgestattet
hat. Das Neustädterfelder Gräberfeld liegt nahe bei der Stadt Elbing;
die daselbst gehobenen Funde bestehen in Glasperlen, Schmucksachen
638 Kritiken und Referate.
aus Bronce und Silber, Glaskugeln, Knochen, Schädeln, unzusammen-
hängendeil Skeletten, Spinnwirteln u. s. w. Alle diese Funde, welche
Herrn Virchow zur Ansicht und Beurtheilung zugeschickt waren, sind
wieder hier angelangt und lagen, wiohlgeordnet, der Versammlung zur
Ansicht vor. Dass das Neustädterfeld vor Jahrhunderten theilweise
eine Begräbnissstätte gewesen, ist unzweifelhaft, weniger fest steht, wie
weit dasselbe sich erstrekt hat, doch ist mit Wahrscheinlichkeit anzu-
nehmen, dass es bis in die Nähe der Stadt Elbing gegangen ist, we-
nigstens wurden auf Aeussern St. Georgendamm beim Bau des Hospitals
ähnliche Knochenreste und alte Bronce- und Eisenstücke, wie auf dem
in Rede stehenden Fundorte zu Neustädterfeld aufgefunden. Es könnten
dort jedenfalls noch zahlreiche Gräber aufgedeckt werden und läge es
im Interesse der Wissenschaft, die Aufdeckungen in möglichst grossem
Umfange vorzunehmen. Das Resultat der im März d. J. vorgenommenen
Ausgrabungen war das reichhaltigste, das auf Neustädterfeld seither
vorgekommen. Es lieferte Urnen, Kämme, Perlen, Broncesachen, nament-
lich 13 Stück Schmucksachen, die fibulae der Römer, ein zerbrochenes
Armband, zwei alte Münzen, deren Gepräge leider unkenntlich u. s. w.
Aehnliche, wenn auch weniger reichhaltige Funde wurden in Kickelhof
gemacht. — Die aufgefundenen Schädel hält Prof. Virchow nicht für
der lettischen, vielmehr eher der finnischen Race angehörig, doch räumt
er ein, dass die genaue Bestimmung darüber sehr schwierig sei. Die
aufgefundenen Thonscherben scheinen theils aus dem frühen Mittel-
alter zu stammen, theils aber einer noch früheren Periode anzugehören.
Die aufgefundenen fibulae, sowie die Kämme, scheinen jedenfalls aus
sehr alter Zeit herzurühren; letztere sind um so werthvoller, als sie
sich sehr selten finden, so dass beispielsweise die Alterthumsgesellschaft
Prussia in Königsberg kein Exemplar besitzt; ebenso sind auch die auf-
gefundenen Perlen eine Rarität. Nach Virchow stammen diese letzt-
aufgeführten Funde wohl aus der älteren Eisenzeit, welche bekanntlich
von Christi Geburt bis etwa ins 7. Jahrhundert geht, während die früheren
Perioden mit Steinzeit und Bronce-Zeit bezeichnet werden. — Einge-
schickt sind der Gesellschaft in letzter Zeit von Herrn Quintern ein
Bronce- Armband und eine Perle, von Herrn Voigt -Neueichfelde das
Alterthumsges eil schuft in Elbing. 6Sd
Skelett eines Riesenhochtes, 10 Fuss unter der Erde gefunden, und von
Baumeister Kummer zwei Stücke Metall, auf denen noch Rudera von
Wappen befindlich, gefunden beim Aufgraben des Fundaments zur
Kirche in Reichenbach. — Nach der Pause hielt der Vorsitzende einen
Vortrag „Ueber die wahrscheinliche Lage von Truso und über die Mög-
lichkeit, dieselbe genauer zu bestimmen." Der alte Seefahrer Wulfstan
sagt in der Beschreibung seiner Reisen, die ihn auch nach dem Ufing-
(Blbing-)Flusse führten: „Dann kommt man auf den Elbing, an dessen
Gestade der verkchrreicho Markt Truso liegt." — Der verstorbene Stadt-
rath Neumann hierselbst, ein tüchtiger Alterthumsforscher, nahm an,
Truso habe da gelegen, wo heute das Kirchdorf Preuschmark, welches
früher allerdings Preuschmarkt hiess, gelegen; dies bleibt jedoch sehr
zweifelhaft, da Preuschmark niemals am Gestade des Drausen gelegen
haben kann, weil sich eben auf dem Neustädterfeld die zu Truso jeden-
falls gehörigen Leichenfelder finden und man doch nicht annehmen
kann, dass die alten Preussen ihre Leichen ins Wasser begrabeu haben
werden. Gegen Preuschmark spricht auch der Umstand, dass man dort
keine Alterthümer, namentlich keine alten Heerdstellen findet wie sie
bei allen umfangreicheren und reicheren Orten häufig gefunden werden.
Andere veröffentlichte Muthmassungen über die Lage von Truso sind
ebenso haltlos und dieselbe mit Bestimmtheit aufzufinden ist nur mög-
lich, wenn die Ausgrabungen in der Gegend des Drausens und Elbings
fleissig und mit Aufmerksamkeit fortgesetzt werden und man besonders
darauf achtet, wo sich eine grössere Anhäufung von Heerdstellen zeigt.
Möglieherweise lag Truso da, wo beute die Dörfer Meislatein, Bart-
kamm, Wöcklitz liegen*; dort sollen bei Gelegenheit des Chausseebaues
nach Pr. Holland Heerdstellen gefunden sein; leider liegen darüber
positive Berichte nicht vor. — Wünschenswerth wäre, wenn die dortigen
Besitzer im Interesse der Wissenschaft sich bemühten, auch ihrerseits
Forschungen vorzunehmen; jede Mittheilung wird der Elbinger Alter-
thumsgesellschaft höchst willkommen sein. — - An den Vortrag knüpfte
sich dann noch eine interessante Diskussion und wurde die Sitzung
ziemlich spät geschlossen. [Altpr. Ztg. v. 8. Dezbr. 1877. No. 287.]
640 Kritik eu und Referate.
Alterthnmsgesellschaft Prussia 1877.
Sitzung den 22. Juni. Cand. bist. Rob. Müller, welcher eingehende Studien
und Arbeiten in der Provinzialgeschichte aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts ge-
macht hat und im Laufe derselben auch auf Johann George Scheffner und auf dessen
Autobiographie gekommen war, entwarf von diesem Manne ein kulturhistorisches
Bild, indem er die Wandelung der Ansichten, Meinungen, ja auch der Moden an
den Lebensschicksalen und Aeusserungen dieses unseres Landsmannes zur Anschauurg
brachte, der die Zeiten von dem siebenjährigen Kriege bis auf das zweite Jahrzehnt
unseres Jahrhunderts mit ihren wechselvollen Ereignissen urtheilsvoll betrachtete.
Freiherr v. Bönig k berichtet zur prähistorischen Karte Ostpreussens. Beide
Gesellschaften, sowohl die physikalisch-ökonomische als die Prussia, haben Professor
Fr aas in Stuttgart ihre Bereitwilligheit zur Ausführung dieser Arbeit erklärt. Von
Seiten der Prussia sind für die genannte Karte die Sammlungen der Gesellschaft,
ferner die des Oberlehrer Gisevius in Tilsit, des Bittergutsbesitzer Blell auf Tüngen
und Hauptmann v. Kall auf Lenkeningken, wie die Arbeiten der Mitglieder der Ge-
sellschaft in Betreff der Burgwälle, die Publikationen in den ,N. Pr. Pr. Blättern*,
der »Altpreussischen Monatsschrift' u. a. Schriften, endlich private Mittheilungen ver-
bürgter Art benutzt. Wenn der erläuternde Katalog für die Fundobjekte auch noch
eine beträchtliche Arbeit erfordert, indem der Charakter der Funde nach ihren ver-
schiedeneu Epochen sicher festgestellt werden muss, so ergiebt die von ihm nach
den genannten Nachrichten über prähistorische Stationen ausgefüllte Karte Ost-
preussens, welches 700, D Meilen gross ist, ca. 500 prähistorische Stationen. Dieselben
vertl« eilen sich in folgender Art: 130 fallen auf Samlaud, 37 auf die Kreise Tilsit
und Bagnit, je 10 — 17 auf die Kreise Gumbinnen, Friedland, Preuss. Eylau, Inster-
burg, Heiligenbeil, Lötzen, Memel und Darkehmen, je 5 — 7 auf die Kreise Gerdauen,
Pr. Holland, Rastenburg, Angerburg, Johannisburg, Lyck und Sensburg, je 3 auf
die Kreise Oletzko und Pillkallen, je 2 auf die Kreise Osterode, Stallnpönen und
Goldap, je 1 auf die Kreise Neiden bürg, Orteisburg und Niederung. Ermland mit
77 DMeilen zeigt 7 Stationen. Bei diesen für einzelne Gegenden so spärlichen Nach-
richten wird dem Vorstand der Gesellschaft jede Notiz über noch unbekannte Funde
prähistorischer Art sehr erwünscht sein und derselbe sie mit Dank aufnehmen. Zur
prähistorischen Karte Deutschlands sind diese Fundorte nur in die Sektionen der
Beymannschen Karte einzutragen. Der Vortragende weist aber mit Recht auf das
Interesse hin, welches die Einzeichnung der bisher ihm bekannten 500 Stationen in
eine physische Karte Ostpreussens in vergrössertem Massstab für die Vorgeschichte
unserer Provinz erregen muss. Er selbst legt zur Probe eiue Karte Samlands mit
überaus grosser Zeichnung der Höhenzüge und Flussläufe vor, in welcher die Zeichen
menschlichen Anbaus von der Zeit vor Christi Geburt bis ins 13. Jahrhundert ein-
getragen sind.
, Alterthumsgesellschaft Prussia« 641
Eine Beschreibung des Schlossberges bei Hinzenhof, Kreis Rastenbnrg, wurde
aus einem Bericht des Dr. Tribukait in Rastenburg verlesen. In dem Munde des
Volkes haben sich von diesem Wohnsitz aus heidnischer Zeit noch folgende Sagen
erhalten: Auf ihm wandeln zwei schwarz gekleidete Frauen umher und aus der
Mitte des Bergplateaus strömt Blut hervor, wenn ein Loch in Manneshöhe hinein-
gestochen wird. Bis vor wenigen Jahren trug der Schlossbeig drei denkwürdige
Kiefern, zwischen denen der Bär des Kastenburger Stadtwappens von einer Lanze
durchrannt am Fortlaufen gehindert sein soll. Der Berg hat eine so hohe Lage,
dass von ihm der Quedencr Schlossberg und der auf dem Gebiet von Schäferei
bei Eichmedien gesehen werden kann. Von einer Wiese umgeben, ist er unzugäng-
lich, nur auf der Westseite steht er mit Ackerland in Verbindung. Hier war auch
der Aufgang; der steilste Abfall und der höchste Punkt liegt nach Osten. Der
ganze Berg ist erst seit wenigen Jahren beackert; das Plateau misst von Osten nach
Westen 70 Schritte und von Norden nach Süden 45 Schritte. Nahe dem Fuss der
Abhänge ist rings um den Berg ein Gürtel hellerer Erde zu erkennen, der vielleicht
von dem eingepflügten ringförmigen Wall herrührt. An einer Stelle fand sich ein
Fuss tief eine weit sich ausdehnende Kohlenschicht, ebenso an mehreren Stellen Scher-
ben von irdenem Geräth aus heidnischer Zeit, jedoch nirgends in erheblicher Menge.
Die Aufdeckung eines Ganggrabens bei Teistimmen, Kreis Bössei, zu welcher
Rittmeister v. Schlcussner auf Teistimmen die Gesellschaft aufgefordert und zu
welcher Dr. Tribukait von Rastenburg hinübergekommen war, wurde ebenfalls nach
des Letzteren Bericht beschrieben und die daraus aufgenommenen Gefässe wie die
spärlich aufgefundenen Bronzen der Versammlung vorgezeigt.
Der in der Mai- Sitzung d. J. beschriebene Grabhügel liegt etwa 1000 Schritte
von dem sogenannten Teistimmer oder königlichen See und einige hundert Schritte
von einem ehemaligen kleineren See auf der Feldmarke des zu Teistimmen gehörigen
Vorwerks Ludwigsmühle; 50 Meter nördlich befindet sich das neu geöffnete Gang-
grab, genau von derselben Form und denselben Massen, wie jenes, jedoch weniger
beschädigt. Das Südende mit dem Eingang war zerstört, die Kiste ergab eine Länge
von 3 Met., eine Breite und eine Tiefe von je 0,70 M. Zwei der grossen Stein-
platten, die als Decke gedient hatten , waren aus ihrer früheren Lage verschoben,
aber fanden sich noch vor; auch die Seitenwände am Südeingang fehlten; wo der
Gang erkennbar wurde, war ein Stein nach innen gedrückt. Es wurden 21 Gefässe
theils ganz, theils in grösseren unversehrten Stücken, theils Scherben mit Mustern
herausgehoben. In der Erde um die Urnen und in den Gelassen lag zerstreut eine
Menge von Bronzestücken, herrührend von beschädigten Arm-, Fingerringen und
Gewand nadeln. Der Boden des Ganges hatte ein Steinpflaster und unter demselben
befanden sich auch Umenscherben und verbrannte Knochen. Die Asche der hier
zahlreich Verbrannten wurde theils in den Gefässcn, theils am Fuss derselben ge-
funden. Ein Fingerreif in 3 Spiralen und ein Zierstück einer Gewandnadel aus
642 Kritiken und Referate.
Bronzedraht zu einer Schlinge zusammengebogen und an den Enden in 2 Spiralen
aufgerollt ist noch im Besitz des Herrn v. Schleussner. Zur Charakteristik der
Formen der aus feinem Thon gearbeiteten Ge fasse bemerken wir, dass alle einen
halbkugelförmigen Boden haben. Eins hat Tassenform mit Henkel (10,5 cm hoch),
in der Höhe von 6 cm ist die grösste Ausbauchung in einem Durchmesser von
15 cm, die Halsöffnung hat einen Durchmesser von 9 cm und ist eyl in drisch. Drei
grössere Gefässe ohne Henkel haben keinen cylinderischen, sondern einen allmäiig
sich verengenden Hals. Von Schalen ist nur eine vollständig erhalten, dieselbe hat
9 cm Höhe und 20,5 cm Durchmesser an der weiten Oefihung; dieselbe ist voll-
ständig glatt, eine andere sehr schön verzierte hat am Boden eine kleine kreisrunde
Oeffnung. Die Verzierungen bei der zuletztgenanutcn Schale bestehen in zusammen-
hängenden Linien. Der Band und die kreisrunde Oeffnung am Boden ist mit con-
centrischen Kreislinien verziert, zwischen diesen laufen im rechten Winkel schneidend
gerade Linien und die Zwischenfelder sind von Zickzacklinien eingenommen, die auch
radienartig nach dem Bande von dem Boden aus sich heraufziehen. Bei einem
19 cm hohen Gefäss wechseln der Halsöffnung parallel laufende Linien 3 Mal mit
Zickzacklinien. Auf andern Urnenscherben ist das Muster hergestellt durch je vier
horizontal laufende Linien und kleinere Liniengruppen zu je 4, welche die obere
wagrechte Linie im Winkel von 00° treffen. Andere Urnenscherben zeigen eine Ver-
zierung mit Punkten oder kurzen Strichen in horizontaler Bichtung oder in dieser
und senkrechter Bichtung oder in beiden und mit Zickzack-Motiven.
Dr. Bujack macht Mittheilung über eine Ausgrabung bei Polennen, Kr. Fisch-
hausen. Nachdem Herr Budolf Kosmack die Freundlichkeit gehabt hat, als bei Be-
stellung eines Ackers dicht an dem Kiuge von Polennen eine Urne gefunden wurde,
davon dem Vorstande Nachricht zu geben, ergaben Untersuchungen neben der Fund-
stelle der Urne, dass 2 Meter von/ derselben nordwestlich entfernt zwei conccntrische
Steinkreise mit einem Steinhaufen in der Mitte sich befanden. Die Schwärze der
Steine, Asche und Knochensplitter Hessen bestimmt darauf schliessen, dass hier die
Verbrennung von Leichen stattgefunden habe, deren Knochen an der beschriebenen
Stelle in einer Urne beigesetzt wurden. Der Durchmesser des äusseren Steinkreises
betrug 10 Meter, der Steinhaufe in der Mitte, der als Brandstelle diente, hat nach
den Dimensionen der Breite und Länge 1 Meter, der Tiefe 0,60 Meter, der äussere
Steinkreis war durch 2 bis 3 Keinen Steine übereinander hergestellt und die Steine
massen durchschnittlich 0,50 cm Länge und 33 — 35 cm Dicke und Breite. Der
innere Steinkreis war von dem äusseren nur 1 Meter entfernt Die Beigaben für
die Ueberreste von Knochen lagen in der Urne oben auf und bestanden in folgen-
den Gegenständen von Bronze: in einem Gewandhalter ohne Nadel; einem haken-
förmigen Bügel eines Gewandhalters, einer kleinen Zange und 2 kleinen Plättchen,
G mm im Quadrat Die Form des Gewandhalters vgl. in genauer Wiedergabe »Ar-
chiv für Anthropologie« Bd. X. Taf. H. Fig. 8. u. Verhandig. Estn. Ges. Bd. VI.
K
Alterthumsgesellschaft Prussi«. 643
Taf. 8 Fig. 11. Grewiugk nennt in seinem Aufsatz »Das Ost-Balticum etc.* diesen
Gewandhalter Hakenfibel. Ans einem Stück sind Bügel, Spirale zum Federn und
Nadel. Grewiugk spricht von der grossen Verbreitung dieser Nadel auch ausserhalb
unserer Provinz. Für diese können ausser Polennen noch 5 Fundorte derselben an-
geführt werden: Sacberau und Dolkeim Kreis Fischhauseu, Keimkallen Kreis Heili-
genbeil, der Galgenberg bei Lötzen und Willkassen Kreis Lötzen.
Der Rittergutspächter Herr v. Monlowt auf Sacherau schenkt 2 Exemplare der
eben beschriebenen Gewandnadel und ferner noch folgende Schmuckgegenstände aus
Bronze: das Schlussstück einer Kette, gebildet aus einem rechteckigen Rahmen, die
Seite 6 cm lang und 5,3 cm breit. Der innere Kaum desselben wird durch vier
stärkere Stäbe in 4 kleinere rechteckige Felder getheilt; aber auch diese rechteckigen
kleinen Felder zerfallen wieder in je zwei rechtwinklige Dreiecke, indem von den
Ecken des grossen Rahmens nach dem Schnittpunkt der Diagonalen je ein 2 Milli-
meter dicker und breiter Stab läuft. Der äussere Rahmen 5 Millimeter breit und
2 Millimeter dick ist an jeder Ecke und in der Mitte jeder Seite mit einem Löchel-
chen versehen, damit derselbe vermöge einer Niete auf eine bronzene Platte aufge-
heftet werden konnte. An der Mitte der einen kürzeren Seite des Rahmens sitzt
zur Aufnahme eines bronzenen Ringes (mit einem lichten Raum von 2 cm im Durch-
messer) ein in der Fläche des Rahmens stehender, durch eine Niete geschlossener
Haken, im Ganzen 3,4 cm lang und an dem Ansatz 1,2 cm breit. Aehnlicho Schluss-
stücke einer Kette oder Gürtelhaken sind in Keimkallen Kreis Heiligenbeil bei einem
Skelett und in Liekeim Kreis Friedland gefunden worden, haben aber Motive in
einem mehr zusammengesetzten Muster, der Rahmen ist auch rechteckig, 6,2 cm und
7 cm bei dem ersten; 5,9 cm. und 9 cm. bei dem andern die Breite und Länge der
Seiten. An derselben Stelle wurde eine ringförmige Fibula mit einem lichten Raum
von 3,8 cm im Durchmesser gefunden (die Nadel ist nur an ihrer Oese erhalten,
die sich nicht vorschieben läset und nur in vertikaler Richtung zum Ringe bewegt
werden kann), ferner eine Bernsteinperle in kugelförmiger Gestalt Die Fundstätte
dieser interessanten Gegenstände ist der Angabe nach die heidnische Schanze bei
Ellernliaus, dem Vorwerk von Sacherau. Dieselbe ist viereckig, auf 3 Seiten von
Sumpf, auf der vierten zugänglichen, von drei mit der Quadratseite parallel laufen-
den Längswällen geschützt. Die Funde von Gewandhaltern und Schmuckgegen-
ständen auf Heidenschanzen oder Wallbergen werden in Ostpreussen im Ganzen
selten gemacht, die Sammlung der Prussia besitzt solche nur noch aus der Peluckies.
bei Staneit sehen, Kr. Gumbinnen, und dem Pillberg bei Skumbern, Kr. Ragnit.
Kaufmann Plink schenkte eine bronzene Schnalle und eine flache kugelförmige
Bernsteinperle. Beide Stücke wurden auf der Feldmarke von Linkau, Kreis Fisch-
hausen gefunden. — Ferner gingen als Geschenke ein: Von Studiosus Bramann
ein Feuersteinkeil mit concav geschliffener Schneide, beim Graben 2 Fuss unter der
Oberfläche im Sandboden bei Szameitschen, Kreis Darkehmen, gefunden. Vom Real-
644 Kritiken und Referate.
schü'ier Prot h mann ein Schleifstein- Fragment aus Schiefer, gefunden hei Wehlau.
Von Major Weyl eine römische Bronze-Münze des 4. Jahrhunderts.
Die neu eingetretenen Mitglieder sind der Kreishaumeister v. d. Gundel und
Administrator Rud. Kosmack. [Ostpr. Ztg. v. 21. Sept. 1877. Nr. 220. Beil.]
Sitzung den 21. September. Die Sitzung wird von Dr. Bujack mit der Mit-
theilung eröffnet, dass Professor Virchow die werthvollen Sammlungen der Gesell-
schaft mit einem Besuche beehrt und einen Bericht über den Pfahlhau bei Werder
am Arys-See, dessen Untersuchung einen in unserer Provinz allein dastehenden
Fund der Sammlung zuführte, für den archäologischen Gongress in Constanz freund-
lichst übernommen hat. Hierauf erfolgte die Vorlage mehrerer geschlossener Funde
und dann eine grosse Reihe von Einzelfunden. Rentier Douglas, noch im vorigen
Jahr Besitzer von Trömpau, Kreis Königsberg, hatte von dem Urnenfeld daselbst,
genannt ,der Kurrenberg* (Kurenberg), aus welchem er in früheren Jahren werth-
volle Bronzefun de der Gesellschaft geschenkt, eine 35 cm hohe, eimerförmige Urne
aus rohem Thon, mit Erde gefüllt, eingesandt. Bei der Entfernung der Erde fand
Dr. Bujack ein aus feinem Thon gearbeitetes Gefass, 12,8 cm hoch, fast kugel-
förmiger Gestalt, mit c) linderischem Halse und an der grössten Ausladung mit
einem Z;ckzackmustcr versehen. Unter diesem nur mit Holzasche gefüllten Gelasse
fand sich ein halbkugelförmiger Schildbuckel aus Eisen, fest anliegend an den Ueber-
resten eines eisernen Schwertes oder einer Lanzenspitze. Während diese Gegen-
stände dicht auf der einen Seite der Wandung des Gefässes in verbrannten Knochen,
Asche und Erde lagen, ragte an der gegenüber liegenden eine 13,8 cm .lange
Knochennadel hervor. Dieselbe läuft in eine Spitze zu und hat in ihrem untersten
Drittheil eine Breite von 18 mm. Fa*:t könnte sie für eine Nachbildung eines bron-
zenen Schwertes mit Parirstange und Schildblattklinge gelten. Dicht daneben be-
fand sich eine bronzene sogenannte römische Fibula.
Der Grundbesitzer Preuss zu Kekitten, Kreis Rössel, hatte durch Ritt-
meister v. Schleussner auf Teistimmen den Vorstand zur Oeffnung eines 3,5 ui
hohen Grabhügels aufgefordert, dessen Grundfläche in der Länge ca. 6 m und in
der Breite 2,50 m mass. Rittmeister von Schleussner bot freundliche Unter-
stützung und Dr. Tribukait leitete die Aufdeckung. Es war ein Ganggrab, aus
gespaltenen Steinplatten zusammengesetzt und zugedeckt: nur 4 Steine in Pfeiler-
form, welche sich je an einer Ecke des rechteckigen Ganggrabes befanden, schienen
unbearbeitet, sie standen an dem Süd- und Nordende des Ganges. Derselbe hatte
5,5 m Länge, 0,80 m Breite, 0,72 m Tiefe. Auffallend war es aber, dass hinter den
Eckpfeilern des Südendes sich eine Lücke von 1,50 m an den Seiten wänden fand.
Dr. Tribukait ist der Ansicht, dass der Bau für den Urnenvorrath zum Andenken
an die Verstorbenen zu gross angelegt war and deshalb der Gang schon auf 4 m
geschlossen wurde, indem man den projektiven Eingang zwischen den Pfeilern am
Südende unbenutzt stehen liess. Die Platten für diesen 5 m langen Gang hatten
Alterthumsgesellschaft Prussia. 645
durchschnittlich 1 m Breite, 1,29 ra Läng-' und 0,13 m Dicke. Der Boden des
Ganges war aus kleinen flachen Steinen hergestellt und darüber Lehm gegossen,
aber nicht so, dass die Ebene genau horizontal gebildet war, sondern Erhebungen
und Vertiefungen je nach den Formen der Steine hatte, eine Anordnung, die zum
Aufstellen der Gefässe getroffen war, da sie sammtlich einen Boden mit einer Kugel-
fläche hatten. Das Kckitter Ganggrab hat 35 Ge fasse enthalten, die meisten neben
einander, einige über einander und einige in einander. Die verbrannten Knocben-
tiberreste lagen hauptsächlich unter den Töpfen, zu einem geringen Theil in den
Töpfen; letztere waren sammtlich mit Aschen-Erde noch so gefüllt dass nicht an
zufalliges Zuschütten, indem Erde in den Gang drang, sondern an ein absichtliches
Zufüllen gedacht werden muss, auch der Raum des Ganges über den Gefässen war
dicht mit Erde gefüllt. Von Bronce sind nur Spuren gefunden, so dass die me-
tallenen Beigaben geradezu interesselos und unwichtig sind; desto bedeutender sind
die Beigaben ans Thon. Die Gefässe sind sammtlich aus feingeschlemmten Thon
und von den vorhanden gewesenen 35 im Ganzen 29 in den Samminngen aufgestellt:
vielleicht lassen sich aus den vorhanden. n Scherben noch einige Gefässe zusammen-
setzen. Die grössten Gefässe, 7 an der Zahl, haben die Höhe von 19 bis 20 cm.
Eines dieser Gefässe ist halb kugelförmig, die Form der anderen 6 ist die einer
flacheren oder tieferen Schale mit aufsitzendem, sich allmäiig verengendem, im oberen
Theil fast cylinderischein Halse. Eines dieser Gefässe hat auch einen Henkel
zwischen der Halsöffnung und der grössten Ausladung; 4 derselben haben an der
grössten Ausladung und dem aufsitzenden Halse Verzierungen durch horizontale,
senkrechte und durch schräge gerichtete, sich bisweilen schneidende Linien und
Punkte. Bei einigen Gefässen entstehen dadurch Rhomben, wieder bei einem sind
zwischen horizontalen Reihen von Punkten kleine Kreisverzierungen um den ganz mi
Hals der Urne angebracht. Dieselbe Verzierung ist auch an einem 12,7 cm hohen
Gefäss vorhanden, gleich ihr wiederholt sich die vorher beschriebene Form auch
bei kleineren Gelassen bis zur Höhe von 10 cm. Dreizehn Gefässe sind schalen-
förmig gestaltet, und zwar 4 davon so, dass die grösste Ausladung auch die grösste
Halsöffnung ist; ihre Höhe schwankt zwischen 12 cm und 5,2 cm, 8 Schalen haben
nach einem ein wenig über der grössten Ausladung zurücktretenden Rand, eine in
der Gesammthöhe von 8 cm hat 4 cm hoch eine kleine Einschnürung. Eine von
diesen Schalen ist mit einem Henkel, eine andere mit] 2 kleinen Löcholchen ver-
sehen. Der Dnrcjimesser der Oeflhung der kleinsten Schalen betrug 9 cm, ihre
grösste Ausladung im Durchmesser 11 cm, befand sich 2,50 cm hoch. Keine dieser
als Schalen beschriebenen Gefässe diente als Deckel, sie standen alle mit der Öff-
nung nach oben nnd fast alle in den grösseren vorher beschriebenen Gelassen.
Hierauf folgte die Verlesung einer Beschreibung, welche der Gymnasiast Un-
gewitter von einem durch Herausnahme von Steinen zum Theil zerstörten Urnen-
felde bei Friede nau in der Nähe von Barten, Kreis Rastenburg, entworfen. Er fand
646 Kritiken und Referate.
auf einer Fläche , die 16 Meter Länge und 15 Meter Breite hat, an sechs Stellen
pyramidenartig zusammengefügte Steine in der Erde, aber nichts unter ihnen, als
einige Scherben; au einem anderen Platz, 20 cm tief 10 Steine neben einander, so
dsss sie ein Viereck bildeten, unter einem eine 22 cm hohe Urne mit Stehfläche in
kugelähnlicher Gestalt. Die Knochenmasse in der Urne zeugte von der stattgehabten
Verbrennung. In 4,5 m Entfernung von dieser Stelle fanden sich vier Steinkreise;
2 (jerselben enthielten Urnenscherben, unter ihnen einen Doppelhenkel. Besonders
auffallend war ein leeres Grab in einem Bau folgender Art: 31 cm tief lag eine
grosse Stein pflasterung, unter derselben 1 m tief Sand mit einigen Scherben, dann
wieder Steine. Nach diesen Fundberichten, denen die beschriebenen Gegenstände
als Geschenke beigefügt waren, zeigte der Vorsitzende folgende eingegangene Ge-
schenke und angekaufte Stücke vor:
Zur Sammlung von Geräthen aus Knochen, Geweih oder Stein als Einzelfunden
schenkten Pfarrer As ticker in SchOnau bei Schlochau eine Speerspitze aus Knochen
oder Geweih, 21,5 cm lang, scharf zugespitzt, an der dicksten Stelle (9 cm von der
Spitze entfernt) 9 mm im Durchmesser, das Schaftende zeigt, wie dasselbe an einem
hölzernen Schaft befestigt war, gefunden in einem Torfbruch neben einem Elch-
schädel. — Gutsbesitzer Hellmuth auf Salzbach, Kr. Bastenburg, einen 9,6 cm
langen Keil aus muschligcm Hornstein, daselbst gefunden. — Landschaftsrath Heide*
mann auf Pinnau eine durchlochte Axt aus Hirschgeweih, 24 cm lang, gefunden in
einem Moor (>ei Wangnick, Kr. Pr. Eylau. — Kaufmann Honig einen Reibstein aus
Granit, gefunden auf den Hufen. — Graf v. Klinkowstroem auf Korklack ein
durchlochtes Beil aus Amphibolit mit überhängender Schneide und Bahn, von der
Mitte der Schneide läuft auf jeder Seite eine scharfe Kante nach der Mitte der in
eine Kante ausgehenden Bahn; und ein durchlochtes Beil mit viereckiger Bahn aus
Diorit, beide gefunden auf einem Urnen- und Bestattungsfeld zu Heinriettenfeld,
Kreis Gerdauen. — Majoratsherr v. Kunheim auf Juditten 2 zu Prauerschitten,
Kreis Friedland, ausgepflügte Keile, einen aus muscheligem Hornstein, in Feuerstein
übergehend, 9,5 cm lang, den anderen aus feldspathreichem Diorit, 17 cm lang, an
der Bahn 3,7 cm, an der concav ausgeschliffenen Schneide 7,6 cm breit. — Freiherr
v. Bomberg auf Schloss Gerdauen ein durchlochtes Beil aus feinkornigem Diorit
elegantester Form, daselbst gefunden; die verstärkten äusseren Wandungen des Bohr-
lochs laufen in eine vierkantige Spitze aus; und einen durchlochten Doppelhammer
aus feldspathreichem Diorit, gefunden auf der Feldmarke der Stadt Gerdauen, die
verstärkten äusseren Wandungen des Bohrlochs haben dieselben vorher beschriebenen
vierkantig zulaufenden Spitzen. — Gymnasiast Botho von Steegen: ein durch-
lochtes Beil aus Norit, 103 mm lang, die Bahn 35 mm, die Schneide 55 mm Hohe,
gefunden zu Gr. Steegen, Kreis Pr. Eylau. — Rittergutsbesitzer Wennmohs auf
Laserkeim, Kreis Fischhausen, eine daselbst ausgepflügte Pfeilspitze aus Feuerstein,
5 cm lang. — Major von Wernsdorf auf Truntlack, Kreis Gerdauen, einen da-
Altertbumegesellschaft Prnssia. g47
selbst gefundenen, 20 cm langen unduTchlochten Hammer ans Diorit. — Professor
Zaddach einen in Masurcn gefundenen cyiindrischen Zapfen aus Amphibolit, 23,5 mm
hoch, mit 14 und 16 mm Durchmesser an der oberen und uuteren Kreisfläche, ver-
möge eines Bohrcylinders aus Metall aus einem Steingeräth behufs Durchlochung
ausgebohrt. — Angekauft wurde ein Keil aus muscheligem Hornstein, 11,5 cm lang,
gefunden bei Rhein, Kreis Lötzen.
Zur Sammlung von geschlossenen Graberfunden und Eiuzelfunden aus Bronce,
Eisen, Bernstein, Thon und Glas schenkten Gutsbesitzer Behrendt auf Drengfurts-
hof, Kreis Bastenburg, ein kleines Gefass aus Thon mit Stehfläche, 4,2 cm hoch in
Schalenform und eine Perle aus Terracotta, daselbst auf einem Urnenfelde gefunden.
Apotheker Kascheike in Drengfurt 3 Perlen aus Terracotta, in Drengfurtshof ge-
funden. Graf von K 1 in kow ström auf Korklack eine eiserne Trense, eine bronzene
Kappenfibula mit einer eisernen Verzierung am Bügel, gefunden in einer Urne, in
deren Nähe eine bronzene Münze der Lucilla, Schwester des Kaisers Commodus, lag,
und 3 broncene kleine Beschlagstücke. Der Fundort, die Feldraarke von Henrietten-
feld, Kreis Gerdauen, enthält ein Urnen feld und eineu Bestattungsplatz. Hier sind
Skelette nicht nur von Menschen, sondern auch von Pferden gefunden. Die erstereu
lagen bisweilen in Baumstämmen oder waren mit Steinen umgeben. Dr. A. Hennig
fand hier auf dem Urnenfeld bei flüchtigem Besuch in einer roh gearbeiteten Urne
2 bronzene Gewandhalter, eine Kappenfibula und eine scheinbar der Zeit des Kaisers
yespasian angehörige mit glattem Bügel. Gutsbesitzer Krause auf Sielkeim, Kreis
Labiau, einen daselbst beim Pflügen gefundenen bronz. Hohl-Celt mit Oehr, 10 cm
lang und feinster Arbeit. — Frau Liedemann 7 schöne gemusterte Glasperlen
und Perlen von Terracotta, ohne nachweisbaren Fundort. — Freiherr von Bomberg
auf Schlo8ss Gerdauen einen bronzenen Halsring in 7 Spiralen, gefunden daselbst
bei Anlage der Bartener Chaussee. Der Halsring aus 3 Dräthen, je 3,5 mm dick,
zusammengewunden, ist an dem Endstück der grösseren Oeffnung mit einer einfachen
bronzenen Hülse, an dem der kleineren Oeffnung unter dem Kinn mit einer Hülse
versehen, die in einen 11,8 cm langen bandartigen, mit Rhomben und Punkten ge-
musterten gewundenen Schnabel ausläuft; ferner eine bronzene Armspirale in dreizehn
Windungen, auf dem Gerdauenschen Vorwerk Döhring gefunden. — Partikulier
Scherhans in Drengfurt einen in Drengfurtshof gefundenen geschlossenen broncenen
Bing; derselbe ist cylinderisch und hat die Höhe von 1,4 cm. — Rittergutsbesitzer-
von Sehe ff er auf Schonklitten, Kreis Pr. Eylau, 3 durchlochte Stücke Bernstein-
schmuck, in einem Torfbruch unter einer alten Eiche in grosser Tiefe daselbst ge-
funden, eines in Form eines Dreiecks, die andern in Stabform. Die Bohrlöcher sind
bei jedem Stück von der Vorder- und Rückseite aus konisch gearbeitet Das kleinere
Stabstück hat eine Punktverzierung in horizontalen Reihen. — Partikulier Seil wie k
in Rastenburg folgende 6 Schmuckgegenstande aus Bronce als Urnen-Inhalt, gefunden
bei Willkassen, Kreis Lötzen: eine Hakenfibula; den unteren Theil eines kleinen Ge-
ß48 Kritiken und Referate.
wandhalters, bestehend in breitem Bügel und Nuht für die Nadel; einen geschlossenen
bronzenen Ring, seine Verzierung besteht an 6 Stellen in je 3 vertikal an der
äusseren Ringfläche aufgesetzten kleinen Kü gelchen; 2 Glieder einer Kette, 8 cm
und 7,6 cm lang, aus dünnem Draht gewunden, so dass eine Oese mit 3,5 mm lichtem
Durchmesser an jedem Ende gebildet wird, und eine 7,5 cm lange Pincette, die
Zangenenden stehen zum Griff rechtwinkelig und greifen in einander. — Haupt-
mann von Streng auf Rostek folgende Stücke aus Liekeim, Kreis Friedland: vier
bronzene Gewandnadeln, darunter eine Hakenfibula und 2 Arrabrustfibulen; 3 broncene
uugeschlossene Armringe, deren Endstücke durch Abschnürungen verziert sind, einen
vierten auf dem Bande mit gestricheltem Muster, das sich in Rhomben schneidet;
2 Endstücke eines Armringes aus Bronce, einen Armring aus gewundenem Bronce-
draht mit in einander greifenden Haken; 2 bronzene Schellen und 4 broncene Ringre
mit einem lichten Durchmesser von 1,7 cm, welche je in einem 1,5 cm langen
Draht hängen, dessen anderes Ende mit einer Oese an einem Halsring angehängt
wurde; 2 broncene Schnallen: 2 broncene Schlnssstücke eines Gürtels in rechteckigem
Rahmen, die Seiten 5,9 cm und 9 cm, die Verzierung in durchbrochener Arbeit be-
steht in 2 Reihen von je 6 rhombischen Blättern, deren Mittelrippe parallel den
Langseiten des Rahmens liegt; ein Gürtelstück hat einen beweglichen Ring und
einen festen Dorn zum Durchstechen des durchzuziehenden Lederriemens; ferner
2 halbkugelförmige Schildbuckel, eine eiserne Lanzenspitze mit Tülle und rhombi-
schem Blatt; 3 eiserne Messer mit Angel, deren Ansatz auf beiden Seiten kürzer
als die Breite der Klinge ist; eine eiserne Schcere in Form der heutigen Schaf-
scheeren von seltener Grösse, die Zangen 9,5 cm, der Griff K»,t> cm lang; der halb-
kreisförmige Griff eines Kammes, aus drei Knochenplatten gebildet, deren mittlere
die Auszahnung erhielt, leider sind aber die Zähne nicht mehr erhalten. Die Ver-
zierung der Deckplatten, welche den Griff bilden, besteht in einer Guirlande von
Würfelaugen längs dem Rande und in einem Kreuz von Würfelaugen in der Mitte.
Ferner schenkte Hauptmann von Streng von Gräberfunden aus Dagutschen, Kreis
Goldap: eine eiserne gebrochene Trense, einen eisernen Steigbügel, dadurch eigen-
tümlich, dass da, wo der Bügel an dem Tritt ansitzt, sich auf jeder äussern Seite
ein eiserner Stachel befindet; einen eisernen Sporn mit vierkantigem, pyramiden-
förmigem Dorn, welcher einen im Durchschnitt kreisförmigen kurzen Hals hat nnd
denselben mit den Kanten seiner Grundfläche überragt; eine eiserne Lanzenspitze
mit einer G cm langen Tülle nnd einem 11 cm langen Blatt in rhombischer Form;
aus Komatzko, Kreis Lötzen, 2 Perlen von Terrracotta, einen ungeschlossenen bron-
zenen Armring in Bandform, 1,6 cm breit, das Band ist nicht cyündrisch, sondern
concav ausgebogen und hat an den Endstücken ein gestricheltes Muster; ein eisernes
Messer; aus Eckersberg, Kreis Johannisburg, ein eisernes Messer mit concav aas-
geschliffener Klinge, ferner von dort einen eisernen Bolzen mit Dorn; aus Werder
am Arys-See aus der Nähe des Schlossberges eine bronzene Gcwandnadel im Charakter
Alterthnmsgesel lach äffe Prüssia. 649
der Zeit des Kaisers Vcspasian, vergl. Sadowski, die Handelsstrassen der Griechen etc.
Tafel IV. Figur 54, aus Schönberg, Kreis Lötzen, ein Fragment eines alten heidni-
schen eisernen Vorlegeschlosses mit Federn; aus Kotzek, Kreis Johannisburg, eine
kleine bronzene Fibula in Armbrustform und mit einem Bügel versehen, der durch
Umbicgung die Nuth zur Aufnahme der Nadel bildet, einen bronzenen oralen un-
geschlossenen Bing mit verschieden verstärkten Endstücken; 1 Perle aus Terracotta,
1 kleine Glasperle in Scheibenform, 13 Perlen aus Bernstein, 2 von ihnen in Pauken*
form, 2 cylinderische, 1 in Wirtelform, die übrigen in Scheibenform, sie zeichnen
sich sämmtlich durch ihre Kleinheit und zum Thci) durch ihre feine Bearbeitung
aus, und 1 Thon perle in Wirtelform. Gekauft wurde ein 14,8 cm langer broncener
Hohlcelt mit Oehr, er wurde freiliegend auf dem Galgenberg bei Rastenbuxg gefunden.
Der Durchmesser der lichten Oeffuung der Tülle beträgt 29 mm und der der Schneide
5,2 cm, die Gussnath am Oehr und an der gegenüberliegenden Seite stehen noch da.
Zur Sammlung mittelalterlicher Waffen schenkten: Majoratsherr v. Kunheim
auf Juditten, Kreis Friedland, eine beim M orgelfahren daselbst gefundene wuchtige
Speerspitze eines deutschen Ordensritters um 1220, der Schaft mit Tülle ist acht-
kantig und hat die Länge von 13,5 cm, das Blatt, 19 cm lang, lanzettförmig, hat
die grösste Breitenausdehnung in 13,6 cm Entfernung von der Spitze, die grösste
Breite der Klinge beträgt 5,5 cm. Die Tüllo ist leider nicht ganz erhalten. — Frei-
herr von Romberg auf Schloss Gerdauen einen im Walde Damerau bei der Wald-
arbeit gefundenen vierkantigen Panzerstecher genannt Pörschwert (von Bohner) um
1380, (cfr. Lebar, Wiens kaiserliches Zeughaus.) Die vierkantige Klinge ist 92 cm
lang und verjüngt sich allmälig, sie hat an der Parierstange 2,5 cm und an der
Spitze 5,5 mm Durchmesser. Die Parierstange, völlig gerade, ist über den Griff ge-
zogen und hat eine Gesammtlänge von 26,5 cm, der Griff, am Ende durch einen
Knauf (2 cm dick) in kreisförmiger (Durchmesser 4,9 cm) Scheibenform geschmückt,
hat zwischen Knauf und Parierstange eine Länge von 22,5 cm und ist am Knauf
1 cm und an der Parieretange 2 cm breit und einen im Park von Schloss Gerdauen
gefundenen Sporn des 14.Jahrhunderts. Das Hackenstück ist verbreitert, der Bügel
kurz, aber geschweift und der Dorn wird durch die Spitzen eines in der Mitte aus-
geschnittenen Eisens in Bandform ersetzt. — Dr. Tribukait einen bei der Stadt
Bhein, Kreis Lötzen, gefundenen vierkantigen, 8,3 cm langen eisernen Bolzen mit
Tülle, deren lichter Durchmesser 1,4 cm stark ist.
Zur Sammlung von Gegenständen neuerer Zeit schenkten Lieutenant von
Pressentin genannt von Baut her auf Kanoten ein grosses Schloss der Kirche von
Gerdauen. — Maurermeister Kade eine 75 Pfd. nach altem Gewicht wiegende Ka-
minplatte mit der Unterschrift »Josua Kap. 10. 1610* und mit der bildlichen Dar-
stellung zu den Worten »Josua liess henken 5 Könige.4 Dies Stück wurde beim
Bau des Hauses zwischen dem Anfang der Koggenstrasse und dem Gesekus- Platz
gefunden und hat viele Jahre mit der umgekehrten Seite als Heerdplatte gedient» -—
▲Hpr. MoDUtoffohrift Bd. XIV. Bft. 7 u. 8. 42
650 Kritiken und Referate.
Gekauft wurde vom Löbnichtschen Hospital eine grössere Anzahl von Kelch- nnd
Pultdecken, Altar- Vorsteckscl und Umhängsei.
Zur Münzsammlung schenkten Major von Wernsdorfauf Truntlack, Kreis Ger-
dauen, vier daselbst gefundene abgeriebene bronzene römische Kaisermünzen und
einen Schilling von Paul von Russdorf, ebenfalls dort gefunden. — Partikulier Böhn-
hard ein 5-Sousstück von 1792. — Rittergutsbesitzer von Montowt auf Kirpefenen,
Kreis Fischhausen, einen daselbst gefundenen grossns sextuplex von Job. Kasimir 1661.
Von anonymen Gebern wurden der Sammlmig verehrt 2 Gärtner- Lehrbriefe
v. J. 1694 u. 1717 und das Modell des Königsberger Doms mit der abgebrochenen
alten Albertina und den Nebengebäuden in Pappe.
Zur Bibliothek schenkten Partikulier Böhnhard: Memorabilia Germaniae, ge-
druckt bei Hubert, Breslau, 1726, und eine persianische und ostindische Reisebe-
echreibung 1687; Direktor Priederici: Preusische Blumenlese für das Jahr 1782,
herausgegeben von G. F. John; Rittergutsbesitzer von Montowt: Aufzeichnungen
des Landrath von Auer über Alterthümer des Fischhauser Kreises , in den zwanziger
Jahren dieses Säculums verfasst und eine alte Karte von Lochstädt vom Jahre 1643,
auf welcher die Angabe bemerkenswerth ist, dass auf der kleinen Fläche von 250 Hek-
taren 2 Hektare mit Hopfen bestellt wurden; Professor Grewingk in Dorpat:
Einen Separatabzug seiner Abhandlung »Zur Archäologie des Balftcum und Russ-
lands*, aus dem Archiv für Anthropologie Band X.; die Kaiserlich russische archäo-
logische Gesellschaft ihren Bericht pro 1874; der historische Verein für Steiermark
seine Mittheilungen, 25. Heft, und Beitrage zur Kunde Steiermärkischer Geschichts-
quellen, 14. Jahrgang; Unger in Christiania: die Heilagra Manna Sögur. Ferner
wurden die Tauschexemplare der Vereinsschriften vorgelegt.
Hierauf hielt Professor Heydeck folgenden Vortrag über die von ihm gemachten
und vorgelegten Funde.
Bericht über Ausgrabungen bei Wiskiauten und Wikiau im Samlande
von J. Heydeck.
Das Gräberfeld bei Wiskiauten im nördlichen Samlande, von den Bewohnern
jener Gegend, wahrscheinlich nach der Altpreussischen Bezeichnung Kapis (Begräb-
nissplatz) noch heute die Kaup genannt, hat bereits in früheien Jahren für unsere
Sammlung so reiche und interessante Funde ergeben, dass wir auch in diesem Jahr
uns veranlasst sahen, die Untersuchungen dort fortzusetzen. Professor Dr. Schneider,
Bildhauer Eckhard und ich unternahmen Anfangs August d. J. eine Expedition dorthin,
welche durch die, vorliegenden Funde in reichster Weise belohnt wurde.
Das Gräberfeld liegt in einem Wäldchen, welches dem Herrn von Batocki in
Bledau gehört. Herr von Batocki hatte das Unterholz in sehr dankenswerther Weise
Im vorigen Jahr beseitigen lassen, dennoch war das Gehölz, welches aus zum Theil
lehr alten Eichen besteht, die oft auf den Grabhügeln selbst gewachsen Bind, durch
Alterthumsgesellschaft Prussia. 651
neuen Aufschlag so unzugänglich geworden, dass wir uns nur sehr schwer nach
einer von mir aufgenommenen Gräberkarte zurecht finden konnten. In früheren Jahren
war vorzugsweise der mittlere Theil der östlichen Seite des Gräberfeldes untersucht
In diesem Jahr sollte mehr der südliche Theil aufgedeckt werden.
Die Grabhügel der Raup liegen mehr oder minder aneinander, einige so nahe,
dass die Hügel aneinander grenzen. Sie sind durchschnittlich 60 cm hoch und haben
in ihrer Grundfläche einen Durchmesser von 6 m, also ziemlich flach und sind zum
grossen Theil wenigstens in der Mitte des Hügels durch einen grösseren oder kleinem
Stein bezeichnet. Die grössten diesor Steine waren über 1 m lang und ca. 50 — 60 cm
breit. Es wurden dieses Mal im Ganzen 13 Hügel aufgedeckt. Mit wenigen Aus-
nahmen findet man in der Mitte unter dem Hügel, auf dem gewachsenen Boden
eine Brandstätte, welche selten über 1 m im Durchmesser hat Auf dieser Brand-
stätte ist der gewachsene Boden, der in der Kaup besonders im südlichen Theil aus
strengem Lehm besteht, 7, auch 10 cm tief bis zu einer gewissen Härte gebrannt
Auf dieser Stelle finden sich nun Kohlen, gebrannte Knochenreste und gewöhnlich
am Rande zusammengehäuft Bronceschmuck, Perlen, Trense, Schcere und Messer.
Andere Gräber zeigten Schwerter und Lanze nebst andern £isengeräthen mit Bronce-
resten in der Mitte der Brandstätte, dagegen Urnen mit gebrannten Knochenresten
und sonstigem Inhalt fanden sich immer nur etwas seitwärts von der Brandstätte.
Darüber ist dann der Hügel geschüttet. In einigen Fällen finden sich in der Mitte
auch kleinere Steinpackungen von einigen Kopfsteineu. Schliesslich ist der Mark-
stein darauf gelegt, welcher oft bis über die Hälfte, häufig auch nur mit seiner
Spitze Über den Hügel hervorragt.
Da nun in der Kaup kein grösserer Heerd zum Verbrennen eines Körpers in
horizontaler Lage bis jetzt gefunden ist, dagegen alle bisherigen Ausgrabungen da-
rauf hinweisen, dass der Körper des zu Bestattenden auf der erst beschriebenen Brand-
stätte selbst verbrannt worden ist, so müssen wir wegen der geringen Ausdehnung
dieser Brandstätten zu dem Schluss kommen, dass die Körper entweder in stehender
oder sitzender Stellung verbrannt worden sind, wobei der Holzstoss keiner so grossen
Grundfläche bedurfte.
Wenden wir uns jetzt den Funden selbst zu, so finden wir, dass sich die früher
gemachte Bemerkung, dass kaum die Hälfte der aufgedeckten Gräber bedeutendere
Funde enthalten, auch jetzt bestätigt. Von den 13 Gräbern liegen nur 7 Grabfunde
vor. In manchen anderen Gräbern waren wohl Metallspuren vorhanden, aber nicht
so, dass bestimmte Formen daraus zu ersehen waren. Allerdings wiegen diese
7 Funde die gehabte Mühe reichlich auf. Dieselben gehören ohne Ausnahme alle
dem jüngeren Eisenalter an, wie es von den Skandinaviern begrenzt wird, also etwa
dem 5. bis 10. Jahrhundert nach Chr. Geburt. Unsere Funde geben uns ein herr-
liches Bild einer ausschliesslich nordischen, speciell gothländischen Metallarbeit
dieser Zeit. Vergl. Hildebrand : »Das heidnische Zeitalter in Schweden*, Hamb. 1873«
42*
652 Kritiken and Referate.
Der erste Fand ist ein reicher gothländischer Schmuck, wie wir schon zwei
eben der Art ans der Kaup in unserer Sammlung besitzen. Er besteht in zwei
schalenförmigen Fibeln (mit der Abbildung Hildebrand Seite 33, Figur 13 genau
übereinstimmend), den dazu gehörenden, offenbar nicht vollständig erhaltenen Ketten-
gehängen, verschiedenen Zierrathen ans Silber von sehr feiner Arbeit (s. Hildebrand
Seite 190, Figur 36—42), einigen in Facetten geschliffenen Perlen, die leider im
Feuer sehr gelitten haben, einigen Fragmenten mit zierlicher Ornamentirung, deren
ursprünglicher Zweck nicht mehr bestimmt werden kann, und einigen kleinen Silber-
klümpchen, welche wohl bei der Verbrennung aus den silbereingelegten Fibeln ge-
flossen sein können, wie wir es an einer ahnlichen Fibel der Eaup vom Jahre 1874
sehen, ferner in eiserner Trense, Scheere und Messer, den gewöhnlichen Beigaben
dieses Schmuckes, der wegen des Pferdegebisses wohl einem Manne angehört hat.
Der zweite Fund besteht in Steigbügelfragmenten, an denen man noch eine
sehr feine Arbeit erkennen kann, in Eisenfragmenten von Trense, Speer und einem
Bügel, dann in 2 Broncesporen ältester Form mit ganz kurzem Stachel und haken-
förmig nach innen gebogenen Bügelenden, wahrscheinlich zum Befestigen an einem
Hackleder, einer Perle aus Terracotta und einer Urne, welche noch nicht auf der
Drehscheibe gefertigt ist
Dritter Fund. Eine schnallenartige Fibel von Bronce mit körperlich heraus-
tretenden Thierköpfen der schönsten Arbeit, so wie wir sie noch nicht besitzen, da-
beiliegend ein eisernes Messer gewöhnlicher Form.
Vierter Fund. Ein einschneidiges Schwert Scramasazus, zusammengebogen
nnd in 3 Stücke gebrochen, die Klinge von Damascenerarbeit, Fragmente von zwei
Speeren. In diesem Grabo fand sich keine Bronce.
Fünfter Fund. Ein zweischneidiges Sckwert, Spata, sehr zerstörte Klinge, so
dass die Länge nicht festzustellen ist, 2 Lanzenspitzen sehr fragmentarisch, an der
einen Tülle sieht man lanzettartige Verzierungen. Mehrere Stücke Schleifsteine von
versteinertem Holz. Keine Bronce.
Sechster Fund. Ebenfalls ein Schwert Spata, Lanzenspitze, Streitäxte und
Steigbügelfragment und einige Stücke Bronce, vermuthlich von einer kleinen Wagschale.
Siebenter Fund, Eine Urne ohne Anwendung der Drehscheibe gefertigt, ent-
hielt Knochenasche und eine Perle von Terracotta.
Die drei Schwertknäufe und Parierstange tragen alle den Charakter des jüngeren
Eisenalters. Knauf nnd Stange des Scramasaxus zeigen noch deutlich fadenartig
eng an einanderliegende Silbereinlagen in der Richtung der Längsaxe des Schwertes.
Ihre Form siehe Hildebrand Seite 43, Figur 28. lieber die beiden Schwertarten
sagt Lindenscbmidt in seinen Alterthümern zu Sigmaringen Seite 6 und 8: »In den
Gräbern merovingischer Zeit findet sich das Schwert in zwei verschiedenen Arten,
das eine mit langer zweischneidiger Klinge und kurzem Griff, das andere mit kurzer
einschneidiger Klinge und langem Griff.* Ferner: »Die Grösse der 8pata wechselt
Alterthumsgesellsehaft Prussia. 653
zwischen 2f/2 Fuss und 3V2 Fuss, ihre Breite zwischen 2 und 3 Zoll. Dem zwei«
schneidigen grossen Schwert (der Spata) stellt sich gegenüber das Kurzech wert mit
einschneidiger Klinge, der Scraroasaxus. Obgleich von verschiedenen Massen nnd
Verhältnissen, zeigt sich dasselbe in den Gräbern doch nur im Ganzen in zwei wenig
verschiedenen Arten. Es finden sich die schmälern, messerartigen meist V/% bis 2 Fuss
Länge und bis V/2 Zoll breit und diejenigen, welche, ungleich schwerer, 2 Vi Fuss
in der Länge, 2 Zoll in der Breite haben nnd mit einem bis zu vier Linien starken
Rücken sowohl für den Stoss, als vorzüglich für den Hieb eine besonders nachdrück-
liche Wirkung verbürgen.*
In den alten Dichtungen führen die Helden zwei Schwerter, neben der zwei-
schneidigen Spata das einschneidige Hiebmesser, den sah6. Waltari rüstet sich, im
Begriff die Hiltgund zu entführen und
»Gürtet die Hüfte links mit dem doppelschneidigcn Schwerte,
»Und nach pannonischem Brauch die Recht1 zugleich mit dem zweiten,
»Welches mit einer der Seiten nur schlägt die tödlichen Wunden.
Als im Kampf mit den Franken sein Schwert zersplittert und Hagen ihm die
wehrlose Rechte abhaut, heftet er den Schild an den verwundeten Arm,
»Mit der gesunden Hand entreisst er der Scheide das Halbschwert,
Das an der rechten Seit1 er gegürtet*
und schlägt Hagen die Wunde, welche den Kampf beendet.
Unserer heutigen Annahme nach müssen wir auch die früheren Funde unserer
Sammlung, welche diesen ganz gleichen, in diese Zeit vom 5. bis 10. Jahrhundert
rechnen, also früher als die von C. Bahr beschriebenen Livischen Alterthümer, welche
in ihren Ornamenten eine viel einfachere organischere Entwicklung, wie sie einer
späteren Zeit eigen sind, zeigen. Siehe Tafel VII. Figur 4 und Tafel X. Figur 3.
Auch die Gefässc, welche wir in diesen Gräbern gefunden, sind noch ohne Anwen-
dung der Drehscheibe hergestellt, worauf nicht geringes Gewicht zu legen ist
In einem der Hügel fanden sich unter und zwischen Steinen Knochen eines
Hundes. Der Schädel, von dem ein grosser Theil erhalten ist, misst 10 cm. Von
einer Brandstätte war keine Spur, auch sonst finden sich keine Beigaben. Es muss
bezweifelt werden, dass dieser Fund in irgend welchem Zusammenhang mit den
vorigen steht.
Als nächste Aufgabe hatten wir uns die Aufnahme eines Grabes gestellt,
welches ich schon seit mehreren Jahren kannte. Es befand sich im Kunterstrauch
nahe der See, zwischen Wikiau und Wargenau als Einzelgrab von grosserem Umfang
und grösserer Höhe. Wir deckten es mit Hülfe unserer 6 Arbeiter in einem Tage auf
und wurden durch den besten Erfolg belohnt. Dieses Grab war ebenfalls durch ein
Wäldchen mit den herrlichsten Buchen und Eichen und seinem oft undurchdringlichen
Unterholz seither den Bücken Neugieriger gänzlich entzogen worden, und wir können
Herrn v. Batocki nicht genug danken, dass er uns die Erlaubniss gab, auch dieses
£54 Kritiken und Referate,
so unberührte Grab zu Offnen.- — Der Fund liegt nun liier vor, genau iu der Lage,
in der wir ihn gefunden, und in der ich ihn jetzt für unsere Sammlung aufgestellt
habe, noch näher erläutert durch meine Zeichnung, die ich an Ort und Stelle nach
den richtigen Massen aufgenommen und zu Hause etwas mehr ausgeführt habe. Die
venigen erklärenden Worte, die ich meiner Zeichnung beigefügt, lauten: Der Hügel
im K unterfit rauch 1,12 Meter hoch, ca. 8 Meter Durchmesser in seiner Grundfläche,
enthielt auf dem gewachsenen Boden iwei Skelett« unter einer Steinpacknng, welche
bis zur Oberfläche des Hügels reichte, so dass einige Steine in der Mitte des Hagels
hervorragten. Nur das hier vorliegende Skelet II. war vorzugsweise an der Südseite
mit gespaltenen dünnen Steinplatten umsetzt, sonst lies sich keine regelmässige
Stein packung erkennen. In der rechten Augenhöhle von Skelet I. fand sich die
Hälfte einer arabischen Münze. In der Gegend des Mondes von Skelet II. lagen
zwei ganze Münzen. An dem rechten Unterschenkel von Skelet II. ist eine Ver-
wundung durch einen Hieb sichtbar, welcher das Wadenbein durchschlagen und noch
tief in das Schienhein gedrungen ist. Eine ähnliche Verwundung zeigt sich am
linken Oberarm.
An dieser Stelle muss ich bemerken, dass ich das Blasslegen der Skelette
selbst übernehme und niemals den Arbeitern überlasse. So wie sich beim sebichten-
weisen Abdecken des ganzen Hügels oder Grabfeldes die geringste Spur eines
Knochens zeigt, suche ich danach die Stelle des Körpers, und seine ganze Lage zu
bestimmen, umstecke in angemessener Entfernung den Körper mit kleinen Holz-
pflöcken und lasse von den Arbeitern nur ausserhalb dieser Pflöcke die Erde in an-
gemessener Tiefe entfernen. Nun beginnt die Arbeit für mich allein. Zuerst wird
Fühlung von den Seiten her, an den gewöhnlich am besten erhaltenen Röhrenknochen
der Oberschenkel und Oberarme gesucht, welche nach bekannten Proportionen leicht
gefunden sind. Dann wird ebenso von den Seiten weiter der ganze Utnriss des
Körpers blossgelegt, selbstverständlich sehr vorsichtig, damit die seitwärts liegenden
Beigaben nicht verschoben werden; der grösseren Sicherheit wegen werden dieselben,
auch wenn sie zu Tage treten, mit kleinen hakenförmigen Pflocken an ihrer Stelle
befestigt. Nnn erst beginnt das eigentliche Abdecken der Erde, Vielehe auf dorn
Körper und den Fanden liegt. Hierzu gebrauche ich gewöhnlich nur kleine Holz-
werkzenge, die sich leicht aus jedem Ast fertigen lassen, Bürste, kleine Strauchbesen
und Pinsel, nnd zum Fortschaffen der Erde die Hände. Wenn nun das Ganze als
Hautrelief blossgelegt ist, zeichne ich dasselbe und trage die Masse ein, und dar-
auf beginnt erst das Herausnehmen, wobei ich die Erde aus dem Innern des Sei) äd eis
durch das foramen m.ignum zu entfernen suche, weil dieselbe durch ihre Schwere
den Schädel leicht ausenander drückt. Zu Hanse wird nun das Ganze genau so,
wie es dort im Grabe lag, für die Sammlung aufgestellt Es muss allerdings bei
allen diesen Arbeiten eine genaue Kenntnis« des menschlichen Skeletts vorausgesetzt
werden, ohne die sich kaum sichere Erfolge erreichen lassen. In verschiedenen Museen
Alterthumsgese lisch atft Prusaia. 655
hatte ich Gelegenheit, ähnliche Fände zn sehen, welche, da sie mit der ganzen sie
umgebenden nnd theilweise verhüllenden Erde herausgehoben dort aufgestellt sind,
einen sehr unklaren Eindruck machen. Sie sind für die genauere UnterBuchung
z. B. des Skelets geradezu unbrauchbar und werden wahrscheinlich durch den Zu-
tritt der Luft sehr bald zerfallen.
Bei der Blosslegung des letzten Fundes hatte ich die sehr dankenswerthe Hilfe
der Herren Professor Dr. Schneider, Dr. Conrad und Bildhauer Eckart. Die
Skelette lagen dicht nebeneinander, nur durch einige Steine geschieden, mit dem
Kopf nach Osten, mit den Füssen nach Westen. Von dem auf der Nordseite liegen-
den Nr. I. war nur die Lage festzustellen, die Knochen selbst aber nicht mehr voll-
ständig zu erhalten. Nur ein Stück Oberkieferbein, welches den Oxydabdruck der
beigelegten Münze ans Silber im innern Augenhöhlenrande tragt, ist erhalten. Die
Sibermünze scheint einen arabischen Typus zu haben, so viel nach dem sehr abge-
riebenen Gepräge und der nur vorhandenen Hälfte geartheilt werden kann. Ob der
nur vorhandenen Hälfte der Münze ein besonderes Gewicht beigelegt werden niuss,
indem die Münze nach irgend einem feierlichen Gebrauch zwischen zwei Personen
getheilt wurde, lässt sich erst nach ähnlichen Funden vielleicht entscheiden.*)
Die Beigaben des Skelets, welche aus. Eisen gearbeitet sind, bestehen in einer
Lanzenspitze, einem Messer, einem Stück Bügel mit zwei • daranhängenden kleinen
Platten, zwei Sporen mit deutlich bemerkbarer Einlage eines anderen Metalls. Sie
haben 4!/2 cm lange, steil aufwärts gerichtete Dome und gehören dem 13. Jahr-
hundert an. Ferner zwei Sporenschnallen, an denen man auch Versilberung erkennen
kann. Skelet II., welches ich genau in der Lage, in der wir es gefunden, mit all'
seinen Beigaben für die Sammlung der »Prussia* aufgestellt habe, giebt ein deutliches
Bild der damaligen Bestattung. Die Lanze, welche an der linken Seite liegt und
mit der Spitze bis zum Scheitel des Kopfes reicht, hat eicher nicht viel über Manns-
länge gehabt, wie sie bis zur Hälfte des 13. Jahrhunderts sowohl als Wurf- als auch
als Stosswaffe üblich wer. Ueber den Speer sagt Lindenschmit: »Alterthümer zu
Sigmaringen4, Seite 17: »Wio bei allen Völkern, so erscheint auch bei den germani-
schen Stämmen der Speer als die einfachste und älteste Waffe. Seine aus den ent-
legensten Zeiten stammende symbolische Bedeutung als Zeichen königlicher Macht,
welche später in den einfachen Herrscherstab, das seeptrum, überging, gilt noch bei
den Franken und Longobarden, bei welchen mit der Uebergabe des Speeres Königs-
gewalt ertheilt wird. Er wird zugleich mit dem Schilde in den Gesetzen der deut-
schen Völker, als eine von jedem Freien geführte Waffe angenommen, und dies
findet durch die Gräberfunde eine zutreffende Bestätigung, dass die Lanzenspitzen
*) Nesselmann beschreibt Altpr. Mtsschr. III, 374 einen im Frühjahr 1866 bei
Storchnest, Kreis Pr. Holland, gemachten Fund von 123 halben Khalifenmünzen und
bemerkt, dass bei Zahlungen behufs Gewichtsausgleichung einzelne Stücke zerschnitten
wurden. B.
ß56 Kritiken und Referate.
als die zahlreichsten, nirgends fehlenden Wallen gelten, welche das Grab des ärmsten
wie des reichsten Kriegers kennzeichnen.* Ferner sagt Lindenschmit Seite 2G: »Dass
in den angelsachsischen Gräbern die Lanzenspitze zumeist aufwärts gerichtet bei dem
Kopfe, in den fränkischen aber umgekehrt und zu den Füssen gelegt erscheint.4
Die Verzierungen des Gürtels an unserem Slfalct bestehen in zierlich gearbei-
tetem Eisen mit feiner Einlage, wahrscheinlich von Silber. Am linken Handgelenk
befindet sich ein Broncearmring. Die weitere Ausstattung besteht in Bronceschnallen
und perlartigem Bronccdrathgeröll. Etwa 30 — 40 cm über den Skeletten lagen zwischen
der Steinpackung Scherben eines Gefässes, das auf einer Drehscheibe gefertigt und
wahrscheinlich bei dein Todtenmahle gebraucht worden ist. Ich habe es so weit
als möglich zusammengesetzt.
Ueber die Verwundungen des vorliegenden Skelets hat Professor Dr. Schneider
die Güte gehabt, nachstehendes Urtheil abzugeben: »Die Beschaffenheit der Knochen-
Wunden (ganz glatte Oberfläche, ganz glatte scharfe Ränder, ohne Splitterung) spricht
mit Sicherheit dafür, dass sie von einem scharfen schneidenden Werkzeuge von
grösserem Volumen und Masse, welches mit grosser Kraft und Schnelligkeit geführt
ist, erzeugt sind. Ein grobes Beil würde Splitterung in dem Knochen hervorgerufen
haben. Sodann finden sich in der Umgebung der genannten Knochenwunden noch
keine Veränderungen in den Knochen, wie sie nach Verletzungen durch die eintretende
Entzündung oder Eiterung hervorgerufen werden. Der Betreffende muss daher sehr
bald nach dieser Verletzung gestorben sein. Die Verletzung am Unterschenkel Ut
überhaupt als eine tödtliche anzusehen, da durch dieselbe auch eine grosse Arterie
des Unterschenkels nothwendig mit durchschlagen sein musste, also eine tödtliche
Blutung eintrat.* —
Es ist das erste Mal, dass ich Münzen, welche uns die Zeit des Begräbnisses
angeben können, mit so unzweifelhafter Sicherheit als zum Skelet gehörend konsta-
tiren kann. Die eine dieser Münzen von Skelet IL ist nach Vossberg hier in Kö-
nigsberg vermuthlich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vom Orden geprägt.
Es ist ein Bracteat, auf dem man deutlich eiue Krone und Kreuz erkennen kann.
Sie ist gut erhalten und nicht abgelaufen. Bis zur ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
hat der Orden keine anderen Münzen als Bracteate (von einer Seite geprägte dünne
Silbermünzen) schlagen lassen, erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts kommen
andere Münzen vor. Die beiden anderen Münzen des Grabes sind nicht einheimisch
und müssen noch aus einer früheren Zeit herrühren. In Vossberg's Pr. Münzkunde
finden wir Seite 89: »Alle Ordens- Bracteaten mit krönen ähnlicher Darstellung und
zwischen den Seitenwänden mit einem Kreuze versehen, gehören vermuthlich nach
Königsberg, da es das Wappen der Altstadt Königsberg ist.* Siehe Abbildungen
No. 82—87.
Vielleicht fällt ein Licht auf die Zeit der Bestattung, wenn wir die Nachrichten
erwägen, dass der Orden seit 1251 Münzen der gefundenen Art in Preussen prägen
AUerthumsgesellschaft Prussia. 657
Hess, dass nach Voigt's Geschichte Preussens, Band 3 p. 514. »schon in einer Ver-
schreib ung des Vogts von Samland vom Jahre 1262 wirklich auch Dcnarii Königs-
bergensis moneta vorkommen*, and dass der 1261 begonnene grosse Aufstand der
Preussen im Samlande erst im Jahre 1264 vollständig unterdrückt wurde. — Hier-
nach liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, dass die Bestattung in der Zeit der Befrei-
ungskämpfe stattgefunden hat. Dass keine Verbrennung, sondern eine Bestattung
erfolgt ist, könnte allerdings schon auf eine christliche Beerdigung schiiessen lassen;
aber es fehlt die Nähe der Kapelle oder der Kirche; es ist kein gemeinsamer Be-
stattungsplatz für viclo: einsam erhebt sich der Hügel, die alte heidnische Kapurne.
Oben liegt das Gefäss, vielleicht zur Erinnerung daran, dass hier eigentlich die Asche
beigesetzt werden sollte. Nicl t mit einer Erdschicht allein sind die Skelette bedeckt,
sondern sie liegen umschlossen in starker Steinpackung, so dass der Bestattete nicht
wie zum Schlaf und zur dereinstigen Auferstehung gebettet war; sondern wie die
Vorfahren, ehe eine Verbrennung üblich wurde. Vielleicht war es einer der letzten
Vertheidiger von Samlands Freiheit, der es vorzog, lieber den Heldentod zu sterben,
als sich dem fremden Joch zu unterwerfen, und den seine Angehörigen bei Todes-
strafe nicht wagen durften, zu verbrennen, während die Ordensbesatzung von Königs-
berg das Land durchstreifte. [Ostpr. Ztg. 1877. No. 241 (Beil.)]
Wenige Bemerkungen zur Vergleichung und Beschreibung der Fundobjekte sind
noch hinzuzufügen.
Zu dem Wiskiauter 2. Fund: Die Steigbügel zeigen einen 7 cm breiten Tritt,
die Ansatzstelle des Bügels an den Tritt, ein Fünfeck bildend, ist mit Bippen, die*
den Seitenrändern parallel laufen, versehen und in der Mitte ä jour gearbeitet. Ein
eben solcher versilberter Steigbügel ist bei Fürsten walde, Kr. Königsberg, gefunden. —
Das eiserne Bügelstück gehört zu einem offenen Halsring, der zum Anhängen einer
Brustkette diente, vgl. Bahr: Gräber der Liven, Taf. V. Fig. 13. — Die bronzenen
Sporen sind nicht die römischen, vergl. Montelins antiquites suedoises No. 26?*,
sondern sie haben einen kurzen dünnen Stachel ohne Hals, nur 13 mm lang, welcher
in den Bügel eingesetzt, also nicht mit diesem aus demselben Stück ist, ferner sind
die Enden des Bügels umgebogen, um eine Schnur durchzuziehen. — Die Urne ist
eimerförmig, mit Stehfläche versehen, deren Durchmesser 14 cm beträgt, und
25,2 cm hoch.
Zu dem Wiskiauter 3. Fund: Die Gewandnadel ist ein geschlossener ovaler
King mit den lichten Durchmessern von 4,1 cm und 3 cm. Die Nadel, deren oberer
breiter Theil zu einer Oese aufgerollt ist, hat man in der Bichtung des kurzen Durch-
messers angebracht: sie hängt zwisohen zwei körperlich heraustretenden Thierköpfen,
die auf dem Hinge rechtwinklig, stehen, jeder dieser Thierköpfe ist 1 cm hoch und
2,5 cm lang, die Oese der Nadel hat zwischen den Thierköpfen einen Spielraum
von 1,8 cm. Die Dicke des an dieser Stelle im Durchschnitt kreisförmigen Ringes
ist die schwächste an dem ganzen Rahmen, sie beträgt nur 6 jnm. Die Spitze der
658 Kritiken und Referate.
Nadel fallt an der gegenüberliegenden breitesten Stelle des Rahmens in eine Nnbt
ein. Der Ringrabmen ist hier 13 mm breit und mit einem Wulst, der 8 Rippen
trägt, versehen. Dieselben Wulste, aber kleiner, finden sich in der Mitte zwischen
dem beschriebenen grossen Wulst und je einem Thierkopf. Der Ringrahmen selber
zwischen den Wülsten ist nicht ganz glatt, sondern mit Borten - Mustern , darunter
mit drei Reihen liegender Krouze, verziert Die eben beschriebene Nadel ist das
erste in Altpreussen gefundene Exemplar dieser Art. Das dabei gefundene eiserne
Messer hat eine 7,9 cm lange Klinge und eine 5,5 cm lange Angel. Die Schneide
und die eine Seite der Angel liegen in gerader Linie, die andere Seite der Angel
tritt um 4 mm aus der Richtung des Rückens der Schneide zurück.
Zu dem Wiskiauter 4. Fund: Das hier gefundene einschneidige Schwert vgl.
in Bezug auf Knauf, Parierstange und Griff mit Moutelius antiquites suedoises No. 505.
Der Damast im Muster eines Tannenbaumes tritt an der Spitze und in der Mitte
der Klinge deutlich hervor. Der Knauf zeigt einen feinen Belag mit Silberfäden.
Die Lange der Klinge betragt 77,5 cm, die Breite der Klinge von der Parierstange
aus bis 18 cm von der Spitze entfernt ist 40 mm, die Dicke des Rückens 8 mm.
Zu dem Wiskiauter 5. Fund: Das sehr zerstörte Schwert muss mindestens
70 cm lang gewesen sein, auf den Ueberresten der Klinge ist noch eine Blutrinne
sichtbar; vgl. Montelius antiquites suedoises No. 507. Die Kappe des Knaufes fehlt
Die feinen Reifen an der Parierstange lassen vermnthen, dass eine Bronceeinlage vor*
handen gewesen ist. Die beigegebenen stabförmigen Schleifsteine sind aus Tbonschiefer.
Zum Wiskiauter 6. Fund: Das hier gefundene Schwert misst von der Spitze
des Knaufes bis an den Ansatz der mit einer Blutrinne versehenen Klinge an der
Angel 14 cm, genau dasselbe Mass zeigt sich bei einem eben so gestaltetem Schwert
das Montelius antiquites suedoises No. 506 abbildet — Die von Professor Heydeck
als Stück eines Wagebalkens bezeichnete Bronce hat die Gestalt einer Stangenperle
und ist mit Würfelaugen verziert. Das bei Montelius abgebildete Schwert hat einen
versilberten Knauf gehabt, vielleicht ist Versilberung hier auch vorhanden gewesen,
aber bei dem durch das Feuer sehr zerstörten Knauf nicht mehr erkennbar.
Zum Wiskiauter 7. Fund: Die Urne ist eimerförmig, ihre Höhe 16 cm, der
Durchmesser des Bodens betragt 9 cm, der der Halsöffhung 14 cm. Die einzige
Verzierung der Urne besteht in einem an der äusseren Seite bandartig verstärkten
Rande, welcher schräge Einkerbungen erhalten hat.
Zu der zwischen Wiekiau und Wargenau, Kreis Fischhausen, im Kunterstrauch
liegenden Kapurne setzen wir folgende Notizen über die Beigaben des nicht erhal-
tenen 1. Skeletts: Das eiserne Messer mit gekehltem, gradlinigem Rücken misst an
der Klinge 80 mm, an der Angel 16 mm. Zur Beschreibung der Sporen ist zuzu-
fügen: Der Stachel hat einen Hals 1,3 cm lang und einen Dorn 3,2 cm lang, welcher
letzterer eine vierseitige Pyramide bildet. Die Bügel der Sporen sind geschweift
und erweisen dadurch, dass sie einem Deutschen angehört haben; denn der heidnische
Alterthumsgesellschaft Prussia« 659
Sporn scheint immer einen gradlinigen Bügel gehabt zu haben. — Die eiserne
Lanzenspitze, deren Schaft mit Tülle 1*2 cm und deren lanzettförmige Klinge 18 cm
lang ist, hat ein ähnliches Aussehen wie die bei Lindenschmit A. u. h, V. Bd. I.
Heft 6 Fig. 26 abgebildete.
Zu den Beigaben des wohlerhaltenen und zusammengesetzten 2. Skeletts: Für
die Lanzenspitze, vgl. Nordiske Oldsager No. 498, Form und Verhältnisse der soge-
nannten Alt -Preu 88i sehen stimmen genau mit dem Dänischen, nur fehlt der aufge-
setzte Reif zwischen Klinge und Schaft. Die Lanze misst im Ganzen 35 cm, sie
hat 20 cm von der Spitze entfernt ihre grösste Blattbreite, welche 5,5 cm beträgt.
Während die Klinge von der genannten Stelle aus nach der Spitze zu geradlinig
verläuft, ist der Band nach der Tülle zu bis 14 cm von dem Ende derselben ent-
fernt sanft geschweift, so dass sich der Breitendurchmesser der Lanze bis auf 3 cm
verkleinert, welcher dann bis zum Ende der Tülle derselbe bleibt — Die krefe-
förmigen Zierstücke des Gürtels (6,5 cm im Durchmesser) haben einen kleinen halb-
kugelförmigen Buckel in der Mitte, von welchem wie bei einem Bade 10 Speichen
an den Band der Peripherie führen, die lichten Ausschnitte sind an dem Peripherie-
rande kreis-, nach dem Mittelpunkte zu radienförmig. Das rechteckige Stück Gürtel-
beschlag hat die Seiten von 9,5 cm und 5 cm. — Der Broncereif zum Schmuck des
linken Handgelenks hat nur eine Verzierung, nämlich an seinen Endstücken ein kleines
Köpfchen, von denen eines erhalten ist.
Das über den Skeletten in Steinpackung gefundene Gefass, das auf einer Dreh-
scheibe gearbeitet ist, hat eine Stehfläche. Die Höhe des Gefässes beträgt 24 cm,
die äusserste Hak Öffnung stimmt mit der grössten Ausbauchung in ihren Durch-
messern (19 cm), unter der Oeifnung tritt aber eine unbedeutende Einschnürung des
Halses ein, deren Durchmesser sich gegen die vorhergenannten nur um 3 cm ver-
ringern dürfte. Die Verzierung ist an der oberen Hälfte des Gefässes angebracht
worden und zwar durch ein drei zahniges Instrument, das einmal horizontal bei der
Arbeit des Gefässes auf der Drehscheibe eingesetzt wurde und das andere Mal in
solcher Weise, dass eine dem Tremulirstich ähnliche Borte hergestellt wurde. Vier
Mal wechseln die horizontalen Linien mit den Mustern des Tremulierstichs, unter
der dritten Borte des letzteren ist an jeder heruntergehenden Spitze ein schräger
kurzer Strich angebracht. Der Band des Gefässes an der horizontalen Fläche ist
eingekerbt.
Professor Heydeck1 s nicht allein glückliche, sondern genau und mühsam ge-
führte Untersuchungen, wie seine nachfolgenden Arbeiten, den Fund für die Daner
zu erhalten, haben der Prussia-Sammlung den ersten grossen geschlossenen Fund
aus dem dreizehnten Jahrhundert zugeführt, der in unserer Provinz noch keine
Parallele hat.
Die neu eingetretenen Mitglieder sind: Partikulier von Anerswald, Forst-
meister von Binzer, Bauinspektor Le Blanc in Gerdauen, Stud. juris Le Blanc
N.
66Q Kritiken und Referate.
in Tübingen, Landrath Brunn er in Bischofsburg, Bürgermeister Eckert in Ger-
danen, Apotheker Hermany ebenda; Pfarrer Hinz in Pobethen, Rittergutsbesitzer
von Jungschultz auf Langgarben, Maurermeister Ka d e, Graf von Klingkowström I
auf Korklack, Rittergutsbesitzer Lorek auf Popelken, Rentier Löffler in Gerdauen, 1
Geriebtsrath Mau ebendaselbst, Kreis» Physikus Dr. Passauer ebendaselbst, Ritter-
gutsbesitzer von Pressentin gen. von Rauther auf Kanoten, Rittmeister von )
Schleussner auf Teistimmen, Professor Schmidt, Oberpräsidial- und Regierungs-
Rath Singelmann, Generalpächter der Arklit'schen Güter Sucker, Partikulier
Wallner und Dr.Zacharias. [Ostpr.Ztg. 1877. No. 244. 248 (Beil.) 249 (Beil.)]
Sitznng den 19. Oktober. Der Vorsitzende Dr. Bujack machte folgende Mit-
theilungen: Die zur Generalversammlung der deutschen anthropolog. Gesellschaft
nach Constanz gesandten Fundobjekte und Zeichnungen aus dem Pfahlbau bei Werder
am Arys-Sec haben nach Benachrichtigung des Professor Virchow grosses Interesse
erregt. — Rittergutsbesitzer Bl eil auf Töngen, der in den Michaelsferien die Samm-
lungen der Gesellschaft besuchte, gab für ein Paar seltene Schwertor des 14. und
15. Jahrh. ein Paar wichtige Bestimmungen und erklärte sich bereit, einige Waffen
christlicher Zeit, wie ein Paar Geräthe ans dem j fingeren Eisenalter durch richtige
Behandlung vor einer Verrostung schützen zu wollen. — Dr. Anger aus Elbing,
der gleichfalls um Michael die Sammlung besuchen kam, zeigte die Hälfte eines
Thon-Siebes, 10,5 cm hoch, das an seinem Boden ein grösseres Loch (1,8 cm im
Durchmesser) hat, vor. Weil in den Sammlungen der Prussia nur kleine thönerne
Siebfragmente vorhanden waren, wie aus einem Urnenfriedhof auf dem Arklitter See,
Kreis Gerdauen, war dies von Dr. Anger bei Dambitzen, Kreis Elbing, gefundene
Stück von grosser Wichtigkeit. Die von Dr. Anger bei Elbing gefundenen Kämme
aus Knochen, von denen Zeichnungen vorgelegt wurden, haben zu einem Theil grosse
Aehnlichkeit mit den bei Nydam in Schleswig gemachten Moorfunden (vergl. Engel-
hard t: Nydam-Mosefund, Taf. V., Fig. 9). — Der Ministerialdirektor Greiff hat den
15. Oktober die Sammlungen der Gesellschaft besichtigt und durch seinen hohen
Besuch einen Ausdruck dein Interesse gegeben, welches er schon lange für die Be-
strebungen der Gesellschaft hegte.
Zum Vorzeigen waren freundlichst geliehen: Ein schwerer, geschlossener golde-
V ner Fingerring in Bandform, gefunden bei Bischwerder, Kreis Löbau, auf dem Heiden-
berge beim Kartoffelgraben ; er ist in einfacher Bandform gearbeitet, und zwar ge-
schmiedet, das Band ist 8 mm hoch und 1,5 mm dick, der lichte Durchmesser be-
trägt 21 mm. Die einzige Verzierung der äusseren Seite des Bandes besteht in
18 Kanten, die von dem oberen Bandrande nach dem unteren und wieder entgegen-
gesetzt laufen, so dass 18 Dreiecke entstehn, deren Oberfläche jedoch nieht in der
Kreiskurve, sondern in der Ebene der begrenzenden Kanten liegen. Dieses interessante
Stück gehört wahrscheinlich dem jüngeren Eisenalter an.
Ferner wurden als Geschenke vorgelegt: von Lieutenant Behr auf Wiskianten
Alterthamsgesellschaft Prussta, ßßj
8 daselbst beim Kiesfahren gefundene Gegenstände aus Eisen, ein zwei Mal gebroche-
nes Gebiss ohne Querstangen, ein Steigbügel, ähnlich dein bei Bahr Gräber der Liven
Taf. XVI. Fig. G abgebildeten und eine Streitaxt mit dem Schaftloch in der Mitte
zwischen dem niedrigen Bahnende und der hohen Schneide. — Von Gutsbesitzer
Fink zu Godnicken: ein bronzener Bing zum Federn daselbst gefunden; die Mitte
zwischen den sich verjüngenden Endstücken ist mit schrägliegenden Kerben verziert. —
Von Stud. Schreiber ein durchloch teß Beil aus Diorit, gefunden am Wisskiter-See
auf derFoldmarke von Bornischken in Polen, an welchem besonders interessant ist,
dass der Bohrcylinder, nachdem er schon 3 mm tief in den Stein gearbeitet hatte,
eine veränderte Richtung erhielt und 4 mm weiter nach der Schneide gerückt wurde,
wo dann auch die Bohrung vollendet ist — Von Eberhard v. Statterheim folgende
Fundstticke aus 3 verschiedenen Stellen in Gr. Waldeck, Er. Pr. Eylau: aus der
ersten, aus welcher schon früher bronzene Stangen eines Pferdegebisses der Samm-
lung übergeben sind, Urnenscherben mit Lintenvertiefungen, Kohlenreste und ein
bronzener Armiing, in Form eines kantigen Gewindes und eine seltene bronzene
Gewandnadel. An den Rückseiten zweier völlig gleichen durch einen kurvenartig
sich biegenden Bügel verbundenen Platten sind an der einen ein Ring für die Nadel,
an der andern die Naht zum Einlegen der Spitze der Nadel angebracht An der
äusseren Seite jeder Platte ist ein kleiner Einschnitt Vgl. ähnliche Nadeln Archiv
für Anthropologie Bd. X. Taf. II. Fig. 7. Aus einer zweiten Stelle, in welcher schon
früher eine flaschcnformige Thonurne gefunden wurde, drei Stücke: ein bronzener
Armring der eben beschriebenen Art, ein bronzener Fibula-Bügel und ein Stück einer
geradlinigen Bronze-Nadel mit Kopf und einem herauf und herunter zu ziehendem
kleinem Ringe. Aus einer dritten Stelle ein Fragment eines durchlochten Beils aus
Felsit-Porphyr, welches neben einer eiserner Lanzenspitze mit Tülle lag.
Angekauft wurden als Funde auf dem Felde nahe dem Wäldchen Kaup sieben
ringförmige Perlen aus Bol, eine ringförmige Thonperle, eine scheibenförmige Bern-
steinperle, eine wirteiförmige Bernsteinperle; eine bronzene Schnalle aus dem nörd-
lichen Samlaud, der Rahmen derselben fast rechteckig mit abgestumpften Ecken ist
27 mm lang und 20 mm breit, der Stift, in einer Oese hängend, ist nahe derselben
mit einem zu beiden Seiten ausladenden Querbalken versehen, vgl. Engelhardt
Thorsjerg Mosefund 1863. PI. 11 Fig. 65. Ferner folgende Alterthümer, die wahr-
scheinlich auch bei Wiskiauten Kreis Fischhausen gefunden sind: 22 Bernsteinperlen,
von denen 17 roh 5 dagegen smit Kunst bearbeitetet sind, 4 derselben sind Scheiben-,
1 wirteiförmig; 5 bronzene Gewandnadeln in Armbrustform, eine 10,3 cm. lange
Nadel aus Bronze, welche im unteren Theil gradlinig, in dem oberen in der Ebene
der Nadel halbkreisförmig gebogen und durch sechs heraufgezogene Glasperlen ge-
schmückt ist; eine hufeisenförmige bronzene Gewandnadel von seltener Grösse; der
Längendurchmesser des eingeschlossenen Ovals beträgt 7,2 cm; die Endstücke mit
würfelförmigen Aufsätzen, deren Ecken abgestumpft sind, geschmückt, erbeben sich
6ß2 Kritiken und Referate.
über der Grundfläcbo des Hufeisens 3,3 cm hoch, vgl. Bahr Gräber der Liren
Tafel XVII. Fig. 16a., das Hufeisen der Preuss. Nadel ist platt; den Köpfen der
Endstüke ist am ähnlichsten Estn. Verh. Bd. VI., Heft 3 und 4, Tafel 7, Figur 7;
eine hufeisenförmige Gewandnadel aus vier Bronzedrähten geflochten, der Längen-
durchmesser des ungeschlossenen Ovals beträgt 6,2 cm, solche Nadeln wurden in
Altpreussen noch im 13. Jahrhundert getragen.
Ein schwerer bronzener Ring in der Grosse eines Armrings, der Durchmesser
des lichten Raumes beträgt 5,6 <Jm. Der Ring ist nicht geschlossen, sondern seine
Endstücke sind 1 mm von einander entfernt, so dass er in die Reihe der sogen.
Bogenspanner gezählt werden könnte. Der Durchschnitt des vollen Ringes ist gleich
einem gleichschenkligen Dreieck, dessen Grundlinie (2 cm) nach dem Arm gerichtet
ist und dessen Höhe 1,1 cm beträgt Die der Grundlinie gegenüberliegende Spitze
des Dreiecks ist aber abgestumpft. In Bezug auf das Profil ist am ähnlichsten
Bahr Gräber der Liven Tafel XIII. Fig. 11; ein ungeschlossener Ring von Bronze
in Bandform. Die Endstücke sind mit gestricheltem senkrechtem Muster, der Mittel-
raum mit horizontalen Linien und Gnirlanden von kleinon Kreisen verziert. Ein
bronzener Ortband vgl. Bahr Gräber der Liven Tafel XV., Fig. 4. Nur ein Gegen-
stand kann dem sog. Bronzealter zugerechnet werden, es ist ein 10 cm langer Hohl-
celt mit Oehr, dessen Tülle einen 2,8 cm langen lichten Durchmesser hat.
Zur Münz-Sammlung schenkte Lehrer Frischbier eine silberne Denkmünze auf
die Hinrichtung Ludwigs XVI. von Frankreich, gearbeitet von Hof-Medailleur Loos,
zur Bibliothek Buchhändler Nürmberger eine grosse Serie Bücher als Prussica, zur
Sammlung von Raritäten Frau Berdau einen Roccoco-Fächer aus dem 13. Jahrhundert
Hierauf hielt Hauptmann v. Boenigk den folgenden Vortrag:
lieber die Urnenfelder des Germauer Beckens.
Die so bezeichnete Mulde liegt südlich des grossen Hausenberges, 3 bis 4 Kilo-
meter vom samländischen Westrande entfernt, und diesem ungefähr parallel Der
Rand des Beckens wird markirt durch Bodenerhebungen, welche nur im .Süden nach
Fischhausen zu eine Oeffhung frei lassen; in früherer Zeit schloss ausserdem noch
ein breiter Waldsaum die Mulde nach allen Seiten ab, welcher nach dem Thale des
Thierenberger Fliesses hin ziemlich erhalten, sonst aber und meist in jüngster Zeit
der Axt zum Opfer gefallen ist. Die projicirte Fläche deckt etwa den Raum von
3000 Hektaren = ya Quadratmeile und trägt 14 Ortschaften mit 1569 Köpfen Be-
völkerung (aus dem Schluss d. J. 1868). Von diesen Bewohnern zählt 603 Seelen
das grosse Kirchdorf Germau, der Rest vertheilt sich auf 4 Rittergüter, kleinere
Güter und Vorwerke. Hervorzuheben ist ein verhältnissmässig reicher Bestand an
Wiesen, welche der Umgegend, namentlich nach West und Nord, gänzlich fehlen
und auch wohl südlich gefehlt haben, bis eine energische Entwässerung den alten
sumpfigen Bruch der Fischhauser Niederung zu brauchbarem Wiesenland verwandelt.
Altorthumsgesellsehaft Prussia. ßßß
Bei den Vorarbeiten für die prähistorische Karte der Provinz stellte sich nun
heraus, dass sämratliche Ortschaften der Germauer Mulde durch prähistorische Funde
in der Sammlung der Prussia vertreten sind. Besonders auffallend war es indessen,
dass der Vortragende theils auf eigene Wahrnehmung hin, therte auf Grund der
durch Einsendung von Fundobjekten unterstfitzten Berichte der Mitglieder Dr. Hennig,
Kaufmann Plink und B. Kosmack, vor Allem aber gestützt auf die Funde und An-
gaben des bald 40 Jahre auf Kirpehnen ansässigen Ehrenmitgliedes von Montowt,
die frühere Existenz von nicht weniger als acht Urnenfriedhöfen nachweisen konnte.
Die Plätze derselben — die Friedhöfe selbst sind heute zum grosseren Theile zer-
stört — liegen auf den Feldmarken der heutigen Güter Kirpehnen, Sacherau-Corjeiten,
Gauten, Godnicken, Polennen, Nopkeim, Linkau und des Vorwerks El leinhaus, so
dass ein Gang von 10 — 30 Minuten hinreicht, um voo einem Platze zu dem nächst-
liegenden zu gelangen, wie dies der Vortragende auf einer Karte nachweist. Aus
der Anschauung ergiebt sich weiter, dass die (Jrnenfelder vorzugsweise die westliche
Hälfte und das Gentrum der Mulde einnehmen, während auf der westlichen der Platz
Ellernhaus bis jetzt allein als Urnenfeld konstatirt ist Der Vortragende vermuthet
indessen, dass auch hier noch Urnenfelder vorhanden oder vorhanden gewesen sind,
da einmal hier noch Strecken Waldes vorkommen, andererseits Funde derselben Epoche
beispielsweise aus Krattlau vorliegen. Nur fehlt zu diesen Funden der begleitende
Bericht, was auch im Süden bezüglich des Platzes Bohnau leider der Fall ist. Endlich
hat der verstorbene Kantor Prenss in Germau eine grosse Masse prähistorischer
Gegenstände aus der Zeit der Urnenfelder zusammengebracht, dass wenigstens die
Vermuthung nicht unberechtigt ist, er habe aus weiter nicht bekannten Fundstellen
geschöpft. Hoffentlich werden fortgesetzte Ermittelungen hier noch Resultate ergeben
Dass Händler mit römischen Fabrikaten aus der Zeit der Urnenfelder das
Becken von Germau wirklich erreicht haben, erweist ein auf freiem Felde gemachter
Fund, über welchen das Unterlassene Manuskript des Vorbesitzers von Kirpehnen,
Landrath v. Auer, berichtet. Beim Ziehen eines Grabens kam ein Haufen von Hefteln
(wohl Fibeln), Schnallen und Ringen zu Tage, begleitet von 25—30 römischen Münzen,
von Imperatoren, wie aus einer anderen Stelle der Handschrift hervorgeht — sämmt-
liche Objekte aus Bronce. Man wird nicht irren, wenn man dies Depot einem
Händler zuschreibt, welches, in der Stunde der Gefahr gemacht, von ihm später nicht
mehr gehoben werden konnte. Auch auf Feldmark Gauten ist eine Bronzemünze,
und zwar mit dem Bilde des Trajan, gefunden worden und in Besitz der Prussia
übergegangen, während der grosse Kirpehner Fund durch Franzosen bei ihrer An-
wesenheit in den Jahren 1807—1813 entfährt wurde. Die Art und Weise, wie die
Urnen beigesetzt wurden, zeigt Verschiedenheiten zwischen und auf den einzelnen
Feldern. In Kirpehnen scheint durchweg über den Urnen ein kleiner Kreis von Kopf-
steinen gewesen zu sein, meist mit Weiserstein in der Mitte. In Sacherau-Corjeiten
fehlten äussere Kennzeichen gänzlich, ebenso in Linkau, wo indessen die Möglichkeit
664 Kritiken und Referate,
einer früheren Entfernung der Steine nicht ausgeschlossen ist. Godnicken and Gaaten
zeigen selbst Steinpackungen neben und über den Urnen, während andere Urnen
daselbst einfach in die Erde versenkt worden sind. Aehnlich scheinen die Verhält-
nisse in Nopkeinr, Polennen und Ellcrnhaus gewesen zu sein, doch sind die Nach*
richten hierüber noch nicht genügend aufgeklärt. Dagegen zeigen die gefundenen
und im Besitz der Prussia befindlichen Gegenstände durchweg und übereinstimmend
den Charakter der römischen Fabrikate aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeit-
rechnung. Dass die Urnen stellenweise sehr reiche Beigaben enthielten, weisst der
Vortragende in zwei Fällen des Kirpehner Feldes nach. In einer Urne, welche Herr
von Auer vor dem Jahre 1807 ausgrub, fanden sich: eine Silbennünze, fünf römische
Bronzemünzen, das Stück eines Helmes (wohl Schildbuckel), ein Paar Steigbügel,
ein Zaum, Sporn, mehrere Speerspitzen, zwei Streitäxte, wovon eine aus Stein, ein
rautenförmig gearbeitetes kleines Schild, ähnlich dem frühereu Ringkragen der In-
fanterieoffiziere, ein Gewandhalter aus Bronze mit Silber eingefasst und ein Trau-
ring — nach den Waffen zu schliessen, die Beigaben für einen Mann. Leider ist
auch dieser Fond verloren gegangen, nur von der Silbermünze sagt Herr von Auer,
dass er sie einem Konsistorialrath Riemann zu Königsberg geschenkt habe. Dagegen
fand der Vortragende selbst noch in diesem Sommer den unteren Theil einer Urne
mit folgenden Beigaben: Zwei Fibeln von Bronze mit Eisenbelag, cioe Haken-
fibel und einen geschlossenen Bing, unsern Trauringen ähnlich, Fragmente von
Schmuck und Beschlag zu Biemeu, alles gleichfalls von Bronze, ferner ein Messer,
ein Pfriem und eine Schnalle von Eisen, endlich ein anscheinend nicht bearbeitetes
Stück Bernstein. Sämmtliche Sachen wohl die Beigaben einer Frau — sind im Be-
sitz der Prussia; wie denn Herr v. Montowt von je an uurch sein Beispiel dahin
gewirkt hat, dass die Funde der Gegend nicht vereinzelt verloren gehen, sondern
durch ihre Ueberweisung an unsere Sammlung erhalten bleiben. Münzen sind ausser
dem oben erwähnten Falle auf dem Kirpehner Platz noch zweimal gefanden worden,
leider nicht mehr kenntlichen Gepräges, auf den andern Urnenfeldern aber überhaupt
nicht, so dass auf diese sichersten Leiter für die Bestimmung des Alters unserer
Urnenfriedhöfe verzichtet werden muss. Dagegen war der Vortragende in der Lage,
aus den Publikationen der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft Abbildungen der
in Bosenau und Tengen gemachten Fundobjekte vorlegen und mit diesen die zur
Stelle befindlichen Beigaben aus den Urnenfeldern des Germauer Beckens vergleichen
zu können. Es zeigte sich, dass fast jedes Stück aus der Germauer Gegend dort sein
Parallelstück fand, beispielsweise die Sprossenfibeln aus Bronze mit Eisenbelag, die
der Zeit des Trajan zugeschriebenen Fibeln, die Hakenfibeln; selbst der dort er-
wähnte eiserne Celt lag aus Godnicken in ähnlicher Form vor. Die Aehnlichkeit
bei zahlreichen Fibeln steigerte sich sogar bis zur völligen Conformität, selbst der
kleinsten Details, so dass unbedenklich für diese Stücke dieselbe Fabrik, selbst die-
selbe Gussform angenommen werden konnte. Auf diese Uebereinstimmung gestützt.
Alterthiimsgeseüschaft Prussia. 665
schliesst der Vortragende auf das ungefähr gleiche Alter der Germauer Urnenfelder
mit denen von Rosenau und Tengen. Dort sind aber bestimmbare Münzen gefanden
worden, specieU in Grab 31 von Tengen eine Bronze der Lucilla zusammenliegend
mit zwei Exemplaren der charakteristischen Fibeln mit Eisenbelag, ferner in anderen
Urnen 1 Trajan, 1 Domitian, 1 Faustina, 1 Stadtmünze von Marcianoplis. Die Münzen
reichen vom Ende des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung bis zum Beginne
des dritten — in diesen Zeitraum ist also auch das Alter der Germauer Urnenfelder
zu verlegen. Weisen bei diesen einzelne Anzeichen auf ein ZurÜkreichen in noch
ältere Zeit hin, so glaubt der Vortragende doch, eine desfallsige Erörterung vorbe-
halten zu müssen, kommt aber nunmehr zu dem allgemeinen Schlüsse, dass zur Zeit
der höchsten Blüthe des Verkehrs zwischen dem romischen Beiche und den preussischen
Küsten> also etwa zum Schlüsse des zweiten Jahrhunderts zahlreiche Urnenfelder im
Bereiche des'Germauer Beckens thatsächlich und gleichzeitig bestanden haben. Hieran
knüpft der Vortragende die auf den constatirten acht* Urnenfeldern Übereinstimmend
gemachte Beobachtung, dass in der Umgebung der Urnen entweder gar keine Brand-
erde vorkommt oder in den selteneren Fällen nur in ganz spärlichen Mengen, so dass
angenommen werden muss, dass dann die eigentliche Beisetzungsurne zur Aufnahme
der Reste nicht hingereicht hat, in Folge dessen eine zweite gefüllt und ihres In-
haltes in die Grube entleert wurde. Die Verbrennung der Leichen selbst hat in
keinem Falle auf dem Urnen-Friedhofe selbst stattgefunden. Die Ermittelung der
Leichenbrandplätze wurde dem Vorstande der Gesellschaft im Frühjahre durch das
dankenswerthe Entgegenkommen des Herrn B. Kosmack- Polinnen ermöglicht. Aus
dem Grunde der Mulde steigt zwischen dem Germauer und Ell ern haus er Fliesse der
Boden sanft zur Längenaxe der Mulde an; der letzte Theil der Erhebung ist jedoch
stärker gebOscht und bildet einen dachförmigen Bücken, welcher, auf Gauter Feld-
mark beginnend, gegenüber Linkau in einer kleinen Platte endigt. Die nördliche
Hälfte dieses Rückens bis zur Königsberg-Fisch hauser Kunststrasse ist schnurgerade,
der südliche biegt sich nach Ost; die Gesammtlänge beträgt über 2 Kilometer. Der
First des Rückens ist nun in seiner ganzen Länge mit kegelförmigen Erhöhungen
besetzt, welche an der Basis etwa 10 Meter Durchmesser haben, aber nicht über
iy2 Meter hoch sind. Rings um die Basis traf der Pflug häufig auf Steine, welche
Herr Kosmack entfernen wollte, hiervon aber dem Vorstande der Prussia Nachricht
gab und die Ausgrabungen in einer dem wissenschaftlichen Interesse entsprechenden
Weise vornehmen Hess in Gegenwart des Vorstandes. Es waren im Ganzen sechs
solcher Hügel, welche ganz oder theilweise aufgedeckt wurden; drei bei dem Guts-
hofe Polennen, drei" auf der kleinen Platte gegenüber Linkau. Uebereinstimmend
zeigten sich nach Entfernung der Erde zwei concentrische Steinkreise oder Stein*
mauern von Über y2 Meter Hohe, gebildet aus grossen Steinen, getrennt durch einen
etwa einen Meter breiten Gang. Genau in der Richtung der untergehenden Sonne
blieb eine Oeffnung von 1 Meter Breite in beiden Ringen frei und an die Oeffhung
AJtpr. ICoutMohrift B4. XIV. Hft, 7 n. 6. 43
ggg Kritiken und Referate. *
des äusseren schloss sich rechts und links eine 1 Meter lange Maner nach aussen
gerichtet an, so einen Eingang deutlich darstellend mit der Mittellinie nach West.
Genau im Centrum fand sich eine Pflasterung aus Kopfsteinen, 1 Meter lang und
breit, nicht ganz so tief in die Erde reichend und in der oberen Fläche mit der
Basis des Kegels abschneidend, auf welcher die äusseren Steinringe aufgesetzt waren.
Diese Steinpflasterung im Gentrum und ihre nächste Umgebung zeigten nun die
deutlichen 8puren stattgehabter Verbrennungen, Kohlen, Asche und ganz feine
Knochensplitter; dagegen wurden [innerhalb der Steinkreise überhaupt weder Scherben,
noch irgend welche Beigaben aufgefunden. Ausserhalb eines Kegels in der Nähe
des Gutshofes Polennen wurde eine Urne mit Fibeln und Pincette, getreu dem Charakter
der Zeit der Urnenfelder, ausserdem zahlreiche Scherben gefunden, bei allen übrigen
Kegeln blieb die Durchsuchung des umliegenden Terrains ganz ohne Resultat, trotz-,
dem der Pflug hier schon Jahre lang gearbeitet hatte. Es ergiebt sich daraus, dass
die Steinkreise der untersuchten Kegel keine Begräbnissstätten, sondern Brandaltäre
einschliessen, während die Beisetzung der Reste, Polennen ausgenommen, in weiterer
Entfernung erfolgte. Für die nicht untersuchten nimmt.' der Vortragende gleiche oder
ganz ähnliche Beschaffenheit an. Denn diese liegen mit jenen in fortlaufender Reihe,
haben denselben Durchmesser, dieselbe äussere Form und lassen ebenfalls noch die
Steinumkränzung wahrnehmen , zudem liegen betreff wenigstens eines zerstörten
Kegels in der nördlichen Hälfte Mittheilungen vor, welche den gleichen innern Be-
fund bestätigen.
Der ganze dachförmige Rücken ist bis vor etwa 40 Jahren noch mit Wald be-
standen gewesen, und es lässt sich um so weniger eine Entblössung desselben zur
Zeit der Leichenverbrennung annehmen, als die Flammen, um gleiohmässig zu wirken,
eines Schutzes gegen den Wind bedürfen, welch letzterer hier bei der Nähe der See
selten ganz fehlt Auch die durch kurze Mauern gebildeten Eingänge zu den Stein-
kreisen erhalten erst rechten Sinn und Bedeutung, wenn man sich in ihrer Ver-
längerung einen durch Wald gehauenen engen Pfad denkt, endlich lag auch wohl
den Bewohnern daran, den zur Leichenverbrennung notwendigen sehr bedeutenden
Holzbedarf in der Nähe zu haben. Alles in Allem mag hier also ein heiliger Hain
gestanden haben, welcher in kreisförmigen Lichtungen die Steinkreise mit ihren Brand-
altären enthielt, zu denen schmale Zugänge durch das Holz führten. Nicht unwahr-
scheinlich ist es ferner, dass diese Zugänge aus einer grösseren Strasse heraustraten,
deren durch das Terrain gebotenen, wahrscheinlich uralten Zug die heutige Chaussee
Fischhausen-Gennau einnimmt An dieser setzt die steile Böschung des Kammes
ab, bis an sie würde sich etwa der Wald erstreckt haben, während der Raum zwischen
Chaussee und dem Germauer Fliess von Polennen nördlich nicht mit Holt be-
standen war.
Eine andere Frage ist die, weshalb die Brandaltäre und dis Steinkreise in so
sorgfaltiger Weise und so regelmässiger Form mit Erde bedeckt wurden. Ais dem
Alterthumsgesellschaft Prussia. QQJ
Umstände, dass zwei Steinkreise den. Brandaltar umgeben, lässt sich ohne Zwang
folgern, dass der innere znr Begrenzung der eigentlichen heiligen Statte, der Gang
zwischen beiden zum Aufenthalt für die Angehörigen während der Cereraonie bestimmt
waren, wahrend der äussere Steinkreis als Sitz für dieselben diente. Die Annahme,
dass die geweihte Statte, nm sie vor Entweihung zu schützen, nach jeder Verbrennung
mit Erde bedeckt wurde, ist sehr wohl möglich, nur würde nicht zn begreifen sein,
warum die Beschüttung auch den äussern Gang und die äussere Steinmauer umfasste,
wie es that&ächlich der Fall ist, wodurch aber eine bedeutende Ausdehnung der an
sich nicht geringen Arbeit herbeigeführt wurde. Nehmen wir an, dass dasselbe Volk
in Folge einer Aenderung seiner religiösen Gebräuche die Brandaltäre aufgab, so er-
scheint eine solche Aufgabe nicht leicht anders erklärlich, als in Folge mächtiger
äusserer Einwirkung, etwa durch die zwingende Bestimmung eines eindringenden
erobernden Volkes. Wollte der neue Einzögling aber die alten Bewohner von dei
Ausübung ihres eigenen Kultus an gewohnter Stätte abhalten, so empfahl sich dafür
eher die leichter zu bewirkende Zerstörung der Altäre und Kreise durch Auseinander-
werfen der Steine, als deren mühseligo und doch leichter wieder zu bewirkende Be-
schüttung mit Erde.
Vielleicht am meisten für sich hat die dritte Annahme, dass der Stamm dieser
Kultusstätten vor einem langer Hand geplanten völligen Abzüge aus der Gegend
die Brandplätze in ihrem ganzen Umfange pietätvoll mit Erde überdeckte — am
höchsten über dem Altar, abnehmend an Stärke nach der Peripherie, aus welcher
Arbeit die heute vorliegende Form des flachen Kegels sich dann ergab.
Die zahlreichen Brandaltäre mit den gleichfalls zahlreichen Urnenfeldern der
Germauer Mulde in Verbindung zu bringen, liegt nun ausserordentlich nahe, da für
die Urnenfelder die Brandplätze sonst ja durchweg fehlen würden« Dass die Brand-
altäre einer späteren Zeit nicht angehören, dafür spricht der Umstand, dass der
Vortragende unweit der Reihe auf dem zu Kirpehnon gehörigen Galgenberge einen
wohl 400 DMeter umfassenden Brandplatz aufgefunden hat, dessen Beigaben durch-
weg die charakteristischen Merkmale des jüngeren Eisenalters zeigen. Wollte man
umgekehrt annehmen, dass die Brandaltäre zur Zeit der Urnenfelder schon ausser
Benutzung gewesen seien, so würde in Polennen doch wenigstens eine Urne nicht
neben, sondern schon auf dem Saume der Erdkegel beigesetzt worden sein, was
augenscheinlich nicht der Fall gewesen ist. Es bleibt somit nur Übrig, die Brand-
altäre der Reihe als zu den Urnenfeldern zugehörig zu erklären. Es ist femer nicht
anzunehmen, dass einem Urnenfelde mehrere Brandaltäre, etwa zwei, je für Männer
und Frauen einer, gedient haben. Wäre dem so, so würden sie paar- oder gruppenweise
geordnet liegen, thatsächlich krönen sie aber, lediglich den Erhebungen des Kammes
folgend, diesen in den allerunregelmässigsten Abständen. Andererseits ist auch nicht
iu vermuthen, dass ein Brandaltar für mehrere Urnenfelder bestimmt gewesen ist,
denn Raum und Steine sind genügend vorhanden, um die Zahl derselben bei Inne-
43*
ßgg Kritiken und Referate.
haltung der Reihe zu verdoppeln. Spricht man somit jedem Brandaltar je einen
Urnenfriedhof zu, so muss weiter aus den nahen Abstanden der letzteren von ein-
ander gefolgert werden, dass jeder einzelne auch nur von je einer menschlichen Wohn-
statte aus benutzt worden ist und weiter, dass die Zahl der Brandaltäre sowohl für
die Zahl der einst vorhandenen Urnenfelder, wie Niederlassungen dieser Gemeinde
bestimmend ist. Dafür, dass wenn auch nicht alle, so doch die meisten Ansiedelun-
gen jener Zeit im Bereiche des Beckens gelegen haben, spricht die Fundkarte, welche
auf der breiten alten Waldzone, welche das Becken umkränzte, keinen weiteren
Urnenfriedhof, selbst nicht die Spuren eines solchen ergiebt. Das aber weist darauf
hin, dass mindestens das Gros des Volkes jener Urnenfelder sich in dem Becken
selbst zusammengedrängt hat, während die ans toss ende Höhe wenig oder gar nicht
besiedelt war. Der Grund für diese Erscheinung ergiebt sich von selbst aus der
Thatsache, dass das Becken zahlreiche Wiesen enthält, während diese, wie im Ein-
gange erwähnt, in der Umgebung so sehr fehlen, dass noch heute Bauern der Strand-
dörfer bis auf 15 Kilometer Entfernung Wiesen des Kirpehner Areals zu hoben
Preisen pachten. Ein Naturvolk unseres Klimas musste aber im Wesentlichen auf
die erwärmende Fleischnahrung angewiesen sein und fand wiederum die Möglichkeit,
Heerden während eines langen Winters zu ernähren, nur im Besitze von Wiesen.
Die gegen die Zahl der Brandaltäre fehlenden Urnenfelder werden, wie schon erwähnt,
grösstenteils an den Wiesen der Osthälfte zu suchen sein. Aber auch selbst bei
den wirklich konstatirten Urnenfeldern genügt die Erwägung ihrer so geringen
räumlichen Entfernung, um folgern zu können, dass die zugehörigen Wohnsitze
unmöglich von irgend einer irgend wie zahlreichen Bevölkerung besetzt gewesen
sind. Die vorhandenen Wiesen sind zwar ausgedehnt, zum grossen Theile aber erst
durch Entwässerung aus Bruch dazu gemacht worden. Die auch in alten Zeiten
guten und brauchbaren Wiesen genügten aber nicht, um diejenige Menge von Futter
hervorzubringen, welche für die Winterernährung eines bedeutenderen Viehstandes
noth wendig war, selbst wenn man neben der Heugewinnung einen doch immer nur
geringfügigen Anbau von Hafer annimmt. Es wird deshalb kaum irrig sein, die an
Bich so zahlreichen Niederlassungen jener Zeit lediglich als Einzelhöfe aufzufassen,
bewohnt von einer mehr oder weniger zahlreichen Familie, aber 'immer nur einer
Familie, etwa in der Weise, wie Tacitus die Wohnsitze der Germanen beschreibt.
Wie dem aber auch sei, jedenfalls prägt sich in den abgesonderten Höfen, deren
jeder einen Urnenfriedhof für sich in Anspruch nahm, ein lebhafter Sinn für Unab-
hängigkeit aus, welcher so weit ging, dass auch an der gemeinsamen Stätte des
Kultus, in dem gemeinsamen heiligen Walde jede Familie sich noch einen geson-
derten Brandaltar errichtete. Für denselben Geist sprechen die Verschiedenheiten in
Form und Verzierung der Urnen, die verschiedene Art der Beisetzung, während die
Beigaben doch evident auf dieselbe Zeit hinweisen. Deutet desshalb der gemeinsame
heilige Wald darauf hin, dass nur ein Priester für alle Angehörigen des Stammes
AlterthumsgeselUchaft Prussia. 669
die religiösen Ceremonien leitete, so dürfte doch schwer anzunehmen sei*, dass dieser
oder ein rein weltlicher Häuptling wirkliche Herrschaft über die Gemeinde ausübte.
Da nun innerhalb des Germauer Beckens zwei. Burgwälle, einer bei Godnicken,
der andere bei Germauer Mühle belegen sind, so wird es zunächst nicht anzunehmen
Bein, dass dieselben der Periode der Urnenfelder angehören. Die Halbinselform der-
selben, mit aufgesetztem Waldkranz, welcher auf der Landbrücke am höchsten ge-
schüttet ist, ferner das Fehlen von Giäben, Vorwällen, Vorburgen und gedeckten
Aufgängen lassen sie derjenigen Zeit zugehörig erscheinen, in welcher der Däne
Wulfstan um das Jahr 800 »mannig Bargen* fand und in jeder Burg einen »Kunig*.
Der Besitz einer solchen Wohnbuig musste aber einer Familie, bezüglich deren
Haupte derselben, eine gewisse Präponderanz vor andern Stammesgliedern verleihen,
welche, wie angegeben, nicht im Charakter des Volkes der Urnenfriedhöfe lag. Ein
direkterer Beweis für die Nichtexistenz der Burgwälle zu jener Zeit ist aus der
örtlichen Lage des Burgwalles Godnicken zu dem Urnenfelde dieser Ortschaft her-
zuleiten. Beide sind räumlich nur durch eine Entfernung von etwa 500 Meter ge-
trennt, es fliesst aber zwischen ihnen der Germauer Bach, welcher hier schon nicht
mehr leicht überhaupt, bei den Wasseranschwellungen des Frühjahrs aber nur auf
der heutigen Chausseebrücke zu passiren ist. Hätte die Godnicker Wohnburg schon
zu Zeiten der Urnenfelder existirt, so würden die Bewohner ihren Friedhof auf der
Seite der Burg angelegt haben und von diesem würden immerhin einige Scheiben
noch heute Kenntniss geben. Das ist aber nicht der Fall; es dürfen die Burgwälle
also auch hier einer späteren Zeit und wohl auch einem andern Volke zugeschrieben
werden, welches vielleicht eine sesshafte Bevölkerung unterjochte, vielleicht mit den
zurückgebliebenen Besten einer solchen sich verschmolz, vielleicht aber auch ein völlig
verlassenes Land neu besiedelte.
Schliesslich bemerkt der Vortragende, dass abgesehen von dem schon erwähnten
Brandplatze des Kirpehner Galgonberges auch die umkränzenden Höhen des Ger-
mauer Beckens zahlreiche Hügel aufweisen, welche, so weit sie geöffnet sind, einer
früheren und auch der späteren Zeit angehören, als die Epoche der Urnenfelder.
Weitere Untersuchungen stehen mit Hilfe des Herrn v. Montowt in Aussicht, sowohl
in Bezug auf die Urnenfelder selbst, als auf deren Verbindung mit den vor- und
zurückliegenden Zeiträumen, für welch letztere bereits ziemlich umfangreiches Mate-
rial vorliegt. [Ostpr. Ztg. 1877. No. 265 (Beil.) u. 266 (Beil.)]
Zum Schluss sprach Dr. Bujack über die Kirche zu Gr. Wolfsdorf, Kreis
Raötenburg, und das ehemalige Schloss im Werder zu Gr. Wolfsdorf. Die Kirche
hat noch eine Befestigung durch eine Ziegelmauer, obwohl sie erst im Beginn des
Jahres 1590 zu bauen begonnen wurde, ebenso der Wirthschaftshof des Werders von
Gr. Wolfsdorf, welcher jetzt Dönhofstedt heisst Letztere besteht allerdings nur aus
Erdwällen mit Courtinen, Facen und Flanken hinter einem Graben Das in Form
eines Kreuzes erbaute alte Schloss, das hinter einem zweiten Graben und Zugbrücke
670 Kritiken nnd Referate.
geschützt war, ist nur noch in einem Tbeile seiner Fundamente erhalten and steht
auf ihnen jetzt das Haus des Administrators. Ueber den Erbauer der Kirche und
des Schlosses geben die vom Pfarrer Zwicker 1718 verfassten Wolfsdorfer Annalen,
welche dem Archiv von Düuhofstedt gehüren, ausführliche Auskunft Es ist Ludwig
von Kantor. Derselbe 1542 geboren, zuerst von seiner froh verwittveten Muttor er-
zogen, empfangt seine Jugendbildung als Pago am Hof des Herzogs Albrecht. Nach-
dem er schon früh wichtige Botschaften an den Kaoig von Polen zn bringen hatte,
schlieft er sich im Jahre 1567 mit Erlaubniss seines fürstlichen Herrn einer polni-
schen Gesandtschaft nach Konstantin opel an. Der preussische Edelmann fahrt ein
Tagebuch, aus dem der Verfasser der Wolfsdorfer Annalen noch 1718 die Reise-
route und die Erlebnisse des Reisenden genau aufnimmt. Da ihm in Konstantin opel
Kunde von dem Tode des Herzogs Albrecht zukommt, darf er nicht zurückkehren,
sondern sucht das gelobte Land, Arabien nnd den Berg Sinai auf. Auf der Rück-
reise strandet sein Schiff bei Cypern, aber er rettet sich mit wenigen Passagieren.'
Ueber Kreta, Sicilien, Malta geht sein Weg nach Venedig. Von da durchreist er
noch einmal Italien zu Lande. Nach Deutschland kommend, schliesst er sich einer
kaiserlichen Gesandtschaft nach Frankreich an und lernt dies Land kennen, von da
reist er weiter nach' England. Durch Holland kommt er zum zweiten Hai nach
Deutschland und kehrt nun nach fünfjähriger Heise erst nach Preussen zurück (1572),
wo er Oberkammer-Junker bei Herzog Albrecht Friedrich wird nnd alsbald mit der
Einholung der Braut seines Fürsten aus Cleve betraut wird. Auch er vermählt sich
bald und zwar mit einem Hoffränlein der Herzogin. Das Amt der Oberkammer-
Junkerschaft bekleidet er fünf Jahre, dann ist er 5 Jahre Hauptmann zn Neuhausen
nnd wird nach 4 Jahren Ober- Hauptmann und Landesdirektor auf Brandenburg, in
welchem Amt er 23 Jahre verbleibt Die Verwaltung seiner Erbgüter, darunter
Wolfsdorf, hat er nach seiner Rückkehr von der grossen fünfjährigen Reise ange-
treten nnd denkt, indem er sich bei seinem Aufenthalt in Wolfsdorf mit der Woh-
nung in einem anspruchslosen Hause begnügt, zuerst an den Bau der Kirche nnd
zwar aus eigenen Mitteln, erst nachdem dieser vollendet ist, geht er zum Schluss
des Jahrhunderts an den Aufbau des Schlosses. Was der preussische Edelmann auf
seinen weiten Reisen gesehen, das wendet er bei der Ausstattung beider Bauten
auch in Bezng auf die Befestigung an, leider aber hat der Verfasser der Annalen,
der Pfarrer Zwicker, nicht die architektonische Bildung, um eine deutliche Beschrei-
bung des Schlosses, das er auch nur als eine Ruine kannte, zn gehen. —
Die neu eingetretenen Mitglieder sind Studiosus Jungmann, Chef-Bedakteur
Ferd. Michels, Professor Schneider, Major von Seemen. Zum Ehren-Mitglied
wurde Rittergutsbesitzer von Montowt auf Kirpehnen ernannt.
[Ostpr. Ztg. 1877. No. 268 (Beil.)]
Mittheilnngen und Ankang.
Vorläufige Mittheilng Aber eine Preuseafahrt des Ffirstea
?m Henaegau im 14. Jahrhaadert
Von hochgeschätzter Hand geht uns folgende dankenswerthe Notiz zu; wir
beeilen uns, dieselbe ihres hohen Interesses wegen ansern Lesern wörtlich mitzu-
theilen und sehen dem freundlichst in Aussicht gestellten ausführlichen Bericht er-
wartungsvoll entgegen.
Göttingen, 15. Novbr. 1877.
»Eine hansische Archivreise durch die Niederlande, die ich in den letzten
Monaten ausgeführt, hat mich gelegentlich auf einen unbekannten Beitrag mr älteren
Preussischen Geschichte aufmerksam gemacht, den ich Ihnen and den Lesern der
, Altpreussischen Monatsschrift4 heute wenigstens ankündigen will.
Wie das in Deutschland nicht gekannte oder doch nicht beachtete Werk:
»Notice sur le depöt des archives de Te'tat ä Mona par Llop. Devillers* p. 34 aus-
weist, bewahrt das alte gräflich Hennegauische Archiv zu Mons (Bergen) n. a. eine
lange Pergamentrolle aus dem Jahre 1336 mit der Aufschrift:
»Chest li comptes del argent rechut par Johannes de Leyden environ le
saint Martin en jvier lan XXXVI pour le voie monsigneur de Zeelande
en Prasse.*
Die Totalsumme beläuft sieh auf 1983 Pfand Groschen. Die Rechnung fuhrt
die ganze kriegerische Begleitung des Grafen namentlich auf, verfolgt die Heise der
Hennegauer nach den einzelnen Stationen und bietet so reichen Stoff zur Ausfüllung
des Bildes, das man sich von den Preussen-Fahrten hoher Herren im 14. Jahrhundert
vorzustellen hat
DerWerth des Dokuments leuchtet ein. Ich bemühte mich um eine Abschrift,
erhielt aber von Herrn Leopold Deviilers, Direktor des genannten Staatsarchivs, die
Nachricht, dass er selbst das Dokument in nächster Zeit zu veröffentlichen gedenke.
Herr D. versprach mir ein Exemplar des Abdrucks zuzusenden. Erweist sich dann
aus dem Text die zu erwartende Bedeutung der Beiserechnung für die Preussische
672 Mittheil ungeu und Anhang.
Geschichte, so halte ich mich für verpflichtet den Lesern Ihrer Zeitschrift neue Mit-
theilung <}avon zu machen. Eventuell wäre ich bereit den Text, der in einer unzu-
gänglichen französischen Zeitschrift veröffentlicht werden soll, wieder abzudrucken
und mit geographisch -historischen Erläuterungen! auszustatten. So erhielte unser
Publikum die Kunde von einem Aktenstück, das neue geschichtliche Thatsachen über-
liefert und durch seinen Bericht über die Heise des Grafen von Hennegau interessant
sein muss. — — — — — — — — — — — — — — — —
Dr. Konst. Höhlbaum/
Die Partitar zu Georg Simon Löhleiu's „Todtenfeier".
Einen interessanten Fund hat in diesen Tagen Herr Organist Jankewitz
gemacht. Durch einen Zufall gelangte derselbe in das verfallene Uhrwerk der
St. Marienkirche und fand dort in einem entlegenen Winkel die General-Partitur
eines bedeutenden musikalischen Werkes, nämlich die Trauer- Cantate zum Gedächtniss
der Verstorbenen für Soli, Chöre und Orchester, betitelt „Todtenfeier" von Georg
Simon Löhlein. Löhlein wurde geboren im Jahre 1727 zu Neustadt an der Haide
(in Sachsen-Coburg) und war in Leipzig als ausgezeichneter Compouist, fertiger
Ciavier- und Violinspieler bekannt. 1779 wurde er als Capellmeister an St. Marien
nach Danzig berufen, wo er 1782 starb. Er hinterliess diverse Ciavier- und Violin-
Concerte und Sonaten, eine Ciavierschule, die von 1705 bis 1797 in fünf Auflagen
erschien und neuerdings wieder von Czerny bearbeitet und herausgegeben ist,
ferner eine Violinschule, welche drei Auflagen erlebte und zuletzt von Eeichardt
revidirt und herausgegeben ist. Unter den geistlichen Compositionen nimmt die
Trauer-Canlate, benannt »Todtenfeier*, neben mehreren Motetten den hervorragend-
sten Platz ein. Löhlein hat dieselbe laut vorhandenen Notizen bereits 1770 in
Leipzig componirt und es gelangte dies Werk 1771, 1773 und 1775 in Leipzig, 1776
in Berlin, 1777 in Dresden und 1780 in Danzig zur Aufführung; weitere Notizen
fehlen. Das Werk existirt nur im Manuscripte und verschwand mit dem Tode des
Componisten. Es ist wohl anzunehmen, dass Neid oder Ungunst es in den Winkel
verbannte, aus dem es erst jetzt wieder zum Vorschein gekommen ist. Nach ein-
gezogenen Erkundigungen ist in den Städten, in welchen es früher zur Aufführung
gelangte, keine Copie vorhanden, sondern es wurde stets leihweise im Manuscripte
zur Auffuhrung überlassen. Das Werk selbst, a la Graun durchflochten mit Chören,
Recitativ'8 und Arien, steht ebenbürtig den besten Schöpfungen der damaligen Com-
ponisten zur Seite. Einer der hervorragendsten Verleger hat sich bereit erklärt, es
in Verlag zu nehmen und der Gemeinde-Kirchenrath an St. Marien hat bereitwillig
die Veröffentlichung genehmigt, auch Aufführungen des Werkes mit dem Vorbehalt
gestattet, dass dasselbe nach der Benutzung der Bibliothek der St. Marienkirche
überwiesen werde. Die Todtenfeier- Cantate wird nun bereits von Herrn Jankewitz
Zu Job. Gottl. Fichte's erstem Aufenthalt in unserer Provins. 673
mit dem »St. Marien a capella-Kirchencbore* e;nstudirt und sie soll ihrer ursprüng-
lichen Bestimmung gemäss am diesjährigen Todtenfeste in einem Concerte zur Auf-
führung gelangen. [Danz. Ztg. y. 21. Sept. 1877. No. 10561.]
Zu Job. Gottl. Fichte's erstem Aufenthalt in unserer Provinz.
(Aus einem von dem Prediger S. Hartmann in Krockow (gräfl. Gut bei Neustadt
in Westpr.) an den Superintendenten Wisselinck in Elbing gerichteten Schreiben
vom 14. Januar 1817.)
»Fichtes »Versuch einer Kritik aller Offenbarung* nahm ich auch jetzt wieder
in die Hand. Dieses Exemplar ist ein Geschenk von ihm. Er war hier des jetzigen
Herren Patronus Grafen von Krockow Lefirer. Hieher wurden ihm einige Exemplarien
vom Verleger zugeschickt, unter denen sein Name »von Johann Gottlieb Fichte*
gedruckt war; unter allen übrigen Exemplarien, die ausgegeben worden sind, war
sein Name ausgelassen. Die Recensenten liielten, w'e Ew. Hochehrwürden wohl be-
kannt sein wird, Kanten für den Verfasser. Diese Schrift wurde nachher bald, wo
ich mich recht erinnere, in Wien verboten; — nun ich wünschte ihm Glück dazu. —
Fichte hat auch hier ein paar Mal gepredigt; — ich erinnerte ihn aber an Popula-
rität. — Er gab mir Kant's Critiken mit den Worten: »machen Sie sich fürs erste
damit bekannt; ich werde Ihnen alsdann ausführlich Collegia darüber lesen.* Allein
dies Vorhaben kam nicht zur Ausführung; er wurde bald darauf weggerufen.**)
Ein Gedieht von Schiller in littaiiischer Uebersetung,
mitgetheilt als literarisches Vermächtniss eines theuern Verstorbenen
von G. H. F. Nesselmann.
Bei Gelegenheit eines so eben vorgenommenen Wohnungswechsels ist mir ein
Blatt von der Hand des verstorbenen Superintendenten K. A. Jordan in Bagnit
in die Hände gefallen, welches in Berücksichtigung der hohen und vielseitigen Ver-
dienste, weiche der Verstorbene sich um die Klarlegung preu6sisch-littauischen
Sprach- und Volksthums erworben hat, einen Platz in diesen Blättern unbedingt
beanspruchen zu dürfen scheint. Es ist eine, wie ich dafürhalte, höchst gelungene
Uebertragung des Schiller'schen Gedichtes »Das Mädchen aus der Fremde* in das
Littauische. Wörtliche Wiedergabe des Originaltextes ist bei Arbeiten der Art be-
kanntlich weder möglich, noch erwünscht Jeder Kenner aber wird zugeben, dass
der Uebersetzer alle charakteristischen Züge der schönen Schiller'schen Dichtung
durchweg treffend, ja genial wiederzugeben gewusst hat. Ich gebe hier Jordan 's
Handschrift buchstäblich ohne jede Aenderung der Orthographie wieder.
*j Das hier Erzählte fallt in das Jahr 1792. Ausführlich handelt hierüber
Bud. Beicke in s. Aufsatz: »Fichte's erster Aufenthalt in Königsberg* im Deutschen
Museum hrsg. v. Bob. Prutz. 1805. Bd. I. S. ?2l— 736 u. 767—785.
674
rfitthei langen und Anhang.
Dauboj' tarp Kerdziu wagdienüjfi
Koinanie roett rodijoa
Tarp Wytnrt wjt'rojanomJD
Hergä Groijbes djwinos.
Ji dauboj" gimmtui ne buwo,
Nej wi«na paiinno Job Nammna,
Ir Pedai jos skubrej sudznwo,
Jei dawus Pasweüinnimi}a.
Ii atgaiwinno jfla Artnmmaa
Duszelias nnaitiklrfncziaa.
Bot jös Salowe ir jo* Aukaztummaa
Fadare jaa ir bijancrias.
Ji Kwietkaa an sawim tnrajo
Ir W&Isqs czia li'isinokusiua,
Bet kor Sanle graiaue fibbeja
Dfldama eawo Spindolias.
Ir koinam sule DoWMlAe,
Tara d&we Kwietkaa, tarn Waisoa.
Ir janns kaip se'nas an Laidele
Parejö linkemi \ Nammna.
Wiasns Sweczius mielaj prieme.
Bet kad Jaunikkis au Herga
Atejo, tat jiem Kwietka lerne
Gerauaa, raiela. Dowana,
Ueberaicht der bei dem Landheer and der Marine ii des Ersatx-
jahrei 1874/75, 1875/76 und 1878/77 ei-gestellte» Preassisek«
Mannschaft« nit Beiug auf ihre Sclnübildug.
(pro 1871—74 a. Altpr. Mtanehr. XI, 1874. 8.682.)
Eingestellte
Er« n t Ein a n n nc U a fle 1 1
Segiernngs-Bezirk.
mit Schulbildung
-ohne
Schul-
bildung
Proon*.
in der
deutschen
Sprache
in der
Mntter-
aprache
10.-
aauimen
ftber-
hanpt
bildong
pro cent
Königsberg . . 1X74/75 .
1875/76 .
1876/77 .
8924
3863
862
303
206
4286
41*5
4058
372
358
283
4658
4383
4341
7.„
5.1«
6,«.
G um binnen . . 1874/76 .
1876/76 .
1876/77 .
2346
2105
2857
361
407
311
2707
2512
2568
266
268
260
2973
2780
2818
94«
Daiirig 1874/75 .
1875/76 .
1876/77 .
1429
1619
1700
121
169
189
1660
1788
1939
233
19J
209
1783
1980
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Marionwerder . 1874/76 .
1876/76 .
1876/77 .
2037
1977
2106
398
324
363
2486
2301
2468
380
315
306
2865
2616
2774
13,«
12h,.!
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Praune« . . . 1874/76 .
1875/76 .
1876/77 .
»786
»533
»»«4
1242
1303
1069
liest
10796
11983
1251
1933
1948
1227»
1175»
13981
l»«l
8*.
Unterricht«- Verwaltung in Pnuasen.
693. 1876 S. 646. 1877 S. 427.]
Topographische Karte von Preussen, 675
Topographische Karte von Preassen
herausgegeben von der Kartogr. Abtheilung der Königl. Preuss. Landea-Aufnahme.
Die Provinz Preussen and der nördlich vom 53. Grad gelegene Theil der
Provinz Posen entbehrten bis zum Jahre 1859 einer sogenannten Generalstabskarte,
unter welchem Namen die in 1 : 100,000 publicirten Blätter der topographischen
Aufnahme verstanden werden. Nachdem man in jenem Jahre mit der Aufnahme
begonnen, sind seit 1863 von den circa 90 Sektionen, die auf das genannte Gebiet
entfallen, 70 erschienen, — zuletzt im Januar 1877 die Blätter: 102.. Neuenburg,
121. Poln. Crone und 143. Thorn, so dass man sich der Hoffnung hingeben darf,
längstens bis Ende 1878 im Besitz der ganzen Aufnahme zu sein. Schon jetzt lässt
sich constatiren, dass die Topographie der Provinz Preussen durch diese Generalstabs-
karte ein wesentlich verändertes, von bisherigen Vorstellungen stellenweise ganz
verschiedenes Aussehen gewinnt. Die gerade dort ungemein schwierige Terrain-
Aufnahme hat an vielen Stellen, namentlich auch hinsichtlich der Verbindung und
des Abflusses der zahlreich vorhandenen Seen, ganz neae Daten zu Tage gefördert,
und es sind Höhenzahlen an Bergen und Hügeln bis zu 313 Meter an Stellen ge-
messen worden, wo bisher alle Landkarten entweder nur flaches Land oder phan-
tastische Bergstriche sehen Hessen. Nicht minder lassen die Figuren der Gewässer
und an der sonstigen Situation oft recht beträchtliche Abweichungen erkennen. Die
8ämmtlichen erschienenen und uns vorliegenden Blätter überragen, gleichwie die-
jenigen über den Begierungsbezirk Wiesbaden, hinsichtlich ihrer Richtigkeit, Brauch-
barkeit und hohen Technik (Kupferstich), bei weitem Alles, was vorher in Preussen
nach dieser Richtung geleistet worden ist, und können sich in ihrer jetzigen Gestalt
— Seen und grössere Flüsse nebst Kreisgrenzen sind kolorirt — mit allen anderen
Generalstabskarten in Europa messen. Es bleibt noch zu bemerken, dass die seit 1876
dem Vertrieb übergebenen Blätter die absolute Höhe der Objekte über dem Meeres-
spiegel in Metern, statt wie vorher in Preuss. Duodez -Fuss geben, und dass unter den
vorhandenen Massstäben nunmehr auch der Kilometer seine Vertretung gefunden hat
[Mittheilungen aus Just Perthes* geogr. 'Anstalt von Dr. A. Petermann.
23. Bd. 1877. IV. «. 132.]
DüivcrsitÄts-Chronik 1877.
9. Nov. Lectiones cursor. quas . . . Hermann Mueneter med. Dr. Ueber den gegen«
wältigen Stand der Puerperalfieberlehre. ad docendi facult rite impetr. . . .
habebit indicit Max. Jaffe med. Dr. P. P. 0. ord. Med. h. t Decanus.
Nro. 97. Amtliches Verzeichniss des Personals u. der Studirenden . . . f . d. Winter-
Semester 1877/78. (25 S. 8.) [85 Doc. — 6 theol., 7 jur., 96 med., 39 phil., S Leotor.,
6 Sxerdtienmeist — n. 668 (41 etul.) 8tud., davon 49 Theol., 174 Jur., 1S4 Med., 106 PhiL,
8 m. ipec Genehm, d. seit Protect (Prot Dr. Fe]. Dehn).]
ß7ß Mittheilangen and Anhang.
4. Dec. Med. Doctordiss. v. Franz Kahlweiss (aus Kreuzdorf, Er. Braunsb.), prakt Arzt,
Ueber d. Veränderg. d. Uterus-Schleimhaut wahrend d. Gravidität und deren
Neugestaltg. im Wochenbette. (32 S. 8.)
8. Dec. Phil. Doctordiss. v. Julias Jacobson (aus Königsberg^, Ueb. die Beziehungen
zwischen Kategorien und Urthcilsfonnen. Erster Theil einer demnächst er-
scheinend. Schrift: Ueber die metaphys. Deduction der Kategorien. (131 S. 8.)
18. Dec. Lectiones cursorias quas . . . Julius Schreiber med. chir. et art obst Dr.
Ueber die Beziehungen der Ophthalmologie zur internen Medicin ad docendi
facuü rite impetr. . . . habebit indicit Max. Jafife med. Dr. P. P. 0. ord.
medic. h. t. Decan. ±
Altpreassische Bibliographie 1876.
(Fortsetzung.)
Kaut's, 1mm., Prolegomena zu e. jed. künftig. Metaphysik . . . hrsg. u. erläut. von
J. H. v. Kirchmann. 2. Aufl. Leipzig-. Koschny. (VII, 152* S. 8.) [Philos.
Bibliothek . . . hrsg. v. J. H. v. Kirchmann. Lfg. 53. M.] 1.—
Logik. Ein Handbuch z. Vorlesgn. hrsg. v. Gl. Benj. Jäsche. Erläut. von
J. H. v. Kirchmann. 2. A. (Vit 164 S. 8.) 1.-
SSon Der Wacbt be* ©t-mütbä ... 18. Derb. ». Seipj. Okibef. (786. 8.) 1.20.
Anthropology (translation A. E. Kroeger). [The Journal of specul. philos. ed.
by W. Harris. Vol. X. Nr. 3.]
Ethics, VI: Ethical Worehip. J. Edmunds. [Ebd. Nr. 4.]
Alexander, Beruh., Kant's Lehre vom Erkennen. IV. Capifc. Die transscendentale
Deduktion der Kategorien. (Leipz. Inaug.-Diss.) Budapest. (40 8. 8.)
AvenarillS, Dr. Kich., Philosophie als Denken der Welt gemäss d. Princip d.
kleinsten Kraftmasses. Prolegomena z. ein. Kritik d. reinen Erfahrung.
Habilitationsschrift. Leipzig. Fues's Verl. (XIII, 82 S. gr. 8.) 2.—
[Vgl. Fr. Pauken in d. Ztaehr. f. Vftlkerpsych. X, 104—112.]
Battemfdnb, Dr. Giottbolb, me t>fyilt ftcb in Haute *Heüflion$lc&rc bog tfceorei.
Clement 3. praftifd) ? 3.*. töoftoc! 1875. (60 6. 8.)
Setter, 3ob. ftatl, bie (gMije $tt>. $bifoi. u. eract. ©iffenfeb. SBcrf. 2öetbemann.
(63 S. 8.) 1. — [Vertheid. a. a. Kante Theorie d. Mathem. geg. Hob. Zimmermann.]
Biese, Dr. Reinhold, die Erkenntnis* lehre d. Aristoteles u. Kaut's in Vgleich?.
ihrer Grundprincipien hist.-krit. dargest Berlin. W. Weber. 1877 (76).
(74 S. gr. 8.) l.bO.
Bridel, Philippe, La philosophie de la relig. de Imman. Kant. Etüde pres. a la
Faculte de theol. de reglise libre du canton de Vaud. Lausanne. Imprim.
Georg. Bridel. (222 S. gr. 8.) £*& ** critique philoaoph. 49. and Beurier in
Revue philo», de la France . . . 1R77. No. 2]
Bring, Gustaf, Imm. Kant sasom mctafysiker och religionsfilosof. I. IL Akademisk
afhandling. Lund. (233 S. 8.)
Cantonl, C, i precursori di Kant nella filosofia critica. [La tilosofia della scuole
Italiane. Anno VIII. Vol.. XV. Disp. I. 2.1
Caspari, Otto, die Grundprobleme der Erkenntnissthätigkeit beleucht v. psychol.
u. krit Gesichtspunkte. Als Einleitg. in d. Stud. d. Naturwissenschaften.
I. Bd. Die philosophische Evidenz m. Bücks. auf die krit. Untersuchg. d.
Natur d. lntellects. Berlin. Grieben. (XVIII, 251 S. gr. 8.) [Bibliothek
f. Wissensch. u. Lit 1. Bd. Philos. Abthlg. 1. Bd.] 5.—
Classen, Dr. Aug., Physiologie d. Gesichtssinnes z. erstenmal begründ. auf Kant's
Theorie d. Erfahre. Braunschw. Vieweg u. Sohn. (XIX, 202 S. gr. 8.) 6. —
[Vgl. Ueberhorat in d. GÖtting. gel. Ajii. 1877. No. 26.]
Altpreussische Bibliographie 1876. 677
Dieterich, Dr. Konr., Kant u. Newton. Tübing. Laupp. (XIV, 294 S. gr.8.) 5.60.
UBgi. Sufttfa. «flg. 3tg. 1877. »eil. ju 27. nnb tibm. $flcibem in bct $totcft. Kirnen*
3tg. 1877. Hr. 17.]
Erdmann, Dr. Benno, Martin Enutzen u. seine Zeit. Ein Beitrag z. Gesch. der
Wolfisch. Schale u. insbes. zur Entwickelangsgesch. Kant's. Leipz. Voss.
( K, 148 S. gT. H.) 4.— [Vgl. Paulien in d. Jen. Lit.-Ztg. 1876. Mo. 26. Zeller in
d. Dtach. Rundschau 1876. 10. Hft. llicheüs im Theol. Litblatt 1877. Mo. 1. Schaanchmidt
in d. Philoa. Monatahftn. 13. Bd. 7/8. Hft. Riehl in d. Viertel} ahrsacbrlft f. wtos. Phil.
1. Jahrg. 2. Hft.]
©n 9ta*travi 3u flantS fflerfen. HJrerfc 3abrbü*er. 37. 55b. 2. £ft.
6. 210-214.]
Folohert, Alb., Ueber Kant's Kategorien-Lehre. Gohrau. (10. Jahresbericht d.
höh. Bürgerschule.) (16 S. 4.)
fftieblänber, £., Äant in feiner etcüuna 3. $olitiL [Stfcbe $Runbfd>au. 3. 3a&r<j.
2. 6ft. 9to*. 1876. S. 241—255.]
Göring, Dr. Karl, System d. krit. Philos. I. Tbl Leipzig 1874. Veit & Co.
(Vni, 314 S. gr. 8.) 4.50. II. Thl. 187:». (3 BI., 283 S.) 4.50.
Göring, Dr. Wilh., Baum und Stoff. Ideen zu einer Kritik der Sinne. Berlin.
C Duncker. (XIII, 330 S. gr. 8.) 7.— [Vgl. Liter. Centralblatt 18J7. No. 87.
Jen. Lit. Ztg. Mo. 36. Selbstans. in d. Viertel jschr. f. wiss. Phil. L 9. 8. 318 f.]
Harms, Prof. Dr. Friedr., die Philosophie seit Kant. Berlin. Grieben. (XV,
603 S. gr. 8.) [Bibliothek f. Wissen seh. u. Lit. 8. Bd. Philos. Abthlg.
y. Bd.] 12. tv6l* Bücken in d. Jen. Lit.-Ztg. 1876. Mo. 50.]
Jacobson jun.t Jul., üb. d. Auffindung des Apriori. Bede. Berlin. G. W. F. Müller.
(24 S. gr. 8.) —60.
3oel, Dr. Tl. (S8re$lau), SReltai63*vbilofotob. äettfraaen in jufammbüb. Sluffäfcen
befprotben. SBreelau. Scbletterfcbe 99ud)b. (89 6. ar. 8.) 1.80. [<Snt*tit:
111. ftant u. b. ttelia. 6. 30—86. JV. örcurö üb. Äant 6. 37—55. V. ftant nnb bc«
ftanttancr'f 66)oycnpauet ©teuft. }. b. Blfar. ftettaioBcn. €>. 56—71.}
3fufr, Dr.tf.6., bte goitbübuna. *er ftantifd). 8t|>t! bur* £erbart. ©efrönte $rci$s
fdmft. ©Jena*, ©aemeifter. U »l., 39 6. ar. 8.) —90. [$äbaäOfl.
6tubhn br$«. t>cn Dr. 28üb. SHrin. 5. ßftj »or^er al« 3namv2)tffert.
u. b. £.: 3n roel*. aSbäitnip- ftefct fcerbart'S ©earünbuna ber (Stbif bureb b.
fie&re n. b. »ract. 3*wn $u Äant'8 ©rbleßfl. *. wtcipfr. b. Sitten? ficipjtfl.
Immanuel £ant. 9Mt $ottr. (Orin-3eid?nö. b. & Äolb.) [^Quftr. G&tom! ber
3eit. 3abrg. 1877. oft. 9. Stutta. 6. 178—179. 4°1
Kirchmann, J. H. v., Erlautergn. zu Kant's Kritik d. pract. Vernunft. 2. Aufl.
(68 S. 8.) [Philos. Bibliothek. 26. Hft [8. Bd.] Leipz. Koschny.] —50.
&Uppt, SJeraleidmnfl beä enanflel. 99eu,riff$ b. ©laubenä m. bem be3 sBbtloforf>cn
Äant. iWorbbaufen. [$roflr. b. SRealfcbuIe 1. Orbnß. (S. 3—12. 4°)
Krebs, Lic. theol. Gymn.-L. Alb., Geschichte der Beweise t d. Dasein Gottes v.
Cartesius bis Kant. Jen. phil. Promotionsschrift. Wiesbaden. (Jena.
Deistung.) (21 S. gr. 4.) baar —60. [auch als Gymn.-Progr.]
MtuH, Äarl <orb. &br. an b. SHealf*. 1. Orbn. *u ©o$lat), $om fnnt&et Urt&eü.
ftoftöder 3s3)rflcrt. @o*lar. (24 6. 8.)
Laas, Ernst, Kants Analogien d. Erfahrung. Eine krit Studie üb. d. Grdlagen
d. theoret. Philosophie. Berlin. Weidmann. (VIII, 364 S. gr. 8.) 8.—
[Col. Sieimann'« Rec n. b. £.: „©a^tfere «antrriti!,# in &ia)tc'« 3tf$r. f. $BtL 70. ©b.
2. $ft. €>. 258—268. — C. Sebaanchmidt in d. Jen. Lit.-Ztg. 1877. Mo. 5.1
Lange, Friedr. Alb., Gesch. d. Materialismus u. Krit. seiner Bedeutg. Ind. Ggwart.
Mit d. Portr. cLVerf. nebst Angaben üb. sein Leben. I. Buch. Iserlohn.
Baedeker. (XVIII, 334 S. gr. 8.) 9.— II. Buch. 1877. (XIII, 673 S. gr. 8.)
12.-
Luguet, Henry, Etüde sur la notion d'espace et de temps, d'apres Descartes,
Leibniz et Kant; these pour le doctorat . . . Paris. Durand et Pedone-
Lauriol. \^Rec- *• La Crltique philos. 1877. Mo. 35.]
Mamlani, Terensdo, Compendio e sintesi della propria filosofia, ossia nuovi pro-
legomeni ad ogni presente e futura metafisioa. Libro uno. Torino, tipogr.
Paravia e Compagni. (298 S. 8.) &*c- •• Ntt0TÄ Antoiogia. Mano 1877. p. 704— 7?
Revue philo«. JoiU. 1877. p. 84—102.]
(htermann, Wilh., üb. Kant's Critik d. rational. Theol. L-D. Jena. (Deistung.)
(37 S. gr. 8.) baar —60.
ß78 Mlttheilungeii und Anhang.
Wetbeter, Otto, Aant unb ber StotionaHSmuS. [3m neuen ffleid). SVr. 22. $b. I.
S. 861-73.]
Rehorn, Pfir. Emil, Darstellg. u. Beurthlg. der Ansichten Kant's üb. d. Religions-
unterricht. Jen. I.-D. Wetzlar. (Jena. Deistung.) (56 S. gr. 8.) baar 1. —
Renouvler, dtudes esthe'tiques: le principe de Testhe'tiqne chez Kant, Schiller et
M. Herbert Spencer. [La Critique philos. No. 10.] Les Labyrinthes de
la me*taphysique. — Les an tinomies Eantiennes de Tinfini et de continu,
[Ebd. 82.] un passage de Kant snr le cercle vicieui de la libertä polit
[Ebd. 46j
Miftter, $rof. Dr. Slrtb., Äant als Heftbetifer. Fortran. [3eüf*r. f. $&üof. u.
tfilof. flritit. !R. 3. 69. »b. 1. fcft. 6. 18-43.]
RleM9 Prof. A., der philos. Kriticismns u. seine Bedentg. f. d. posit. Wissensch.
1. Bd. Gesch. n. Methode d. philos. Kriticismns. Leipzig. Engelmann.
(Xu, 447 S. gT. 8.) 9. — [Vgl. Rec. von B. Erdmann in <L Jen. Ltt-Ztg. 1876. No. 47.
Selbansetge: "YiertelJfthrtachT. f. wies. Philo«. I, 319. Rec. v. C. T. Michalik : Ztschr. L
VSlkerpsyeh. u. Sprachwissensch. IX, 434—458.]
Sobenke, Gust., die logisch. Voraussetzungen n. ihre Folgerungen in Kant's Er-
kenntnisalehre. I.-D. Halle. (53 S. gr. 8.)
Swolte, Dr. Leo, Kant's Erkenntnisstheorie v. psychol. Standpuncto aus betracht
Znaim. [Progr. d. k. k. Gymn.] (Pournier & Haberler.) (4t S. gr. 8.) b. —75.
Stadler, Dr. Aug., die Grundsätze d. reinen Erkenntnisstneorie in d. Kantisch.
Philos. Kritische Darstellg. Leipz. Hirzel. (X, 158 S. gr. 8.) 4. —
Steffen, Stob., ÄantS Sefcre nom S>inge an fid>. 3.*$. Seipiu] o. 3. (1876).
(103 6. 8.)
StomMl. Cuno, die Differenz Kant's n. Hegels in Bezug aui die Erklärung der
Antinomien. L-D. Halle. (29 S. gr. 8.)
Thetdor, J., der Unendlichkeitsbe^riff bei Kant und Aristoteles. Eine Vgleichg.
d. Kantisch. Antinomien mit d. Abhandig. d. Aristoteles üb. das anuow.
(Phys. HI, c 4-8.) (Thl. I.) Kgsbg. I.-D. Breslau. (68 8. 8.)
Thiele, Dr. Günther, Kant's intellektuelle Anschauung als Grundbegriff seines
Kriticismus dargest. u. gemessen am kritisch. Begriffe der Identität vom
Wissen und Sein. Halle. Lippert'sche Buchh. (IV, 804 S. gr. 8.) 6.—
[rec ▼. B. Brdmann: Jon. Lit-Ztg. 1877. No. 3.]
Vidieret, E., de antlcldents de la philos. critique. De l'antiquite' jusqu' a Locke.
I— III. [Revue philos. de la France et de l'ltrang. 1876. I. S. 248—66.1
De Condfflac a Kant [Ebd. 167—380.]
Vftlhinger, Hans, Hartmann, Dühring u. Lange. Zur Gesch. d. dtech. Philos. im
XIX. Jahrh. Ein krit. Essay. Iserlohn. Baedecker. (XII, 236 S. gr. 8.) 4.80.
[Rec ▼. O. Caspar! : da« Ausland. 1876. No. 44. t. A. Lasson: Philos. Monatshefte. Xin,
8. S18-431. ▼. Hngo Sommer: GStÜnger gel. Ans. 1877. Mo. 19. t. Jons. Volkelt: Jen.
Lit-Ztg. 1877. Ho. ». VgL auch Lit Centrale!. 1877. No. 27.]
Zur modernen Kantphilologie: »Laas, Kants Analogien der Erfahrung.4
Shilos. Monatshefte. XII, 448—463.]
lim, Fritz Frh. v., Vertheidigung Kants gegen Fries. L-D. Halle.
(80 S. gr. 8.) Berlin. Bud. Gaertner. 1.60.
Wtife, Josef, Kant's Lehre von Baum u. Zeit (Leipziger I.-D.) Budapest o. J.
fl875r1 (26 8. gr. 8.)
Wüte, tfr. Jons. H., Vorstudien z. Erkenntniss des unerfahrbaren Seins. Philos.
Abhdlgn. sneknlat- n. hist-kritisch. Inhalts. 1. Heft: I. Die Aufg. der
Philo«, n. der Werth der Gesch. d. Philos. ü. Die vorkantische neuere
Philos. u. der krit Gesichtspunkt. Bonn. Max Cohen & S. (VIII, 88 8.
gr. 8.) 1.80.
©alomon SJtaimon. 2)ie mertofirbta.. Stfcidfale u. b. n>iffenfä>aftl. fiebeuta.
e. jübif*. Senferf au* b. Äanrifcfcen 6a>ule. »erltn. SKedlenbura. (93 6.
8r. 8.) 1.50.
iur Erkenntusstheorie u. Ethik. Drei philos. Abhdlgn. Ebd. 1877 (76).
(XIV, 126 S. gr. 8.) 2.50.
Karte9 topogr. v. preuss. Staate . . . bearb. in d. topogr. Abth. des König!. Preuss.
Generalstabes. 1:100,000. BerL Schropp. Sect 103. Marienwerder. 83.Stuhm,
122. Kulm. 121. Crone a. d. Brahe. ä nn. 1.—
Altpreussische Bibliographie 1876. 679
Karte des Stadt- u. Landkreis. Danzig i. Reg.-Bez. Danzig. 1 : 100,000. Hrsg. v. d.
kartogr. Abth. d. K. pr. Landesaufnahme. Berlin. (Schropp.) Lith. u. color.
Imp.-Fol. — ... des Kr. Fischhansen ... — ... d. Kr. Goldapp . . . —
. . . d. Kr. Heiligenbeil ... — . . . d. Kr. Insterburg ... — ... d. Kr.
Labiaa ... — . . . d. Kr. Niederung ... — ... Tilsit ... — ä nn. 2. —
Kaslskl, Major a. D., Ber. üb. die im J. 1874 fortgesetzt. Untersnchgn. v. Altthüm.
in d. Umgegd. von Neustettin. [Aus »Schriften d. natnrf. Ges. in Danzig/]
Danzig 1875. (Anhnth.) (19 S. Lex.-S. m. eingedr. Holzschn.) —80.
&at(olit, Der. 6onntan*blatt für b. dmjtl. ©emeinben frcrauSß. n. Pfarrer ©tunert.
5. 3abra. M 1—13. Jtatfbfl. SBraun & ©eher in Comm. 33ierteIiA&rl. 1.60.
Bfftttgef. a. b. S.: gfttttfttttote»
itatttier, ßtroart, bte bnitfebe Sprache in b. $ron. $reu&cn. [$ie ©renjboten. 41.1
Kavier, E., akustische Stadlern am Klavier. 1. Abth. [Aus »Schriften d. natnrf. Ges.
in Danzig*] Danzig 1875. (Anhuth.) (17 S. Lex.-«, m. 1 (lith.) Taf. —60.
KttrzytokJ, Dr. W., o Jablonowskich herbu Prns III. [Przewodnik naukowy i lite-
racki. Novbr.]
KlrchhofT, Prof. Dr. Gast., Vorlesungen über mathem. Physik, Mechanik. Leipzig.
Teubuer. (X, 466 S. gr. 8.) 13.—
— — üb. d. Reflexion n. Brechung d. Lichts an der Grenze krystallinisch. Mittel.
[Aus »Abhdlgn. d. K. Akad. d. Wiss. zu Berlin*»] Berlin. Dümmler's Verl.
in Comm. (28 S. gr. 4.) 1.50.
Klebs. Archiv f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. hrsg. v. Dr. Edwin Klebs, Dr.
B. Nannyn, Dr. 0. Schmiedeberg. Bd. V. VI. Leipzig. Vogel. (IV, 472 8.
m. 4 Taf.; IV, 462 S. gr. 8.) a 15.-
Beiträge z. Ktniss d. pathogenen Schistomyceten. [Archiv f. experim. Pathol.
. . . Bd. V. S. 350 - 77 m. 1 Taf.] Eine Schneidemaschine zur Anfertigung
mikroskop. Präparate, nebst Bemcrkgn. üb. mikrosk. Schneiden. [Ebd. Bd. VI.
S. 205 — 15.] Einige Bemerkgn., betr. d. Publication wissensch. Arbeiten in
der Form von Dissertationen nnd Jonrnalartikeln. [Ebd. S. 279—82.] Ueber
Hydro- nnd Mikro-Anencephalie. [Oesterreich. Jahrb. f. Pädiatrik. N. F.
7. Jahrg. 1. BdJ
Prager medic. Wochenschrift . , . Red.: Prof. Ritter« Prof. Edw. Klebs . . .
1. Jahrg. 52 Nrn. gr. 8. Prag. Dominicas. 12.—
Kleb*, Elim. (ans Braunsberg), De scriptoribns aetatis Sullanae. Diss. inang. hißt.
Berlin. (66 S. 8.)
Äöölet, 8., anbete fiebert, [ffieftermann,$ iOuftr. btfi&e 9Ronat*6efte. XL, 473—78.]
Kdnlg, Dr. Rnd. (in Paris), Ueber den Zusammenklang zweier Töne. [PoggendcrfTs
Annalen d. Physik. Bd. 157. S. 177—237. französ.: Biblioth. nmvers. . . .
Archives des scienc. phm et natnr. Nonv. Pe'r. T. 56. p. 369—373 von E. W.]
Stimmgabel mit ver&nderl. Tone. [Ebd. S. 621—628.]
ASttift, Dr. ftob., Safcim. Gin btfd?eiS gamüienblatt m. Süuftv. br«fi. n. Dr. Stob.
flöntfl. 13. Qabrg. Dct. 1876 bt* Sept. 1877. Setpg. (gjpebit. Siertelj. 1.80.
.ftoniaftberger, $cmmer, Sdjlefter u. 3)eutfoJc, ber aemütbliaV. Gin Jlaienbet auf b.
5}. 1877. SRit 3üuftr. 3um freunbl u. nü&H*. ©ebrauebe f. ^ebermann ton
ß. 8. Stautenberß. [2. S)om.l 3Jlobrunfl. Stoutenbera. (120 6. fir. 16.) —40.
Stbpft, 5Hub., Äaifer Otto ber ©rofie. Soüenbet ». @mft Tümmler. Seipj. Sunder &
fcumbfot. (XUI, 611 6. or. 8.) 14.—
ÄPlbeta, Sofepb, S. J., 3ta* eeuabor. Meifebilber. 9Rit Dielen 3fluftr. tu 3 Zonbilb.
ftretbura i. ®r. Berber. (XVm, 327 6. (00) 4.) 9.—
IMIerg, ©ubrea.. Dr., SBulfftanä 6eeturS f. b. §abrten 0. Sdjleömia nad) Xrufo an
b. »anrnf*. Äüftc d. ijfceufc. im 9. 3a&r&. [»u* „SnnWnb.3eitfa>r.*] »raun*b.
frroe. (80 6. ßr. 8.) 1.—
Äolfmamt, Jtrei*ri*t. Dr. 3of., bte ftefeUfcfeaftL Steife, ber 3uben. Sbbau. ©trjeoet.
(V, 34 6. flr. 8.) —60. 2. Aufl. gbenfo.
Die Königl. Prenasische Staatsanwaltschaft n. die freie Rede. Ebd. (VI, 37 S.
gr. 8.) —75.
Star Obfouet 6acTament**6treit. [3)anj. Ätfl. 9783.1
Koraalewski, Joach., zur Casuistik der congenitalen Sacralgeschwülste. I.-D. Kgsbg.
(Leipz. Kessler.) (29 S. gr. 8.) baar n. 1.20.
680 Mittheilungen und Anhang.
Kofttka (Insterburg), üb. d. Bestimmg. v. syrometr. Functionen d. Wurzeln e. algebr.
Gleich g. durch deren Coefficienten. [Crelle's Journ. f. d. r. u. angew. Mathem.
81. Bd. S. 281 — 289. vgl. Bepertor. d. liter. Arbeit auf d. Gebiete d. rein,
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Krause, Gott], (aus Egsbg.), Beziehen, zwisch. Habsburg n. Burgund bis z. Ausgang
cL Trierer Zusammenkunft i. J. 1473. Götting. I.-D. Graudenz. Druck v.
Gust Röthe. (76 S. 8.)
Ärei$3-©ruen»e(>r. ©en.*Setret. ©., e. SBeitrag jur (Sifenba&ntartfsföeformfraße t?ont
urirttMaftl. ©tantyunfte au«. [Äuä „Sanb* u. forftu). 3tfl. f. b. norböftl. SDtfcWb."]
ÄaSba. Slcab. *8u4b. in (Somm. (3G 6. ar. 8.) -75.
Kreyssia, F., trois siecles de la litterature franc., illustr. par des morceauz choisis
de leurs meilleurs au teure . . . Anthologie franc. destinee ä l'usage des class.
supe'rieures de nos e'coles secondaires. Tome I. 2. öd. Berlin. G. Reimer.
(X, 341 S. gr. 8.) 3.
-feeiter, £einr., SJerfudj ein. Sbeorie b. Romano unb ber CrgftWhmft. SWit ein.
orientirenb. Sorro. n. ft. Itrenffiq. $aberborn. Scb&nuuib. (VII, 224 6. 8.) 2. -
Krieg, Prof. Heinr., Schlüssel zu d. Lehrbuch der Stenograph. CorrespondenzschrifL
Uebertragung d. sammtl. im Lehrbuche enthalt. Aufgaben. Dresden. Dietze.
(35 S. gr. 8. wovon 7 autogr.) — tfO.
Katechismus d. Stenographie. Ein Leitfad. f. Lehrer u. Lernende d. Stenogr.
im Allgemein, u. d. Systems v. Gabelsberger im Besond. Leipzig. Weber.
(VIII, 205 8. 8.) 2.—
Stenograph. Schreibheft m. Vorschriften ... 2. Hft. 3. Aufl. Dresd. Dietze.
(S. 49—112. 8.) —90.
Kries, Aug. de (aus Boggenhausen bei Graudenz), de delictis Universitatam. Dis*.
inaug. Berl. (54 S. 8.)
Ätefta, g., £ilfebu* f. b. Unterriebt in b. ©ef*. an böb. Xöcfeterfcfeul. 1. Xbl 3. »uff.
Äß*b«. Slcab. 93u4b. (V, 103©. ßr.8.) 1.— 3. ZW. 2. ttuH. (Vr 148 6.) 1 —
Ärüger, fcauptlebr. ßari 31., ©efdritfetäbüber f. Soltefcbulen. (Sraäblan. auä b. Sllttb.,
b. bifd). u. branbenbo.'preufe. ©ef*. . . . 2)anjia 1877 (76). ilafemann. (Vm,
84 6. gr. 8. m. (einflebr. $olifön.*) SlbbUban.) cart. —50.
®iblif(be ®efd)icbten, erjflblt nach b. $ert b. fiutberbibel, it. Silber aue b. Hinten:
aefd)i*te für Scbulen. Stonjtrt. ©errlina. (VIII. 142 6. ar. 8.) —55.
Kroeger. Codex Justinianus recogn. Paul. Erueger. Fac. IV. Libri 9 — 11. Berlin.
Weidmann. (S. 801— 960 Lex.-8.) 5.—
Corpus juris civilis. Ed. ster. Fase. VIII. Cod. Justin, üb. VIII— X. Ebd.
(VoL II. S. 321-432.) 1.60.
Kühnel, Lehr. P., Thomas Moore's »Irish Melodies.« [Progr.-Abhdlg.] Gumbinnen.
Sterzel in Comm. (14 S. gr. 4.) 1.20.
KÜ86I, Dr. E. (Gumbinn.), Schiller u. seine Sehnsucht nach d. Natur. [Archiv f. d.
Stud. d. neuer. Sprachen. Bd. 55. S. 91—101.]
Kujat Eronika Pclpliriska. Szkic bibliograficznj napisal Es. E.[ujot] (Odhitka z
»Warty«.) Poznaii. Nakladem »Ws/ty«. (64 S. 8.)
Opactwo Pelpliriskie napisal Esis/lz Eujot. Pelplin 1875. Nakladem autora.
(XI, 496 S. 8. m. 4 Taf.)
Kurtchat, Prof. Dr. Fiiedr., Grammatik der littau. Sprache. Mit e. Karte d.. littau.
Sprachgebiets u. e. Abhandig. üb. littau. Volkspoesie neb6t Musikbeilage von
25 Dainosmelodien. Halle. Buchh. d. Waisenh. (XXIV, 476 S. gr. 8.) 10.—
[rec v. Dr. AI. Brückner (Leipz.) in Archiv f. sIät. Philol. II, 661—68.]
gewann, $farr. Dr., ein »cfu* auf b. Äarlfiein in SB&bmen. 2. IbifL St&bQ. Oftpr.
ata. (15 6. ftr. 8.)
>,Plat
Lehre, rlatonica. (Becensionen.) [Wissenschaft!. Monats-Blatt, herausg. v. Schade.
IV. Jahrg. No. 9. S. 130— 141.]
&ei<6tn'$tebigten %. Sotlefen burefc ben Setter nebft ©ebeten ... von e. i'cmbpaftar.
1. 3*1. 5. *b. u. nm. SufL Sborn 1877 (76). gambeef. (VI, 310 6. (jr. 8.)
2. 2*1. 2. nm. u. nb. Slufl. (VIII, 256 6.) ä 3.—
ßecnborbt (ÄaSbß.), üb. b. ffiafierlcitan. ÄöniaSberöS. OBortraa.) [ÜRittbeüan. au* b.
Simmlan, b. Oftpr. 3naen.* u. ttafcUeften«Serem$ au* b. 3. 1874—76, &$&$.
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Altprenssische Bibliographie 1876. ß81
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Sentit, $rof. Dr. §., 2Ba$ bie 3ranjofen t»on $eutfd)fonb fagen. [ÄaSbfl. Öattftfdpe
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Leyden, E., Gedächtnissrede auf Ludw. Traube . . . Berlin. Hirschwald. (36 S. gr. 8.
m. lith. Portr.) 2. —
Klinik d. Rückenmarks-Krankhtn. 2. Bd. 2. Abth. Mit 12 z. Thl. fcrb. (Uth.)
Tai. Ebd. (VII u. 8. 301—600 gr. 8.) 15.— (cplt. 44.—)
Ueber Hydromyelus u. Syringomyelie. [Virchow's Archiv f. pathoL Anatom.
68. Bd. S. 1—26 m. Tat I.] Zwei Fälle v. acuter Bulbär-Paralyse. [Archiv
f. Psychiatrie etc. VII, 44-61 m. Tal IV. Fig. 2—3.]
Llohtensteln, J., neues prakt. Lehrbuch d. doppelt Buchführung. ... 2. Aufl. . . .
umgearb. v. C. A. Sehers. Kpbg. Akad. Buchh. (VIII, 208 S. gr. 8.) 3.—
Liedtke, Ed., die physiolog. Wirkg. d. Brucin. I.-D. Kgsbg. (Leipz. Kessler.) (62 S.
gr. 8.) 2.60.
ßief, ©uft., geftwünfcbc f. ©dmle u. faul 3»tt Orifl.s9}eitraA. i>. £. 3rif*bier . . .
Sfipj. 31. Jtrüoer. (IV, 92 6. 8.) 1.—
@tn ftefucb b. ScblacbtfelbeS bei Sannciiberg. [ffiie'$ bicr jupebt. kleine Blatt*
u. ßanbjta. f. b. Äret« fiöbau i. SBeffpr. 3. ffabrfl. M 78. 80.]
„eitern jieb. nemcinißl. ibre Jtinber nur fo, bap fie in b. flawärt SBelt gaffen . . ."
tfant. f$er &olf*Ubulfreunb. 40. 3abrfl. M 9.]
Lipeohftz, R., Ge'neralition de la throne du rayon osculateur d'une surface (Eztr. des
Comptes rend. de l'Acad. des sc. de Par.) [Crelle's Journ. f. d. r. u. angew.
Mathem. 81. Bd. S. 295—300.] Beitrag zu d. Theorie d. Krümmung. [Ebd.
S. 230—242. vgL Bepert. d. lit Arbeit auf d. Geb. d. r. u. angew. Mathem.
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Ltoatter, Dr., drei Burgwälle bei Deutsch-Eylau. [Aus »Schriften d. naturf. Qea. in
Danzig.« IV. Bd. 1. Hft.] (7 S. Lex.-8.)
Hygienische Studien üb. Bodenabsorption. [Deutsche Vierteljahrsschr. f. off.
Gesundheitspflege. 8. Bd. S. 569—600.]
Loebell, Rieh, (aus Grünheide b. Insterbg.), Quaestiones de perfecti Homerici forma
et usu. Diss. inaug. Lips. (74 S. 8.)
Beobachten, üb. d. griech. Perfect, beeond. d. homerische. [WissenschaftL
Monats-Blätt. IV. Jahrg. No. 10.]
2©ner, $o[tbtr. Garl (aus Stonjifl), bie flfbeinfcbifffabrt StraMmra* in (ruberer 3«t u.
b. Strafebar. 6dnffleut*3unft. IRacb arebitf. u. anb. CtueU. bearb. Webft e. ehü.
Sibpbla.: ©a« aunftwef. u. b. Stabtufaffa. b. alt. fteiebeftabt 6trafeba. ». (Suft.
Dr. @. Srauttroeui t>. tti'Ue. 6trafcbtj. 1877 (76). Xrübner. (VII, 310 S. ßr. 8.) 5.—
2)a3 Sotenroefen u. b. Anfänge ber s4Jofteinri(btfln. im ©fajj, mebef. in o. frei.
3U>»ftabt Strabbura. fflrcfeto f. $oft u. $dear. 1876. M 7. 8.] SWart. 3eilier.
b.SSerf. be* erft. btfeb. äieifcbudrf. [ßbb. 10.] $ie Seitunaen u. D.$oft. [13. 14.]
$ie SKömerftrafren in @il)a^£otbr. [24.]
London, Ernst Ludw. Paul, quaestiones 4c historia juris familiae, qnod in lege Visi-
gothorum inest. Diss. inaug. Kgsbg. 1875. (Hübner & Matz.) (VIII, 72 S.
gr. 8.) baar 1.20. (Leipz. Kessler.) baar 2.—
Lorenz, Rud., Beiträge z. Kritik der Geschichtsschreibung üb. d. Schmalkald. Krieg.
I.-D. Kgsbg. (Leipz. Kessler.) (68 S. gr. 8.) baar 2.—
LowMiaki (Dt.-Rrone), De emendando loco Horatiano, [carm. I. 13, 16.] [Neue Jahr-
bücher t Philol. 113. Bd. 10. Hft. S. 679.] Zur Kritik des Aeschylos [Sieben
v. Th. 545 ff.] [Ebd. S. 680.]
Ludwioh, A., Friedr. Anton Riglers lezic. Nonuianum. [Ebd. 113. Bd. 1. Hft. S. 29—32.]
Zum Epiker Musaios. [11. Hft S. 751— 767.J
Die häschriftl. Ueblieferg. der Batrachomyomachie. [Wissenschaftl. Monats-
Blätt IV, S. 164—169.]
Staat, Dr. <Dl„ bie feciale ©tclhmfl ber 3uben in 2)tf<bU>. u. b. @urilebe<<g>efefe. Mt
33egua auf bie @d)tift bed iperrn Dr. 3. äoltmann. Sbbau 9B.«$r. @trjecset
(86 S. flr. 8.) 1.—
Aitpr. MoutMObrlfl Bd. XIV. Hft. 7 «. 8« 44
682 Mittheilungen und Anhang.
Mannhardt, Wilh., Wald- u. Feldkulte. 2. Thl. a. u. d. T.: Antike Wald- u. Feld-
kulte aus nordeurop. Ueberlieferg. erläut. Berlin 1877 (76). (XLVI1I, 359 S.
gr. 8.) 10.—
ftlbtia. (52 ©. ar. 8.) [Sammln, aemeinfcftänbl. miRcnfcijaftL SSorträae bräa. fc.
Sird>on> - u. D. äolfcenbortf. 239. £ft. (10. Serie 23. J&eft.) Berlin. öabeLJ
SRaremoroöft, SHea.*Sftatb/ bie Reform b. 3lcrienflefefca,ebfl. Sortraa im faufm. herein
ju flaebß. oeb- 2. Slufl. Jiaeba,. (Sraun & ätteber.) (28 6. ar. 8.) baar —75.
2>ie Sörbera. b. gifcbjucbi. I— HJ. [8anN u. forftro. ijtq. 17. 18. 22.]
3Rafc, 3u!., 3mmcrtellen. ©in Srinncraäfranj f. b. @rab un|r. ßefaU. trüber 1870/71.
flßsba. Eon. (32 6. 16.) —50.
Stafeat, £cinr., ©eoflrapbie ». SBeftaRen u. b. oriedb. $a(binfe(. 3n fcfeulmfifc. $eMj.
nad) e. geidjnenb. ÜKetbobe. 6ovau. ($rcßr. b. ©omn. 6. 3—30. 4.)
3um gpracbunterridjt an ben Sanbnnrtbfciwtefaulen. [2btt>irtWd?aftf. 3abrbü<b.
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Menge, A., preuss. Spinnen. 8. Forts. Mit 5 Taf. [Aus »Schriften d. naturf. Ges.
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Scelet des breitköpngen Finnwalls Pterobalaena latieeps. Mit 4 Taf. [Aas
»Schriften etc.*] Ebd. (29 S. Lex.-8.) l.<>0.
Merguet, H., Lexikon zu den Reden des Cicero m. Angabe sämmtl. Stellen. Bd. I.
Lfg. 2—15. Jena 1873—76. Mauke. (S. 41—600.) a 2».—
Ber. üb. d. von Neuj. 1874 bis Mich. 1875 veröffentl. auf d. latein. Qrammat.
bezügl. Arbeiten. [Jahresber. üb. d. Fortschr. d. class. Altthsw. 2. a. 3. Jahrg.
1, S. 119—162. II, S. 145.]
Ueber d. Einfluss. d. Analogie u. DifFerenzirung auf d. Gestaltung d. Sprach-
formen. Kgsbg. (Nürmberger's Sort.) (16 S. 4.) —75.
Michalski, Ldw. (aus Culm i. Westpr.), Experimentelle Beiträge z. Frage üb. d. Be-
dentg. d. nalbzirkelförm. Kanäle d. Ohrlabyrinths. I.-D. Greifswald. (30 S. 8.)
Michelle, Prof. Dr. Fr., Haeckelogonie. Ein akadem. Protest geg. HäckeFs a,Anthro-
pogenie.* 2. m. e. krit. Abrechng. als Vorwort verseh. Aufl. Bonn. * Neusser.
(106 S. gr. 8.) 3.— die »krit. Abrechnung« apart (34 S.) baar 1.20.
$iec0Wmf, 25L bie „Sieltßion ber (Srienntnifc" u. £err $rof. g. 2Jiia>li$. SBieS*
baben. Simbartb. (40 6. 8.) —35.
9tU4'3ctittttg* Organ f. b. ßcfammte ^oltereimefen einfdjlie&l. 5Bie&bl*ß. SBeßriinbet
». SBenno 2Kartinü . . . brSß. ü. G. $etcrfen. 5.3aferß. 529tat. (a 1— l'ASÖß,
ßr. 4.) Sanjiß. Jfafemann. Ijalbj. 7.50.
3Hitt$etlungen au* b. SBfammlßn. b. oftpr. ^ngemeur* u. Slrdjiteftemäkreinä auä b-
3. 1874 u. 75/76. Äß$ba. (67 6. 4. m. Taf. I— VI in jftol.)
Weiler, $rof. S)ir. Dr. *Rub„ UebunßSftücfe g. Ueberfefc. am* b. SDeutfcb. in§ £atetn. f.
Quarta u. Serrta b. ©omnaf. «krlin. SBeibmann. (VIII, 176 6. ßr. 8.) 1.60.
Mojean, Gymn.-Lehr., Städtische Kriegseinrichtungen im 14. u. 15. Jahrb. Stralsund.
Gymn.-Progr. (23 S. 4.)
Monate-Blätter, wissenschaftl.; hrsg. v. Prof. Dr. Osk. Schade. 4. Jahrg. (12 Nrn. (B.)
gr. 8.) Kgsbg. Härtung. 4.—
Monatsschrift, altpreuss., d. neuen preuss. Prov.-Bl. 4. Folge hrsg. von R. Reicke
u. E. Wiehert. Der Monatsschrift 13., d. Prov.-Bl. 79. Bd. Kgsbg. Beyer.
(II, 700 S. gr. 8.) 9.-
9Sottat$fc$tfft für b. gefammte beutfebe 2Räbcbtnf(bufo>efen . . . Mß. n. Dr. CSdjratb.
3abrfl. 1876. [$er Sierteija&r$f«r. ... 10. 3a&rßJ 12 £fte. Sftorn. fiambed.
(VII, 522 6. ar. 8.) 10.—
Stifter, didt @., $ülf$bü#lem bei b. Unterriebt in b. toaterlänbif*. ©eoßratfne . . .
2. üb. u. »m. 2lufl. OHit 1 (cbromelitb.) ^retötavte b. $ro». \tn qu. 4.) HaSbß.
1877 (76). «Beper. (47 6. ar. 8.) -50.
9titt*erftf bt, 3lr<tt*ft. ©eo. Slbalb. x>., üb. b. ^ünjttef. ber @b(en Öenen t>. SIebura
. . . ÜKaabeburfl 1875. @. »aenfeb jun. (23 6. ar. 8.)
Regesta Archiepiscopatus Magdeburgensis. Sammlfl. t>. SIuSiug* au^ Urrunb.
u. Slnnalift. j. ©efeb. b. ^rgfrtftg u. öerjog^. ättagbebura.. 1. %#. ^te 3. iobe
b. @rabii4 S53ia)mann (1192). ... in ©emeinjefeaft mit ... Dr. (Sb. 3acob$ ...
AHprenssische Bibliographie 1876. 683
Dr. it. Qamde ... Dr. g. ©etefreim . . . u. Dr. $. Cattlet . . . fcerauSß. p.
©eo. Slbalb. t). 9Rü(»trftebt . . . ©bb. (XL 765 6. ar. 8.)
Müfverstedt Siebmacher's gr. o. allgem. Wappenbuch . . . neu hrsg. v. Archiv- R.
v. MOlveretedt . . . Lfg. 135—146. Nürnberg. Bauer & Raspe, a 6.— einz. 7.50.
Mflttrich. Beobachtungs-Ergebnisse der im Kgr. Preuss. u. in d. Reichslanden ein-
gericht forstl.-meteorol. Stationen hrsg. v. Prof. Dr. A. Müttrich. 2. Jahrg.
12 Nrn. (ä XU — 3/4 B. gr. 8.) Berlin. Springer, baar 2. —
Naunyn, Prof. B., Entgegnung an Herrn Dr. Schieferdecker (Rostock). [Virchow's
Archiv ... 68. Bd. S. 633—34.] Nekrolog. Otto Schnitzen. [Archiv f. ezperim.
Pathol. u. Pharmak. V. S. 397—400.]
Steffelmann, $fr. Sic. 9i., bie aua*buraiia>e (Sonfef jion erWitt. ©Sieben, (grifft, herein.
(IV, 206 6. 8.) - 90.
£au& u. sJJrebifltbud). ßbriftl. $rebiflten auf alle Sonn: u. 3efttafle b. 3afre$.
(3n ca. 20 £ftn.) 1—3. £ft. JfaSba. »fab. ®ud)&. (160 6. Qr. 8.) a -50.
Neumann, Carl, das Webersche Gesetz bei Zugrundelegg. d. unitarisch. Anschauungs-
weise. [Aus »Abhandlgn. d. k. sächs. Gesellscn. d. Wiss.*] Leipzig. Hirzel.
(19 S. hoch 4.) 1.—
Mathem. Annafen . . . hrsg. v. Prof. Carl Neumann, 9. u. 10. Bd. & 4 Hfte
gr. 8. Leipzig. Teubner. a 20. —
Ueb. d. stationär, elektrisch. Strömgszustand in e. gekrümmt, leitend. Fläche.
f Mathem. Annalen. X. S. 569—571.] Ueb. d. Anzahl der elektr. Materien.
[PoggendoifTs Annalen. Bd. 159. S. 301—312.] Zwei Sätze üb. correspond.
Flächenelemente. [Berichte Üb. d. Vhdlgn. d. k. sächs. Ges. d. Wiss. z. Leipz.
Mathera.-phys. Cl. 1876. 1. II. S. 253—255.] Ueb. d. Ampere'sche Gesetz.
[Ebd. S. 256—67.]
Neumann, Prof. E. (Kgsbg.), üb. flimmernde Eiterzellen. [Centralblatt f. d. medic.
Wissenschaftn. No. 24.]
Steutnann, $rof. Dr. grbr. ^ul., (SrtraaSfteuern ob. petfönl. Steuern oom (Sinfommen
unb SSermöfleu? @tn ffiort jur Steuerreform. Sreiburfl L SBr. Söaflner. (VII,
130 6. flr. 8.) 2.—
Nordt, Max (aus Kgsbg.), Zur Statistik d. Typhus abdominalis. I.-D. Berl. (36 S. 8.)
JDbenroalb, Kant, Sebr. 2$eob., ©efäiifle f. ©pmnaf., SRealfdwlen u. Seminarien . . .
3 2*le. <S>era. Jtamfc i.Gomm. (VIII, 63; ¥111,92 u. VIIL168S. 8.) baat 3.90.
Ohlert, Dir. Bernh., Laplaces Hypothese üb. d. Entferne, uns. Planetensystems. [Aus
»Schriften d. naturf. Ges. in Danz.'] Danz. 1875. (Anhuth.) (16 S. Lex. -8.) —40.
[8. auch: ®aea. V2. 3abtfl. 7. £ft.]
&(lett, Dr. (Sonr., SBeitrÄfle j. £eroenlefete b. ©rieben. 2. 3)1. Sauban. (©pmn.^roQr.)
(29 6. 4.)
Oppenheim, Dr. H., Planeten-Beobachtungen angestellt am Repsold'schen Meridian-
kreise zu Kgsbg. [Astronom. Nachrichten. No. 2101.]
$aftoralblatt f. b. 2)i5ceie (Srmlanb berauäfl. n. Dr. g. feipler. 8. 3abtö- 12 ÜRrn.
(a iy8 SB. flr. 4.) $raun%. fieipjfl. $eter in <£omm. 3 —
Paukstadt, Kud. (aus Goldap), de Martiale Catulli imitatore. I.-D. Halle. (36 S. 8.)
Pfitzer, E., üb. d. Geschwindigk. der Wasserbewegg. in d. Pflanze. [Botan. Ztg. 5.J
Pfuhl, Ed. (aus Berszienen), üb. d. zur Zeit übL Methoden d. Wundbehdlg. I.-D.
Berlin. (32 S. 8.)
«Pierfon. Stauet'«, @b., ©ef*. b. btf*. SolteS, bearb. u. fortflef. 0. $tof. Dr. SDiüiam
Sierfon. 6. ber. Stuft $tacbta*gß. 2 $be. »erlin. $aeteL 1877 (76). (HI,
404 u. 472 S. £ep8.) 9.— aeb. 12.—
Plan, neuester, u. Wegweiser v. Königsberg. 2. Aufl. Kgsbg. Akad. Buchh. Lith.
Imp.-Fol. Mit Text. (4 S. 8.) baar —75.
$oty'd 3ui., iliuitr. £au&Äalenber f. b. totboL 33olf ... 21. 3afrfl. fieipjifl. $eter.
tXXXlI, 111 6.) —50.
$reftmg, 6em.»2)tt. SB., meine ©ebanten üb. b. beib. tmdjtiflft. 3ö>dfl* b. fteliovllnterr.
in b. SSoItSfdmle . . 2Roer$. Spaarmann. (32 6. flr. 8.) —50.
*reu§. 2>ir. 21. &, u. Oberl. 3. 21. Leiter, >4Sreu6ifcbet Ätnberfreunb . . . 214.— 217.
(101.-104. ber.) 2lufl. rtßSbfl. 8011. —80.
breiige u. ©eutfcbe, ber rebl. (Sin Üalenb. f. b. 3. 1877 beatb. . . . », 6. 8. Slautenberfl.
[£. IBom.] 46. 3abrfl. Wo^runfl. IHautenbetfl. Sluäfl. 1-3. 1 M., 80 u. 50 f.
44*
684 Mittheilungen und Anhang-,
Preussen, Polen, Littauen etc.
Akta grodzkie i ziemskic z czasöw Bzeczypospolitej polskiej Tom VI. (hrsg. y.
X. Liske.) We Lwowie. (VI, Ü02 S. gr. 4.)
Acta Tomiciana. Tomas IX. Epistolarum, Legationaro, ßesponsorum, Aetionam
et Herum gestarum Serenissimi Principis Sigismundi Primi . . . per StanisL
Gorski ... A. D. MDXXVII. Editio altera. Posnaniae. Sumptious Biblio-
thecae Kornicensis. (V, 362 S. Fol.) 18.— I— IX.: 157.50. [Die erste Ausg.,
bereits 1863 fortig gedruckt, kam nicht in den Buchhandel, s. X. L.(iske) Histor. Ztschr
N. F. II, 533—536.]
Archiv f. slavische Philologie. Unter Mitwirkung v. A. Leskien u. W. Nchring
hrsg. v. V. Jagic. 1. Bd. Berlin. Weidmann. (VIII, 644 S. gr. 8.) 16 —
Besma&ki, Jos., Notatki do dziejow i historyi ostasnich 98 lat Rzpltej polskiej.
Thorn. (VIII, 542 S. 8.) Cef. Poiybibiion xvm, 472.1 ,
Blhlioteca Ordynacyi Krasiriskich: Muzeum Koustantego Swidzinskiego. War-
schau 1875 u. 76. Bd. I. 193 S. Bd. iL 421 S. 4.
Bobrzynski, Mich., Historia prawa niemieckiego w zarysie wraz z historya tego
prawa w Polsce. 1. Lfg. Krakau. (184 u. LXXiX S. £.)
Briefe u. Urkunden zur Gesch. Livlands in d. J. 1558 — 1562 . . . hrsg. v. Frdr
Bienemann. Bd.V. 156!. 62. Nehst Nachtrag. Riga. Kymmel. (L, 539 S^
gr. 8.) 13*50. (1—5: 45. — ) [s. Rec. v. W. v. B. Augsb. Allg. Z. 1876. 223 (Beil.)]
Brock. Jul., de contro versus, quae post pacem Thorunensem seeundam inter
Casimirum IV., reg. Polon., et terras Prussiae exortae sunt. Diss. inaug.
Bresl. 1871. (Aderholz.) (47 S. gr. 8.) baar —75. [im Buchhdi. seit Jan. i«76j
Chlendowski, Kasim., Krolowa Bona; obrazy czasa i luazi. 2 Bde. Warschau.
Gehethner & Wolff. (207 u. 240 S. 8.)
Chylläskl, M., Hugo Koftajaj w obec Targowicy. Lemberg 1875. (.^2 S. 8.)
Codex diplomaticus Monasterii Tynecensis. Kodeks dyplomatyczny klasztoru
Tynieckiego. Z polecenia i nakladem zakladu narodowego imienia Ossolins-
kich wydali Dr. Wojciech K^trzyAski i Dr. Stanislaw Smolka. We Lwowie.
1875. [auf d. Umschlag: 1876.] (XL1, 183, XXIX u. S. 185-561, LXX S. u.
3 Bl. Lex -8.)
Denkmäler, niederdeutsche, hrsg. vom Verein f. niederdeutsche Sprachforschung.
1. Bd. Bremen. Kühtmann & Co. Inh.: Das Seebuch. Von Karl Kopp-
mann. Mit e. nautisch. Einleitung v. Arth. Breusing. Mit Glossar von
Christoph Walther. (LII1, 130 S. gr. 8.) 4.—
Diugofz, Joannis, Senioris Canonici Cracoviensis opera omnia. Cura Alex.
Przezdziecki edita Tom. X— -XII. [a. u. d. Tit.:] Joannis Dhgossii seu
Longini Canonici Cracoviensis historiae Polonicae libri XII. Ad veterri-
morum libror. msc. . fidem recensuit, variis lectionibus annotationibusque
instruiit Ignatius Zegota Pauli, cura et impensis Alexandri Przezdziecki.
Tom. I. Libri I— IV. Cracoviae 1873. (3 BL, XII, 565 S. 4.) Tom. IL
Libri V— VIII. 1873. (2 Bl., 545 S.) Tom. III. Libri IX. X. 1876.
(2 EL, 595 S.)
flMatM, 3ul., fiinlanb im 18. 3abr&unb. Umrifie ju e. Itolänb. ©ef*. 1. 8b.
bis g. $. 1766. Seipgiö. iBrodbauS. (XVI, 595 6. ur. 8.) 10.—
Ergebnisse, Die vorläufigen, der Volkszahlg. v. 1. Dec. 1875 im Egr. Preussen.
[Ztschr. d. k. Preuss. stat. Bur. XVI. Jahrg. Hft. I. IL Besond. Beil.
(HO S. gr. 4.)]
Ergebnisse d. Beobachtgsstationen an d. dtseh. Küsten Üb. d. phvsikal. Eigen-
schaften d. Ostsee u. Nordsee u. d. Fischerei. Veröfftl. v. d. Ministerial-
Kommission z. Untersuchg. d. dtsch. Meere in Kiel. Jahrg. 1875 u. 76.
ä 12 fiftc qu.-Fol. Berlin. Wiegand, Hempel & Parey. baar ä Jahrg. 12.—
Fontes rerum Bohemicarum. Tom. IL Cosmae chronicon Boemorum cum con-
tinuatoribus. Fase IV— VI. Frag 1876. Gregr k Dattel. (S. 295—570
gr. 4.) 9.60.
Gedeonow, S., die Wariagen u. d. Land der Russen. Geschieht]. Untersuchung.
2 Thle. St. Petersbg. (in russ. Spr.) (CXVI, 569 S. 8.) 30.—
deschlchtsblätter, Hansische, hrsg. v. Verein f. Hansische Gesch. V. Jahrg. 1875.
Leipz. Doncker & Humblot. (266 u, XXXIV S. gr. 8.) 6.80.
Altprenssiscbe Bibliographie 1876. 6g5
©melin, Uvfuubenbucb bet S)eutfcborb*n$s<5ommenbe Beilagen. [3tftb*- f* b.®efc&.
beä OberrbdnS. 28. <8b. 6. 78—127. 376-384. 6. 385—438. 29. SBb.
6. 163—256.]
Griinhagen, C, Wegweiser durch d. schles. Geschichtsquellen bis zum J. 1559.
Namens d. Yeins f. Gesch. u. Altth. Schles. hrsg. Bresl. Jos. Max & Co.
(IV, 40 S. gr. 8.) —60.
Hanserecesae. 2. Äbth. hrsg. v. Verein f. hansische Gesch. 1. Bd. a. n. d. T.:
Hanserecessse v. 1431—1476. Bearb. v. Goswin Frhr. v. d. Ropp. 1. Bd.
Leipzig. Duncker & Humblot. (XXIV, 595 S. hoch 4.) 18.— (I, 1—3 n.
II, 1: 58.—)
Has&encamp, Dr. B., üb. d. Zosammenhg. des lettoslav. o. germ. Sprachstammes.
[Preisschriiten gekrönt u. hrsg. v. d. furstl. Jablonowskfscnen Gesellsch.
zu Leipz. XX.1 Leipzig. Hirzel. (64 S. Lex.-8.) 3. —
Hefte, livländ.-deutsche. Der Dörptsch. Ztg. 88. Jahrg. unt. verantw. Bedact.
von W. H. Chr. Gläser in Lübeck. Lübeck. W. Glaser. 1. u. 2. Stück.
(132 S.) ä 1.—
Hirschberg, Dr. Aler.r o zyciu i pißmach Justa Ludwika Decyusza. Lembg. 1874.
Selbstverl. (II, 132 S. 8.)
Hube, R.. Prawo polskie w wieku XIII. Warschau 1870. (XV, 271 S. 8.)
Statuta Nieszawskie z r. 1454. Warschau 1875. (54 S. 8.)
Statut wartski Wladysiawa Jagieüy. [Warschauer Biblioth. 1874. Bd. II.
S. 438—445.]
Roty przysiajj Krakowskich z koiica w. XIV. Warschau 1876. (28 S. 8.)
Jahrbuch d. Vereins f. niederdeutsche Sprachforschung. Jahrg. 1875. Bremen.
Kühtmann. (2 Bl., 131 S. gr. 8.)
Kae8tner, Geo., das refundirte Bisthum Reval. Untsuchgn. z. Gesch. v. Harrien
u. Wirland im 13.Jahrh. I.-D. Götting. Peppmüller. (80 S. gr.8.) 1.80.
Karlowlcz. 0 jezyku litewskim napisal Dr. Jan Karlowicz. (In d. Äbhdlgn. u.
Sitzgsbor. d.philol. Cl. d. Krakauer Akad. d. W. Bd. II. 1875. 8. 135—376.)
Leeder, Lehr. E., Wandkarte d. Prov. Preussen. Für den Schulpebrauch. 6 Bl.
Chromolith. Imp.-Fol. Essen. Baedeker. 4. — auf Leinw. in Mappe 10.50.
m. ßollstäb. 12. —
Leopold. Van de Scheide tot de Weichsel. Nederduitsche dialecten in dicht en
ondicht, uitgekozen en opgehelderd door Job. A. Leopold en L. Leopold.
1. Aufl. Groningen, tyj J. B. Wolters.
Leakien, Prof. A., die Declination im Slavisch- Litauisch, u. Germanisch. (XXIX,
158 S. hoch 4.) [Preisschriften gekrönt u. hrsg. v. d. fürst. Jablonowski-
schen Ges. z. Leipz. XIX.] Leipz. Hirzel. 5. —
Lleke, X., Cudzoziemcy w Polsce. Lemberg. (II, 341 S. gr. 8.)
fiitcraturberidjt üb. 6d)riUen b. ttrafaner Slfab. [fciftor. 3tf4r. 18. 3a&rfl.
3. fcft. 25b 36. 6 259—266.] 3)e$fll. üb. 6*riftcn j. poln. ®ef*. a. b.
3. 1873 ff. [Gbb. 6. 266— i77.]
Lukaszewicz, J., Krötki historyczno-statystyczny opis miast i wsi w dzisiejszyra
powiecie Krotoszyriskim od najdawniejszych czasöw ai po r. 1794. $ofen
1875. (XXXII, 2»i3 S. 8.)
Maciejowski, w. A., Historya wlos'cian . . . w Polsce od czasöw najdawniejszych
az do grugiej polowy XIX w. Warschau 1874. (469 S. 8.)
Matuazewicz. Pamietniki Marcina Matuszewicza, Easztelana brzeskiego-litewskiego
1714—1765 wydal A. Pawiriaki. Warschau. (Bd. I. XL, 267 S. Bd. H.
317 S. Bd. IU. 220 S. Bd. IV. 318 u. XXXVI S. 8.)
Mer Baltique. Cöte de Prusse. De Memel a Darserort. Public par le Service des
instructious . . . Paris. Challamel alne. (XII, 77 p. 8 et 3 pl.) 2 fr. 50 c.
Mickiewioz, Adam, Vie de saint Adalbert, apötre du Nord et patron de la Po-
logne. Paris. Libr. du Luxembourg. (16 p. 8.)
Mleroslawski, L., Historya powstania narodu polkskiego, w 1830 i 1831 roku.
T. VII. Ebd. (820 S. 8.) 10 fr.
Mttthellungen aus d. Gebiete d. Gesch. Liv-, Est- u. Kurlands, hrsg. v. d. Ges.
f. Gesch. u. Altthskde d. Ostsee-Provinz. Busslds. 12. Bd. 2. Hft Riga.
Kymmel. (S. 221-396 gr. 8.) (ä) n. 3.—
Hittbeihmgen und Anhang.
.. ... ii aevi historica res geatas Poloniae illnstrantia. Tom. III. continet:
Codice m diplomaticnm Poloniae Minoris 1178— 1386 (ed. Pr. Piekoairiski).
Cracoviae. |XIV, 552 S. gr. 8.)
■pleraky, J. G. L., die Quellen des Eibischen Stadtrecht« bis I. J. 1673 hrsg.
Mit 2 Schriftproben. Biga. J. Deubner. (CXXXIV, 348 8. gr. ü.) 10.10.
Itto, Sari, bie gamilie fialdflcm. ©ridjidrtl. Srauerfpid in 5 Slufjünen. «erlin.
©ebiirib« & So. (155 6. 8.) 2.40.
lots du seigneur de Sarvantikar avec les Chevaliers de l'ordre Tentonique.
Document armc'nien de l'an 1271. Tratluction et uotes. Venisa in -8.
Imyrimerie arrae'nieiine da Saint-Lazare. 1873. [An«ige », h, l. in: Bibiioth.
d( l'dcolo des cbvttl. XXXV II, M7 f.]
amletnlk zakonu WW. 00. Bernardynöw w Polsecze ulozyl ks. Sadoc Barac*.
Lemberg 1874. (Selbatverl.)
erwolf, J., die Germanisation der baltisch. Klaren, (mssiich.) St. Petersburg.
(2(50 S. 8.) 9. -
rawa polskie Kazimierza Wilkiogo i Wladyslawa Jagielly. (Lois polon. de Ca-
simir le Grand et de Ladisl. Jagelion ; tradoites en polon. par Swientoslaw
deWocieszyn en 1449; re-impreasion homographique de A. Pilinski. Edit
de la bibiioth. de Komik.) In fol., 40 p. avec gravurea coloriees. '25 fr.
[er. PulybiWioo XXI, 9}.]
raohntks, A., Dhigosz o Elxbiecie traeciej zonie JagieHy. Lemberr. (65 S. 8.)
»feiten mr schlesisch. Gescb. Namens d. Vereius f. Gesch. u. Altth. Schles.
hrsg. t. Dr. C. Grtmhagen. 3. Ana. 1. Lfg. Breslau. Hai & Co. (2 Bl.,
60 S. gr. 4.) 2.—
eglsirtnde der geogr.-stat. Abth. d. gross. Generalstabea. 6. Jahrg. . . . Beil.
' Mittler & Sohn. (XIV, 384 S. gr. 8-) a—
elmohronlk, Livländische, mit Anmerkgn., Naitiensverzeichmas n. Glossar hrsg.
v. Leo Meyer. Paderborn. Schttningb. (ä BL, 418 S. gr. 8.) 8.—
enner's Job-, livland. Historien hrsg. t. Rieh. Hausmann u. Sonst. Hflblbaum.
Göttingen. Vandanhoeck & Ruprecht. (XXXV, 427 S. gr. 8.) 9.-
6mr, Caaim., de Jodoci Ludovici Decü vita scriptisqne. Dias, inang. Breslau
1874. (52 S. 8.)
opp, G. Frhr. v. ä., zur deutsch- skandinavisch, Geschichte des 15. Jahrhnnd.
Leipz. Duncker & Homblot, (IV, 187 S. gr. 8.) 4.—
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chlemann, Dr. Theod., die Regimentsformel u. die kurland. Statuten v. 1617.
Nach d. Orig. hrsg. u. m. Einlcifcg. verseh. Mitau. Behre. (XVIII, 38 S.
gr. 8.) 1.6>r.
crlptores rerum Polonicarum. Tom. III. Stephani Francisci Hedeksia coramen-
tarium rerum ab anno 1654 ad a. 1H68 in I.ithuania gestarum edid.
WI. Seredynski. Cracoviae 1875. (XXV, 636 S. gr. 8.)
Itzwig »berichte d. Gesellsch. f. Gesch. u. Alttbakdc. der Ostseeprovinzen Russ-
landa ans d. J. 1875. Riga. (Kymmel.l 101 S. gr. 8.) 1.—
Hbunasbetidjie Der iielebrl. ettiiii*. (Sef. ju Hurpat. 1875. Eorpat. ®rtr. bei
6. Sloffiefen. (183 6. 8.)
Itzunps-Berichte der Kurland. Ges. f. Literatur u. Kunst aus d. J. 1875. Riga.
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prawozdanle z czynnos'ci zakladn uarodowego imienia Ossoiiriskisch za rok 1875.
Lemberg. (221 S. 8.)
tstut wialieki w polskim pzzckladzie iTraduction polonaise dn atatut de Wislitu,
Eubl. en 1460; reimpression homographiqne de A. Pilinski. Edition de
i bibiioth. de Komik.) In -4. VI, 34 p. 13 fr. fei. poijMbi xsi. ss.]
nyskl, Jos., Roztrzasania i spowiadania historycxne. Krakau. (405 S. 8.)
Dzieje Polski od abdykacyi Jana Kazimierza do trweiego pudzialu. Lem-
berg. Wild. (XI, 752 S. gr. 8.) 8 fr.
urkawsM, M. A., Spicimir herba Lebiwa, kaaztelan Krakowsti. Ebd. (II, 48 S. 8.)
- — Spytko z Mebiztyna, wrrjewoda Krakowski. Ebd. (77 S. 8.)
Altpreussische Bibliographie 1876. 687
UHcundenbuch, Bremisches. Im Auftrage d. Senats d. freien Hansestadt Bremen
hrsg. v. Dr. K. Ehmck u. W. v. Bippen. Bd. IL 4. (Schl.-)Lfg. Bremen.
C. Ed. Müller. (XV, S. 627—707.)
Urkundenbuch, Hansisches, hrsg. v. Verein f. Hansische Gesch. Bd. I. Bearb. v.
Konstant. Höhlbaum. Halle. Buchh. d. Waisenh. (XVfll, 524 S. 4.) 15 —
Urkunden-Buch der Stadt Lübeck; hrsg. v. d. Verein f. Lübeckische Gesch. u.
Altthskde. V. Thl. Lfg.ö— 8. Lübeck. Grautoff. (S. 321—640. 4.) a 3.—
»erfcanblitbgen oer ariebrt. @}tniid). ©ef. ^u $oröat. 8. 33b. 3. oft. Wit 3 Mfr. $af.
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Walewski, A., Dzieje Bezkrolewia po skonie Jana 111. Krakau 1874. (Bd. L:
XLIV, 375 u. XXXII S. 8.)
Filozofia dziejöw polskich i metoda ich badania. Krakau 1875. (LXXV.
429 u. XVI S. 8.)
Walewski, Cypryan, Marcin Kromer. Warschau 1874. Selbstverl. (162, 22 u.
14 S. 8.)
Weyl, Adph., die Paul Henckel'sche Sammig. Brandenburg-Preuss. Münzen und
Medaillen. Mit 4 (lith.) Taf. Berlin. (Stargardt.) (VII, 287, 140 n. 104 S.
gr. 8.) baar n. 5.—
Wiedemann, Dr. F. J., aus d. inneren u. äusseren Leben der Ehstcn. St. Peters-
burg. (Leipz. Voss.) (VII, 495 S. er. 8.) 6.30.
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Zaleakl, Bronislaw, z zycia Litwinski 1827—1874 z listöw i notatek zlozyi.
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Zyohlinski (Theod.) Zywot Tadeusza Kosciuszki. Posen. Leitgeber. (95 S. 8.)
^totofotte üb. b. Si&ö. o. ätoultaöraft* o. Oftpr. lanbm. (kntralncreine (t>. 3. ftebr.
bisJ 21. 3)ec. 1876.) tfa*ba. SaltoiüÄfi. (19, 13, 14, 11 u. 49 6. 4.)
$ro»e, 2)ir. Dr. 2lb., 3otm Dfaiuatomie SBroron, ber 9ießerbeilaub. [geftfebr. *. elften
«Bätularfeier b. SBerein. €-taut. p. DbSlmetifa. SBraimfdtfD. SBracfe jun. (148 S.
ar. 8.) 2.—
Seb. u. £ob in Sonftantinopel. [$a* neue ffllatt. 1876. M 42. 43.] SBanberan.
u. aöanbelan. in b. 6übbonau(änb. [45. 46.] galten u. (geballten in b. 6üb*
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Protz, Dr. Hans, Quellen beitrage z. Geschichte d. Kreuzzüge hrsg. Hft. 1. Danzig.
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Przoewoski, Bomuald (aus Wygoda i. Westpr.), üb. d. Einfluss des iuducirt. u. con-
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9tobau, !K., bie Sebre wrni 6d)all. (Senieinfa&L Starfteüimfl ber SUuftit. 2. «ufL
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$oltebtbliotfcef. ob. I.] 3.—
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vatoires meteorologiques du Puy-de-Dome du Pic-du-Midi de Bigorre. Paris.
Gauthier- Villars. (71 S. 8.)
La Constitution physique da soieil d'apres de rezentes recherches. [Revue des
deux mondes 15. mai 1876.] La produetion houilliere. [Ebd. 15. oct.] La
fabrication de la biere. [Ebd. 15. novbr.]
ttttbomSft, &br. $., 9tat(mebei f. ©Item u. SKabnruf an fiebrer, Steift!., SBebörben u.
aüc üftenjcbenjreunbe, betreff, b. Xaubftummen. 3. Stufl. SRarienburg. £empel
in 6omm. (44 6. 8.) 40. ..
$Heh\nonebü<blein . . . gunäcbft f. fatbol. Xaubftumme. 2flarienbfl. SBrettfcfeneiber
in (Somm. (64 6. 16.) —40.
®ebetbü<bldn junaebft für iatbol. Saubftumme. (Sbb. (32 S. 16.) -40.
Radtke, Adf., Reductions-Tabello d. Getreide- u. Waarcn-Preise im dtsch.-russ. Verkehr.
[Cours 250— J00.] 2. Aufl. Kbg. Braun & Weber in Comm. (19 S. 8.) baar 1.—
Rausohnlng, Otto (aus Taukitten bei Kbg), de latinitate L. Annaei Senecae philosophi.
Diss. philol. Jenensis. Regimonti Pr. (Jena. Leistung.) (74 S. gr. 8.) 1. —
9tei$enau, Stob» bie Altern fiepte Silber avß unf. mer äöänben. Seivj. (Bruno».
(VI, fe8 6. at. 16.) cart. 3.— ßeb. 4.—
ggg Mittheilungen und Anhang.
ftetitftf, Hob., 8WSe«©uo$ f. Heine u. ßro&e Äinber, ae^eicfcn. ü. 3)re8bn. ffflnftlern.
9Rit örgäbla. u. fiiebern, u. 6tnötueif. r>. fterb. fctller. 4. Slufl. (?ra*t*3lu$ä.)
Seüpaia. 21. Dürr. (158 6. 4. m. 27 äoljfdmtaf.) ßeb. 6.—
Rebe-Karte d. Prov. Preussen, enth. sammtl. Post-Anstalt, nebst all. Post- n. Eisenb.-
Vbdgn., sowie Angabe d. Entfernungen zwisch. d. einz. Station. In Kilometern.
Nach amtl. Quell. 4. u. 5r Aufl. Imp.-Fol. Lith. Kbg. Braun k Weber. —60.
Riehelot L. Koenlgaberger, Referate aus d. hinterlassenen Papieren v. F. Riehelot.
[Repertor. d. liter. Arbeit, auf d. Gebiete d. rein. u. angew. Mathem. I. Bd.
S. 191-200.1
9H<$ter, SBeter.*2lflefior, 3)e*.«Sbierargt Dr., ber ganbtmrrt als Xbierarjt . . . ?fg. 3.
Berlin. SBiepanM, feemnel & $arep. (6. 145—208.) 1.—
Rrtthaitsen, H., üb. Vicin. Bestandtheil der Samen von Vicia sativa. [Berichte der
dtsch. ehem. Ges. zu Berlin. 9. Jahrg. No. 4. S. 301—304.]
ttoenett, ftict, Xbeopban Seontotoitf*, 9lbt b. Äloftcrö ber re<&t;\läubia. ©afilianer tri
SBüna. [epbel'ö biftor. 3tf*r. XXXV. ©b. I. fcft. 6. 64-87.1
Ruppel. 7ter Jahresber. d. grossherzogl. badisch, meteorol. Centralstat Carlsruhe f.
d. 1875 bearb. v. Ose. Kuppel. Carlsrohe. Braun. 1.50.
Salkowski, Prof. Dr. EM üb. d. Quelle d. Indicans im Harn der Fleischfresser. [Be-
richte d. dtsch. ehem. Ges. zu Berlin. 9. Jahrg. 8. 138—140.] Ueb. d. Ver-
halt, schwefelhaltiger Substanzen im Thierkörp., Abhängigk. d. Wirkg. v. d.
Constitution. TS. 140—141.] Ueber die Bildung des Indols im Thierkorper.
('S. 408—409.] ßildg. v. AUantoin ans Harnsäure im TbierkOrper. [S. 719-21.]
Ueb. Wirkg. u. Verhalt, einiger schwefelhaltig, organ. Verbdgn. im thier. Or-
ganismus. 1. Thl. [Virchow's Archiv f. path. Anat 66. Bd. 3. Hft. S. 315—29.]
Kleinere Mittheilunyen phjsiol-cbem. Inhalts. (III.) [Ebd. 68. Bd. 3. Hft
S. 399—412. Pbysiol. Chemie. [Jahresber. üb. d. Leistungn. u. Fortschr. in
d. ges. Med. Ber. f. d. J. 1875. l.Bd. l.Abth. S. 178-242.] Phenolbildende
Substanz im Harn bei Heus. (Vorlauf. Mitthlg.) [Centralblatt t d. med. Wiss.
No. 46.]
Salkowski, H., üb. e. Doppelsalz der Benzoesäure u. Paranitrobenzoesäure. [Berichte
d. dtsch. ehem. Ges. zu Berlin. 9. Jahrg. S. 24—26.]
$anttttlttttß werftimm. SKorflenlieber f. ©nmnaf. u. böb. fiebranftalt 6. tlufL ©raun**
bera 1877 (76). feune. (16 6. ßr. 8.) nn. —30.
Samter, Hbolnb, ®efe(ifd>aftl. w. $rbat»6igentbum als ©tunbfoße ber Socialpolitit
geipj. 1877. (76). Stander & {mmblot. (XIV, 204 6. «r. 8.) 4.80.
Samuel. Prof. Dr. S., üb. d. Entstehg. d. Eigenwärme u. d. Fiebers. Experimental-
Untsuchg. Lpz. Vogel. (138 S. gr. 8.) 3.—
SchlefTerdecker, Dr. Paul, üb. Regeneration, Degeneration u. Architectur d. Bücken-
markes. [Virchow's Archiv ... 67. Bd. 4. Hft. S. 542—614 m. Taf. XXI
bis XXIIl.j Auch als Rostocker Habilitationsschrift. Berlin. (76 S. gr. 8.)
®dMettiQUn, $., neues Sebrbud) ber einfad), u. boppelt. Italien, iöudrfübrunfl . . . 2. &
Äuabß. 1877 (76). «Bener. (VI, 172 6. ßr. 8.) baar nn. 3.—
C4inma$er. Briefe u. Suten ju b. ©efd?. b. Melißionäßefpracbe* m Warbura 1529
ii. b. SRcicfo&taßeS au Slußäburg 1530, nacb b. £bfd?r. b. 3ob. »urifaber nebft b.
SBeridjten b. ©efbten ?hrantf. a. 3Ä. u. b. SKeßeft. j. ©efd>. rief. SReicbStae.. brSß.
t>. $rof. 5rbr. SBtlb. edirrmacber. ©otba. ^entee. (XIII, 5756. ßr.8.) 12.—
SehMid. Sammlung Shakespeafe'scher Stücke. Für Sohulen herausg. v. E. Schmid.
7—9. Bdch. Danzig. Saunier. 7. King John. (79 S. gr. 8.) 8. Romeo and
Juliet (96 S.) 9. Twelfthnight; or, what you will. (80 S.)
<3djmibt. SRcere1«, £bwn., SaUa Stotb. $euifd) ton Dr. Hier. 6cbniibt. 2. «uff.
»erlin. Werfer. (298 6. ar. 16.) 3.60. geb. m. Gtolbfdm. 4.60.
Ädjmibr, Julian, ^einrieb u. Dfterbinßen t?on Renalis ßriebiub t>. ftarocnberal. 3)Ut
©nleiftf. u. »ntnerfßn. braß. t>. Julian 6d?mibt. Jeipaiß. »todbau«. (XXIV,
144 8. 8.) [IBibüotbel b. btf*. »ationaüiterarur b. 18. u. 19. 3febr&. 38. »b.
l.2(>. ßeb. 2.—
©uWon'd SRüdbltde auf fein geben. Flteufe. 3abrbü*. 37. SJb. S. 127—132.]
^eti} über neue 3(u3aaben ©oetbed. [6bb. 6. 327—333.] Serb. ^reUidratb.
6. 408—416.] SRoti* üb. 6u»ban'g tritifdje ©efaramtau*a. fierber«. [6. 566—68.]
ßeinr. t>. üleift. [6. 593—607.] Hu« unf. mer Sßünben. [6bb. 38. 93b, 2. «oft.
AHpreustische Bibliographie 1876. 689
6. 202-208.] ©rtefoedrfel jtoif*. 6d>Wer u. Gotta. [6. 230-235.] 3K*arb
Söaaner. [4. oft. 6. 414-435.] 3<*. fcetnr. ©o&. [6. oft. 6. 628—649.1
Sbacferan. pBeftermann'S tüuftr. btfcbe 5Ronat*befte. SRftn. ©b.39. 6. 578-91.]
Sorb ©nron in friftor. ©eleu*tunfl. [<Sbb. 3uli. ©b.39. 6.357-379.] fiubmta
geuerba*. [<Sbb. 9lon.] ©eorfle Sanb. [3>eutfcbe IRunbfAau, 3. 3abrß. 2. £ft
Üftott. 6. 203—225.] ©ertbolb 2luerba* unb fein ©odaborator. [HuflSbß. Mq.
$t$. ©eil. ju M 28.] 2C.
Sohnaase, Dr. Carl, Gesch. d. bildend. Künste. 8. Bd. 1. Abth. hrsg. v. W. Lübke,
unter Mitwirkg. v. 0. Eisenmann. Mit zahlreich, in d. Text gedr. Holzschn.
Düsseldorf. Buddeus. (268 8. gr. 8.) 9.— (I— VIII. 1.: 93.—)
ScMnborn, Erankhtn. d. Beweggsappar., Orthopädie, Gymnastik. [Jahresber. üb. d.
Leistgn. n. Fortsein, in d. ges. Med. X. Jahrg. Bd. II. 8. 366 — 411.]
Schopenhauer. Arth., Essai sur le libre arbitre, tradnit en francais ponr la premiere
fois. Paris. Bailliere. (VIII, 212 S. 12.) 2 fr. 50 c.
Adamaon, R., Schopenhauers Philosophy. [Mind. No. IV. Oct. p. 491—509.]
£* Slottt, (Smericb, b. 3ortfd?ritt im Siebte ber fiefcren ©{bonenbauer'* u. $ar*
urin'*. geinj. ©rodbau«. (X, 189 6. ar. 8.) 4.—
$artmamt, @b. n., grauenftäbt'S UmbilDfl. ber 6*open&auer'f(b. $fritof. [Unfere
3«t XII. «Bd. S. 241—259. 348—362.] 6a>opeiibaueriani3m. u. $eöeliant*m.
in ibr. 6teüfl. 3. b. pWof. Slufeab. b. ©coenro. [$ie ®eaenroart. ©b. X.
M 28. 30. 32.] Schopenhauer et son disciple Frauenstaedt [Revue phi-
losophique de la France etc. L annee. T.L p. 529— 61. T. IL p. 34— 48.]
Hellenbach, L. B., eine Philosophie d. gesund. Menschenverstandes. Gedanken
üb. d. Wes. d. menschl. Erscheinung. Wien. Braumüller. (VIII, 289 8.
gr. 8.) 4. — [Verf. bozeioho. seine Philo«, als eine Abzweigung der 8chopenhauerMhen.}
Kneifer, Fr., Arthur Schopenhauer. [The fortnightly Review. New Series. Vol. XX.
p. 773—792.1
Äatfdjer, Seop., <Sna.lifcbe ©ücfrei ab. $etne u. Sa>open&auer. [ÜJtaaajin f. b. Sit.
b. ftuälanbe*. M 28.]
Zimmern, Helen, Arthur Schopenhauer his life and his philosophy. London
Longmans. (250 S. 8.) 7 sh. 6^.
Schrader, Ernst, Beitrage z. Ortsbestimmung in der Benzolveihe. I.-D. Kgsbg. (Lpz.
Kessler.) (60 S. gr. 8. m. 1 Tat) baar 1. 50.
fcdjraber, ©e&. fte«.* u. $roi>.:6a)ulr. Dr. 3BUb., @uieb^-' u. Untem4t*lefcre f. @bmn.
u. SRealfcbul. 3. Aufl. »erlin. öempel. (XIV, 560 S. ar. 8.) 10.50.
$ie au&erorb. ©eneralfmtobe b. altpreufs. SanbeStircbe u. b. preufe. 6taat<Mefefc
üb. b. cDanfl. Äirdjeiwfajfo. [Deutfdwnanfl. ©lätter. 3^4t. f. b. flefmt. ©eteieb
b. btfd). $rotcftantiemu3. 1. 3Mrö. 6. 7-28.]
Treiber, Gm., bie irbifAe 2Rajeftöt gleicht ber frimmliftfcen. geftprebißt. (Slbinß.
(8 6. 8.) —50.
Schriften der naturforschd. Gesellsch. in Danzig. N. F. 3. Bd. 3. Hft. Danzig 1875.
Anhuth in Gomm. (138 S. Lex.-8. m. eingedr. Holzschn., 1 Steintaf. u. 9
Phototyp. nebst 5 S. Erklär.) 6.— (I— HI.: 64.20.)
der kgl. physikaL-ökon. Gesellsch. zu Königsberg. 17. Jahrg. 2 Abth. Kgsbg.
Koch in Comm. (1. Abth. VIII, 101 S. gr. 4. mit 2 z. Theil color. Steintaf.)
baar n. 6. —
Schröter. Steiner's, Jac., Vorlesungen üb. synthet. Geometrie. 2. Tbl. a. u. d. T. :
Die Theorie der Kegelschnitte, gestützt auf proiect. Eigschftn. . . . bearb. v.
Prof. Dr. Heinr. Schröter. 2. Aufl. Leipzig. Teubner. (XVI, 535 S. gr. 8.
m. 107 Holzschn. im Text (XVI, 535 S. gr. 8.) 14.—
— — Zur Construetion e. äquianharmonisch. Systems. [Math. Annalen. X, 420 — 30.1
Schröter, Paul (aus Braunsb.g), zur Dioptrik d. Auges. l.-D. Berl. (42 S. 8. m. ITafJ
Schröter, Beinhold (aus Braunsbg.), de draconibus Graecarum fabuiarum. Particula I.
Diss. inaug. mythol. Vratisl. (58 8. 8.)
Schubert, B., das Archontat des Diokles. [Hermes. 10. Bd. 8. 447—450.]
04ult, Dr. fyranj, ©ei*i*te ber 6iabt u. b. ttreife* Äulm. 1. 3*1. ©i3 *. & 1479.
Sfd. 1. 2)anjt0. Jtofemann. (4 ©l. 160 6. ar. 8.) 2.-
0$uffef $rof. Dr. ©erm., bie Stetig, b. dyriffcL Glaubend j. beil. 6<btift. 2 apotoaet.
©orrraße. ©raunSbetß. $eter in Gomm. (47 6. gr. 8.) —75.
690 Mittheilungen und Anhang«
C$u(j, Dr. SBernfr., SRea..* u. Sdmlr. in üWarienmerber, bie betitfcfre ©rammati! in ifrr.
©runbjüaen. (Sin fieitfab. beim Unterriajt in b. ÜRtttterfpraä>. 5. 3lufL $aber*
born. 6d)öninab. (176 S. ar. 8.)
Schulz, Fritz, die englische Gregorlegende nach dem Auchinleck Ms. mit Anmerkgn.
u. ansführl. Glossar neu hrsg. Kbg. Hartang in Comm. (IV, 127 S. gr. 8.) 4. —
Schulze, Frdr., üb. die Oscillation zweier nach dem Newton'schen Gesetze einander
abstossend. Punkte, welche auf d. Peripherie ein. Kreis, zu bleib, gezwungen
sind. Dies, inang. Gedani. (Jena. Deistung.) (34 S. gr. 4.) baar ].—
Schwedler, Geh. Ob.-Baur. J. W., u. Geh. Reg.-B. H. Löffler, der Bau d. Eisen-
bahnbrücke üb. d. Weichsel bei Thorn. Ausgeführt in d. J. 1870—73. Mit
17 Kpftaf. u. viel, (eingedr.) Holzschn. Berlin. Ernst & Korn. (18 S. Fol.)
cart. 24. —
ff<$»eicbel, dlob., ber SBiibfcbni&er von 2l*«nfee. Montan. 3. Slujl. 3 2Me in 1 9b.
SBerlin. 3anfe. (460 6. 8.) 3. —
3talienifd?c Blätter. Gbb. 1877 (76). (366 6. 8.) 5.—
Ceemantttorbttimg bom 27. $ec. Ib72. ©efefc, betr. b. $erpjli<fetfl. btf<&. äauffabrtek
fdjiffe sur 9Jtitnabme fcülfSbebürft. Seeleute. SBom 27. £)ec. 1872. Gängig, Sinbufo.
(32 6. 8.) —50.
«ettegaft, £., bie £anbnrirtbf*aft u. it?r ^Betrieb. 3n 3 SBbn. 4. u. 5. £fß. Breslau.
' flow. (2. SBb. 6, 1-128.) a 2.—
6ieffett, $rof. griebr., bie iübildje Smiaaoae gut Qext 3efu. Vortrag. [$er Beweis
be* ©lauten«. 12. 93b. 6. 1—11. 225-23».!
Siegfried, R., die englischen Exchequer Bills. [Zeitechr. f. Kapital u. Rente. 1876.
S. 535>— 540.1
Sierofca, Otto (Lyck), Zu YergUius Aeneis III, 506—520. [Neue Jahrbuch, f. Philol.
113. Bd. S. 77—78.]
Cimfon, Bernb., 3abrbücber be3 gränlifcfren <Reid>3 unt. ßubro. b. grommen. 33b. II:
831—840. Seip*. Wunder & fcumblot. (VII, 321 6. pr. 8.) 7.— (cplt. 15.40.)
Skerlo, Oberl. J. H.t Homerische Verba erläut. 1. Hft: l.oüwfu. 2.<matfr. 3. nopeft'.
Grandenz. Gaebel in Comm. (38 S. gr. 8.)
Skrzeczka, Prof. Dr., Sanitatspolizei und Zoonosen. [Jahresber. üb. d. Leistgn. u.
Fortschr. in d. gesammt. Med. X. Jahrg. 1. Bd. 3. Abth. S. 577—623.]
Scmtenbiirg, 2)ir. Dr. JH., bie franjöf. Konjugation. Slnleita. $v. e. metbob. (Srlernung
ber franjöf. Serben. SRebft metyob. georbn. Uebü$.*Muffl. 2. bb. ftufl. Stanaifl.
3iemffen. (52 6. ar. 8.) —60.
Comten&iirß, gerb., ber Bannerberr »on 3)anaia. (Sine btfefee Stäbteqefcbtcbte. 9Rit 8
fcoliftin.^af.) Bieiefelb 1877 (76). Belbaaen & Älaftnß. (268 6. ar. 16.) 4.—
Gtepljany, 2)ir. Dr. &., bie Bebeuta. ber SanbroirtWdjaftäfcbule u. ibre Steüa. im 3"*
fammenfcana b. aüß. 6d?uU5ieformfraflen. 2)an$. Äafemann. (2 Bl., 32 6. ar. 8.)
Ctiemet, Steuer^nfp. £., üb. b. Dtotbroenbiafrit ber (Sinricbta. t>. JtontrobStationen j.
Uebertoacbfl. b. £anbel3 mit lanb* u. forftnrirtbfcbaftl. Sämereien. Referat in ber
©eneral-Bfmlfl. b. Dftrr. Ibroirtlrfd). (SentraUBeremä ju Äa$ba.. am 16. 3)ej, 1875.
(Äaöba.) (5 81. 4.)
«robbe, Otto, fcanbbu* be$ beutf*en $rumtrea>t3. 2. 93b. 2. Slbtfr. Berlin. fcerfc.
(IV u. 6. 360—645.) 5.60. (I— II, 2: 20.60.)
ffiilb. dbuarb Sllbrecbt. f$lu$ „3m neu. SHeiaV'] fieity. £irjel. (33 6. ar. 8.) —75.
Reurecht u. Vertragsschluss nach älterem deutsch. Recht (2. Tbl.) Leipzig.
(Ankündigung der Feier des Andenkens an Dr. Bernh. Frdr. Rud. Lauhn ?m
3. Mai 1876.) (33 S. 8.)
Strehike, Dr. Wilh., de commentario anonymo in Aristotelis de anima libros con-
scripto. Diss. inaug. Heidelbergensis. Gedani. (Berlin. Calvary & Co.) (80 S.
gr. 8.) 1.60.
Strausberg, Dr., u. sein Wirken, von ihm geschild. Mit e. Photogr. (in qu. 4.) u.
e. (lith.) Eisenbahn-Karte (in qu. Fol.). Berlin. Guttentag. (VIII, 486 S. gr. 8.)
6.— 2. u. 3. Abdr. Ebenso.
CuesqüirifT, $robft $ec. 3oiapI>at eplbefter, 3>cnff*tift. Aaftß. SBraun & 3öeber.
(54 6. ar. 8.) baar —50.
TOMaszeweki, Ant, de Iliadis libro vicesimo quarto. Pars prior. Diss, inang. Jenensis.
Thorn. (Jena. Deistung.) (18 S. 4.) baar —60.
AHpreuseisehe Bibliographie 1876. 691
Totelhftefer, Paul (aus Korellen i. Ostpr.), über den Krebs der Wirbelthiere. L-D,
Jena. (Deistuug.) (36 S. 8.) baar —60.
Treltel, Dr. Tb. (aus Kgsbg.), Beiträge zur pathol. Anatomie des Auges. [Gräfe's
Archiv f. Ophthalmol. 22. Jahrg. Abtb. 2. S. 204—254 m. Taf. II u. HL]
fcHebel, 6em.*$ir. %, ÄateaViSmuSftelien, ©prüdje u. Steberüerfe ju Söoife'jS bibltfa.
•JMftorien. tlbbr. au$ b. 36. SlufL fteue cr^ebl. »erftnb. u. »m. SluSfl. tföaba,.
»on. (39 S. 8.) —20.
Ueberweg'8 Friedr., Grundriss d. Geschichte d. Philosophie. I. Thl. Das Alterthum.
5. Aull. bearb. u. hrsg. v. Prof. Dr. Max Heinze. Berlin. Mittler & Sohn.
(IX, 331 S. gr. 8.) 4.80.
ttpftiie*, Dr. ©arl, Äritit b. (SrtennenS. äBüroiöuna. bet ßrfenntnifetfreorie an @b.
». öartmüim'ö, Ueberroeft'd u. ber alt. u. neu. Scbolaftif. Wünfter. Srunn.
(VIII, 199 S. AT. 8.) 2.50.
Unterhartunpsblätter, Danziger. Red. v. stenogr. Kränzchen zu Danzig. 1. Jahrg.
12 Nrn. (y2 B. gr. 8. autogr.) Danzig. Saunier in Coram. 3.—
»erbt) bu Sernot*, % »., Oberft u. Gpef b. ©eneralftabä b. L »rmee=äotpg in «ba.
»eitraß gum JtneatftrifL Sffit c. $lane. Merlin. Mittler & Softn. (IX, 80 S.
gr. 8.) 1.50.
»eitraa ju b. flabaUerie:Ueba$.*9leifen. ftebft c. (litb.) Äarte. @bb. (XI, 64 6.
ftr. 8.) 1.50.
SSerftanblmtaen be$ 22. $romnjial*Sanbtaöe$ b. $romn3 $reu&en- H&ba.. Wartung.
(480 6. 4.)
— bie, be3 XVIU. GongveffeS f. innere SRiffion gu 2>an3ia, D. 5. bid 7. Sept. 1876.
. . . ©amburfl, Slaentur b. föaub. &auje& (152 S.jflr. 8.) 1.50.
»oelfel, 2Rar. 3- 21 ., u. SUfr. SbomaS, Oberlebr. au b. 9tcalf*. I. Orbn. $u Silfit,
Safcbenroörterbucb b. 2lu$fpracbe fleoan u. biftor. Kamen f. b. aflfl.©Uba$bebürfn.
jfoeftelit. öribelbera.. Söinter. (XII, 175 6. !l. 8.) cart 2.40.
»oiflt, ©eo., 3)tori& r>. 6a*fen 1541—1547. 3Mt $ortr. (in 6taWft.) Seipj. $au*ni|.
(XU, 444 6. öt. 8.) 9.—
Ueb. d. kurbrandenburg. Politik im schmalkaldisch. Kriege. [Berichte üb. d.
Vhdlgn. d. kgl. sächs. Ges. d. Wiss. zu Leipzig. Philol.-histor. Cl. 1875. II.
S. 149—204.]
5)er 95unb beä fcerjooa SRorife ö. Sadrfen mit b. ßabSburQern 1546. [Htdbfo f.
b. 6dd?f. ©ef*. % 8- 3. Sb. 1. oft. ©. 1-104.]
Voigtgast, Kataster-Secret. Heinr., Tafel z. Angabe des Wochentages vom 1. Jan.,
vom Jahre 525 ab bis z. J. 19*5 n. Chr. Geb.; sowohl nach d. Julianischen
als auch nach d. Gregorianisch, beziehgsweise dem verb. Kalender, nebst e.
Anleitg. z. schnell. Bestimmg. des Wochentages von jedem beliebig. Kalender-
tage. Kgsbg. Nürmberger in Comtn. (16 S. gr. 8.) baar —75.
»olf&.Äalenber, oft.- u. toefrpr.. auf b. & 1877. . . . Äbfl. fcartunß. (120 8. 8.) —75.
BolfäFülenbet f. b. ^roüinjen ^reufeen, Sommern, $ofen u. Sdblejien auf b. & 1877.
9. 3abirt- Xty>rn. i'ambed. (196 6. 8.) —75.
Bolfd'&ircjjenseitimg, ebangel. SHeb. u. $r$g.: $farr. Dr. Seemann. 2. Qa&rß. 52 3trn.
(ä y2— l ö. ar. 4.) ÄaSbß. fieijifl. fceinetäborf in Gomm. SBicrtelj. 1.25.
BoWSföiilfreunb, ber. (Sine 3eitföbr., begrünb. n. 6em.s$)ir. X. <5. $rcuf$, . . . brSfl.
d. ftect. ®. Wutter. 40. 3abrg. 26 9hn. (33. qr. 4.) flaSbß. »on. 3.—
Soüfiaum, 3., bie fößentbum&glnfprücbe b. ^irebenaemeinbe 3ut tfßl. 5!apeQe auf bem
$farrbof ju 6t. Marien in S)an3tfl. ©ne ^Introort auf b. 6*rift b. ötn. $farr,
Dr. ^ReDner: Stilen aud b. 2)angia. Itircbenftefdi. 2C u. ^aebtrao 3. b. reebtäbift.
©tubie: „3)er ^farrbof D. 6t.2Rarien suS)anjifl u. feine 5Be»obner tc." 3)anjifl.
1877 C<6). Äafemann. (23 6. ar. 8.) —50.
Wagner, Max, e'tude sur Tusage syntazique dans »La Semaine*, poeme epique de
Du Bartas. I.-D. Kgsbg. Härtung. (59 S. gr. 8.) baar 1. —
Sßalb, Dr. tbeol. 2Mb., ©ebAdjtniBprebiat auf b. $xn. @romunb 9l(er. 6onbermann,
Rwl Gonfifr.<9t. . . . Äa^bg. Oftpr. 3ta$.* u. 83(a«.^r. (14 6. gr. 8.)
SBalearobc, S., ein (Sbaraftertopf. (gerb. Sreiligratb.) [©artenlaube. 45.] gerb, gceilißs
ratb'* Iefet. Xrbeit^immer. [lieber 2anb u. »Uleer. 35.]
Weber, Prof. Dr. Heinr., Theorie a. Abelschen Functionen vom Geschlecht 3. Berlin.
Reimer. (IV, 184 S. gr. 4.) 6.—
692 Mittheilungen und Anhang,
Weber. Bernh. Riemann's gesamm. mathem. Werke n. Wissenschaft! Nachlass, hrsg.
unt. Mitwirkg. v. R. Dedekind von H. Weber. Leipz. Teubner. (VIII, 526 S.
f. 8.) 16. — [cf. Repertor. d. liter. Arb. aas d. Gebiete d. rein. u. angew. Mathem. I. Bd.
Hfl. S. 145—154.]
Ueb. d. Transcendenten zweiter u. dritter Gattung bei den hyperelliptischen
Functionen 1. Ordng. [Crelle's Journal f. d. rein. u. angew. Mathem. 82. Bd.
2. Hft S. 131—144.]
Weehsel-Stempel-Tarff, -neuer dtsch., nach Reichswährg. f. in- und ausländ. Valuten«
Danzig. Anhuth. (qu. gr. Fol.) — 30.
Weiss, Reg.- u. Med.-R. Dr., Zwei gerichtärztl. Gutachten. [Archiv f. Psychiatrie u.
Nervenkrkhtn. VI. Bd. 3. Hft. S. 852—858.1
Weiss, Prof. Dr. Bernh., üb. d. Bedeutg. d. geschichtl. Betrachtg. f. d. neuere Theol.
Rectoratrede. Kiel. Univ.-Buchh. (21 S. gr. 4.) 1.—
Das Matthäusevangelium u. seine Lucas- Parallelen erklärt Halle. Buchh. d.
Waisenh. (VHI, 584 S. Lex.-8.) 15.—
»etiler, 3a*., SWartin Sutber ob. bie SBeibe bec Äraft. W\t ©tnleitß. u. »nnterffln.
Mfl. t). Sultan ©cbmibt. (XVI, 192 6. 8.) [©tbltotfcef b. btfd>. ftationaliirer.
b. 18. u. 19. 3a&rb- 39. 33b. Ceipjig,. 93rod(>au$.] 1.20. aeb. 2.—
99Mä)ert, ßrnft, ©dnifter £anae. Störungen, ©efammelte 9loüeüen. 1. 93b. 3ena.
Sojtenoble. (2 931., 216 6. 8.) (Sin HeineS 93tlb. ©efamm. StoaeOen. 2. 93b.
(2 931. 243 ©.) 4.50.
$ie 3rau für ' bic gBrit ©cbaufpiel in 5 ?luf j. (92 ©. a.r. 16.) Setpjifl. $0.
Dtelam jun. [UnfoerfaP-Bibl. M 736.] —20.
$er Karr be* ®lüd$. £uft|p. tu 5 Slufe. (91 6. ßt. 16.) [6bb. M 746.] —20.
$tc ©timme ber Matur. ©dpaufp. in 4 Siufe. (Sübneii'SRic.) . . . Än*bfl. 3>r.
v. tt. 3. Saltofoefi. (76 6. ar. 8.)
9tor 2L!abrbeit. Noüeüe. [3)eutfd>e 9iunbf*au. 2. 3abtö. 6ft. 4. 3an. ©. 1—36.]
$te Zbeatrrfraae. Ulm neuen Meid). M 51. IL ©. 961—975.]
2Si<$ett, Dr. Jb. % IL, Sbeiträfle 3. tfritif b. Gueüen f. b. ©efeb. Äatf. 2ubtt>. b. Satan.
[Sorfcbunaen g. beuttd). (^efebtebte. 16. #b. 1. oft. 6. 27—82] Ueb. b. 9öaW
i'otbar* HI. jum beutfeb. Äontße. [(*bb. 2. oft. 6. 374—382.] Die Annaien
Hermanns von Nieder-Altaich, eine quellenkritiscbe Untsuchg. [Neues Archiv
d. Gesellsch. f. alt. dtsche Geschichtskunde ... I. Bd. 2. Hft. S. 369—394.]
SSinfelmann, $rof. 6b., üb. bie £crfunft 3>ipolb3 beS trafen 0. Skerra u. derjoa*
r. epoleto. rSorfcbfln. *. btieb. ©efeb. 16. 93b. 1. $|t. 6. 159—163.]
Wisniewski. Thom. (aus Skurcz i. Westpr.), Beiträge zur Lehre vom Aufguss. I.-D.
Marburg. (46 S. 8.)
Wittloh, Prof. Dr. v., u. Prof. Goltz, Hämodynamik u. specielle Nerven-Physiologie.
[Jahresber. üb. d. Leistgn. u. Fortschr. in d. ges. Medic. X. Jahrg. 1. Bd.
1. Abth. S. 262—273.]
2&o(nuttg&9n3eißer, neuer, nebft aQgem. ©efd)äft&2lnjeia.er &. Sangiß u. beff. $or*
ftäbten f. 1876. $anaw. Jtafanann. (VHI, 168, 94, 42 u. 24 6. ßr. 8. mit
lirb. J&raterplan.) cart. baar 8.—
eibinaer f. 1876. Glbina, attei&ner. (87 6. Ser.*8) 3.50.
SBetfe, 9leß.< u. ©cbußR. <L $, aweimal 48 bibl. Siftorien. 36. Bufl. fteue erbebl. wränb.
u. nm.93earbtß. &i$A. »- ©env.$ir. Di-Stiebel. ßbfl. 93on. (IV, 176©. 8.) —50.
Wolfsohn, Salom., üb. d. Wirkg. d. Salicylsäure u. d. salicylsauren Natrons auf den
Stoffwechsel. I.-D. Kgsbg. (Leipz. Kessler.) (34 S. gr. 8.) baar 1.20.
WutzdorfT, Edgar (aus Darkehm.), Beiträge z. Aetiologie der Psoriasis vulgaris. I.-D.
Berlin. (28 S. 8.)
3eitmijL ßrmldnbifcbe. 9Rit b. ^Bocbenbeilaae: 6t. SIbalbertSHatt. V. 3afrtß. Web. u.
Sßcrl. 2)onu>ifar 3ul. <JSol>l. ÜDraundbera. 8Hevtetj. 1.75.
fianb« u. forflmirtbfcb. f. b. norböflf. 2)tf«lb. $r*fl. v. ©. JUeif*. 12. 3abrrt.
Äfl«lbö. 2lcab. 93ucbb- in 60mm. 3.—
Zlppel, Gust., quaestionum illyricarum speeimen. Diss. inaug. Regimonti Pr. (Leipz.
Kessler.) (36 S. gr. 8.) baar 1.50.
3u Scbufc u. Ivnid am ©rabe Scbön^. 93Uber a. b. 3eit b. 6cbma<b u. b. drfcba.. ^reufeen^.
»on e. Oftpreufeen. ßffl. 1-4. Berlin. 3rj. Shmtfer. (VIII, 741 ©. flt. 8.) 12.—
■fj
Periodische Literatur 1876/77. ß93
Periodische Literatur 1876/77.
äeitförtft für bie QSeföiftte imb WterttwinSfiinbe Cttnlanb*. 3m Manien b*S
biftor. SBnemS für @rm(anb bv$fl. *>• Dr. £• Stiel, 3>ombcrr u. ©enerafoitar.
3abr«. 1875 u. 1876. (6. $b. 1. ti. 2. oft. $er flanjen ftolfle 17. u. 18. $ft
reft. 3abra.> Skoun^bera u. £fip*fo 1877. SBerl. n. <Sb.$etcr, (2798. ar.8.)
1. Wulfstans Seekurs für die Fahrten von Schleswig nach Tmso an der wanni-
schon Küste von Preussen im 9. Jahrh. Von Subregcns Dr. Kolberg in Braunsberg.
5. 1—75. 2. Nachtrag üh. die Damerauen. Von demselben. S. 76— 80. 3. Christi.
Lehre and Erziehung im Ermland und im preußischen Ordensstaate während des
Mittelalters. Von Prof. Dr. Franz Hipier. S. 81—183. 4. Wehrverfassung u. Wehr-
verhältnisse des alt*»!) Ermland. Musterungs-Ordnung u. Musterzettel desselben vom
Jahre 1587, Von Generalvikar Dr. A. Thiel; S. 1*4—1:27. 5. Leben des Direktor
Prof. Dr. Lilienthal (t 8. Novbr. 1875). Von Generalvikar Dr. Thiel. S. 228—239.
6. Chronik des Vereins. (1. Vereinssitzgen. «9— 82. Sitzg. S. 240—265. 2. Personal-
bestand. S. 265— 271. 3. Vereinssammlgn. 8. 271—279.) S. 240—279.
Schriften der Natarforsehenden Gesellschaft iu Danzig. Neue Folge. Vierten
Bandes erstes Heft. Danzig. Auf Kosten der Naturforschenden Gesellschaft.
Comm.- Verlag von Theod. Anhuth in Danzig. Druck von F. A. Haiich in
Marienwerder. 1876. Lex.-8.
l.Jahresber. f. 1875 erstatt. vorn Direct. derselb., Prof. Dr. Ball, am 133. Stiftgs-
feste, den 2. Jan. 1876. (8 S.) 2. Mitglieder- Vera. (6 S.) 3. Vera. d. durch Tausch
erworb., d. . angekauft, u. geschenkt. Werke. (12 S.) 4. Ber. d. naturf. Ges. zu Danz.
über d. Entstehg. n. Thätigk. ihrer Scction f. Anthropol., Ethnologie etc. Umfaest
die Zeit vom 1. Mai 1872 Dis 22. Nov. 1876. (73 S.) 5. Die wichtigst. Neuerungen
in d. Krankenbehandlg. von Dr. Abegg. (11 S.) 6. Drei Burgwälle bei Deutsch-Eylau
von Dr. Llssauer. (7 §. m. 1 Taf.) 7. Die Untsuchungen von vaterländ. Alterthüm.
in der Umgegend von Neustettin im Jahre 1875. Von Kasiski, Major a. D. (13 S.
ra. 1 Taf.) 8. Ueb. Brandgräber. Von demselben. ( '3 S. m. 87 Abbildgn auf 5 Taf.)
9. Einige auf die Danziger Canalisations-Anlagen bezügl. chemische Analysen. Vortrag
von Otto Helm. (6 S.) 10. Preussische Spinnen von Prof. A. Menge. IX. Fortsetzg.
S. 455—494 m. PI. 76—81 in photogr. Druck.)
Schriften der physikalisch - ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg.
17. Jahrg. 1876. Abth. 2. Königsberg 187<'. In Comm. bei Wilh. Koch.
(2 Bl., 8. 77—181 u. S. 25—53. gr. 4.)
Beobachtungen der Station zur Messung der Temperatur der Erde in verschiedenen
Tiefen im botanischen Garten zu Kgsbg. i. Pr., Jau. bis Dec. 1875 hrsg. v. Dr.
Ernst Dorn, Prof. extr. in Breslau. S. 77—91. Ueb. d. Lagern ngs Verhältnisse der
bernsteinfuhren d. Schicht am samländ. Weststrande. Von Begierungsrath Mareinowski
zu Kgsbg. S. 93 — 100. Beiträge zur Kenntniss der Bernsteinformation. Von Dr.
A. Jentzsch. I. S. 101-108 (m. Taf. HI. u. IV.) Die geognost. Durchforschg. der
Prov. Preussen im Jahre 1876. "Von Dr. Alfred Jentzsch. S. 109—170 (m. Taf. V.)
Die Makrolepidopteren der Prov. Preussen. Erster Nachtrag von Roh. Qrentzenberg
in Danzig. S. 171—175. Das Relief der Prov. Preussen. Begleitworte zur Höhen-
schichtenkarte. Von Dr. A. Jentzsoh. S. 176—181 (m. Taf. VI.) - Sitzgsberichte
v. Oct. — Dec. 1876. S. 25—36. Ber. für 1876 üb. d. Biblioth. der phys.-ökon.
Ges. von 0. Tischler. S. 37—53.
18. Jahn. 1877. Abth. 1. Ebd. 1877. (VIII, 111 u. 29 S.) Die Erhöhung
der Widerstandsfähigkeit eines Trägers durch horizontale Spannung. Von Prof. Dr.
Saalschutz. S. 1—26. Karl Ernst von Baer. Gedächtnissrede von Prof. Q. Zaddaoh.
S. 27 — 48. Bericht üb. d. 15. Versammig. d. preuss. botanisch. Vereins zn Königb.
i. Pr. am 2. Oct. 1876. Vom Vorstande. S. 49—99. Uaber die grosse indische
Volkszählung von 1872 von Prof. Dr. Hermann Wagner. S. 100—111. — Sitzgsbe-
richte v. Jan. bis Juni 1877. S. 1—29.
694 MiUhei langen and Anhang.
Seitförift für ¥reufiif$t ®ef«t<$re uitb £anbe*!unbe unter SRitmirfung uon
S)ropfen, Wunder, S. u. Se^ebur unb S. r». diank b^(t. t. (Eonfrantm ftogler.
14.3abrfl. San* bis $ecbr.*öft. iM 1-1*2.) Berlin 1877. G. 6. Mittler & 6o&n.
1/2. Der Dichter Günther v. Göcking üb. Berlin u. Preuss. unt Priedr. Wilh. III.
Helnr. Pröhle. S. 1—89. Casparis Peuceri Apologia. Dr. Hermann Mflller. 90—135.
Schluss: 3/4. S. 145—191. — 3/4. Friedr. d. Gr. im Kampf mit Seinem „Scelen-
futteral.« Von E. Gr. Lippe. 192 -204. Zu Schatz und Trutz am Grabe Schön's.
Von Delbrück. 205—217. Die erst. Lebensbeschreibgn. Friedr. d. Gr. Von Dr. Koser.
218—255. Aus e. alt Kircheubuche. Von Dr. M. Krummaoher. 250—258. Bemerkgn.
259—260. — 5/6. Die Aenderg. d. Regierungsvfassg. in Magdeburg im J. 1630. Dr.
Holstein. 261—293. Frdr. d. Gr. u. d. Erbprinz Carl v. Braunschweig, v. Botiin.
294—310. Brandenburgische Politik 1689. Hans Pruiz. 311 -334. — 7/8. Der Bei-
tritt d. Markgrafen Johann von Küstrin zur Reformation. Christian Meyer. 341 — 371.
Das preuss.-russ. Bündniss v. J. 1764. Eduard Reimann. 37* — 407. Der Ber. d.
brandenbg. geh. Räthe üb. d. Huldigg. Wallensteins zu Güstrow 29. März (8. Apr.)
1628. Dr. Friedr. KatL 408—412. Leibnitz als Förderer der preuss. Justizreform-
Bestrebgn. v. 1698. S. Isaacoohn. 413—410. Bemerkg. üb. Joh. Frdr. v. Carrach. Georg
Hille. 417—418. Die alte Bchdruckerei zu Mecklenburg. J. B. Nordhoff. 419—421.
Nachtrag 9/10. S. 639—640. — 9/10. Günther Heilers Pommerische Chronik. Dr.
Heirmann Müller. 437—638. — 11/12. Einiges zum Feldzuge v. 1815. Dr. Delbrück.
644—680. Zwei märkische Urkunden. Dr. Götze. 681—689. Zur Gesch. d. Preussisch.
Beamtenthums. S. Isaacsohn. 690—717. — Neuere Forschgn. z. pr. Gesch. — Aus
d. Veröfftlichgn. d. dtech. Geschichtsvereine.
Schriften der Krakauer Akademie. X. L(iske) giebt in der Histor. Ztschr. hrsg.
v. Sybel N. F. Bd. II. Hft. 2. 1877 S. 360—364 ein kurzes Referat über folgende
fünf Schriften, welche die seit 1872 bestehende, aus der K. K. Krakauer Gelehrten-
gesellschaft hervorgegangene Akademie für d. Jahr 1875 veröffentlicht hat: 1. Pa-
mlejnik akademii umiejeniosol w Krakowie Wydzialy: filologiszny i bistoryczno-filo-
zoficzny (Denkschriften der krakauer Akad. d. Wissenschaften. Philolog. u. hist-
philos. Klasse) Bd. II. (284 S. 4.) Krakau 1875; enthält drei grössere Arbeiten, eine
rein philologische; eine literar.-histor. von Aug. Bielowski (f 12. Okt 1876 in Lem-
berg) Szymon Szymonowic S. 105 — 213 (Biographie und Würdigung des gewöhnl.
unt. d. Nam. Simon Simonides bekannten poln. Dicnters l.r>68 — 1629) u. eine geschicht-
liche von M. Graf Dziedufzycki Abriss einer Gesch. der Kathol. Kirche in Schweden
S. 214—284 (Schluss aus Bd. I.). — 2. Rozprawy i sprawozdania wydz. hist-filoz.
(Abhandlungen n. Berichte d. histor.-philos. Klasse) Bd. 111. (350 u. LXXXIV S.)
Bd. IV. (464 u. XXXVIU S. 8.) Krakau 1876. Bd. III. enthält folgende histor. je
Aufsätze : K. Graf Stadnickl, die Söhne Gedimins (S. 1—75 u. 86—139). Anonym,
d. älteste Krakauer Landgerichtsbuch u. drei ältere aus dem 14. u. dem Anfange
des 15. Jahrh. (S. 76—86). Dr. Pet. Burzynekl üb. die nach d. polnisch. Rechte den
nnehel. Kindern zustehenden Berechtigungen (S. 140—189). Dr. Xav. Liske, die
Tagfahrt zu Posen im J. 1510 (S. 190—350). Verf. hat in einer Hds. der oesolinski-
sehen Bibliothek zn Lemberg den von Seiten d. poln. Bevollmächtigt, in latein.
Sprache abgefaßten Originalrezess der posener Tagfahrt von 1510 aufgefunden, welcher
sich wesentlich von dem von Schütz und Pole (Scriptor. rer. Pruss. V.) in deutscher
Uebersetzung gegebenen unterscheidet; die Abhandlung gehört also ebenso der preussi-
schen, wie der polnischen Geschichte an. — Bd. IV. enthält im Ganzen zwei grössere
hist Arbeiten: Dr. M. Bobrzynski Über die Gründung des höheren u. höchsten Ge-
richtshofs deutschen Rechts auf dem Krakauer Schlosse (S. 1—169). Dr. St Smolka,
die Archive im Grossherzogthum Posen u. in Ost- und Westpreussen (S. 170—464)«
Der Verf. hat im J. 1874 im Auftrage der histor. Kommission der Krakauer Akad.
die posener u. preussischen Archive bereist; er giebt hier einen ausführlichen u. mit
Sachlcenntniss und Gründlichkeit abgefassten Bericht über die in diesen Archiven für
die polnische Geschichte enthaltenen Materialien. Beschrieben sind hier folgende
Archive und Bibliotheken: das posener Kapitelarchiv, das gnesner Kapitelarchiv, das
gnesner Konristorialarchiv u. die gnesner Kapitelbibliothek, das Archiv der Abtei der
canonicorom regularium in Trzemeszno, das posener Staatsarchiv, — in Thorn: das
Stadtarchiv, das tabularium terrarom Pruasiae n. endlich das Danziger Stadtarchiv.
Nachrichten. £95
Die Beschreibung der Königsberger Archive ist für den nächsten Band versprochen. —
3. Scriptores rerum polonicarum Tom. III. continet: Stephani Francis« Medeksza
commentarium rerum ab anno 16.54 ad annum 16(58 in Lithuania gestarum edid.
Wl. Seredyiiski. Cracoviac 1875. (XXV, 526 S. 8.) 4. Monumenta medli aevi historica
res geatas Poloniae illustrantia. Tom. III. continet: Codicem diplomaticum Poioniae
Minoris 1 178— 1386 (ed. Fr. Piekosiiiski). Cracoviae 1873. (XIV, 552 S. Imp. 8.)
5. Statuta synodalia episcoporum cracoviensium XIV et XV saecnli c codieibns manu-
scriptis typis mandata, additis statutis Vielunii et Calissii a. 1420 conditis, edid.
Udalricus Heyzmann. Cracoviae 1875. (XVI, 290 S. 4.)
Nach den »Nivellements und Höhenbestimmungen der leg). Preussisch: Landes-
Aufnahme von Morozowicz, Gen.-Lieut. u. Chef der Kgl. Preuss. Landes- Aufnahme,
Berlin März 1877* hat sich eine ganz andere Höhenbeschaffenheit der Provinz
Preussen östlich der Weichsel herausgestellt, als nach älteren Annahmen erwartet
werden musste; diesen entsprechend sollte der höchste Punkt jenes Landestheiles
mit etwa 600 Par. Fuss in der Gegend des Dorfes Lahna nördlich Neidenburg, in
der Nähe der* Quellen der Alle und Passarge zu finden sein; es ergab sich aber, dass
der höchste Theü der Provinz in einem förmlichen Gebirgsstock besteht, der bis
1000 Fuss zwischen Löbau und Gilgenburg aufsteigt.
[Petermann's Mitthlgn. 23. Bd. VII, 249 ff.]
y. Schwetz, 20. Septbr. Der Schwetzer Kreis ist bekanntlich reich an Denk-
mälern der Vorzeit. Neuerdings ist dem AI terthums- Verein in Marienwerder von
hier ein Bericht über den sogenannten »Teufelstein* zugesandt worden, der im
Hauptsächlichsten nicht uninteressant sein dürfte. Das merkwürdigste Denkmal aus
der Zeit des Heidenthums ist uns wahrscheinlich in dem gewaltigen Granit block auf-
bewahrt, der in der Königl. Forst zwischen der uralten Burgstätte Groddek und dem
Rittergut Bellno auf einem Hügel liegt. Der Stein misst 28 Schritt im Umfange
und 8 Fuss in der lichten Höhe, hat nach Osten und Süden die Gestalt eines Würfels,
und die Gleichmässigkeit der Fläche lässt auf künstliche Bearbeitung schliessen. Nach
Norden ist die ursprüngliche Form durch Absprengung eines ansehnlichen Stückes,
das auf dem Boden liegt, zerstört. Die Westseite ermöglicht durch einen stufen-
artigen Absatz die Besteigung des Scheitels, der etwa 8 Fuss im Quadrat und Ein-
höhlungen bat, welche an Opfersteine erinnern; rund umher bilden einzelne hervor-
ragende kleine Steine einen ziemlich vollständigen Kreis. Auffallend ist der lichte
Streif an der Westseite, wo der sonst bemooste Granit in hellem Roth schimmert.
Generationen von Hirtenkindern haben diesen Streifen polirt, indem sie den Stein erst
erstiegen und dann vergnüglich herabrutschten. Das Volk kennt aber den alten Block
nur als »Tenfesltein«. [Neue Westpr. Mittheilgn. v. 22. Sep. 1877. No. 148 (Beil.)]
X Thorn, 13. Dezbr. 1877. Vorgestern hielt die archäologische und historische
Abtheilung des hiesigen polnischen wissenschaftlichen Vereins eine Versammlung ab.
Es eröffnete sie der Vorsitzende dieser Abtheilung Herr Sigismund v. Dzialowski-
Mgowo, der zuerst einige heisse Worte zum Ged&cntniss an die in letzter Zeit ge-
storbenen Mitglieder sprach und dann den Verlust erwähnte, den die Literatur durch
den Tod des Mauricius Mann, August Bielowski, Prälat Johann Kozmian, Podczas-
zynski und besonders durch Lucian Siemienski erlitten hat. Um die Verdienste des
Letzteren anzuerkennen, wird der Vorsiteende auf eigene Kosten eine Marmortafel
im Verein&local aufstellen lassen. Die Versammlung wählte zwei Mitglieder aus ihrer
Abtheilung in die Commission, welche die Jahrbücher des Vereins redigiren soll.
Hierauf verlas Dr. Rozvcki aus Thorn eine Abhandlung über das häusliche Leben
in der Türkei und Professor Kiyot aus Pelplin eine Abhandlung über die Gründung
des Klosters Carthaus, an dessen Beschreibung der Vorleser gegenwärtig arbeitet
Geistlicher Gapinski aus Nawra berichtete über die Lage von Wyszogrod und bewies,
dass dessen Ruinen nicht zwischen derBrahe und Fordon, sondern bei dem heutigen
696 Mittheilungen und Anhang.
Strzelde liegen. Schliesslich sprach der Russe Ossowski über die Öffentlichen und
Privat-Museen in Westpreussen : über das Danziger Museum, das Mnseura des Coper-
nikus- Vereins in Thorn und über das Museum des historischen Vereins in Marien-
werder. Das letzte« obgleich das jüngste, ist musterhaft geordnet und bezeugt sehr
gut die Kenntniss des gegenwärtigen dortigen Vorsitzenden. Wegen der vorgeschritte-
nen Zeit musste der weitere Vortrag dieses Berichts für später verlegt werden.
[Neue Westpr. Mitthlgn. v. 15. Dec. 1877. No. 196].
Soldau, 13. Decbr. 1877. Durch ein Schreiben des Oberpräsidenten an den
Magistrat erhalten wir die erfreuliche Aussicht, dass die seit geraumer Zeit nöthige
Reparatur des hiesigen alten Ordcnsschlosses demnächst erfolgen und der Stadt und
Provinz das ehrwürdige Bauwerk erhalten werden wird. (6.)
[Danz. Ztg. v. 15. Dec. 1877. No. 10,708.]
Das Buchhändler Börsenblatt v. 2l>. Nov. 1877. No.274 berichtet: »Im Laufe
des Decemb. c. erscheint im Verlage der gräflichen Komiker Bibliothek der erste
Band eines Codex diplomaticus Majori* Poloniae hrsg. durch die Gesellschaft der
Freunde der Wissenschaften zu Posen. Derselbe umfasst in ca. 80 Bog. Lex.-Format
theils schon gedruckte, theils neu gesammelte 616 Documente aus den Jahren
984 — 1287. Gegen Franco-Einsendung des nur bis zum 15. Januar 1878 andauernden
Pränumerationsbetrages von 8 Mark wird das Werk sofort nach Fertigstellung ver-
sendet von der J. J. Kraszewski'schen Buchdruckerei (Dr. W. tebiriski) in Posen.4
Bei Emil Wlebe in Lyck erschien und ist in allen Buchhandlungen zu haben
„Handbuch der Geschichte der deutschen Litteratur zugleich ein Wegweiser für die
Lektüre auf dem Gebiete des Lyrischen und Lyrisch-Epischen. Von W. C. Gortzitza,
Professor am Gymnasium zu Lyck.* (35 Bogen gr. 8.) Preis 7 Mk. 50 Pf. Das
Werk berücksichtigt vorwiegend die neuere und neueste Litteratur und zeichnet sich
durch Freisinnigkeit, Unparteilichkeit nnd acht deutsche Gesinnung, sowie durch
Uebersichtlichkeit und relative Vollständigkeit aus. Wir behalten uns ausführlichere
Mittheilung darüber vor.
Qne Reliquie von Herder. Unter diesem Titel veröffentlicht Hermann Uhde
in den »Hamburger Nachrichten eine Bede, welche zu Neujahr 1802 in der Ham-
burger Loge gehalten wurde. Der Redner war der berühmte Tragöde Friedrich
Ludwig Schröder; er wählte als Thema „die Bedeutung der Ehe" und. wandte sich
an den ihm befreundeteu Herder, der ebenfalls Freimaurer war, mit der Bitte, ihm
das Manuscript einer Bede oder Predigt über denselben Gegenstand zu überlassen.
Herder besaas ein solches Manuscript nicht, entwarf aber bereitwilligst eine Bede.
Diese hat Schröder augenscheinlich, wie Uhde bemerkt, unverändert benutzt und nur
etwa Einleitung und Schluss hinzugefügt. Die Danziger Zeitung v. 5. Jan. 1878
No. 10737, der wir diese Notiz entnehmen, theilt die Bede ausführlich mit
Berichtigungen und Zusätze«
Ergänzende Bemerkung zu Altpr. Monatsschr. Bd. XIII, S. 688. Ueber Denkmünzen
auf den König Friedrich IL, auf denen derselbe als FBED. III bezeichnet wird,
ist in Bd. VI. S. 553 ausführlich gehandelt worden. N.
Bd. XIV. S. 172 Z. 9 — 6 v. u. muss es heissen: »In 864 erhalten wir die erste
Verbindung einer preussischen Stadt mit der Hansa, es ist Thorn, das am
21. Septbr. 1280 sein Bedauern ausspricht, sich den Beschlüssen des deutschen
Kaufmanns in Flandern nicht anschliessen zu können/
I. Autoren-Register.
Auger, Dr. Gvmnasialoberlehrer in Elbing, Ueber die Lage von Truso und über
die Möglichkeit, dieselbe wieder aufzufinden. 613— ''»22.
Betaelm-Schwarzbach, Dr. Max, Director am Pädagogium in Ostrowo bei Filehne,
Colonisatorisches ans Ostpreussen. 1—37.
Bezzenberger, Dr., Adalbert, Privatdocent in Göttingen, Eine neugefundene litauische
Urkunde vom Jahre 1578. 459—475.
Bobrik, Dr. Benno, Stabsarzt in Königsberg, Immanuel Kant's Ansichten über das
weibliche Geschlecht. 5*J3— 612.
Curtze, Maximilian, Gymnasiallehrer in Thorn, Neue Gopernicana aus Upsala. Vor-
trag, gehalten im Copernicus- Verein zu Thorn am 4. Juni 1877. 476—482.
Dabo, Dr. Felix, Universit&tsprofessor- in Königsberg, Heoension. 626—629. <
Esca, (Pseudon.) Recension. 483—484.
Ewald, Dr. Albert Ludwig, Universitätsprofessor in Halle. Zu Drnmann's Bio-
graphie. 600—503.
Heyer, Dr. Franz, Gymnasialoberlehrer in Bartenstein, Zwei Masurische Volkslieder.
188—189.
Hölilbaani, Dr. Konstantin, Privatdocent in Göttingen, vorläufige Mittheilung aber
eine Preussenfahrt des Fürsten von Henne^au im 14. Jahrhundert. 671—672.
HoflVnanii, Dr. Hermann, Lehrer an der Pro vinzial- Gewerbeschule in Königsberg,
Der ländliche Grundbesitz im Ermlande von der Eroberung Preussens durch
den deutschen Ritterorden bis zum Jahre 1375. 51 — 100. 193—250.
Hoppe, Ferdinand, Gymnasialoberlehrer in Gambinnen, Ortsnamen der Provinz
Preussen. IV. 38—46. V. 399—418.
Jordan, K. A., wei.and Superintendent in Ragnit, ein Gedicht von Schiller in li-
tauischer Uebersetzung. 673—674.
Kefrzynski. Dr. Wojciech. Direktor des Ossolinskfschen Nationalinstituts in Lern-
berg, Ueber die Verleihung Poinmerellens an Herzog Przemysiaw von Gross-
Polen 1*2. 567-571.
Lohmeyer, Dr. Carl, Universitätsprofessor in Königsberg, Zwei den preussischen
Geschichtsschreiber Lucas David betreffende Briefe. 372—375.
Zu Drumann's Biographie. Nach Mittheilung des Prof. A. Ewald. 500—503.
Maller, Robert, Privatgelehrter in Berlin, Urkunden zur Geschichte der ständischen
Versammlungen in Königsberg im Januar und Februar 1813, betreffend die Er-
richtung der Landwehr. Nach den Akten der Ostpreussischen General- Land-
schaft und des Oberpräsidiums der Provinz Preussen herausgegeben. (Fortsetzung.)
101—161. 318 -)3W.
Nessel mann. Dr. Georg Heinr. Ferd., Universitätsprofessor in Königsberg, ein Ge-
dicht von Schiller in littauischer Uebersetzung mitgetheilt als literarisches Ver-
mächtniss eines theuren Verstorbenen. 673—674.
Neu mann. F., weiland Stadtältester in Elbing. Die älteste litauische Chronik. Aus
dem Russischen übersetzt. Herausgegeben von Dr. M Toppe u. 419—458.
Perlbach, Dr. Max, Bibliotheks-Custos in Greifawali, Der Verein für hansische
Geschiebte und die Bedeutung seiner Publikationen für die Provinz Preussen.
Von M. P. 168—176.
Becensionen. 340—349. 354—355.
698 H* Sach-Register.
Reusen, Dr. Albert, Gymnasialprofessor in Elbing, Johann Arnos Comonius in Elbing.
47—50.
Rogge, Adolf, Pfarrer in Darkemen, UrpreuBsen (das erste Bach aas dem Mann-
script einer Kirchengeschichte der Provinz Prenssen probeweise mitgetheilt).
251—296.
Recension. 352—353.
Schalte, Dr. Franz, Gymnasial-Oberlehrer in Culm, Zu Herrn Dr. Perlbach's Kritik.
515—516.
Einiges über Torstädtische Gerichtsbarkeit. 521—535.
Strebitaki, Dr. Johannes, Gymnasial-Oberlehrer in Neustadt i. Westpr., Der grosse
Aufruhr zu Danzig im Jahre 1525. 536—566.
Saphan, Dr. Bernhard, Oberlehrer am Friedrichs -Werderschen Gymnasium in
Berlin, Friedrich der Grosse, »ein Mehrer des Reichs* im Osten. 572—584.
Toeppen, Dr. Max, Gymnasial -Director in Marienwerder, Die älteste litauische
Chronik. Ans dem Rassischen übersetzt von F. Neumann herausgegeben.
Recension. 623—625.
Wiehert, Dr. Theodor, Privatdocent in Königsberg, Aus der Correspondenz Herzog
Albrechts von Prenssen mit dem Herzog Christoph von Wirtemberg. 385—398.
n. Sach-Eegister.
Albrecht — Aas der Correspondenz Herzog A — s von Preussen mit dem Herzog
Christoph von Wirtemberg. 385—398.
Alterthumsgesellschaft in Elbing. 363—365. 634—639. — A. Prussia in Königs-
berg. 176—187. 365—371. 4ö8— 499. 640-670.
Alterihumskunde — Bestrebungen aaf dem Gebiete der A. der Provinz West-
preassen. 484—488.
Altpreussische Bibliographie 1876. 506-515. 676-692.
Anthropologische Gesellschaft zu Danzig. 484—488. 629—634.
Allerewald — Der 24. Janaar 1813 in Königsberg. Nach den Papieren des
Ministers Theodor von Schön and dem Tagebach des Landhofmeisters von A.
297—317.
Aufruf Kant's Rahestatte betreffend. 384.
Aufruhr — Der grosse A. in Danzig im Jahre 1525. 536—566.
Berichtigungen and Zusätze. 696.
Bibliographie — Altpreussische B. 506—515. 676—692.
Biographie — Zu Drumann's B. 500-503.
Braunsberg — Lyceum Hosianum in B. 506.
Briefe — Zwei den preussischen Geschichtsschreiber Lucas David betreffende B.
372-375.
Briefkasten der Redaction. 520.
Chronik — Die älteste littauische C. 419-458. — Üniversitats-C. 1877. 189.
505-506. 675—676.
Colon! satorisehes aas Ostprcussen. 1—37.
Comenius — Johann Arnos C. in Elbing. 47—50.
Copernicana — Neue C. aas Upsala. 476—482.
Correspondenz — Aus der C. Herzog Albrechts von Prenssen mit dem Herzog
Christoph von Wirtemberg. 385—398.
Dauibttzen — Mittheilungen über eine Ausmessung des Seeteiches bei D. 503 — 505.
Danzig — Der grosse Aufruhr in D. im Jahre 1525. 536—566. — Anthropolo-
gische Gesellschaft zu D. 484—488. 629—634.
David — Zwei den preussischen Geschichtsschreiber Lucas D. betreffende Briefe.
372—375.
EL Saea-Kegietor. $99
Dramann — Zu D— 8 Biographie. 500—503.
Elbing — Jobann Arnos Comenius in £. 47—50. — Alterthumsgesellschaft in E.
363—365. 634—639.
Entgegnung von Voelkel and Thomas. 517—520.
Ermland — Der ländliche Grundbesitz im E— e von der Eroberung Preussens durch
den deutschen Kitterorden bis zum Jahre 1375. 51 — 100. 193 — 250.
Fichte — Zu Joh. Gottl. tf— s erstem Aufenthalt in nnserer Provinz. 673.
Friedrich der Grosse, »ein Mehrer des Reichs4 im Osten. 572 — 584.
Gerichtsbarkeit — Einiges über vorstädtische G. 521—535.
Grandbesitz — Der ländliche G. im Ermlande von der Eroberung Preussens durch
den deutschen Bitterorden bis zum Jahre 1375. 51—100. 193 — 250.
Gesellschall — Alterthumsg. in Elbing. 363—365. 634-639. — Alterthumsg.
Prussia in Königsberg. 176—187. 365—371. 488—499. 640—6T0.
Hansisch — Der Verein für h— e Geschichte und die Bedeutung seiner Publicationen
für die Provinz Preussen. 168— 17ti.
Hennegaa — Vorläufige Mittheilung über eine Preussen&hrt des Fürsten von H.
im 14. Jahrhundert. 671—672.
Hosianum — Lyceum H. in ßraunsberg. 506.
Jahresbericht des Vereins für die Geschiente der Provinz Preussen für das Ver-
einsjahr von Ostern 1876 bis Ostern 1877, 360-3>>2.
Janaar — Der 24. J. 1813 in Königsberg. Nach den Papieren des Ministers
Theodor v. Schön und dem Tagebuch des Landhofmeisters v. Auerswald. 297—817.
Kant — Immanuel K — s Ansichten über das weibliche Geschlecht 593 — 612. —
K— s Ruhestätte (Aufruf). 384.
Karte — topographische K. von Preussen. 675.
Kirchengeschichte — Urprenssen (das erste Buch aus dem Manuscript einer K.
der Provinz Preussen probeweise mitgetheilt.) 251—296.
Königsberg — Urkunden zur Geschichte der ständischen Versammlungen in K. im
Januar und Februar 1813, betreffend die Errichtung der Landwehr. 101—161.
318—339. — Der 24. Januar 1813 in K. 297-317. — Alterthumsgesellschaft
Prussia 1876. 176—187. 365— .71. 488-499. 640—670. — Universitäts-Chronik
1877. 189. — 50ü— 506. — 675—676.
Landberg — Der preussische L., das älteste Komowe. 585 — 592.
Landwehr — Urkunden zur Geschichte der ständischen Veraammlungen in Königs-
berg im Januar und Februar 1813, betreffend die Errichtung der L. 101 — 161.
318—339.
Litauisch — Die älteste 1 -e Chronik. 419—458. — Eine neugefundene 1— e Ur-
kunde vom Jahre 1578. 459 — 475. — Ein Gedicht von Schüler in 1— er Ueber-
setzung. 673—674.
Literatur — Periodische L. 1876/77. 190—192. 376—384. 693—695.
Lölilein — Die Partitur zu Georg Simon L— s »Todtenfeier«. 672—673.
Lyceum Hosianum in Braunsberg 1876/77. 506.
Masurisch — Zwei M— e Volkslieder. 188—189.
Nachrichten. 376. 515. 695—696.
Ortsnamen der Provinz Preussen. IV. V. 38-46. 399—418.
Ostpreussen — Colonisatorisches aus 0. 1—37.
Periodische Literatur 1876/77. 190—192. 376—384. 693—695.
Polen — Ueber die Verleihung Pommerellens an Herzog Przemyslaw von Gross-P.
1282. 567—571.
Pommerellen — Ueber die Verleihung P— s an Herzog Przemyslaw von Gross-
Polen 1282. S. 567—571.
Preussen — Aus der Correspondenz Herzog Albrechts von P. mit dem Herzog
Christoph von Wirtemberg. 385—898. — Urpreussen (das erste Buch aus dem
Manuscript einer Kirchengeschichte der Provinz P. probeweise mitgetheilt).
251—296. — Topographische Karte von P. 675. — Ortsnamen der Provinz P.
IV. V. 38—46. 399 — 418. — Jahresbericht des Vereins für die Geschichte der
Provinz P. für das Vereinsiahr von Ostern 1876 bis Ostern 1877. 360—362.
Preussenfahrt — Vorläufige Mittheilung über eine P. des Fürsten von Hennegau
im 14. Jahrhundert. 671—672.
700 D* S*ch-Begister,
Prenssisch — Der p — e Landberg, das älteste Bomowe. 585 — 592
Prussia — Alterthums- Gesellschaft P. 176—187. 365—37!. 488—499. 640—670.
Przemysfaw — Ueber eie Verleihung Pommerellens an Herzog P. von Gross-
Polen 1282. S. 567—571.
Rezensionen: Dr. Franz Hipler, Christliche Lehre und Erziehung in Ennland
und im ureussischen Ordensstaate während des Mittelalters. 162 — 165. — Der-
selbe, die Cholegraphie des Joachim Rheticus. 166 — 167. — F. Hoppe,1, Orts-
namen des Regierungebezirks Gumbinnen. Von Adolf Rogge. 352—353. —
Carl A. Krüger, Geschichtsbilder für Volksschulen. Von Es ca. 483—484. —
Wilh. Mannhardt, Wald- und Feld-Kulte. Theil 1. 2. 626—629, — G. A.
von Mülverstedt, geschichtliche Nachrichten aus dem Geschlecht von Gau-
decker. 623 — H25. — Dr. Hans Prutz, Quellenbeiträge zur Geschichte der
Kreuzzüge. Von M. Perlbach. 354—355. — Prof. A. Keusch, Wilhelm
Gnapheus, der erste Rector des Elbinger Gymnasiums. 349 — 352. — Dr. Fran z
Schultz, Geschichte der Stadt und des Kreises Kulm. Von M. Perl ba eh.
340- 349. — Voelkel und Thomas, Taschenwörterbuch der Aussprache geogra-
phischer und historischer Namen. Von }) 355 — 300.
Romowe — Der preussische Landberg, das älteste R. 5*5—59*2.
Schiller — Ein Gedicht von S. in littauischer Uebersetzung. 673—674.
Schön — Der 24. Janaar 1813 in Königsberg. Nach den Papieren des Ministers
v. S. und dem Tagebuch des Landhofmeisters v. Auerswald. 297 — 317.
Schulbildung — Uebei sieht der bei dem Landheer und der Marine iu den Ersatz-
jahren 1374 — 77 eingestellten Preussischen Mannschaften mit Bezug auf ihre S.
674.
Seeteich — Mittheilungen über eine Ausmessung des S — s bei Dambitzen. 503—505.
Ständisch — Urkunden zur Geschichte der 8— en Versammlungen in Königsberg
im Januar und Februar 1813, betreffend die Errichtung der Landwehr. 101 — 161.
318—339.
Topographische Karte von Preusseu. 675.
Truso — Ueber die Lage Ton T. und über die Möglichkeit dieselbe wieder auf-
zufinden. 613—622.
UnlversitÄts-Chronik 1877. 189. 505— 50<i. 675-676.
Upsala — Neue Copernicana aus U. 476 — 182.
Urkunde — Eine neugefundeue litauische U. vom Jahre 1578. 459 — 475. —
U- n zur Geschichte der ständischen Versammlungen in Königsberg im Januar
und Februar 1813, betreffend die Errichtung der Landwehr. 101—161. 318—339.
Urpreusaen (das erste Buch aus dem Manuscript einer Kirchengeschichte der Pro-
vinz Preussen probeweise mitgetheilt). 251 — 296.
Verein — Der V. für hansische Geschichte und die Bedeutung seiner Publicationen
für die Provinz Preussen. 168 — 176. — Jahresbericht des V — s för die Geschichte
der Provinz Preussen für das Vereinsjahr von Ostern 1876 bis Ostern 1877.
360—362.
Versammlungen — Urkunden zur Geschichte der ständischen V. in Königsberg im
Januar und Februar 1813, betreffend die Errichtung der Landwehr. 10 t — 161.
31g 339.
Volklieder — Zwei Masurische V. 188—189.
Vor^tftdtisch — Einiges Über v — e Gerichtsbarkeit. 521 — 535.
Westpreussen — Bestrebungen auf dem Gebiete der Alterthumskunde der Provinz
W. 484 — 488. — Friedrich der Grosse, »ein Mehror des Reiche* im Osten.
572-584.
Wirteuiberg — Aus der Correspondenz Herzog Albrechts von Preussen mit dem
Herzog von W. 385—398.
Znsfttze — Berichtigungen und Z. 696.
Gedruckt in der Albert Rotbaoh'eohen Bnehdraekerei in Königsberg.